Diplomarbeit, 2010
74 Seiten, Note: 1,7
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Problemstellung
1.2. Zielsetzung
1.3. Vorgehensweise
2. Begriffserläuterung
2.1. Quantitative und qualitative Merkmale von KMU
2.2. Definition Forderung im rechtlichen und wirtschaftlichen Sinne
2.3. Definition Forderungsmanagement
2.4. Definition Insolvenzverfahren
3. Interne Risikofaktoren für das Entstehen von Liquiditätskrisen
3.1. Fehlendes Forderungsmanagement
3.2. Mangelnde Liquidität
3.3. Mangelnde Eigenkapitalausstattung
3.4. Verspätete Managemententscheidungen
3.5. Fehlende Kommunikationswege im Unternehmen
3.5.1. Finanzcontrolling
3.5.2. Vertriebsmanagement
3.5.3. Marketing
4. Externe Risikofaktoren für das Entstehen von Liquiditätskrisen
4.1. Schlechte Zahlungsmoral der Kunden
4.2. Forderungsausfälle
4.3. Risiken bei Auslandsgeschäften
5. Folgen unzulänglichen Forderungsmanagements
5.1. Schlechtes Unternehmensrating - Basel II
5.2. Insolvenzverfahren
6. Unternehmensinternes Forderungsmanagement
6.1. Ermittlung der Liquiditätslage
6.2. Laufende Buchführung
6.3. Risikomindernde Vertragsgestaltung
6.4. Vereinbarung von Sicherheiten
6.4.1. Eigentumsvorbehalt
6.4.2. Bürgschaft, Sicherungszession, Bankgarantie
6.4.3. Abschlagszahlungen
6.5. Bonitätsprüfung
6.5.1. Interne Informationsquellen
6.5.2. Externe Informationsquellen
6.5.3. Risikobeurteilung
6.6. Zeitnahe Fakturierung
6.7. Mahnwesen
6.8. Gerichtliches Mahnverfahren
7. Unternehmensexternes Forderungsmanagement
7.1. Beauftragung eines Inkassodienstleisters
7.2. Warenkreditversicherung
7.3. Outsourcing des Forderungsmanagements
7.4. Factoring / Forderungsverkauf
8. Implementierung des Forderungsmanagementsystems in die Unternehmensstruktur
8.1. Kleinst- und Kleinunternehmen bis 20 Mitarbeiter
8.2. Kleinunternehmen bis 50 Mitarbeiter
8.3. Mittelgroße Unternehmen bis 250 Mitarbeiter
9. Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Ganzheitliches Forderungsmanagement
Abb. 2: Übersicht Insolvenzverfahren
Abb. 3: Betroffene Branchen - Probleme mit dem Zahlungsverhalten ihrer Kunden
Abb. 4: Ablauf eines Dokumenteninkassos
Abb. 5: Erste Mahnung
Abb. 6: Zweite Mahnung
Abb. 7: Übersicht über die Arten der Zwangsvollstreckung
Abb. 8: Factoring
Abb. 9: Auswertung Factoring-Rechner V
Abb. 10: Wertschöpfungskette und Unternehmensteilbereiche von Kleinst- und Kleinunternehmen bis 20 Mitarbeiter, Struktur in mind. 50 % der Unternehmen in dieser Unternehmensgröße
Tab. 1: EU-Definition der Unternehmenskategorien
Tab. 2: Forderungsausfälle wirken direkt auf das Unternehmensergebnis
Tab. 3: Übersicht Insolvenzen, betroffene Arbeitsplätze, Gesamt-Insolvenz- schaden
Tab. 4: Basiszinssatz seit dem 01.01.2008 bis zum 31.12.2010
Tab. 5: Gegenüberstellung Inkassounternehmen / Rechtsanwalt
Tab. 6: Eigenständige Teilbereiche in mindestens 50 % der Unternehmen einer Größenklasse
Tab. 7: Forderungsmanagementkonzept für KMU
Im ersten Halbjahr des Jahres 2010 verzeichneten die deutschen Amtsgerichte bereits 17.360 Unternehmensinsolvenzen. Damit bleibt die Zahl der Neuanträge weiterhin auf einem hohen Niveau. Gegenüber dem Vorjahr stiegen die Unternehmensinsolvenzen in der ersten Jahreshälfte nochmals deutlich um 7,1 Prozent an. Die Verluste und Schäden im ersten Halbjahr des Jahres 2010 wurden auf 14,7 Mrd. Euro geschätzt. Damit lag das Schadensniveau rund 6,1 Mrd. Euro unter dem des Vorjahreszeitraums, als viele Großinsolvenzen einen Schaden in Höhe von ca. 20,8 Mrd. Euro verursachten. Unge- fähr 155.000 Arbeitsplätze waren infolge von Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2009 betroffen.1 Eine Unternehmensinsolvenz deutet auf eine, wie auch immer gelagerte, Fehlentwicklung im Unternehmen hin. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, welche Faktoren für das Entstehen einer Insolvenzsituation in kleinen und mittelständischen Unternehmen verantwortlich sind, die letztendlich zu einer Einstellung der Unterneh- menstätigkeit führen können. Es ist zu prüfen, welche Präventivmaßnahmen frühzeitig ergriffen werden können, um das Risiko einer Insolvenzsituation eingrenzen bzw. ab- wenden zu können.
Hinter jedem einzelnen Regelinsolvenzverfahren verbirgt sich das Schicksal eines Un- ternehmens, verursacht durch Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, wodurch schlimmstenfalls die Unternehmenstätigkeit gänzlich eingestellt und beschäftigte Ar- beitnehmer freigesetzt werden müssen. Volkswirtschaftlich gesehen sind die Schäden durch Insolvenzen für den Staat beachtlich, da mit jeder Einstellung der Betriebstätig- keit auch die Arbeitslosenquote steigt und dadurch die bekannten Folgekosten entste- hen. Zentrale Gründe für das Entstehen von Unternehmensinsolvenzen wurden gemäß einer Studie der A.T. Kearney GmbH mit 23 Prozent in der Abhängigkeit von Lieferan- ten und Kunden, mit 38 Prozent in mangelnder Liquidität und mit 34 Prozent in verspä- teten oder nicht konsequenten Reaktionen des Managements gesehen.2 Je stärker die Abhängigkeit von Lieferanten oder Kunden ist, desto größer ist auch das Risiko einer spontanen Liquiditätskrise in kleinen und mittelständischen Unternehmen bei Zahlungs- verzug oder gar Forderungsausfall. An sich gesunde Unternehmen können durch den entstehenden Liquiditätsengpass in die Insolvenz geraten.3 Aber auch aufgrund steigen- den Wettbewerbs und immer aggressiver werdender Marketingkonzepte geraten immer mehr Unternehmen in Liquiditätsschwierigkeiten. Durch das Gewähren von Null- Leasing oder das Erteilen von Sofortkrediten werden auch nicht solvente Kunden zum Kauf angeregt. Die Gefahr birgt sich hier in der schlechten Zahlungsmoral und den stei- genden Verbraucherinsolvenzverfahren. Häufig lassen sich Außenstände gar nicht oder nur zu einem Teil realisieren.4 Die Liquidität eines Unternehmens ist jedoch zwingende Voraussetzung zur Durchführung strategischer und operativer Maßnahmen. Fehlt es an Liquidität, so ist nach geltendem Recht ein Insolvenzgrund gegeben, da zwingend fällige Zahlungsverpflichtungen zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr uneinge- schränkt erfüllt werden können. Eine Liquiditätskrise resultiert häufig auch aus einer früher begründeten Strategiekrise. Liquiditätsmanagement wäre auf den Verlauf einer solchen Krise wirkungsbezogen. Wie später noch herausgestellt wird, verfügen KMU über unzulängliche oder gar keine Forderungsmanagementsysteme. Krisen werden im Unternehmen häufig erst viel zu spät erkannt, so dass eine Reaktion des Managements nicht zeitnah oder inkonsequent erfolgt.5 Fehlt es an einem Forderungsmanagementsys- tem im Unternehmen, so hat dies auch erhebliche Auswirkungen auf das Unternehmensrating bei Banken (siehe Kapitel 5.1.), so dass sich KMU über zunehmen- de Schwierigkeiten beklagen, neue Bankkredite zu erhalten oder laufende Kredite zu verlängern. Dies stellt deshalb eine Gefahr für KMU dar, da sich aufgrund schwacher Umsätze die Fälle häufen, in denen sich wegen Forderungsausfall Liquiditätslücken bil- den. Diese Liquiditätslücken können oftmals nicht durch Eigenkapital gedeckt werden, so dass eine Kreditfinanzierung erforderlich wäre.6 Auch aufgrund dieser Problematik steigen die Zahlen der Neuinsolvenzen weiterhin an. Trotz immenser Außenstände so- wie zunehmender Schwierigkeiten der Fremdfinanzierung wird die wirtschaftliche Be- deutung des Forderungsmanagements in kleinen und mittelständischen Unternehmen unterschätzt oder gar vernachlässigt.7
Die größten Gefahren für KMU bestehen in einer Überschuldung oder letztendlichen Zahlungsunfähigkeit. Ein Unternehmen muss zu jedem Zeitpunkt in der Lage sein, fälli- gen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Anderenfalls besteht gemäß § 17 InsO ein Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren, was schlimmstenfalls zur Einstellung der Unternehmenstätigkeit führt. Die vorliegende Ausarbeitung hat zum Ziel, Ursachen- forschung im Hinblick auf die Entstehung von Liquiditätsengpässen in kleinen und mit- telständischen Unternehmen zu betreiben und Lösungsvorschläge zur Stabilisierung und Absicherung der Liquiditätslage bereitzustellen. Im Hauptteil dieser Arbeit soll ein Pra- xisbezug durch das Erstellen eines Maßnahmenkatalogs zur Implementierung eines For- derungsmanagementsystems in die Ablauforganisation von kleinen und mittelständi- schen Unternehmen hergestellt werden. Bei entsprechender Umsetzung führt dies zu ei- ner Verbesserung der Liquiditätslage im Unternehmen sowie einer damit einhergehen- den Stärkung der Eigenkapitalunterlegung, wodurch ein nachhaltiger Schutz vor dro- henden Insolvenzsituationen hergestellt werden kann.
Die Vorgehensweise hierfür gestaltet sich folgendermaßen: Zu Beginn dieser Ausarbei- tung wird das Wesen von kleinen und mittelständischen Unternehmen definiert. Hierbei werden quantitative und qualitative Merkmale von KMU herausgearbeitet. Anschlie- ßend findet eine Auseinandersetzung mit den Begrifflichkeiten Forderung und Forde- rungsmanagement statt. Darüber hinaus wird der Begriff Insolvenzverfahren einer Be- trachtung unterzogen. Im dritten und vierten Kapitel setzt sich die Autorin mit internen und externen Risikofaktoren auseinander, die in der Vergangenheit zu einer Zahlungs- unfähigkeit oder Überschuldung in KMU geführt haben. Im fünften Kapitel wird aufge- zeigt, welche Auswirkungen das Fehlen eines Forderungsmanagementsystems in KMU auf den Fortbestand der Unternehmenstätigkeit hat. Diese Diskussion mündet in einer 10-Jahres-Betrachtung über die Entwicklung und die Auswirkung von Insolvenzverfah- ren auf Unternehmen sowie den Staat. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt in den Kapi- teln sechs bis acht. In Kapitel sechs werden die Maßnahmen eines unternehmensinter- nen Forderungsmanagementkonzepts entwickelt, die entscheidend dazu beitragen, Au- ßenstände zu minimieren und Risiken im Umgang mit Debitoren abzubauen. Kapitel sieben befasst sich sodann mit der Erarbeitung von externen KMU-spezifischen Forde- rungsmanagementkonzepten, die nachhaltig zu einer Sicherung der Liquidität und Stärkung der Eigenkapitalquote beitragen. Dies geschieht vor dem Hintergrund der Abwendung drohender Krisensituationen in KMU. In Kapitel acht werden sodann die diversen Unternehmensstrukturen von KMU entsprechend der jeweiligen Größenordnung herausgearbeitet, in die das Forderungsmanagementsystem einzubetten ist. Im letzten Kapitel dieser Ausarbeitung wird ein Maßnahmenkatalog bereitgestellt, an dem sich KMU im Bereich des Forderungsmanagements orientieren können.
Im Folgenden findet eine Betrachtung der Größenmerkmale von KMU sowie der ent- sprechenden quantitativen und qualitativen Merkmale statt. Sodann wird die Begriff- lichkeit Forderung einer rechtlichen und wirtschaftlichen Betrachtung unterzogen. Dar- über hinaus erfolgt eine Begriffserläuterung über das Wesen des Forderungsmanage- ments.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaft hat im Jahre 2003 die Empfehlung der Kommission bezüglich der Definition von Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen herausgegeben. Diese ist zum 01.01.2005 in Kraft getreten. Sie dient nicht nur dem wirtschaftssektor-übergreifenden, sondern auch dem internationalen Vergleich innerhalb der EU. Zur quantitativen Definition von KMU soll die Mitarbeiterzahl laut Aussage der EU-Kommission als Hauptmerkmal dienen. Sie ist jedoch um die finanziellen Merkmale Umsatz und Bilanzsumme zu ergänzen.8 Die nachfolgende Tabelle beschäftigt sich mit der Klassifizierung von KMU entsprechend den relevanten Größenmerkmalen. Jeweils zwei der entsprechenden Merkmale müssen für die Definition der entsprechenden Klassifikation zutreffend sein.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: EU-Definition der Unternehmenskategorien
Quelle: In Anlehnung an: Lanninger, V. (2009), S. 32.
Zur qualitativen Abgrenzung von KMU stehen umfangreiche Merkmalskataloge zur Verfügung, mit deren Hilfe eine Differenzierung ermöglicht wird. Nachfolgend sollen lediglich auszugsweise drei wesentliche Merkmale erläutert werden:
- Die wirtschaftliche Selbständigkeit stellt ein charakteristisches Kriterium zur Klas- sifizierung von KMU dar. Ein Unternehmen kann nicht mehr als autonom einge- stuft werden und gilt somit auch nicht mehr als KMU, wenn ein anderes Unterneh- men, eine staatliche Stelle oder eine Körperschaft öffentlichen Rechts mehr als 25 Prozent der Unternehmensanteile oder Stimmrechte besitzt. Andererseits gilt ein Unternehmen auch dann nicht mehr als eigenständig, wenn es 25 Prozent oder mehr Anteile an einem anderen Unternehmen hält.9
- Ein weiteres Kennzeichen für KMU ist die rechtliche Selbständigkeit und dient der Abgrenzung zu Filialen und Betriebsstätten. Darüber hinaus soll dieses Kriterium die Rechtsformneutralität herausstellen. Es bedarf nämlich keiner speziellen Rechtsform, um ein Unternehmen als mittelständisch kategorisieren zu können.
- Ein entscheidendes Merkmal eines mittelständischen Unternehmens ist ferner die personelle Einheit von Kapitaleigentum und Firmenleitung. Dies bedeutet, dass das Eigentum am Unternehmen überwiegend einer Person bzw. einem stark begrenzten Personenkreis zuzuschreiben und mindestens einer dieser Unternehmer wesentlich an der Leitung des Unternehmens beteiligt ist. Die Unabhängigkeit und Eigenstän- digkeit des Unternehmens ist dadurch gekennzeichnet, dass der Eigentümer-Un- ternehmer wesentliche Führungs- und Leitungsfunktionen entsprechend seiner per- sönlichen Initiative im Unternehmen durchsetzen kann.10
Gemäß § 241 Abs. 1, S. 1 BGB ist eine Forderung das Recht, von einem Schuldner auf- grund eines Schuldverhältnisses eine Leistung zu fordern. Gemäß § 311 BGB bedarf es zur Begründung einer Forderung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft eines Vertrages zwischen den Beteiligten, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. Im wirtschaftlichen Sinne ist eine Forderung ein Anspruch eines Gläubigers auf eine Geld- zahlung, der noch nicht liquiditätswirksam ist und aus der Erbringung von Warenliefe- rungen, Leistungen oder Wertpapieren resultiert. Voraussetzung für das Entstehen einer Forderung ist ein gegenseitig verpflichtendes Vertragsverhältnis. Die Gegenleistung des Schuldners ist noch nicht erbracht, während das bilanzierende Unternehmen die Leistung bereits erbracht hat. Die meisten Forderungen resultieren aus der Gewährung von Lieferantenkrediten. Hierbei räumt der Lieferant dem Kunden einen befristeten Zahlungsaufschub ein und gewährt diesem dadurch einen Kredit.11 Bilanziert werden Forderungen auf der Aktivseite unter der Position Umlaufvermögen.12
Das Forderungsmanagement wird in der Literatur als Teil des Risikomanagements be- schrieben. Risikomanagement stellt die Gesamtheit aller organisatorischen Regelungen und Maßnahmen zur Früherkennung von Risiken und zum Umgang mit entsprechenden Risiken dar. Es ist darauf ausgerichtet, bedrohliche Krisen im Unternehmen abzuweh- ren.13 Im Rahmen des Risikomanagements wird auf ein ausgewogenes Verhältnis zwi- schen Sicherheit, angemessener Rentabilität und Flexibilität Wert gelegt. Auf das For- derungsmanagement herunter gebrochen bedeutet dies die Werterhaltung und Steige- rung der liquiden Mittel und jederzeitige Zahlungsfähigkeit sowie die frühzeitige Erfas- sung und Beurteilung von Risiken am Markt und im Umgang mit Debitoren.14 Die zen- trale Aufgabe des Forderungsmanagement ist es zu verhindern, dass Außenstände liquide Mittel binden und darüber hinaus Kosten verursachen und so ein Unternehmen in die Zahlungsunfähigkeit treiben.15 Zahlungsausfälle sollen vermieden, die Zeit bis zum Zahlungseingang verkürzt und hohe Außenstände abgebaut werden.16
Forderungsmanagement steht darüber hinaus in direkter Verbindung zum Finanzcon- trolling. Der Begriff Controlling ist in der Literatur nicht einheitlich definiert. Grund- sätzlich umfasst das Controlling jedoch die Aufgabengebiete: Information, Analyse, Planung und Steuerung. Controlling wird als Arbeitsbegriff für das Planen und Steuern der unternehmerischen Tätigkeit mit Hilfe betriebswirtschaftlicher Daten und Analysen verstanden. Es soll dafür sorgen, dass das Unternehmen gemäß der wirtschaftlichen Zielsetzung geführt wird.17 Dem Controlling stehen dafür zahlreiche Kennziffern zur Verfügung, welche die Bereiche Liquidität, Finanzierung, Rentabilität, Aufwand/Erfolg und Investitionen detailliert abbilden.18
In der Umsetzung bedeutet Forderungsmanagement die Bearbeitung und Überwachung der Debitoren, vorrangig zur Absicherung und Realisierung von Forderungen aus Liefe- rungen und Leistungen.19 Deshalb wird das Forderungsmanagement in der Praxis auch als Debitoren- oder Liquiditätsmanagement bezeichnet. Das Forderungsmanagement ist ferner integraler Bestandteil des Rechnungswesens und beinhaltet im Allgemeinen den Umgang mit offenen Posten des Unternehmens gegenüber den Schuldnern.20 Forde- rungsmanagement steht darüber hinaus in direkter Verbindung zum Vertrieb und zum Marketingbereich (siehe Kapitel 3.5.2., 3.5.3.). Im Einzelnen umfasst das Forderungs- management sowohl unternehmensinterne als auch externe Maßnahmen zur Bearbei- tung der Debitoren. Diese stellen sich wie folgt dar:
- ordnungsgemäße und zeitnahe Fakturierung,
- Informationen über aktuelle Ausfallrisiken im Markt,
- Bonitätsprüfungen bestehender und potentieller Kunden,
- Festlegung der Zahlungskonditionen und Kreditlinien,
- Mahnwesen,
- Risikoreduzierung durch Kreditversicherung,
- Überwachung der Zahlweise und eventueller negativer Entwicklungen beim Kun- den,
- Risikomindernde Vertragsgestaltung,
- Zusammenarbeit mit spezialisierten Dienstleistungsunternehmen zur Begrenzung der Ausfallrisiken.21
Nachfolgend wird das Wesen des Forderungsmanagements zur Veranschaulichung nochmals anhand einer Skizze dargestellt. Forderungsmanagement ist ein alle Unterneh- mensteilbereiche durchdringendes Managementsystem zur Abwendung drohender Re- gelinsolvenzverfahren. In der Grafik sind darüber hinaus alle relevanten Kommunikati- onswege durch Verbindungslinien eingezeichnet. Der Informationsaustausch kann jeweils in beide Richtungen erfolgen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Ganzheitliches Forderungsmanagement Quelle: Eigene Darstellung
Aufgrund der durch das Forderungsmanagement gesteigerten Liquidität kann die Eigen- kapitalquote im Unternehmen gestärkt werden. Durch diese Form der Selbstfinanzie- rung wird ein nachhaltiger Schutz vor drohenden Krisensituationen im Unternehmen aufgebaut.22 Grundsätzlich sind Unternehmen nicht dazu verpflichtet, ein Risikofrüh- warnsystem, welches auch das Forderungsmanagement beinhaltet, in Unternehmensab- läufe zu implementieren. Jedoch spielen bei der Entscheidung je nach Rechtsform und Unternehmensgröße gesetzliche Verpflichtungen eine Rolle. Hier ist das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 01.05.1998 zu er- wähnen. Dieses gilt zwar unmittelbar für Vorstände einer AG, die herrschende Meinung geht jedoch davon aus, dass diese Regelung auch auf andere Gesellschaftsformen anzu- wenden ist. Durch das KonTraG werden Aktiengesellschaften ausdrücklich verpflich- tet, ein Risikofrühwarnsystem in organisatorische Unternehmensabläufe zu integrieren. Nach derzeitiger Rechtsauffassung sind auch Gesellschaften mit beschränkter Haftung zur Einrichtung eines Frühwarnsystems verpflichtet, wenn eine bestimmte Unterneh- mensgröße erreicht wird. Betroffen sind hiervon mittlere und große Gesellschaften. Dies ergibt sich aus den allgemeinen Sorgfaltspflichten des Geschäftsführers. Auch bei be- stimmten Personengesellschaften wie der OHG, der KG und der GmbH & Co. KG wird eine Pflicht zur Errichtung eines Frühwarnsystems angenommen, wenn sie die für mittlere und große GmbH geltenden Kriterien der EU-Kommission erfüllen und sie Kapitalgesellschaften gleichgestellt sind. Für Kleinst- und Kleinunternehmen besteht derzeit noch keine Verpflichtung zur Einführung des Forderungsmanagements.23
Auch wenn grundsätzlich keine allgemeine gesetzliche Verpflichtung für KMU besteht, ein Forderungsmanagementsystem in Unternehmensabläufe zu implementieren, so sind jedoch die Folgen fehlenden Liquiditätsmanagements erheblich. Zum einen zeigen die Zahlen der Unternehmensinsolvenzen in den vergangenen Jahren, dass ein dringendes Bedürfnis nach Lösungen in Bezug auf die Erhaltung und Bereitstellung von Liquidität im Unternehmen besteht. Zum anderen werden durch die Neuerungen von Basel II ver- schärfte Anforderungen an KMU gestellt, die mit der Gewährung von dringend benötig- tem Fremdkapital in Verbindung stehen. Diese halten KMU zwar dazu an, sich stark mit eigenen Risiken auseinander zu setzen. Jedoch ist zu erkennen, dass KMU sich noch nicht an diese Neuerungen angepasst haben. Forderungsmanagement gilt im Hinblick auf drohende Insolvenzen als ein unternehmensinternes Frühwarnsystem und wird bei der Einschätzung des Kreditrisikos durch Banken positiv bewertet.24 Deshalb ist ledig- lich Forderungsmanagement auf diese entsprechende Problematik wirkungsbezogen.
Am 01.01.1999 trat die Insolvenzordnung in Kraft und löste somit die in Westdeutsch- land geltende Konkursordnung (KO) von 1877 sowie die in den neuen Bundesländern maßgebliche Gesamtvollstreckungsordnung vom 06.06.1990 ab. Die Gesetzesreform verfolgte das Hauptziel, Maßnahmen gegen die Massenarmut zu ergreifen und mög- lichst viele Insolvenzfälle in einem geordneten Verfahren abzuwickeln.25 Gemäß § 1 InsO dient das Insolvenzverfahren dem Zweck, die Gläubiger eines Schuldners im Ge- gensatz zur Einzelvollstreckung gemeinschaftlich durch die Hilfe der Gerichte zu be- friedigen. In einem Insolvenzverfahren wird das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös auf die jeweiligen Gläubiger verteilt. Oftmals wird auch in einem Insol- venzplan eine abweichende Regelung, insbesondere zum Erhalt des Unternehmens, ge- troffen. Der Schuldner erhält im Rahmen des Insolvenzverfahrens die Möglichkeit, sich von restlichen Verbindlichkeiten zu befreien. Ein Insolvenzverfahren kann über das Vermögen jeder natürlichen und juristischen Person eröffnet werden (§ 11 InsO).
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt einen Eröffnungsgrund voraus (§ 16 InsO). Gemäß § 17 InsO ist ein allgemeiner Eröffnungsgrund gegeben, wenn eine Zah- lungsunfähigkeit vorliegt. Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht mehr in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Davon ist auszugehen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Beantragt der Schuldner selbst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so ist auch eine drohende Zahlungsunfähigkeit ein Eröffnungs- grund. Ein Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 InsO). Bei juristischen Personen ist auch die Überschuldung ein Eröff- nungsgrund. Eine Überschuldung liegt dann vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (§ 19 InsO).26 Die Parteien des Ver- fahrens werden als Insolvenzschuldner, Insolvenzgläubiger sowie Gläubigerversamm- lung bezeichnet. Der Insolvenzschuldner, auch Gemeinschuldner genannt, ist eine natür- liche oder juristische Person, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Insolvenzgläubiger ist jeder, der zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzver- fahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Insolvenzschuldner hat. Die Gläubigerversammlung ist ein für das gesamte Insolvenzverfahren maßgebliches Organ aller Insolvenzgläubiger.27 Abb. 2 dient der Orientierung und zeigt eine Unterteilung der Insolvenzverfahren anhand der Insolvenzordnung sowie die entsprechenden gesetzli- chen Bestimmungen auf. Unterschieden wird zwischen Regel- und Verbraucherinsol- venzverfahren. Das Regelinsolvenzverfahren betrifft juristische Personen und aktiv Selbständige. Unternehmensinsolvenzen werden somit auch als Regelinsolvenzverfah- ren bezeichnet. Das Verbraucherinsolvenzverfahren betrifft Verbraucher sowie ehemals Selbständige.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Übersicht Insolvenzverfahren
Quelle: In Anlehnung an Jäger, U., Seghorn Inkasso GmbH (2009), S. 5.
Nur wenn die Entstehungsrisiken einer Insolvenzsituation im Unternehmen bekannt sind, können entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet werden, um drohende Gefah- ren abzuwenden. Nachfolgend werden relevante unternehmensinterne Risikofaktoren analysiert, die in der Vergangenheit zu Liquiditätskrisen in KMU geführt haben.
Wie die Ausführungen in Kapitel 1.1. gezeigt haben, wäre Forderungsmanagement die entsprechende Antwort auf die in der Studie der A.T. Kearney GmbH ermittelten Risi- kofaktoren, die im Unternehmen in der Vergangenheit zu Liquiditätskrisen geführt ha- ben, gewesen. Primär ging es hierbei um Risiken wie die Abhängigkeit von Lieferanten und Kunden, mangelnde Liquidität und inkonsequente Managemententscheidungen im Unternehmen. Mit einem entsprechenden Liquiditätsmanagement hätten diese Risiken kalkulierbar gemacht und die Unternehmenssituation stabilisiert werden können. Gemäß einer Studie der Technischen Universität Ilmenau ist fehlendes Forderungsmanagement jedoch die Hauptursache für die meisten Insolvenzen von kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland.28 Man unterscheidet hier zwischen Unternehmen, die über gar kein Managementsystem verfügen und jenen, die nur unzureichend Forderungs- management betreiben.
In der Praxis wird dem Forderungsmanagement nach wie vor eine zu geringe Bedeu- tung beigemessen und dementsprechend vernachlässigt. Dies ist häufig darin begründet, dass eine Vielzahl der Geschäftsinhaber eine handwerkliche oder technische Ausbil- dung haben und wirtschaftliche Zusammenhänge nur begrenzt oder gar nicht kennen. Der Fokus wird hierbei zu stark auf das Kerngeschäft gerichtet, so dass relevante Ver- waltungsaufgaben vernachlässigt oder gar ignoriert werden. Viele Geschäftsinhaber sind dementsprechend mit der Integration eines Forderungsmanagementsystems in Un- ternehmensabläufe überfordert und benötigen externe Hilfe. Es ist festzustellen, dass eine zeitnahe Fakturierung oftmals nicht erfolgt. Auch eine einfache Fristenkontrolle oder ein bei Zahlungsverzug erforderliches Mahnwesen unterbleibt teilweise.29 Das Ausbleiben von Bonitätsprüfungen potentieller Vertragspartner im In- und Auslandsge- schäft zählt zu den häufigsten Ursachen einer Liquiditätskrise in KMU. Bonitätsprü- fungen sind integraler Bestandteil des Forderungsmanagements und können als präven- tives Forderungsmanagement angesehen werden. Ziel einer Bonitätsprüfung ist es, For- derungsausfälle erst gar nicht entstehen zu lassen und potentielle Verluste in Grenzen zu halten.30 Aufgrund mangelnder Bonitätsprüfung beim Kunden beklagen sich rund 60 Prozent der kleinen und mittelständischen Unternehmen über massive Außenstände.31 Geraten Lieferanten oder Kunden unmittelbar nach Vertragsabschluss in die Insolvenz, so ist der Schaden für KMU kaum abzuwenden. Durch Bonitätsprüfungen hätte diese Gefahrensituation jedoch frühzeitig erkannt werden können, da sie Auskunft über die aktuelle Kreditwürdigkeit eines Vertragspartners geben. So können Risiken im Vorfeld der Vertragsanbahnung eingeschätzt und minimiert werden. Bonitätsprüfungen sind so- wohl bei Neu- als auch bei Bestandskunden durchzuführen. Daraus lassen sich Kennt- nisse über das Zahlungsverhalten sowie die Zahlungsfähigkeit von Kunden ableiten. Diesbezüglich stehen interne und externe Informationsquellen zur Verfügung (siehe Ka- pitel 6.5.).32
Nicht nur die Studie der A.T. Kearney GmbH ergab, dass mangelnde Liquidität für das Entstehen von Insolvenzsituationen verantwortlich ist. Bei einer Umfrage durch die Eu- ler-Hermes Kreditversicherung AG von 400 Unternehmern, Managern und Angestellten gaben 90 Prozent an, einen wesentlichen Grund für Zahlungsunfähigkeit im Mittelstand in der mangelnden Liquidität zu sehen. Die Bindung von Liquidität in Außenständen führte bei jedem fünften Kleinunternehmen zu einer erheblichen bis sehr starken Beein- trächtigung der Liquidität.33 Forderungsmanagement würde die dringend benötigte Li- quidität im Unternehmen freisetzen, was ausschlaggebend dafür ist, dass alle Zahlungs- verpflichtungen im Unternehmen uneingeschränkt und fristgerecht erfüllt werden kön- nen. Häufig kennen KMU ihre aktuelle Liquiditätslage nicht und reagieren dementspre- chend zu spät bei einer vorliegenden Zahlungsunfähigkeit, so dass lediglich der Weg in die Insolvenz verbleibt.
Durchschnittlich beträgt die Eigenkapitalquote in kleinen und mittelständischen Unter- nehmen gerade mal 7,5 Prozent. Großunternehmen weisen zum Vergleich im Durch- schnitt eine Eigenkapitalquote von rund 20 Prozent auf. Ausländische Unternehmen weisen noch höhere Eigenkapitalquoten auf. Französische oder niederländische Unter- nehmen verfügen über Eigenkapitalquoten von teilweise über 30 Prozent. Es ist im di- rekten Vergleich zu erkennen, dass deutsche mittelständische Unternehmen unter einer Eigenkapitalschwäche leiden.34 Fehlendes Eigenkapital führt dazu, dass notwendige Mittel für Ersatzinvestitionen in Unternehmen fehlen, was dauerhaft zu einer Schwä- chung der Unternehmenssubstanz führt. Ein Wachstum im Unternehmen kann so nur unzureichend erzielt werden. Eine schwache Eigenkapitalquote führt zu einem hohen Verschuldungsgrad. Treten Liquiditätslücken aufgrund von Forderungsausfall oder schleppenden Zahlungen auf, so ist auf das Eigenkapital zurückzugreifen, wodurch die ohnehin zu geringe Eigenkapitalausstattung weiterhin geschwächt wird. Dies führt dann schnell zu einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Der deutsche Mittelstand ist aufgrund der zu geringen Eigenkapitaldecke auf Fremdfinanzierungen angewiesen. Auf- grund der Neuerungen von Basel II, zeichnen sich hier jedoch für KMU weitere Proble- me ab. Lediglich jene Unternehmen erhalten eine Kreditzusage, die im Kredit-Rating gut abgeschnitten haben. Die Bewertung des Ratings hängt unter anderem auch davon ab, ob ein funktionierendes Risikofrühwarnsystem in Unternehmensabläufe integriert wurde. Da KMU jedoch über unzureichendes Forderungsmanagement verfügen, verhin- dert dies wiederum die Aufnahme von dringend benötigtem Fremdkapital, da Banken für diese Fall eine Kreditzusage verwehren.35 Man sieht auch hier die Notwendigkeit ei- nes funktionierenden Forderungsmanagementsystems im Unternehmen. Darüber hinaus setzt Forderungsmanagement das in Außenständen gebundene Kapital frei, so dass bei überschüssiger Liquidität auf eine Selbstfinanzierung abgestellt werden könnte. Dies bedeutet, dass durch ein gut durchdachtes und an das Unternehmen angepasstes Forderungsmanagementsystem der Bedarf an Fremdkapital abnimmt. Das Gefühl für die eigene Refinanzierung würde durch integrales Forderungsmanagement steigen und letztlich auch zu einer Erhöhung der Eigenkapitalquote im Unternehmen führen.
Verspätete Managemententscheidungen führen teilweise so weit, dass selbst Anträge auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu spät gestellt werden. Dies ergab eine Umfrage der Euler Hermes Kreditversicherung im Jahre 2006. Die Chancen einer Unternehmenssanierung und Fortführung der Unternehmenstätigkeit sind aber gerade bei einer frühzeitigen Antragsstellung Erfolg versprechend. Die Gründe für eine verspätete Antragstellung wurden wie folgt angegeben:
- Unternehmer haben die Hoffnung, dass die Liquiditätskrise von alleine vorbei geht,
- Unternehmer haben Angst vor Bloßstellung in der Branche und im Bekanntenkreis,
- Unternehmer schätzen die Situation zu lange als Krise und nicht als Insolvenzsitua- tion ein,
- Unternehmer haben kein Vertrauen in das Insolvenzverfahren,
- Unternehmer haben keine Kenntnis über das Insolvenzverfahren.36
Bei Eintritt einer Insolvenzsituation muss frühzeitig gehandelt werden. Zum einen soll ja die Fortführung der Unternehmenstätigkeit durch eine Unternehmenssanierung ange- strengt werden und zum anderen ist einer drohenden Insolvenzverschleppung entgegen zu wirken. In Deutschland stellt die Insolvenzverschleppung nämlich ein Straftatbestand gemäß § 15 a InsO dar. Juristische Personen haben ohne schuldhaftes Zögern, spätes- tens jedoch drei Wochen nach Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Insolvenzantrag zu stellen. Wird der Insolvenzantrag nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig gestellt, so kann dies mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren ge- ahndet werden. In diesem Zusammenhang ist auch die Problematik der Durchgriffshaf- tung zu erläutern. Hierbei haftet der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH voll und unbeschränkt mit seinem gesamten Privatvermögen, sofern der Tatbestand einer In- solvenzverschleppung vorliegt.37 Oftmals gehen der verspäteten Antragstellung eines Insolvenzverfahrens unzureichende oder fehlerhafte Managemententscheidungen voraus, die zu einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung im Unternehmen geführt haben. Wie auch hier zu erkennen ist, würde ein Risikofrühwarnsystem Risiken in Bezug auf eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung frühzeitig erkennen, so dass zeitnahe und angemessene Managemententscheidungen getroffen werden könnten.
Verfügen KMU bereits über Forderungsmanagementsysteme, so weisen diese häufig Defizite auf, so dass durch eine Optimierung bessere Ergebnisse erzielt werden könnten. Defizite im Bereich des Forderungsmanagements sind häufig begründet in dem Fehlen von Kommunikationswegen im Unternehmen. Werden entsprechende Schnittstellen im Unternehmen zum Forderungsmanagement gebildet, so können sich daraus erhebliche Synergieeffekte ergeben. Durch den internen Austausch von Informationen werden Ri- sikofaktoren frühzeitig erkannt und abgebaut, so dass ein Schutz vor drohenden Liquidi- tätskrisen geschaffen werden kann. Im Folgenden werden die für das Forderungsmana- gement relevanten Unternehmensteilbereiche einer Betrachtung unterzogen.
Durch eine Schnittstelle zum Finanzcontrolling könnte eine optimale Grundlage für Managemententscheidungen geschaffen werden. Die Ergebnisse aus dem direkten Abgleich der Daten liefern einen wichtigen Input für die Risikoidentifikation drohender Zahlungsunfähigkeit in kleinen und mittelständischen Unternehmen und lassen somit eine zeitnahe und konsequente Koordination durch das Management zu. Auch unter Insolvenzbedingungen ist das Controlling zur laufenden Überwachung der Betriebsfortführung von besonderer Wichtigkeit.38
Zwischen Forderungsmanagement und Vertrieb besteht grundsätzlich ein Spannungs- verhältnis. Primärziel des Vertriebs ist es, den Umsatz zu steigern und zu sichern, Um- satzschwankungen zu verringern, die Umsatzrendite zu verbessern, den Kundenstamm zu sichern und auszubauen. Ziel des Forderungsmanagements hingegen ist es, die Liqui- dität und Rentabilität zu verbessern, eine Reduzierung von Forderungsausfällen herbei- zuführen und eine Senkung des Kreditvolumens sowie der Prozesskosten zu erreichen.39 Trotz dieser Gegensätzlichkeiten zeichnen sich jedoch durch ein integratives Forde- rungsmanagement und einem intensiven Kontakt zu den Vertriebsbereichen erhebliche Chancen für kleine und mittlere Unternehmen ab. So könnte bspw. bereits im Vorfeld der Geschäftsanbahnung, in der Vertragsanbahnung, in der Vertragsgestaltung, in der Überwachung der Vertragsdurchführung, bei bestehenden Forderungen sowie im Stadi- um der Forderungsbeitreibung in Verbindung mit dem Vertriebsprozess konsequentes Forderungsmanagement betrieben werden.40 Dies gilt insbesondere für die Abstimmung der Zahlungskonditionen und die Einräumung von Kreditlimits gegenüber den Kunden und für aktuelle Bonitätsbeurteilungen von bestehenden oder potentiellen Kunden.41 Eine Schulung des Außendienstes für die Früherkennung von Kreditrisiken wäre hierbei empfehlenswert. Entsprechend kritische Signale in der Beurteilung von Kreditrisiken beim Kunden sind bspw. hohe Lagerbestände, ein schlechter Zustand der Maschinen, nicht ausgelastete Kapazitäten, schmale Angebotspalette, schlechtes Image der Produk- te, zögerliche Reaktion auf Konkurrenz, erhöhte Rabatte, Nachlässe, Sonderangebote oder wenige Kunden.42 Ein Informationsaustausch über das Zahlungsverhalten der Kunden sowie erfolgter Mahnungen sollten zwischen Rechnungswesen und Vertrieb ständig gegeben sein.43
[...]
1 Vgl. Bretz, Michael (2010), S. 1 ff.
2 Vgl. Rothenbücher, J., Schrottke, J. (2009), S. 2.
3 Vgl. Pevzner, A, (2008), S. 5.
4 Vgl. Brinktrine, R. u. Schneider, H. (2008), S. 86.
5 Vgl. Keitel, T. (2008), S. 60 ff.
6 Vgl. Demmer, K. (2009), S. 1, 2.
7 Vgl. Müller-Wiedenhorn, A. (2006a), Vorwort.
8 Vgl. Lanninger, V., (2009a), S. 31.
9 Vgl. Lanninger, V. (2009b), S. 31.
10 Vgl. Ull, T., (2006), S. 20 ff.
11 Vgl. Hering, W., Draeger, W. (2000), S. 197.
12 Vgl. Witherton, P. G. (2010), in: http://www.wirtschaftslexikon24.net/d/forderung/forderung.htm.
13 Vgl. Huber, A. (2005a), S. 13.
14 Vgl. Hofbauer, G., Bergmann, S. (2008a), S. 222.
15 Vgl. Huber, A. (2005b), S. 11.
16 Vgl. Hofbauer, G., Bergmann, S. (2008b), S. 221.
17 Vgl. Jung, H. (2007), S. 5, 6.
18 Vgl. Plesse, M (2010), in: http://www.deutsches-unternehmerforum.de/fa-controlling.php.
19 Vgl. Kerner, O. (2010a), in: http://www.finanz-lexikon.de/forderungsmanagement_4672.html.
20 Vgl. Stiefl, J., Westerholt, K., (2008), S. 116.
21 Vgl. Egenolf, A., Kremer, M. (2010), in: http://www.zasterbox.de/bonitaet/Forderungsmanagement- cms_8327.html.
22 Vgl. Werdenich, M., (2008a), S. 14.
23 Vgl. Huber, A. (2005c), S. 13, 14.
24 Vgl. Kerner, O. (2010b), in: http://www.finanz-lexikon.de/forderungsmanagement_4672.html.
25 Vgl. Fenger, H. (2005), S. 2.
26 Vgl. InsO (1994), S. 2 ff.
27 Vgl. Jäger, U. (2009), S. 9.
28 Vgl. Goeke, M. (2008), S. 84.
29 Vgl. Hauk, A. (2006), in: http://www.openpr.de/news/87066/Fehlendes-Liquiditaetsmanagement- Hauptursache-fuer-Unternehmensinsolvenzen.html.
30 Vgl. Füser, K., Heidusch, M. (2002) S. 203.
31 Vgl. Lage, K. (2010), in: http://www.deutsches-unternehmerforum.de/fa-forderungsmanagement.php.
32 Vgl. Manz, N., Hering, E. (2000a), S. 140, 141.
33 Vgl. Enseleit, S. (2004a), S. 1.
34 Vgl. Pyszny, U. (2010), in: http://www.creditreform.de/Deutsch/Creditreform/Info- Center/Fachartikel/ForderungsmanagementInkasso/Factoring_fuer_den_Mittelstand_.jsp.
35 Vgl. Hess, R. (2007), S. 27, 29.
36 Vgl. o. V., Euler Hermes Kreditversicherungs-AG (2006), in: http://www.wirtschaft- konkret.de/de/management-summary/management-summary.html.
37 Vgl. Degenhardt, K. (2010), S. 40 ff.
38 Vgl. Pütz, H. C. (2006a), in: http://www.creditreform.de/Deutsch/Creditreform/Info- Center/Glossar/F/index.jsp#Forderungsmanagement.
39 Vgl. Amann, T. (2010), in: http://www.mahnportal.net/fachinfo/erfolgreiches-forderungsmanagement- durch-bessere-vernetzung.html.
40 Vgl. Hofbauer, G., Bergmann, S. (2008c), S. 221.
41 Vgl. Pütz, H. C. (2006b), in: http://www.creditreform.de/Deutsch/Creditreform/Info- Center/Glossar/F/index.jsp#Forderungsmanagement.
42 Vgl. Eckert, O. (2004), in: http://www.focus.de/intern/archiv/checkliste_aid_6863.html.
43 Vgl. Huber, A. (2005d), S. 56.
Der GRIN Verlag hat sich seit 1998 auf die Veröffentlichung akademischer eBooks und Bücher spezialisiert. Der GRIN Verlag steht damit als erstes Unternehmen für User Generated Quality Content. Die Verlagsseiten GRIN.com, Hausarbeiten.de und Diplomarbeiten24 bieten für Hochschullehrer, Absolventen und Studenten die ideale Plattform, wissenschaftliche Texte wie Hausarbeiten, Referate, Bachelorarbeiten, Masterarbeiten, Diplomarbeiten, Dissertationen und wissenschaftliche Aufsätze einem breiten Publikum zu präsentieren.
Kostenfreie Veröffentlichung: Hausarbeit, Bachelorarbeit, Diplomarbeit, Dissertation, Masterarbeit, Interpretation oder Referat jetzt veröffentlichen!
Kommentare