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Bachelorarbeit, 2011
34 Seiten
1.Einleitung
2.Die Vaterrolle im Wandel
2.1 Historische Entwicklung der Vaterrolle in Deutschland
2.2 Definitionen von Vaterschaft
2.3 Neue Väter
2.4 Forschungsstand
3.Bindungstheoretische Perspektive
3.1 Grundlagen der Bindungstheorie
3.2 Merkmale der Vater-Kind-Bindung
3.2.1 Die Fremde Situation als Instrument zur Erfassung der Vater-Kind-Bindung
3.2.2 Die Spielbeziehung zwischen Vater und Kind
3.3 Bedingungen der Vater-Kind-Bindung
3.4 Multiple Bindungen
4.Sozialisationstheoretische Perspektive
4.1 Sozialisation in der Familie
4.2 Direkte Sozialisation durch den Vater
4.2.1 Beispiel: Geschlechtsrollenentwicklung
4.3 Indirekte Sozialisation durch den Vater
4.3.1 Beispiel: Paarbeziehung der Eltern
5. Pädagogisch-institutionelle Reaktion auf den Wandel der Vaterrolle
5.1 Der väterfreundliche Kindergarten
5.1.1 Erster Schritt: Den Kindergarten „väterfreundlich“ gestalten
5.1.2 Zweiter Schritt: Männer aktivieren
5.1.3 Dritter Schritt: Ein Programm für Väter zusammenstellen
5.1.4 Vierter Schritt: Die Beteiligung der Väter aufrechterhalten
5.2 Theoretische Betrachtung des Konzepts
5.3 Kritische Reflexion zur Umsetzbarkeit
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
Vaterschaft als soziales und familiales Phänomen gewannin der wissenschaftlichen Literaturim deutschsprachigen Raum in den letzten Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung (vgl. Fthenakis 1999, S. 12).
Auch in der Öffentlichkeit gewinnt das Thema Vaterschaft an Aktualität. Das Interesse an der Thematik zeigt sich im Alltag sowie in den Massenmedien.Der
„[…]Themenkomplex ‚Väter‘ [besitzt] seit der Jahrtausendwende eine ihm zuvor noch nie zuteil gewordene mediale Präsenz [...]: ‚Vater‘ am Kiosk, in der Buchhandlung, auf der Plakatsäule, im Hörfunk und Fernsehen, im Kino und Theater, selbstverständlich im Internet, speziell ‚Vater‘ im Angebot von Reiseunternehmen und Erwachsenenbildungseinrichtungen“ (Walter 2008, S.8).
Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit stehen Familienväter und ihre Bedeutung für die Entwicklung des Kleinkindes im Vorschulalter. Den Rahmen für diese Ausführungen bietet die Kernfamilie. Die Kernfamilie stellt aktuell nicht mehr die familiale Realität in Deutschland dar, dennoch lebt die Mehrheit der unter 18-Jährigen mit beiden leiblichen Eltern zusammen. Die Anzahl traditioneller Familien ist jedoch stetig rückläufig (vgl. Meier-Gräwe 2009, S.4). In dieser Arbeit werden keine alternativen Lebensformen, wie Alleinerziehende, nichteheliche Lebensgemeinschaften oder gleichgeschlechtliche Partnerschaften, betrachtet. Diese Ausgrenzung wird aus Kapazitätsgründen vorgenommen und ist nicht wertend zu verstehen. Es soll nicht der Eindruck vermittelt werden, Kinder in alternativen Lebensformen würden sich zwangsläufig schlechter entwickeln als Kinder in Kernfamilien. Des Weiteren können spezielle thematische Schwerpunkte der Vaterschaft, beispielsweise Missbrauch oder die Vaterschaft unter erschwerten Bedingungen, nicht dargelegt werden.
Im ersten Kapitel der vorliegenden Arbeit wird zunächst der Wandel der Vaterrolle in den letzten Jahrzehnten skizziert. Ein historischer Überblick der Entwicklungen in Deutschland soll dabei den Ausgangspunkt bilden. Die weitere Basis für diese Arbeit stellen eine Begriffsklärung zum Thema Vaterschaft, die Darstellung des aktuellen Phänomens der neuen Väter sowie ein Umriss des aktuellen Forschungsstandes dar.
Der Hauptteil besteht aus zwei unterschiedlichen theoretischen Ansätzen, welche die Bedeutung des Vaters für die kindliche Entwicklung beinhalten. Zum einen wird Vaterschaft im Kontext der Bindungstheorie betrachtet. Den Ausgangspunkt für diese Betrachtung bietet ein kurzer Abriss bindungstheoretischer Grundlagen. Darauf aufbauend werden spezifische Merkmale der Vater-Kind-Bindung vertieft. In diesem Zusammenhang wird das bedeutendste Messinstrument der Bindungsforschung, die Fremde Situation , in Hinblick auf seine Verwendbarkeit für die Erfassung der Vater-Kind-Bindung hinterfragt. Des Weiteren wird die Bedeutung der Spielbeziehung zwischen Vater und Kind aufgezeigt. Anschließend an die Merkmale der Vater-Kind-Bindung werden deren Bedingungen referiert. Letztlich wird die Vaterschaft in den Zusammenhang mit weiteren Bindungen des Kindes gesetzt.
Den zweiten Ansatz bildet die sozialisationstheoretische Perspektive auf Vaterschaft. Die im vorherigen Kapitel erläuterte Bindung bietet dabei die Basis für die Sozialisierbarkeit eines Kindes. Zunächst wird eine kurze Definition der Sozialisation im Allgemeinen gegeben, um dann auf die Sozialisation in der Familie einzugehen. Die sozialisatorischen Funktionen des Vaters können direkter oder indirekter Art sein. Diese beiden Formen der Sozialisation werden anfangs grundlegend umrissen und mit kurzen Beispielen ausgestaltet. Bei der direkten Sozialisation wird nach der allgemeinen Darstellung vertiefend auf das Beispiel der Geschlechtsrollenentwicklung eingegangen, bei der indirekten Sozialisation wird an dieser Stelle die Paarbeziehung der Eltern präziser betrachtet.
Nach dem theoretischen Hauptteil dieser Arbeit folgt eine Untersuchung der pädagogisch-institutionellen Reaktion auf den Wandel der Vaterrolle. Als Gegenstand dieser Betrachtung dient das Konzept des väterfreundlichen Kindergartens , welches zu Beginn rezipiert wird. Es folgt eine Verknüpfung der zuvor erarbeiteten theoretischen Erkenntnissemit dem vorgestellten Konzept. In dem letzten Abschnitt des Kapitels wird die Umsetzbarkeit des Konzeptes erörtert. Grundlage für diese Auseinandersetzung bilden die im Verlauf der Arbeit dargestellten kontextualen Bedingungen und der Wandel der Vaterschaft.
DieseArbeit beschäftigt sich folglich mit der Frage, welche konkrete Bedeutung der Vater im familialen und institutionellen Bereich für die Entwicklung des Kindes hat und welche eventuellen Hindernisse vermehrtem väterlichem Engagement gegenüber stehen können.
In dem abschließenden Fazit wird das Thema Vaterschaft und der Wandel von Väterlichkeit vor dem Hintergrund dieser Arbeit diskutiert.
Zunächst wird in diesem Kapitel ein Abriss des historischen Wandels der Vaterrolle in Deutschland, schwerpunktmäßig seit den70er Jahren, skizziert.
Die emotionale Vater-Kind-Beziehung war bereits im 18. Jahrhundert von Interesse, doch dieses Interesse verringerte sich im 19. Jahrhundert und geriet seit ca. 1970 wieder in den Blick von Wissenschaft, Medien, Politik und den Vätern selbst (vgl.Wolde 2007, S.60). Eine ausführliche Darstellung seit dem 17. Jahrhundert bietet Dieter Thomä (siehe hierzu Thomä 2010).
Die Vaterabwesenheit und die möglichen Folgen für die Entwicklung des Kindes waren ein Thema zur Kriegs- und Nachkriegszeit. In erster Linie wurde der Vater als Geschlechtsrollenmodell und Disziplinierungsperson angesehen, seine Rolle als Betreuungspersonfür die Kinder war weniger bedeutend (vgl. Fthenakis 1999, S.23).Durch verschiedene gesellschaftliche Faktoren, wie den enormen Anstieg der Scheidungsrate in den 60er und 70er Jahren (vgl. Huinink/Schröder 2008, S. 85), wurde die Bedeutung des Vaters ökonomisch, psychologisch und emotional hinterfragt (vgl. Fthenakis1999, S.24). Die wachsende Neuorientierung der Rolle der Frau führte auch zu neuen Herausforderungen für die Männer als Väter (vgl. Oberndorfer/Rost 2002, S. 13). Durch die neu erworbene Berufstätigkeit und Unabhängigkeit der Frau wurde die Position des Mannes als Ernährer der Familie geschwächt (vgl. Fthenakis 1999, S.26). Die elementaren Faktoren für den Wandel der Vaterrolle sind der Gleichberechtigungsgedanke, veränderte Erwartungshaltungen in der Wirtschaft bezogen auf die weiblichen Arbeitskräfte und die Entwicklung der Kleinfamilie mit geringer Kinderzahl, in welcher die Vormachtstellung des Mannes zurückgedrängt wird (vgl. Oberndorfer/Rost 2002, S. 13). Das normativ verbindliche Leitbild des traditionellen Vaters verliert im 20. Jahrhundert zunehmend an Bedeutung (vgl. Walter 2002, S.96 ff.). Dabei ist keine neue gleichförmige Rolle zu verorten. Fthenakis (1999) spricht an dieser Stelle von der „Komplexität der Transformation“ (S.27).Die Rolle ist stark abhängig von Faktoren wie Kultur, Religion oder Klassenzugehörigkeit. Die Entwicklung der Vaterrolle zeigt also unterschiedliche Anpassungsformen an die veränderten Gegebenheiten (vgl. ebd., S.28). Der Wandel wird auch auf politischer Ebene in Gestalt von fortlaufenden Reformationen des Familienrechts deutlich (vgl. Wolde 2007, S.59).
Im folgenden Abschnitt wird eine Begriffsklärung zum Thema Vaterschaft und Vaterrolle durchgeführt, um eine Basis für den weiteren Verlauf der Arbeit zu schaffen.
Vaterschaft wird in der psychologisch und pädagogisch geprägten Literatur häufig synonym für soziale bzw. aktive statt nur für rein biologische Vaterschaft verwendet und wird in der Regel über die leicht messbaren Betreuungsindikatoren definiert. Bei kindbezogenen Aktivitäten bietet der zeitliche Umfang der direkten Interaktion ein bewährtes Maß. Eine rein quantitative Messung kann jedoch nicht als ausreichend für die Definition der Vaterrolle gelten (vgl. Fthenakis 1999, S. 30).
Im Rahmen einer Definition der Vaterrolle steht bei Fthenakis (1999) das Konzept der Generativität im Vordergrund. Demnach ist Vaterschaft ein
„[…] komplexer, lang dauernder und entwicklungsbezogener Prozess, welcher über die Generationen hinweg tradierte Aspekte der Entwicklung von Männern sowie die Entwicklung des Kindes und dessen Wohlergehen integriert“ (S.32).
Generative Vaterschaft ist somit ein Prozess, in dem der Vater bemüht ist, eine maßgebende, sich weiterentwickelnde Beziehung zu seinem Kind zu führen (vgl. ebd., S. 33). Goss (2007) bezeichnet diesen Vorgang auch als „[…] dynamischen Entwicklungsprozess der Transition von der biologischen zur ‚sozialen Vaterschaft‘“ (S.35).
Im Rahmen dieser Begriffsbestimmung werden nun die dominierenden Vätertypen in Deutschlandaufgezeigt. Nach Goss (2007) gibt es zum einen die neuen Väter (15,9% Zuordnungen), welche als egalitär zu betiteln sind und sich gegen traditionelle Rollenaufteilung äußern. Auf diese Gruppe wird im folgenden Abschnitt der Arbeit konkreter eingegangen. Des Weiteren gibt es die familienorientierten Männer (31,7%), die zwar familiär orientiert sind, aber auch dem beruflichen Erfolg Bedeutung zumessen. Die letzte Gruppe stellen die eigenständigen Väter (52,4%) dar, welche eher wenig familiäres Interesse aufweisen und sich überwiegend passiv verhalten (vgl. S. 24 ff.).Eine andere repräsentative soziologische Studie in Deutschland, „Väter im Aufbruch“(siehe hierzu Zulehner/Volz 1999),verzeichnet einen weiteren Rollentypus, den unsicheren Mann. Dieser zeigt in allen befragten Bereichen niedrige Werte und beläuft sich auf 37% der Männer. Neben dem unsicheren Mann beinhaltet die Studie den traditionellen Mann mit 19%, den pragmatischen Mann (traditionelle sowie neue Einstellungen) mit 24% und den neuen Mann mit 20%. Eine präzisere Kategorisierung der hier aufgeführten Vätertypen ist aufgrund der Individualität nur schwer möglich (vgl. Fthenakis 1999, S. 28).
„Vielmehr müssen wir von der Existenz diverser Variationen individueller Vaterschaft ausgehen. Subjektive Vaterschaftskonzepte und die sozialen Praxen von Vaterschaft können in modernen Gesellschaften sehr vielfältig sein“ (Matzner 2004, S. 17).
Die Ausprägung von Väterlichkeit bzw. aktiver Vaterschaft ist immer auch abhängig von Männlichkeit ( genderrole ), welche durch die kulturell zugeschriebenen Eigenschaften bestimmt ist ( doinggender )(vgl. Goss 2007, S. 16). Somit ist Männlichkeit „[…] das Produkt bestimmter Prozesse, die durch Veränderung und Modernisierung in Frage gestellt und umgeformt werden können“ (ebd.). Väterlichkeit unterliegt folglich dem Wandel der Geschlechterverhältnisse und ist durch Leitbilder der Modernisierung beeinflusst(vgl. ebd., S.17). Die Vorstellungen von Väterlichkeit und Männlichkeit können miteinander übereinstimmen oder divergieren (vgl. Wolde2007, S.46). Väterlichkeit kann verstanden werden als „[…] soziale Zuweisung von Eigenschaften, Fähigkeiten und Aufgaben an den Vater, die gesellschaftlich und kulturell stark variieren können“ (ebd.).
Im Rahmen von kindbezogenen Aspekten sind in der wissenschaftlichen Literatur tendenziell die Begriffe Väterlichkeit, aktive Vaterschaft oder engagierte Vaterschaft geläufig, während Vaterschaft an sichoft als Institution verstanden wird. Eine einheitlich gültige Definition liegt nicht vor. Die vorliegende Arbeit bezieht sich, wenn nicht weiter erläutert, auf Vaterschaft im Sinne von engagierter Vaterschaft bzw. Väterlichkeit.
Wie in dem vorherigen Abschnitt erörtert wurde, fühlen sich in Deutschland ca. 15-20% der Männer dem Typ neuer Vater bzw. neuer Mann zugehörig. Neue Väter werden in Zeitschriften, wissenschaftlichen Veröffentlichungen und auf politischer Ebene thematisiert (vgl. Oberndorfer/Rost 2002, S.11) und sind somit medial präsent.
Fthenakis (1999) verortet ein fundamentales Paradoxon in Bezug auf die neue Väterlichkeit . Auf der einen Seite wird vermehrt männliches Engagement in der Familie gefordert, während auf der anderen Seite die Zeitspanne kontinuierlich abnimmt, die ein Mann tatsächlich in seiner Familie verbringt (vgl. S. 24). Eine exemplarische Tendenz, welche die Notwendigkeit männlichen Engagements in der Familie geschwächt hat, war die starke Bedeutungszumessung der Mutter-Kind-Dyade in der Forschung (vgl. ebd., S.25). Die neueren Forschungserkenntnisse und Entwicklungen zurVater-Kind-Dyade und Vater-Mutter-Kind-Triade sind das zentrale Thema dieser Arbeit.
Männliches Engagement in der Familie war somit lange durch Freiwilligkeit und Selbstbestimmtheit anstelle von Notwendigkeit geprägt (vgl. ebd., S.25). „Die Begriffe ‚neue Väter‘ und ‚neue Männer‘ stehen für veränderte Einstellungen gegenüber den Geschlechtsrollen in der Moderne“ (Oberndorfer/Rost 2002, S.7). Das Engagement des Mannes bezieht sich zum Großteil auf die Entlastung der Partnerin und nicht direkt auf die eigenständige Funktion des Vaters (vgl. Goss 2006, S. 134).
Neue Vaterschaft befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen Wirklichkeit und Anspruch. Vaterschaft ist stark von Tendenzen des gesellschaftlichen Wandels und den damit verbundenen Kontextbedingungen abhängig (vgl. Possinger 2009, S.56). Tendenziell ist ein Einstellungswandel der Männer zu den Rolleneigenschaften des neuen Mannes zu verorten. De facto nehmen jedoch lediglich 1,5% der Väter Elternzeit und 4,2% arbeiten in Teilzeit (vgl. Oberndorfer/Rost2002, S.14). Die Studie „Was machen junge Väter in ihrer Zeit?“ von Rosen-kranz, Rost undVaskovics (1998) zeigt jedoch auf, dass die Mehrheit der Väter sich, soweit es ihre zeitlichen Ressourcen zulassen, im Rahmen der Kinderbetreuung einbringen und somit eine Familialisierung und Verhäuslichung ihrer Freizeit zu verzeichnen ist (vgl. S.8). Die vorgegebenen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, einschließlich der Strukturen der Arbeitswelt, führen zu einer nur schwer praktikablen partnerschaftlichen Aufteilung. Faktoren wie die gesellschaftlich konstruierte geschlechtsspezifische Rollenzuschreibung sind Restriktionen, die eine egalitäre Arbeitsaufteilung erschweren (vgl. Oberndorfer/Rost 2002, S.19 ff.).Daher neigt ein Großteil der Paare in Deutschland nach der Geburt ihres Kindes zu einer (Re-)Traditionalisierung der familialen Strukturen (vgl. Goss2007, S.73f.).
Änderungen auf der Verhaltensebene sind folglich eher vereinzelt zu verzeichnen, während ein neues Selbstbild der Väter tendenziell zu erkennen ist(vgl. ebd., S.31f.). Possinger (2009) beschreibt neue Väter folglich als „[…]auf der Suche nach Strategien zur Bewältigung der Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ (S.66).
Das Phänomen des neuen Vaters unterliegtin seiner Erfassbarkeit jedoch einerDefinitionsproblematik (Walter 2002, S. 60f.). Von neuen Vätern wird teils bereits bei einer Einstellungsänderung gesprochen, teils erst bei messbaren Formen wie Elternzeit oder einer veränderten Form der innerfamilialen Arbeitsteilung (vgl. Possinger 2009, S.59). Neuere Definitionen berufen sich auch auf die kindzentrierte Ebene und beinhalten das Alltagsleben mit den Kindern, Aufgaben in der Betreuung sowie die emotionale Bindung zu dem Kind(vgl. Wolde 2007, S. 46f.). Neue Vaterschaft kann folglich nicht immer als aktive, dem Kind zugewandte Vaterschaft verstanden werden (vgl. Possinger 2009, S.59).Im Kontext dieser Arbeit, in welcher die väterliche Auswirkung auf die Entwicklung des Kindes betrachtet wird, ist eine solche kindzentrierte Definition elementar.
Die Rolle des Mannes, insbesondere des Vaters, war in der Forschung lange weitgehend unbeachtet (vgl. Oberndorfer/Rost 2002, S.5). Die soziologische Männerforschung wird seit den 80er Jahren betrieben, wobei dem Vater an dieser Stelle in der Regel nur seine instrumentelle Rolle als Ernährer in Anlehnung an Parsons zukommt (siehe hierzu Jensen/Parsons1976). Als einer der ersten wichtigen deutschsprachigen Autoren, die über diese Be-trachtungsweise hinausgingen, zählt Fthenakis (siehe hierzu Fthenakis 1985). Diese neuere Betrachtungsweise zeigt den Einfluss des Vaters auf die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes. In den letzten Jahrzehnten geriet das Phänomen der Vaterschaft in wachsendem Maße in den Fokus verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen und ist seit den 70er Jahren ein Erkenntnisobjekt in Deutschland. Nach Matzner (2004) rückt die Väterforschung deutlich in den interdisziplinären Kontext von psychologischen, kulturellen, sozialstrukturellen und pädagogischen Dimensionen sowie von aktuellen Leitideen und Lebensführungsmodellen von Elternschaft, Geschlechterverhältnissen oder Arbeitsteilung (vgl. S.14).Für eine differen-zierte Betrachtung ist folglich eine Verknüpfung verschiedener Theoriestränge notwendig.
Die Väterforschung in Deutschland verläuft in erster Linie auf der Makroebene und bezieht sich somit auf quantitativ orientierte Studien, oft unter dem perspektivischen Gesichtspunkt egalitärer Arbeitsteilung. Qualitativ angelegte Studien beziehen sich häufig auf Teilaspekte oder Phasen der Vaterschaft, wie beispielsweise alleinerziehende Väter, Alkoholismus, Gewalt, frühe oder späte Vaterschaft, aber nur vereinzelt auf den Vater im Erziehungsprozess der Kernfamilie (vgl. ebd.,S.14f.).
Neben dem wachsenden wissenschaftlichen Interesse wächst auch der öffentliche Diskurs(vgl. ebd., S.16). Der Umfang der massenmedialen Darstellungen zeigt sich in Sonderausgaben einschlägiger Populärmagazine zum Thema Vaterschaft (siehe hierzu Geo Magazin 01/01 oder Geo Wissen 11/10)und speziell an Väter gerichtete Zeitschriften (siehe hierzu P wie Papi) ebenso wie in der wachsenden Anzahl von Internetseiten(siehehierzu http://www.vaeter-zeit.de/ oder http://www.vaeter.de/ ) und Foren(siehe hierzu http://www.vatersein.de/ ).
Die hier vorliegende Arbeit wird in erster Linie auf die qualitative Betrachtung der Vater-Kind-Beziehung zurückgreifen und steht in Verbindung mit den innerfamilialen Strukturen, also der Mikroebene. Eine Deutung und Erklärung der Zusammenhänge kann jedoch nicht ohne einen gleichzeitigen Einbezug der Makrodimensionen, also der sozialen Umwelt der Vaterschaft, bestehen. Bei Bedarf werden im folgenden Verlauf der Arbeit beide Ebenen miteinander verknüpft.
In dem nun folgenden Hauptteil der Arbeit werden die möglichen Auswirkungen der aktiven Vaterschaft auf die Entwicklung des Kindes fokussiert. Der im vorherigen Abschnittdargestellte Wandel der Vaterschaft und der Väterforschung sollals Verständnisgrundlage für die aktuellen Kontextbedingungen der Vater-Kind-Beziehungen dienen. Zunächst wird die Beziehung von Vater und Kind unter bindungstheoretischer Perspektive betrachtet, um anschließend verschiedene Aspekte der weiteren Sozialisation zu fixieren.
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