Diplomarbeit, 2009
199 Seiten, Note: 2,3
Abkürzungsverzeichnis
I. Einleitung
1. Ausgangspunkt
2. Erkenntnisinteresse und Fragen
Kapitel I: Migration, Migrationsgeschichte und die Integrationsdebatte
II. Migration
1. Definitionen
2. Typologien von Migration
III. Migrationsgeschichte - Entwicklung der Gastarbeiterbeschäftigung
IV. Integrationspolitische und gesellschaftliche Diskurse
1. Politischer Integrationsdiskurs
2. Medialer Integrationsdiskurs
3. Gesellschaftlicher Integrationsdiskurs
Kapitel II: die Yeziden
V. Die Yeziden - eine doppelte Minderheit
1. Defizite in der Literatur zu den Yeziden in Deutschland
2. Soziale Organisation und Grundzüge der Religion
3. Yeziden in der Türkei und Deutschland
4. Integrationsperspektiven
Kapitel III: Integration und MlGRANTENSELBSTSORGANISATION
VI. Eingliederungstheorien
1. „race- relation- cycle“ von Robert Ezra Park (1926)
2. Stufenmodell von Milton M. Gordon (1964)
3. Eingliederungstheorie von Hartmut Esser (1980)
4. „segmented assimilation“- Ansatz von Portes/ Zhou (1993/ '97)
VII. MSO und Aspekte der Binnenintegration/ Segregation
1. MSO in Ethnischen Gemeinden - Entstehung & Struktur
2. Funktionen von Migrantenselbstorganisationen
3. Binnenintegration vs. Segregation (Elwert-Esser-Debatte)
VIII. Arbeitshypothesen (generative Fragen)
Kapitel IV: Empirische Untersuchung
IX. Explikation der qualitativen Studie
1. Fragestellung
2. Forschungsdesign
X. Analyse der Untersuchungseinheiten
1. Plattform Ezidischer Celler e.V. - Vereinsporträt und Analyse
2. Die Inkorporationsmuster der yezidischen Nachkommen in der PEC
3. Interpretation der Ergebnisse
XI. Fazitund Projektion
XII. Anhang
1. Schlagzeilen über die Yeziden
2. Daten zur Celleschen Zeitung
3. Integrationsleitbild Celle
4. Zusammenfassende Inhaltsanalyse nach Mayring
5. Interviewleitfaden
A. Leitfadenfür die Interviews mityezidischen Nachkommen
B. Leitfadenfür die Interviews mit Experten der PEC
6. Sozialdaten der Befragten und Informationen zu den Interviews
7. Forschungsbericht
A. Experteninterviews
B. Offene Leitfadeninterviews
C. Theoretische Sättigung
D. Die Rolle des Autors im Forschungsprozess
8. Transkripte
XIII. Literatur- & Quellenverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
„Gott, schütze erst die 72 Völker und dann uns.“
(aus einem Gebet der Yeziden)
Seit ihrer Gründung hat sich die Bundesrepublik Deutschland, wie auch andere westeuropäische Länder, durch mehrere Phasen der Zuwanderung und dauerhafter Niederlassung von Arbeitsmigranten und Flüchtlingen, nachhaltig zu einer multiethnischen, multikulturellen und multireligiösen Einwanderungsgesellschaft transformiert (Schulte 1998: 11). Gegenwärtig leben ca. 6.7 Mio. Ausländer in Deutschland (Migrationsbericht 2008: online). 1951 lag der Umfang ausländischer Bevölkerung noch bei 506.000, das heißt bei etwa 1% der Gesamtbevölkerung (BAMF 2008: online). Demzufolge ist der Anteil der ausländischen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung um etwa das Neunfache auf 8.9% gestiegen (Migrationsbericht 2008: online). Eine nicht unwesentliche Zunahme ethnischer Pluralisierung lässt sich auf die Anwerbung von Arbeitsmigranten in den 50ern, 60ern und Anfang der 70er Jahre sowie auf den Zuzug ihrer Familien zur dauerhaften Niederlassung zurückführen. Eine weitere Statistik zeichnet ein noch deutlicheres Bild. Gegenwärtig leben ca. 15.1 Mio. Personen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Die Personen, deren Präsenz in Deutschland mittelbar oder unmittelbar auf eine Zuwanderung zurückgeht, entsprechen somit einem Anteil von 18.4 % der Gesamtbevölkerung (Migrationsbericht 2008: online). Diese und weitere Zahlen illustrieren, dass die Zuwanderung in Deutschland keine marginale oder periphere Erscheinung ist. Ein wesentlicher Teil der deutschen Gesellschaft hat somit einen fremden ethnischen bzw. kulturellen Hintergrund - Phänomene oder Tendenzen einer nachhaltigen Pluralisierung von Ethnie und Kultur haben sich entwickelt (vgl. Schulte 1998: 11). Trotz durchschnittlicher Aufenthaltsdauer von 20 bis sogar 40 Jahren bei etwa einem Drittel der in Deutschland lebenden Personen mit Migrationshintergrund (Migrationsbericht 2008: online), kam das politische Eingeständnis hinsichtlich der faktischen Einwanderungssituation recht spät. Die politische und gesellschaftliche Fehlwahrnehmung, »Deutschland ist kein Einwanderungsland«, hat sich noch bis in die 90er Jahre aufrechterhalten (Bade 2004: 85).
Mit einem Paradigmenwechsel in der Einwanderungs- und Integrationspolitik haben Fragen hinsichtlich der Integration von Zuwanderern in die Mehrheitsgesellschaft zunehmend an gesellschaftspolitischem Stellenwert gewonnen. Zu den spezielleren Fragen gehören z.B. die Bildungsbeteilung von Migranten, die Entstehung von ethnischen Parallelgesellschaften, die Kriminalität oder Delinquenz von Migrantennachkommen wie auch die politische Partizipation von Einwanderern. Darüber hinaus lässt sich in den wissenschaftlichen wie auch politisch- normativen Diskussionen eine zunehmende Diversifizierung entlang der Ethnie, Religion und Kultur von Migrantengruppen beobachten. Infolgedessen wird beispielsweise mit zunehmender Frequenz über den Islam im Kontext von Zuwanderung und (kultureller) Integration diskutiert (Bendel 2006; Öztürk 2004; Tiemann 2004).
Nicht erst das Initiieren einer Islamkonferenz (DIK) oder eines Integrationsgipfels durch die Bundesregierung unter Beteiligung verschiedener Migrantenverbände, Vereine und anderen Vertretungen macht deutlich, dass Migrantenselbstorganisationen (MSO) bei der „Herausforderung Integration“ eine tragende Rolle zugesprochen wird. Dem gehtjedoch ein Wandel in ihrer ambivalenten Wahrnehmung voraus. Zuvor wurde den Migrantenvereinen eher mit Skepsis begegnet - Diskussionen waren negativ konnotiert. Sie wurden vielmehr als hinderliche oder desintegrative bzw. segregierende Elemente im Prozess der Integration wahrgenommen und nicht als handelnde Subjekte, die ihren Integrationsprozess selbst in die Hände nehmen, um somit politisch wie auch kulturell ihre Zukunft zu beeinflussen und zu gestalten (Paraschou 2004: 118; Bukow/ Llaryora 1988: 7; Elwert 1982: 717; Weiss/ Thränhardt 2005: 7).
In der Migrationssoziologie befasst man sich seit geraumer Zeit intensiver mit der Frage, welche Rolle Migrantenorganisationen im Integrationsprozess von Einwanderern in die Aufnahmegesellschaft „okkupieren“ und wo ihre speziellen Potenziale als integrationspolitische Akteure liegen. Obwohl sich in der Migrationssoziologie eine größere Bandbreite an Studien herausgebildet hat, stellt es ein marginal erörtertes Themenfeld dar.
Meist wird das Thema nur als Teilaspekt in Untersuchungen der Migrationsforschung behandelt (MASSKS 1999: 1). Daneben gibt esjedoch Beiträge, die die Rolle von speziellen Migrantenselbstorganisationen tiefgehender analysieren (Diehl 2002; Lehmann 2001; Fijalkowski/ Gillmeister 1997). Bei der Erforschung des Integrationspotenzials von MSO haben sich zwei dichotome Standpunkte herauskristallisiert: (1) MSO haben bei der Integration der Migranten in die Aufnahmegesellschaft ein integratives oder (2) segregatives Wirkungspotential (Hadeed 2005: 40ff.). Darüber hinaus fällt auf, dass tendenziell eher türkische oder muslimische Vereine untersucht werden - demnach also MSO der beiden größten Minderheitengruppen in Deutschland.
Auch die vorliegende Arbeit wird sich mit der Rolle von Migrantenorganisationen im Integrationsprozess von Personen mit Migrationshintergrund auseinandersetzen. Im Gegensatz zu Studien mit Bezug auf türkische oder muslimische Vereine, fokussiert sich die vorliegende Arbeit auf die Selbstorganisation einer bislang wenig beachteten Gruppe: den kurdischen Yeziden[1] - eine ethnoreligiöse Minorität, die bereits seit den 60er Jahren in Deutschland präsent ist.
Durch den fließenden Übergang von Arbeitsmigration in den 60ern, Nachzug zur Familie in den 70ern und Fluchtmigration in den 80ern, haben sich in verschiedenen Städten Deutschlands (Celle, Hannover, Oldenburg, Berlin, Emmerich, Bielefeld) kleine yezidische Kolonien herausgebildet. Respektive in Celle/ Niedersachsenn ist im Zuge dessen die weltweit größte Diasporagemeinde entstanden (Bloeß 1996: 9). Die Yeziden sind eine doppelt bedrohte Minderheit. In ihrem Herkunftskontext sind sie mittelbar durch repressive Minderheitenpolitik von ethnischer und religiöser Verfolgung betroffen. Durch ihren stark ausdifferenzierten Aufenthaltsstatus sind die Yeziden keine homogene Migrantengruppe. Sie unterscheiden sich in dieser Hinsicht von anderen hiesigen Migrantengruppen.
Durch die Tendenz zur dauerhaften Niederlassung[2], haben sich im Laufe der Zeit auch yezidische Selbstorganisationen herausgebildet, z.B. „Yezidisches Forum e.V.“ in Oldenburg (1999), „Kaniya Sipi e.V.“ in Bielefeld, „Verein der Eziden am unteren Niederrhein in Kalkar“ (1997) oder die „Plattform Êzidischer Celler e.V.“ (2002) in Celle. Daneben organisieren sich einige Vereine auf Bundesebene im „Zentralrat der Yeziden“ (Gründung 2007). In Deutschland stehen die Yeziden nun vor der Herausforderung, sich der Mehrheitsgesellschaft zu öffnen und am Integrationsprozess zu partizipieren - ein Prozess, der in ihren Herkunftsgebieten aus politischen Gründen nicht möglich war. Dieser Übergang von der Fremdbestimmung im Herkunftskontext zur Selbstbestimmung im demokratischen Deutschland, macht die Ye ziden interessant für Forschungsvorhaben. Die zunehmende Selbstorganisation der Yeziden als mittelbar strukturelle Folge eines Kettenmigrationsprozesses könnte demnach ein Indikator für den Umgang mit diesem Wandel sein.
Als erkenntnisführendes Beispiel wird der Verein „Plattform Êzidischer Celler e.V.“ in Celle/ Niedersachsen untersucht. Da in Celle die größte yezidische Gemeinde[3] in Deutschland ansässig ist und die Yeziden dort die größte allochthone Minderheit darstellen, sind sie dort für Forschungsvorhaben zugänglicher als in anderen Städten. Dazu zeigt sich in Celle die für kurdisch- yezidische Zuwanderung charakteristische Kettenmigration in soziale Netzwerke am Deutlichsten. Die hohe räumliche Konzentration von Yeziden in Celle ist primär darauf zurückzuführen, dass unter den ersten Celler Arbeitsmigranten unter anderem Vertreter zweier mitgliederreicher yezidischer Familien[4] waren, deren Angehörige nach und nach fast alle nach Celle ausgewandert sind (Savelsberg/ Hajo 2001: 21). Des Weiteren liegen bereits zwei Studien zur Situation der in Celle lebenden Yeziden vor. In Anbetracht der schweren Zugänglichkeit zu wissenschaftlicher Literatur über die Yeziden, ist es sinnvoll, die bereits vorliegenden Studien als Referenz- und Komplementärmaterial fruchtbar zu machen. Dazu ist in der Plattform Ezidischer Celler (PEC) auch eine selbstständige Frauengruppe integriert, so dass erkenntnisleitende Fragen eventuell auch aus der Genderperspektive diskutiert werden können.
Die grundlegende Fragestellung dieser Arbeit ist, inwieweit die yezidischen Selbstorganisationen, hier als exemplarischer Fall die „Plattform Ezidischer Celler e.V.“, einen aktiven Beitrag zur Integration und Partizipation der Yeziden in deutsche Gesellschaft leisten können. Dementsprechend ist fraglich, welches Potenzial die PEC in Bezug auf den Abbau bzw. die Generierung von sozialer Distanz, ethnisch- kultureller Differenz und sozialer Segregation/ Binnenintegration hat.
Diesen Fragen ist immanent, welche Funktion der Verein für die Yeziden in Celle hat, aus welchen Bedürfnissen er gegründet wurde, wie sich die konkrete Vereinsarbeit in Programm und Konzeption ausgestaltet und wie sich die Plattform Ezidischer Celler integrationspolitisch positioniert. Ferner ist fraglich, ob die Funktionen und Aktivitäten der PEC als kollektive Handlungsstrategie in puncto Partizipation und Integration in Celle charakterisiert werden können. Neben den integrationspolitischen Dispositionen des Vereins sind demnach auch die individuellen Inkorporationsmuster der Yeziden von besonderem Interesse. Dies begründet sich unter anderem dadurch, dass Migrantenselbstorganisationen stets aus den Bedürfnissen derjeweiligen Minderheiten entstehen - eine isolierte Betrachtung der Vereinsfunktionen und Aktivitäten wäre vor diesem Hintergrund zu eindimensional. Demzufolge ist die integrationspolitische Positionierung einer Migrantenselbstorganisation stets im Zusammenhang mit den individuellen Integrationsmustern der Betroffenen (Mitglieder/ Besucher des Vereins) zu betrachten. Dies erfolgt unter der Prämisse, dass die jeweils individuellen Inkorporationsmuster und die Positionen der Vereine reziprok[5] sind.
Integrationsprozesse verlaufen stets mehrdimensional. Das vorliegende Erkenntnisinteresse besteht hinsichtlich der sozialen und identifikativen Integration der Yeziden in Celle. Die identifikative Dimension der Integration umfasst die emotionale Haltung zur Herkunfts- und Aufnahmegesellschaft. Damit einher geht die Frage, inwieweit die Yeziden in Celle die jeweils dominanten Werthaltungen und Orientierungen beibehalten bzw. übernehmen (Kalter 2008: 26). Die soziale Dimension der Integration umfasst hingegen die formellen und informellen Beziehungsmuster zwischen den Yeziden und der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Hierbei ist jedoch anzumerken, dass nicht das Integrationsniveau in diesen beiden Dimensionen gemessen werden soll. Vielmehr interessieren die „yezidischen Inkorporationsmuster “ bei der sozialen und identifikativen Integration. Ergo besteht das Erkenntnisinteresse nicht darin, »ob« die Yeziden integriert sind, sondern »wie« sich integrieren.
Bezüglich der sozialen Dimension der Integration, kann dies z.B. durch eine Analyse der Außenbeziehungen der PEC, wie auch der einzelnen Yeziden, erfolgen. Die Inkorporationsmuster bei der identifikativen Integration können dagegen anhand der Beziehungen des Vereins zur Aufnahmegesellschaft/ Herkunftsgesellschaft[6] und den individuellen Haltungen der Yeziden untersucht werden. Dagegen kann die strukturelle oder kognitive Integration aufgrund fehlender empirischer Daten über die Sozialstruktur der Ye ziden nicht differenziert genug analysiert werden[7]. Die Fokussierung auf die soziale und identifikative Integration kann jedoch zu aufschlussreichen Anschlusshypothesen in Bezug auf die strukturellen und kognitiven Integrationsmuster führen. Die Zusammenhänge zwischen diesen Dimensionen der Integration werden an späterer Stelle noch einmal aufgegriffen[8].
Die Analyse der Integrationsmuster wird sich zudem primär auf die der yezidischen Nachkommen in Celle erstrecken. Damit sind die Yeziden gemeint, die in Deutschland geboren und sozialisiert wurden und somit keine Migrationserfahrung im persönlichen Sinne haben (3. Generation der Ye ziden). Da die PEC ausnahmslos von Ye ziden der ersten und zweiten Generation gegründet wurde, ist fraglich, wie sich ihre Inkorporationsmuster - ausgedrückt durch die kollektive Handlungsstrategie des Vereins - von denen der (in) formellen Mitglieder aus der dritten Generation unterscheiden. Fraglich ist demzufolge, ob und inwieweit die PEC als zusätzliche Sozialisationsinstanz, den Inkorporationsmodus der yezidischen Nachkommen beeinflussen kann. Spiegelt sich zum Beispiel eine ethnotraditionale Motivation des Vereins auch in den Inkorporationsmustern der Nachkommen wieder?
Die kurdischen Yeziden sind als Arbeits- oder Fluchtmigranten aus verschiedenen Ländern des Nahen Ostens nach Deutschland migriert. Ihre Siedlungsgebiete sind auf verschiedene Staaten, wie dem Irak, der Türkei, Syrien und dem Iran, zersplittert. Die Yeziden aus der Türkei sind nahezu vollständig ausgewandert - der größte Teil davon lebt in Celle. Vor diesem Hintergrund werden sich die Darstellungen zu den Yeziden auf die Zuwanderung und Integration von yezidischen Arbeitsmigranten und ihren Nachkommen aus der Türkei begrenzen. Außerdem sind die Celler Yeziden am längsten in Deutschland präsent und ermöglichen dadurch auch die kohortenübergreifende Betrachtung der vorliegenden Fragen.
Die bereits formulierten Fragen sind als generative Fragen aufzufassen. Im Sinne eines offenen Forschungsprozesses soll das Erkenntnisinteresse in einer empirischen Erhebung weiter konkretisiert werden. Dieser offene Zugang empfiehlt sich insbesondere bei Forschungen über die Ye ziden in Deutschland, da sie ein empirisch kaum erschlossener gesellschaftlicher Bereich sind.
Für die Analyse der übergeordneten Fragestellung samt diversen Teilfragen bietet sich eine Kombination von theoretischer Analyse und verschiedenen Verfahren der qualitativen Sozialforschung (Vorteil der Triangulation) an. Theoretische Aspekte werden anhand einschlägiger Primär- und Sekundärliteratur erarbeitet. Auf Basis dieser problemzentrierten Auseinandersetzung und den daraus abgeleiteten Forschungshypothesen (generativen Fragen) werden die erkenntnisführenden Fragen durch eine qualitative Erhebung[9] analysiert. Die detaillierte Darstellung des Forschungsdesigns erfolgt im empirischen Teil der Arbeit (Kapitel IV).
Die vorliegende Arbeit wird in mehrere Kapitel gegliedert. Eingangskapitel ist der Grundlagenteil mit einem Überblick über den Begriff Migration, den verschiedenen Migrationstypen und einem Abriss über die Migrationsgeschichte Deutschlands. Unter der Prämisse, dass die politischen und gesellschaftlichen Dispositionen zum Thema Zuwanderung entscheidende Kontextfaktoren für den Integrationsprozess von Zuwandererminderheiten sind, werden auch integrationspolitische und gesellschaftliche Diskurse aufgegriffen und diskutiert. Im zweiten Kapitel wird die Gruppe der Yeziden, wie auch das Yezidentum als Religion, detailliierter vorgestellt und auf die Situation der Yeziden in der Türkei und in Deutschland eingegangen. Abgeschlossen wird der explorative Teil über die Yeziden durch eine Projektion möglicher Integrationsperspektiven. Nach den Grundlagensegmenten {Kapitel I, II) werden dann einschlägige migrationssoziologische Eingliederungstheorien {Kapitel III) vorgestellt. Beginnend von der Chicago School bis zum neueren Ansatz von Min Zhou und Alejandro Portes, wird ein Überblick über verschiedene Inkorporationsmuster bezüglich der sozialen und identifikativen Integration von Migranten gegeben. Dies ermöglicht die theoretische Einbettung des Integrationsprozesses der kurdischen Yeziden in Celle/ Deutschland. Im Verlauf dieser Betrachtung wird gegebenenfalls auch der Einfluss von ethnischen Netzwerken und Migrantenselbstorganisationen auf den Integrationsprozess diskutiert. Darauf folgend wird die Entstehung von MSO in ethnischen Kolonien betrachtet und ihre Funktionen für die Migrantengruppen erörtert. Damit verbunden ist vor allem der Diskurs um das integrative bzw. desintegrative Potenzial von Migrantenvereinen {Elwert- Esser-Debatte). Als Abschluss des theoretischen Teils werden dann verschiedene Forschungsannahmen in Form von generativen Fragen, vorgestellt. Auf den theoretischen Abschnitt folgt dann der empirische Teil der Arbeit {Kapitel IV). Darin werden die „Plattform Ezidischer Celler“ wie auch die Inkorporationsmuster ihrer formellen und informellen Mitglieder untersucht und analysiert. Im letzten Abschnitt werden dann Ergebnisse präsentiert und mögliche Perspektiven projiziert.
Als Grundlage für das weitere Verständnis wird im Folgenden erst einmal geklärt, was unter dem Begriff Migration zu verstehen ist und welche Typen von Migration unterschieden werden. Für die Zuwanderung der Yeziden sind konkret die Begriffe Arbeits- oder Fluchtmigration und auch das Phänomen der Kettenmigration von Bedeutung. Die Betrachtung dieser Migrationsformen ermöglicht die theoretische Einordnung der yezidischen Zuwanderung nach Deutschland.
„Es ist hier also der Fremde nicht in dem bisher vielfach berührten Sinn gemeint, als der Wandernde, der heute kommt und morgen geht, sondern als der, der heute kommt und morgen bleibt [...].“ (Simmel 1992: 764).
Migration ist als komplexer sozialer Prozess zu charakterisieren. Aufgrund der Komplexität dieses Phänomens hat sich in der Migrationssoziologie keine allgemeingültige Definition herausgebildet. Eine Begriffsbestimmung beschreibt Migration im weitesten Sinne als einen Prozess der räumlichen Versetzung des Lebensmittelpunktes, also einiger bis aller relevanten Lebensbereiche an einen anderen Ort, der mit der Erfahrung sozialer, politischer und/ oder kultureller Grenzziehung einhergeht (Oswald 2007:13). Eine ähnliche Definition beschreibt Migration als einen von Einzelnen oder mehreren Menschen auf Dauer angelegten bzw. dauerhaft werdenden „freiwilligen“ Wechsel in eine andere Gesellschaft bzw. Region (Treibel 2003:21). Elias und Scotson betonen dagegen weniger Raum- Zeit- Differenzen, sondern vielmehr die sich verändernden sozialen Beziehungen. Ihre Definition stellt eher soziologische als geographisch relevante Aspekte in den Vordergrund. In ihrer Studie „Etablierte und Außenseiter“ beschreiben sie Migration als Wechsel der Gruppenzugehörigkeit: „Was geschieht, scheint nur zu sein, dass Menschen sich physisch von einem Ort zum anderen bewegen. In Wirklichkeit wechseln sie immer von einer Gesellschaftsgruppe in eine andere über“ (Elias/ Scotson in Oswald 2007: 17).
Für die verschiedenen Wanderungsprozesse ergeben sich eine Vielfalt an Motiven, den Folgen und den Bewegungen selbst. Für eine Konkretisierung des Migrationsbegriffes haben sich in der Migrationssoziologie mehrere Typologien entwickelt. In Hinblick der Zuwanderung von kurdischen Yeziden aus der Türkei ist speziell die Differenzierung zwischen Flucht- oder Arbeitsmigration und Kettenmigration von Relevanz.
Wanderungen/ Migrationen lassen sich danach typologisieren, ob sie kollektiv oder individuell erfolgen, freiwillig oder erzwungen sind bzw. temporär oder dauerhaft beabsichtigt werden. Des Weiteren können sie nach ihrer Reichweite oder danach, ob sie in Stufen erfolgen oder auch an spezifische Wanderungstraditionen anknüpfen, unterschieden werden (Beger 2000: 9). Ferner können sie als Kettenmigrationen erfolgen oder politisch, ökonomisch, ökologisch, demographisch, sozial sowie kulturell veranlasst sein. Meist liegt jedoch ein multifaktorielles Ursachengeflecht zugrunde (Beger 2000: 10).
In Bezug auf die Yeziden sind vor allem die Unterscheidungen zwischen temporärer oder dauerhafter und erzwungener oder freiwilliger Migration von Bedeutung. Demnach ist unter Einwanderung nicht nur der Aufenthalt zu verstehen, der temporär ist, sondern auch die Migration, die die dauerhafte Niederlassung zur Folge hat. Diesbezüglich sind vor allem zwei Typologien von Migration von besonderem Interesse - die Fluchtmigration und die Arbeitsmigration. Beides sind Formen der Wanderung, die zunächst temporär sind und zu dauerhafter Niederlassung im Zielland führen können. Unterschieden werden sie danach, ob die Wanderung freiwillig oder erzwungen erfolgt. So liegen Fluchtmigrationen dann vor, wenn der Entschluss zur Migration erzwungen wurde. Berechtigte Gründe können die Missachtung der Menschenrechte, Verfolgung, Bedrohung von Minderheiten oder auch Krieg sein (Oswald 2007: 66). Im Gegensatz dazu erfolgen Arbeitswanderungen dann, wenn durch die Migration das - mehr oder weniger frei - bestimmte Ziel einer sozioökonomischen Verbesserung der Lebensumstände durch Arbeitsaufnahme, (Aus-) Bildung oder unternehmerisches Handeln in einem anderem Land erreicht werden soll (Beger 2000: 10). Die terminologischen Differenzierungen sind jedoch nicht ganz unproblematisch. Was im Kontext der Migrationsentscheidung von den wandernden „Subjekten“ als Zwang empfunden wird, ist relativ. So kann die Hoffnung auf höhere Löhne bzw. auf Aufstieg in der Sozialstruktur einer Gesellschaft und die Perspektivenlosigkeit im Herkunftsland ebenso als Zwang zur Emigration empfunden werden (Treibel 2003: 19). Die Differenzierung zwischen Arbeits- und Fluchtmigration wird im Kontext dieser Arbeit jedoch nur als deskriptives Hilfskonstrukt eingeführt. Anhand dieser Differenzierungen können historische, rechtliche, ökonomische und gesellschaftliche Bedingungen, in deren Kontext sich die yezidische Zuwanderung samt ihrer Folgen vollzogen hat, skizziert werden (Historizität der yezidischen Migration). Speziell am Beispiel der Yeziden aus der Türkei wird deutlich, dass sich verschiedene Formen von Migrationsbewegungen überlagern können. Die Yeziden aus der Türkei sind zwar in den 60ern als Arbeitsmigranten eingewandert, jedoch waren zu diesem Zuwanderungszeitpunkt auch Aspekte einer Fluchtmigration relevant - wie sich noch zeigen wird, war die Arbeitsmigration der Yeziden mittelbar „erzwungen“.
Eine weitere grundlegende Typologie ist die Unterscheidung zwischen Einzel- und Kettenmigration. Nach Heckmann gehören Kettenmigrationsprozesse zu den quantitativ bedeutendsten Formen der Migration (Heckmann 1992: 99). Er definiert Kettenwanderung als „eine Form der Wanderung, in welcher Migranten soziale Beziehungen zu bereits Ausgewanderten, die im Herkunftskontext begründet sind, vor allem Verwandtschaft und Nachbarschaft, für ihren Migrationsprozess nutzen: von den Ausgewanderten erfahren sie über Chancen, erhalten Hilfe für ihre Reise, für das Finden von Arbeitsplätzen und Wohnungen, auch für die Anpassung an die neue Umgebung. Beziehungen aus dem Herkunftskontext werden in die Einwanderergesellschaft „verpflanzt“ bzw. am neuen Ort wiedererrichtet“ (Heckmann 1992: 99). Durch Kettenmigrationen entstehen (räumliche) Konzentrationen von sozialen und ethnischen Netzwerken in der Aufnahmegesellschaft - Heckmann nennt diesen Prozess auch die Herausbildung/ Genese von ethnischen Kolonien.
Massey et al. konstatieren mit Bezug auf die internationalen Migrationsströme, dass sich Kettenmigrationen über soziale Netzwerke als unabhängiges Wanderungsmotiv und zusätzliche Migrationsform etabliert haben. „Although wage differentials, relative risks, recruitment efforts, and market penetration may continue to cause people to move, new conditions that arise in the course of migration come to function as independent causes themselves, institutions supporting transnational movement develop, and the social meaning of work changes in receiving societies“ (Massey 2006: 42). Für die Erklärung von Kettenmigrationen, die durch soziale Netzwerke gefördert werden, kann die Sozialkapitaltheorie herangezogen werden. Zu den beiden wichtigsten Vertretern der Sozialkapitaltheorie gehören Pierre Bourdieu und James Coleman. Mit Bezug auf Bordieu lässt sich soziales Kapital als die Gesamtheit der tatsächlichen oder potenziellen Ressourcen, welche mit dem Besitz eines dauerhaften Netzwerkes von mehr oder weniger institutionalisierten Beziehungen, basierend auf gegenseitiger Bekanntschaft oder Anerkennung, verbunden sind, definieren (Kriesi 2007: 24). Coleman definiert Sozialkapital funktional als produktive sozialstrukturelle Ressource. Sie erleichtert den individuellen oder kollektiven Akteuren die Durchsetzung ihrer Interessen (Kriesi 2007: 24). Sozialkapital hat in diesem Kontext nicht nur für Individuen positive Wirkungen, sondern in der Regel auch für die soziale Gemeinschaft insgesamt. „Soziale Beziehungsstrukturen, welche ihren individuellen Mitgliedern wechselseitig Ressourcen verschaffen, können gleichzeitig auch eine Ressource (als öffentliches Gut) für die gesamte Gemeinschaft darstellen“ (Kriesi 2007: 25). Massey et al. konstatieren vor diesem Hintergrund, dass Migrantennetzwerke eine Form sozialen Kapitals darstellen: „Migrant networks are sets of interpersonal ties that connect migrants, former migrants, and non- migrants in origin and destination areas through ties of kinship, friendship, and shared community origin. They increase the likelhood of international movement because they lower the costs and risks of movement and increase the expected net returns to migration“ (Massey 2006: 43). Diese Netzwerke, als Form sozialen Kapitals, senken somit nicht nur die Kosten der Migration, sondern erhöhen auch den Zugang zu finanziellem Kapital, wie z.B. in Form von Arbeit oder höheren Löhnen. Durch diese Vorteile des Sozialkapitals wird die Migration in soziale Netzwerke gestärkt. Die sozialen Netzwerke werden wiederum durch jedes neue Mitglied gestärkt, so dass sich ein Selbstverstärkungseffekt ergibt, der weitere potentielle Migranten anlockt (Haug/ Pointner 2007: 369; Massey 2006: 43).
Demzufolge hat soziales Kapital, in Form von sozialen und familialen Netzwerken, neben dem ökonomischen Kapital, Humankapital und kulturellem Kapital, eine entscheidende Bedeutung für die Migrationsentscheidung von Migranten und die Entstehung von Kettenmigrationsprozessen (Haug 2000: 159 ff.). „Eine Entscheidung zur Migration findet nur dann statt, wenn der erwartete Nettonutzen der Migration höher als der erwartete Nettonutzen des Bleibens am Herkunftsort ist. Dieser erwartete Nutzen wird durch die Erträge aus der ortsspezifischen Ressourcenausstattung mit den vier Kapitalarten [...] bestimmt“ (Haug 2000: 160). Haug und Pointner schränken den starken Wirkungszusammenhang von sozialen Netzwerken und Migrationsentscheidung jedoch ein. Soziale Netzwerke, als Form sozialen Kapitals, können demnach auch migrationshemmend wirken, wenn z.B. das soziale Netzwerk im Herkunftskontext hochkohäsiv ist und tief verwurzelte lokale Verwandtschaftsund Freundschaftsbeziehungen bestehen (Haug/ Pointner 2007: 375).
Sind jedoch einmal Migrationsprozesse in Gang gesetzt, so kann folgender Ablauf erwartet werden (Massey 2006: 45, analog dazu Haug/ Pointner 2007: 376):
- Internationale Migration findet in einer Auswanderungsregion so lange statt, bis innerhalb von Migrantennetzwerken Verbindungen zu allen migrationsbereiten Personen ausgeschöpft sind.
- Migrationsbewegungen zwischen zwei Ländern korrelieren nur schwach mit Lohnunterschieden oder Arbeitslosenraten. Die Auswirkungen dieser Faktoren auf Migrationsentscheidungen werden durch Migrationsnetzwerke (und dadurch reduzierte Migrationskosten und -risiken) übertroffen.
- Wenn internationale Migrationspfade durch die Bildung und Entwicklung von Migrationsnetzwerken institutionalisiert sind, beruht Migration im Weiteren nicht mehr auf den ursprünglichen strukturellen oder individuellen Ursachen.
- Mit sinkenden Kosten und Risiken der Migranten durch soziale Netzwerke werden die Migrationsbewegungen weniger selektiv und repräsentativer für die Herkunftsgemeinschaft.
- Einmal entstandene Migrationsbewegungen sind durch politische Instrumente kaum kontrollierbar, da sich Netzwerkbildungjeglicher Regulierung entzieht.
- Bestimmte Prozesse, wie die Familienzusammenführung, wirken der Regulierung weiter entgegen, da sie die Formierung von Migrantennetzwerken fördern.
Das Phänomen der Kettenwanderung lässt sich vielleicht gerade idealtypisch bei der Zuwanderung der Yeziden in Celle, Oldenburg oder Berlin beobachten. Die dortigen yezidischen Gemeinden generieren sich überwiegend aus sozialen Netzwerken, die bereits im Herkunftskontext existierten. „Gitmez und Wilpert (1987) fanden in Berlin Netzwerke anatolischer und kurdischer Migranten, z.B. [...] 250 nicht- moslemische kurdische Familien mit etwa 1850 Personen aus dem Südosten der Türkei (Siirt)“ (Heckmann 1992: 102). Zudem spricht auch der fast ausnahmslos abgeschlossene Exodus der Yeziden aus der Türkei in wenige Städte Deutschlands für ausgeprägte Kettenwanderungsprozesse. Die yezidische Arbeitswanderung ist demzufolge stark durch Aspekte der Flucht geprägt. Darüber hinaus haben selbst yezidische Flüchtlinge die bereits bestehenden yezidischen Kolonien als Ziel ihrer Migration gewählt - „Da in Celle vorwiegend yezidische Kurden eine Anstellung gefunden hatten, baten auch vorwiegend Yeziden hier um Asyl“ (Bloeß 1996: 8).
Soziale Netzwerke als Form sozialen Kapitals haben ferner auch eine Relevanz bei Integrationsprozessen von Migranten in eine Aufnahmegesellschaft. Darauf wird noch detailliierter eingegangen. Im Folgenden wird nun auf die Migrationsgeschichte Deutschlands und die damit einhergehende Zuwanderung der kurdischen Yeziden aus der Türkei eingegangen.
„Wir haben Arbeitskräfte gerufen und es sind Menschen gekommen.“ (Max Frisch)
Die Zahl der Ausländer in Deutschland ist seit 1950 etwa um das Neunfache gestiegen. Wesentliche Zuwächse beruhen auf der Zuwanderung von Aussiedlern, Arbeitsmigranten, Flüchtlingen sowie auf Wanderungen zur Familienzusammenführung (Nachzug zur Familie). Gerade die Anwerbung von ausländischen Arbeitnehmern hat zur kulturellen und ethnischen Pluralisierung beigetragen und Deutschland zu einem „De- Facto- Einwanderungsland“ transformiert (Bade 1997: 9). Heckmann formuliert diese Entwicklung folgendermaßen: „Arbeitsmigration ist in der Geschichte der Bundesrepublik der für die Herausbildung von ethnischer Pluralität bei weitem wichtigste Prozess“ (Heckmann 1992: 17).
In Bezug auf die Gastarbeiterbeschäftigung und der Zuwanderung kurdischer Yeziden sind vor allem folgende Phasen von besonderem Interesse: (1) der Beginn der organisierten Anwerbung von ausländischen Arbeitskräften ab 1955, (2) der Wendepunkt mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise (Ölkrise) und dem damit verbundenen Anwerbestopp (1973) sowie (3) die Phase der Nachwirkungen des Anwerbestopps.
Nach Ende des zweiten Weltkrieges und mit Einsetzen des exportorientierten Wirtschaftsbooms in den 50er Jahren wuchs die Nachfrage nach Arbeitskräften in der westdeutschen Landwirtschaft und Industrie an. Die Arbeitslosenquote sank (1955: 2.6%) und die Zahl der bei den Arbeitsämtern offenen Stellen stieg so weit an, dass die Knappheit an saisonal angeforderten Arbeitskräften zum strukturellen Dauerproblem wurde (Mattes 2005: 28). Ein Teil des Bedarfs konnte durch die Rückkehr von ca. 10 Mio. deutschen Flüchtlingen und Vertriebenen aus dem Osten kompensiert werden. Jedoch blieb fraglich, wie der enorme Bedarf an Arbeitskräften mittelfristig gedeckt werden könne.
Für Arbeitsverwaltung und Wirtschaft standen zwei Optionen zur Diskussion: erstens, die Rekrutierung stiller inländischer Reserven (bisher nicht erwerbstätige Ehefrauen und Mütter) oder zweitens, die Öffnung des nationalen Arbeitsmarktes für Arbeitskräfte aus dem Ausland. Die erste Option erschien zur damaligen Zeit aus familien- und gesellschaftspolitischen Gründen als äußerst problematisch, sodass die Öffnung der Arbeitsmärkte für ausländische Arbeitnehmer erfolgte (Mattes 2005: 28). Diese Entscheidung wurde durch einen breiten Konsens zwischen Bundesregierung, Gewerkschaften, Unternehmern und parlamentarischer Opposition mitgetragen (Thränhardt 2001: 43).
1955 wurde von der deutschen Regierung mit Italien ein erstes Abkommen über die organisierte Überlassung von Arbeitskräften beschlossen. Weitere Anwerbeabkommen bezüglich sogenannter „Gastarbeiter“ erfolgten in den 60er Jahren mit Spanien (I960), Griechenland (I960), der Türkei (1961), Marokko (1963), Portugal (1964), Tunesien (1965) und Jugoslawien (1968) (Oswald 2007: 82)[10]. Durch die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte konnte der Bedarf an Arbeitskräften relativ schnell gedeckt werden. Bereits 1961 war der Zustand der Vollbeschäftigung erreicht. 1964 gab es schon eine Million Gastarbeiter und insgesamt 1,2 Mio. ausländische Staatsbürger in der BRD (Beger 2000: 27).
Eine erste Krise folgte 1966/67 aufgrund einer Rezession. Sie führte zum erstmaligen Rückgang der Ausländerbeschäftigung. Die Beschäftigung von Ausländern ging bis Anfang 1968 um circa 30%, das heißt von 1.3 Mio. auf 0.9 Mio., zurück (Bade 2004: 73). Dies wurde partiell durch finanzielle Rückkehranreize der Bundesregierung induziert und gefördert (Treibel 2003: 55). Infolge dessen stieg die Ausländerbeschäftigung nochmals an, fiel dann jedoch wieder mit Beginn der Weltwirtschaftkrise. Der Anwerbung von ausländischen Arbeitskräften wurde im Jahr 1973, durch den Anwerbestopp aus arbeitsmarkt- bzw. beschäftigungspolitischen Gründen und bedingt durch die weltweite Rezession, ein Ende gesetzt. In der Zeit zwischen dem ersten Anwerbeabkommen und dem Anwerbestopp stieg die Zahl der in Deutschland lebenden Ausländer von 506.000 (1955) auf 3.93 Mio. (1973) an (BAMF 2008: online). Die Zahl der ausländischen Beschäftigten stieg vom ersten Jahr der Vollbeschäftigung (1960) bis zum Ausbruch der Weltwirtschaftskrise (1973) von rund 280.000 auf ca. 2,6 Mio. Menschen an (Bade 2004: 71). Am stärksten vertreten waren zu Beginn die Italiener, Spanier und Griechen, wobei ihr Anteil in den 70er Jahren wieder sank, während im Gegensatz dazu die Anteile der Jugoslawen und vor allem der Türken seit Ende der 60er anstiegen (Bade 2004: 72).
Unumstrittene Funktion dieser geförderten Zuwanderung von Arbeitskräften war nicht die Organisation und Steuerung von Einwanderung wie in den USA, sondern die temporäre Überbrückung konjunktureller und demographischer Engpässe auf dem Arbeitsmarkt (Beger 2000: 27). Dieser arbeitsmarkpolitisch motivierten Zuwanderungsförderung entsprach auch, dass die Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern vorerst nach dem Rotationsprinzip erfolgen sollte. Als mittelfristig notwendige Übergangserscheinung sollten die „Gastarbeiter“ befristet beschäftigt und nach Ende der Befristung durch neu angeworbene Arbeitnehmer ersetzt werden. „Angeworben wurden Personen, die überwiegend gering bezahlte, wenig angesehene und unqualifizierte Arbeit verrichteten“ (Beger 2000: 27). Durch Druck der Arbeitgeberseite ist man jedoch relativ schnell vom Prinzip der rotierenden Beschäftigung abgerückt. Stets neue Anlemphasen für ausländische Arbeitskräfte offenbarten unter anderem die mangelnde Praktikabilität des Rotationsprinzips (Oswald 2007: 82). Durch Aufgabe des Rotationsprinzips verlängerten sich die Aufenthaltszeiten der angeworbenen ausländischen Beschäftigten, so dass nach einigen Jahren der Nachzug von Familienangehörigen einsetzte. Damit zeichneten sich erste Niederlassungstendenzen ab, ohne dass jedoch die sozialen Folgen dieser additiven Zuwanderung politisch thematisiert wurden (Bade 1997: 15). Aus den temporär eingewanderten „Gastarbeitern“ wurden dauerhafte Einwanderer, wobei sich dieser Trend bereits Jahre vor dem Anwerbestopp abzeichnete. So lebten bereits 1968 ca. 74 % aller Frauen und 57 % aller Männer aus den Anwerbeländern in einer Privatwohnung (Mattes 2005: 56). Daneben sprach auch die Zunahme der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von Gastarbeitern für ihre Niederlassungstendenzen[11].
Das Ende der zwischenstaatlichen Überlassung von Arbeitnehmern durch den Anwerbestopp hatte nicht intendierte Folgen. Nach dem Anwerbestopp und der Krise der unqualifizierten Arbeit sank - wie erwartet - die Zahl der ausländischen Beschäftigten in den folgenden Jahren um etwa eine Million. Der Nachzug zur Familie, der durch die Arbeitsmigration (und Dauerniederlassung) induziert wurde, sorgte jedoch dafür, dass die Arbeitsmigrantenbevölkerung relativ konstant bei 3.6 Mio. blieb und sich sogar bis Mitte der 70er Jahre erhöhte (Heckmann 1992: 21; Mattes 2005: 59). Der Anwerbestopp hatte den Effekt, dass die Migranten vor der Entscheidung standen, endgültig in ihr Herkunftsland zurückzukehren oder ihre Familien in die BRD nachzuholen. Während folglich die Zahl der Migranten aus Italien, Spanien und Griechenland zurückging, stieg vor allem die der türkischen Wohnbevölkerung in Deutschland. Die türkische Einwandergruppe entwickelte sich so zur bevölkerungsstärksten Minderheit in einem faktischen Einwanderungsland Deutschland, dass diesjedoch bis in die frühen 1990er dementierte (Bade 2004: 75).
Im Jahr 1970 betrug die Zahl der zugewanderten Türken etwa 470.000. 1980 betrug sie bereits 1.46 Mio. (Goldberg/ Sen 2004: 10). Gegenwärtig leben ca. 2.5 Mio. Menschen mit türkischem Migrationshintergrund in Deutschland (Migrationsbericht 2008: online). Davon hat der überwiegende Teil (ca. 59.2 %,) eine persönliche Migrationserfahrung. Seit 1970 hat sich somit die Zahl der Personen mit türkischem Migrationshintergrund um das Fünffache erhöht. Eine durchschnittliche Aufenthaltsdauer von etwa 23 Jahren bei etwa 59 % der Menschen mit türkischem Migrationshintergrund zeigt, dass ihre Präsenz überwiegend auf das zwischenstaatliche Anwerbeabkommen und den Nachzug zur Familie zurückzuführen sind. Mit einem Anteil von ca. 16.5 % gehören die Personen mit türkischem Migrationshintergrund zur größten Migrantengruppe in Deutschland (Migrationsbericht 2008: online).
Durch die Zuwanderung türkischer Arbeitsmigranten hat sich gleichzeitig auch die der Kurden und anderen Gruppen des ethnischen und religiösen Mosaiks der Türkei vollzogen (Goldberg/ Sen 2004: 128; Ammann 2006: 8). Die Heterogenität der „türkischen“ Zuwanderung wurde öffentlich kaum thematisiert und gelang erst recht spät ins Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit. So wurden die Kurden erst durch die verstärkte Flüchtlingswelle ab 1980 (nach dem dritten Militärputsch in der Türkei) oder durch das deutschlandweite PKK- Betätigungsverbot (1993) als Teil der türkischen Zuwanderung wahrgenommen (Akbayir/ Morres 2000: 62 ff.).
Über den Umfang kurdischer Zuwanderung aus der Türkei gibt es keine soziodemographischen Daten. Nach Sen und Goldberg sind etwa 500.000 der 2.6 Mio. Menschen mit türkischem Migrationshintergrund kurdischer Abstammung (Goldberg/ Sen 2004: 129). Nach Ammann umfasst die kurdische Zuwanderung aus der Türkei etwa 600.000 Kurden (Ammann 2006: 9). Celebi- Bektas schätzt die Zahl auf etwa 750.000 (Celebi- Bektas 2006: 14).
Bei der Zuwanderung der Kurden aus der Türkei überlappten sich ökonomische und politische Motive. Die Kurden in Anatolien waren ein fast ausschließlich bäuerliches Volk. Die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in der Türkei führten dazu, dass mit der Auswanderung ein sozioökonomischer Aufstieg erhofft wurde (Goldberg/ Sen 2004: 129). Neben den ökonomischen „push and pull factors“ wirkten sich jedoch auch gleichzeitig Aspekte einer Fluchmigration auf die positive Migrationsentscheidung aus. In diesem Zusammenhang ist vor allem die repressive Minderheitenpolitik der Türkei (nach Staatsgründung 1923) als signifikanter Faktor für die Emigration der Kurden bzw. Yeziden zu nennen (Akbayir/ Morres 2000: 62 ff.).
Für die kurdische Arbeitsemigration nach Deutschland waren hauptsächlich Kettenmigrationsprozesse von größerer Bedeutung. Ammann formuliert dies wie folgt: „Eine Schlüsselrolle spielte die damals so genannte namentliche Anforderung von Einzelpersonen. Beschäftigte empfahlen ihrem Arbeitgeber zumeist Nachbarn oder Verwandte. Dadurch kam es zu Kettenmigrationsprozessen, die die erstaunlich dichten Familien- und Regionalverbände in deutschen Städten erklären, wie sie auch - vielleicht sogar in besonderem Maße - bei kurdischen MigrantInnen zu beobachten sind“ (Ammann 2006: 8; Heckmann 1992: 101). Durch die Kettenmigrationsprozesse wurde auch der Familiennachzug nach Ende der Gastarbeiteranwerbung begünstigt. Entsprechende soziale Netzwerke kurdischer Migranten hatten sich bereits herausgebildet und stellten demzufolge eine strukturelle Opportunität (Form sozialen Kapitals) für den Nachzug von Familienmitgliedern oder ehemaligen Nachbarn dar[12].
Unter den kurdischen Migranten aus dem Osten der Türkei sind auch die Yeziden vertreten gewesen. Soziodemographische Daten über den Anteil der Yeziden unter den kurdischen Arbeitsmigranten oder ihre durchschnittliche Aufenthaltsdauer sind nicht vorhanden. Komparabel zur kurdischen Kettenzuwanderung haben auch bei der yezidischen Zuwanderung die Verwandtschafts- und Nachbarschaftsverhältnisse als Form sozialen Kapitals eine tragende Rolle gespielt. Dies zeigt sich besonders deutlich am Beispiel der Stadt Celle in Niedersachsen. Dort sind im Zeitraum von 1963/ 64 bis 1973/ 74 etwa 40- 50 Familien aus wenigen Dorfverbänden der Türkei zugewandert (Bloeß 1996: 7). In den 80ern sind dazu auch yezidische Flüchtlinge aus der Türkei in die bereits bestehenden Yezidi- Netzwerke in Celle und anderen Städten eingewandert. „Seit ihrer Vertreibung aus ihrer türkischen Heimat hat sich fast die gesamte Yezidigemeinschaft in Europa, vorwiegend in der Bundesrepublik Deutschland, niedergelassen. Die Yezidi suchten an erster Stelle Zuflucht bei Angehörigen ihrer Gemeinschaft, die als Arbeitsmigranten nach Europa kamen“ (Yalkut- Breddermann 1999: 51).
Dieser mehrstufige Prozess der Kettenmigration führte zur Herausbildung von Yezidi- Migrantenkolonien, insbesondere in Niedersachen im Kreis Celle[13], in Nordrhein- Westfalen in der Gegend der Stadt Emmerich und im Saarland. „Es leben nach Einschätzungen ca. 28.000 bis 29.000 Yezidi aus diesem Gebiet [Türkei] in Europa“ (Yalkut- Breddermann 1999: 51). Auf die yezidische Zuwanderergruppe und ihre Situation als doppelte Minderheit in der Türkei und Deutschland wird dann im Exkurs über die Yeziden (Kapitel II) noch detaillierter eingegangen.
Letztlich lässt sich konstatieren, dass mit den Anwerbeabkommen zur Überlassung ausländischer Arbeitnehmer das Fundament für eine nachhaltige Pluralisierung Deutschlands gelegt wurde. Noch vor 60 Jahren war Deutschland ein Land mit relativ homogener Bevölkerungsstruktur und mit relativ geringem Ausländeranteil. Vor dem Hintergrund sinkender Geburtenraten und der zunehmend alternden Gesellschaft wird der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in Zukunft weiter zunehmen. Die Diskussionen über Zuwanderung werden dadurch weiter an Relevanz gewinnen. Die Zuwanderung und die damit verbundene ethnokulturelle Pluralisierung in Deutschland ist stets auch durch - zum Teil polarisierende und emotionale - integrationspolitische Debatten in Politik und Gesellschaft begleitet worden. Daneben hat sich seit dem Anwerbestopp bis in die Gegenwart ein grundlegender Paradigmenwechsel in der Migrations- und Integrationspolitik vollzogen. Dieser Prozess wird nun anhand der wichtigsten Entwicklungen und Debatten dargestellt.
Zuwanderung und Integration von Migranten vollziehen sich stets vor dem Hintergrund gesamtgesellschaftlicher Diskurse und politischer Rahmenbedingungen, die Möglichkeiten schaffen, jedoch auch Zwänge beinhalten (Heckmann 1992: 165). Im politischen und gesellschaftlichen Diskurs werden Zuwanderung oder Integration nicht immer wertfrei konnotiert. Die Gegenwart von Einwanderern und deren Integration ist des öfteren Reizthema und wird tendenziell mit sozialen Ängsten und Reserviertheit rezipiert. Gesellschaftliche Realitäten, das heißt soziale, ökonomische und demographische Folgen von Zuwanderung oder Integration werden oft negativ und überspitzt dargestellt, ignoriert bzw. tabuisiert (Bade 1997: 10).
Bei der Betrachtung des Integrationsprozesses einer Gruppe, hier der Yeziden, ist es unerlässlich auch die Rahmenbedingungen, vor dem sich der Integrationsprozess vollzieht, mit einzubeziehen. Dies erfolgt unter der Prämisse, dass sich die Integration von Minderheiten in eine Aufnahmegesellschaft stets als multivariater Prozess, in einem Spannungsverhältnis zwischen Zuwanderern, Staat, Massenmedien und der authochtonen Gesellschaft, vollzieht. Diesbezüglich ist fraglich, wie sich z.B. das gesellschaftlich und politisch legitimierte Integrationsleitbild ausgestaltet und zu welchen Beziehungen zwischen Aufnahmegesellschaft und Migranten dies führt.
„Multikulti hat Deutschland in die Irre geführt, Multikulti ist gescheitert“
(Angela Merkel auf dem 20. Parteitag der CDU am 27.11.2006)
Die integrationspolitischen Rahmenbedingungen von Integration und Zuwanderung sind bis Ende der 90er Jahre durch starke Inkonsistenz und diffuse Regelungen gekennzeichnet gewesen. Vom Zeitpunkt des Anwerbestopps bis in die späten 90er Jahre war die deutsche Ausländerpolitik durch drei wesentliche, teils widersprüchliche, Ziele gekennzeichnet. Zum einen sollte der Zuzug aus Staaten außerhalb der EG begrenzt werden. Zum zweiten sollte die freiwillige Rückkehr und Reintegration von Ausländern in ihre Herkunftsländer durch (finanzielle) Hilfsmittel gefördert werden. Darüber hinaus sollte die Integration der rechtmäßig in Deutschland lebenden Ausländer verbessert werden (BMI 1991: 3). In Widerspruch dazu stand dass von den Bundesregierungen jahrelang vertretene Dementi - „Deutschland ist kein Einwanderungsland“ - Integrationskonzepte waren demnach auf Zeit angelegt. In einem Beschluss der Bundesregierung von 1982 heißt es diesbezüglich: „Es besteht Einigkeit, dass die Bundesrepublik Deutschland kein Einwanderungsland ist und auch nicht werden soll“ (BMI 1991: 4)[14]. Der Migrationsforscher Klaus Bade beschreibt diesen ambivalenten Zustand zutreffend als „Einwanderungssituation ohne Einwanderungsland“ (Bade 2006: 32).
Viele politische Maßnahmen in diesem Zeitraum bezogen sich auf die Förderung der Rückkehrabsicht[15] oder die Begrenzung von Zuwanderung[16]. Sie wurden nur punktuell durch Integrationsmaßnahmen ergänzt. Nachhaltige Integrationsmaßnahmen oder Konzepte mit Bezug auf die schon länger in Deutschland lebenden Ausländer, wie es z.B. der erste Bundesausländerbeauftragte Heinz Kühn in seinem „Kühn- Memorandum“ (1979) vorschlug, blieben aus. Darin stellte Kühn fest, dass die Gastarbeiter nunmehr dauerhafte Einwanderer seien und eine Rückkehrabsicht nicht mehr erwartet werden könne. Dies gelte vor allem für die hier geborene/ aufgewachsene bzw. im Kindesalter eingereiste zweite Generation (Kühn 1979: online). Ergo forderte er die Anerkennung der faktischen Einwanderungssituation und die Abkehr von auf Zeit angelegten Integrationskonzepten. Diese sollten durch ein Maßnahmenbündel ersetzt werden, das dem Bleibewilligen ermöglicht, sich vorbehaltlos und dauerhaft einzugliedern (Kühn 1979: online). Ratifiziert wurden die Vorschläge aus dem Kühn- Memorandum nicht - Diskussionen waren weiterhin durch den Grundsatz „Deutschland ist kein Einwanderungsland“ geprägt. Bade bezeichnet die 80er Jahre vor diesem Hintergrund gar als verlorenes Jahrzehnt in der Ausländerpolitik (Bade 1997: 56). Eine gestaltende Migrations- und Integrationspolitik war seiner Meinung nach jahrelang durch politische Erkenntnisverweigerung ausgeblieben - „denn was man [...] tabuisiert, das kann man politisch nicht gestalten“ (Bade 2004: 130).
Erst Ende der 90er Jahre bemühte sich die damalige Regierung das lange Zeit vertretene Dementi bezüglich der Einwanderungssituation aufzugeben und die gesellschaftliche Realität durch rechtliche und politische Maßnahmen anzuerkennen. Ein großer Schritt in diese Richtung erfolgte durch die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts zum 1. Januar 2000. Diese Reform stellte einen wesentlichen Durchbruch bei der Anerkennung der de facto Einwanderungssituation dar. Durch sie verabschiedete man sich vom ius sanguinis- Prinzip[17], der Staatsangehörigkeit aufgrund Vererbung (Bade 2004: 129). Somit gilt seit dem 01. Januar 2000, dass Kinder ausländischer Eltern nach dem ius soli- Prinzip[18] die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten, wenn ein Elternteil seit mindestens 8 Jahren dauerhaft und durchgängig in Deutschland lebt (Migrationsbericht 2008: online). Es ermöglicht diesen Kindern die doppelte Staatsangehörigkeit bis zum 23. Lebensjahr, vor dessen Vollendung sie sich dann für eine Staatsangehörigkeit entscheiden müssen. Generell wurde durch diese Reform die Einbürgerung erleichtert. Danach haben Ausländer einen Anspruch auf Einbürgerung, wenn sie sich mindestens acht Jahre rechtmäßig und durchgängig in Deutschland aufhalten und dazu noch bestimmte Zusatzvoraussetzungen, wie die Absolvierung eines Sprachtests oder die Anerkennung der freiheitlich- demokratischen Grundordnung, erfüllen (Migrationsbericht 2008: online). Neben der neuen Regelung bezüglich des Staatsangehörigkeitsrechts wurden auch Debatten um die Steuerung und Begrenzung von Zuwanderung durch ein Zuwanderungsgesetz geführt. In Kraft trat es im Jahre 2005. Dadurch wurde nun auch gesetzlich die lange Zeit dementierte Einwanderungssituation anerkannt. Das Gesetz verband Migrations- und Integrationsrecht und hatte auch strukturelle Folgen[19].
Die Neuregelungen des Zuwanderungsgesetzes betrafen nicht nur die Begrenzung von Zuwanderung. Das Gesetz enthielt zudem auch Regelungen bezüglich des Aufenthalts oder der Niederlassung von Ausländern[20]. Zugleich wurde erstmals auch eine materiell verstärkte Integrationsförderung[21] gesetzlich verankert und somit die staatliche Verantwortung für die Integration von Migranten stärker akzentuiert (Groß 2006: 87). Mit der staatlichen Selbstverpflichtung zur Integrationsförderung korrespondiert auch die Pflicht bestimmter Zuwanderergruppen, an Integrations- und Sprachkursen - unter Einschluss von Sanktionsmöglichkeiten - teilzunehmen und sich darüber hinaus an den Kosten zu beteiligen (Groß 2006: 92f.; Schneider 2007: online). Die integrationspolitischen Regelungen machen deutlich, dass insbesondere der Erwerb deutscher Sprachkenntnisse als unabdingbare Voraussetzung für die wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Integration bewertet wird (Groß 2005: 87)[22]. Getragen vom Prinzip „Fördern und Fordern“ stellt das Zuwanderungsgesetz einen integrationspolitischen Paradigmenwechsel dar. Der Staat akzeptiert seine Aufgabe als integrationspolitischer Akteur und nimmt gleichzeitig die Zuwanderer in die Pflicht. Dies stellt in integrationspolitischer Hinsicht eine Abkehr von der »laissez fairez« Haltung voriger Bundesregierungen dar. Integration wird nunmehr als wechselseitiger Prozess verstanden, der Anstrengungen von beiden Seiten erforderlich macht[23].
Das neue Zuwanderungsgesetz wurde jedoch nicht kritiklos rezipiert. Klaus Bade bemängelt den Mangel an nachholenden Integrationsmaßnahmen für Zuwanderer, die bereits einen längeren Zeitraum in der Bundesrepublik leben. Auf sie gerichtete Maßnahmen sind nur mittelbar und indirekt im Gesetz vorgesehen. Diese Problematik offenbart sich vor allem wenn man davon ausgeht, dass der Anteil von Neuzuwanderern im Verhältnis zu den Personen mit Migrationshintergrund zunehmend schrumpft.
Auch die Fokussierung auf Integrations- und Sprachkurse für den Erwerb der deutschen Sprache wird kritisch hinterfragt. „Mindestens genauso wichtig ist die rechtliche Absicherung der Migranten im Sinne einer schrittweisen Herstellung der Rechtsgleichheit, [...]. Entscheidend ist letztlich die Bereitschaft der deutschen Bevölkerung, kulturelle Pluralität und insbesondere binationale Identifikationen, die heute für die Mehrheit der Migranten prägend sind, zu akzeptieren“ (Groß 2006: 101). Bommes konstatiert überdies, dass das neue Zuwanderungsgesetz keinen wirklichen Bruch mit der vorher praktizierten Migrations- und Integrationspolitik darstellt, sondern nur auf symbolischer Ebene als Neuanfang inszeniert wird, um die Debatte zu beenden, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist oder nicht (Bommes 2006: 74f.). Auch nach Esser sind Sprachkurse für Migranten kein Allerheilsmittel: „Der Schlüssel fürjede Art der sozialen Integration in das Aufnahmeland ist die strukturelle Assimilation (in Bildung und Arbeitsmarkt), und die wichtigste Vorbedingung dafür ist der Spracherwerb. Alle Erkenntnisse deuten darauf hin, dass der Spracherwerb eine Nebenfolge von regelmäßig gegebenen interethnischen Lernopportunitäten ist, wie sie sich nur in alltäglichen Interaktionsvorgängen ergeben. Sprachkurse und andere Programme sind, bei aller ihrer grundsätzlichen Nützlichkeit, alleine nur von begrenzter Wirkung, wenn es nicht zu strukturell begründeten Gegebenheiten für interethnische Kontakte kommt“ (Esser 2001: 69).
Insgesamt ist jedoch mehr Dynamik in die politische Integrationsdebatte gekommen. Es hat sich gezeigt, dass Integration kein statischer Prozess ist, der mehr als einen feststehenden (vielleicht auch symbolischen) Maßnahmenkatalog erfordert. Vielmehr müssen die vorhandenen Konzepte stetig evaluiert, hinterfragt und im Dialog mit den Minderheiten und ihren Vertretungen erörtert werden. Dass dies keine konfliktfreien Debatten sind, haben der Integrationsgipfel und auch die DIK gezeigt. Es wird sich in Zukunft zeigen, ob gerade diese institutionalisierten Dialoge die Funktion haben, „sich der Dynamik der laufenden Integrationspolitik, ihrer beabsichtigten und unbeabsichtigten Resultate zu vergewissern, Übertreibungen in verschiedenen Hinsichten zurecht zu rücken und auf eine langfristige und realistische Integrationspolitik zu setzen - im Wissen darum, dass man funktionierende organisatorische Strukturen zur Beförderung der sozialen Integration von Migranten weder aus dem Stand erfinden kann noch alle neu erfinden muss [...]“ (Bommes 2006: 83).
„Die Bärtigen kommen. [.]
Der geplante Neubau einer Moschee treibt Anwohner und Muslime
in einen erbitterten Kulturkampf.“
(DER SPIEGEL 45/2006)
In demokratischen Gesellschaften haben die Massenmedien[24] eine meinungsbildende Funktion. Sie haben Fragen öffentlichen Interesses in freier und offener Diskussion zu erörtern, so dass im „Kampf der Meinungen“ das Vernünftige die Chance hat, sich durchzusetzen (Meyn 2001: 35). Die konstitutive Stellung der Medien in einer Demokratie erschließt sich unter anderem daraus, dass ihre Freiheit und Unabhängigkeit im Grundgesetz[25] verankert ist. Bezüglich der gesellschaftlichen Debatte zu Integration und Zuwanderung sind die Massenmedien ein nicht zu vernachlässigender Teilnehmer. In den Medien- und Kommunikationswissenschaften werden mehr oder weniger starke Wirkungsweisen der Medien konstatiert. Sie können als meinungsbildende Instanz unmittelbar oder mittelbar auf die Meinungen und Einstellungen der Gesellschaft wirken[26]. Die Medienberichterstattung über Migranten bzw. Personen mit Migrationshintergrund kann demnach ein positives oder negatives gesellschaftliches Klima schaffen. Eine hohe Frequenz negativer Medieninhalte könnte gegebenenfalls dazu führen, dass Gruppen mit Migrationshintergrund dies mit Abwehrreaktionen und Verdrossenheit gegenüber Medien und Aufnahmegesellschaft erwidern. Auf der anderen Seite könnte eine hohe Frequenz von negativen Berichterstattungen bei der authochtonen Gesellschaft die selektive Wahrnehmung von MigrantInnen verstärken und Vorurteile, Stigmata sowie soziale Distanz verschärfen. Ob und in welchem Maße diese Wirkungszusammenhänge vorliegen, ist bisher ungenügend erforscht. Pauschale Wirkungsannahmen für bestimmte Inhalte und Wirkungen auf die Öffentlichkeit sind heute nicht mehr angemessen (Ruhrmann: online). Mit Rückgriff auf einige kommunikationswissenschaftliche Studien lassen sich diverse Aussagen bezüglich der Darstellung von Migranten in den Massenmedien zusammenfassen. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass die Massenmedien in Deutschland tendenziell ein eher negativ konnotiertes und verzerrtes Bild von Migranten transportieren (Ruhrmann: online; Meier- Braun 2001: 59ff.). Außerdem hat das Thema Integration eine relativ marginale Positionierung in der Berichterstattung über Migranten. In einer Studie von Ruhrmann, Sommer und Uhlemann (2006), in der speziell die Fernsehberichterstattung[27] über Migranten nach den Anschlägen am 11. September 2001 untersucht wurde, kam man diesbezüglich zu aufschlussreichen Ergebnissen. So wurde unter anderem eine thematische Verschiebung von klassischen, politischen Migrationsthemen hin zu verstärkt sensationalistischer Berichterstattung über Terrorismus[28] und Delinquenz[29] festgestellt (Ruhrmann/ Sommer/ Uhlemann 2006: 46). Migranten im Zusammenhang von Zuwanderung werden in der Berichterstattung dagegen nur peripher thematisiert (5.4% der Migrantenberichterstattung). Am häufigsten ist die Berichterstattung über Personen marrokanischer und türkischer Herkunft - dies wird vor allem auf die hohe Relevanz des Themas „Terror“ nach dem 11. September zurückgeführt.
Dazu werden MigrantInnen in TV- Beiträgen tendenziell eher bewertet werden als Deutsche (Ruhrmann/ Sommer/ Uhlemann 2006: 57f.). Demzufolge sind nach dem 11. September äußerst emotional besetzte Themen in die öffentliche Diskussion gebracht worden. Sie prägen das aktuelle Bild der Migranten in Deutschland, vor allem der in Deutschland lebenden Muslime (Ruhrmann/ Sommer/ Uhlemann 2006: 66). Ähnliche Tendenzen lassen sich auch für die Presse beobachten, wobei die möglichen Folgen noch schwerwiegender sein können. Somit ist eine verzerrte Migrantenberichterstattung in den Printmedien, vor dem Hintergrund der zunehmenden Pressekonzentration und der damit verbundenen Herausbildung von Einzeitungskreisen[30], umso problematischer.
Auch nach Butterwegge haben die Medien durch ihre Migrationsberichterstattung einen starken Einfluss auf das Bild von Migranten in der Aufnahmegesellschaft. Butterwegge charakterisiert die Migrationsberichterstattung der Massenmedien als Katalysatoren der Ethnisierung. „Wenn ethnische Differenzierung als Voraussetzung der Diskriminierung und dominanter Mechanismus einer sozialen Schließung gegenüber Migrant(inn)en charakterisiert werden kann, treiben die Medien den Ausgrenzungsprozess voran, indem sie als Motoren und Multiplikatoren der Ethnisierung wirken. Medien fungieren dabei als Bindeglieder zwischen institutionellem (strukturellem, staatlichen), intellektuellem (pseudowissenschaftlichem) und individuellem bzw. Alltagsrassismus“ (Butterwegge 2006: 186). Mit Ethnisierung in diesem Kontext ist ein sozialer Exklusionsmechanismus gemeint, der Minderheiten schafft, diese tendenziell negativ etikettiert und Privilegien einer Mehrheit perpetuiert (Butterwegge 2006: 186). Dies diene auch dem Zweck, die nationale Identität der authochtonen Gesellschaft hervorzuheben und die politische Machtenfaltung zu legitimieren. Dabei dominieren insbesondere die semantischen Exklusionsmechanismen, die die Migranten in den Medien fortschreitend als „Fremde“ typisieren. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch Pichler und Schmidtke in ihrer Mediendiskursanalyse, in der sie die grundlegenden Strukturen der Migrantenberichterstattung identifizieren und ihre Wirkungsweise analysieren: „Der öffentliche Diskurs ist das Medium, in dem die symbolisch bestimmte Differenz zwischen dem Eigenen und dem Anderen geschaffen und reproduziert wird. In ihm verdichten sich relativ stabile Muster kollektiver Identität, normativ aufgeladene Bilder des Anderen. Diese wirken im öffentlichen Diskurs wie ein Prisma, durch das hindurch die soziale Realität wahrgenommen und bewertet wird“ (Eder/ Rauer/ Schmidtke 2004: 74). Demnach haben die Medien „einen entscheidenden Einfluss [darauf], die Erwartungen der deutschen Gesellschaft an eine Migrantengruppe zu artikulieren und hierüber auch das Selbstverständnis der Migranten in ihr zu prägen“ (Eder/ Rauer/ Schmidtke 2004: 74). Die Medien verfestigen somit Exklusions- bzw. Schließungs- und Abgrenzungsmechanismen in der Mehrheitsgesellschaft - die Einhegung (kulturelle Form der Exklusion) in Form von symbolischer „Ghettoisierung“ bzw. Exklusion wird manifestiert (Eder/ Rauer/ Schmidtke 2004: 74). Mit symbolischer Exklusion bzw. Inklusion ist in diesem Kontext die Anerkennung bzw. Negierung des Anderen als Teilnehmer in Diskursen über politische, ökonomische, soziale, institutionelle und kulturelle Exklusion bzw. Inklusion gemeint - Diskursen, die symbolische Grenzen zum Anderen (dem Eingehegten) markieren und somit eine exkludierende Codierung der Inklusion des Anderen darstellen (Eder/ Rauer/ Schmidtke 2004: 281). Die Integration von Migranten ist vor dem Hintergrund exkludierender Medienberichterstattung problematisch, da Inklusion (Zugehörigkeit zu einer Gruppe) an die besondere öffentliche Anerkennung gebunden ist - wer dort nicht anerkannt wird, gehört auch nicht dazu (Eder/ Rauer/ Schmidtke 2004: 281).
Gerade in Medien- und Kommunikationsgesellschaften, in denen sich die Realität für die Menschen zunehmend über die Rezeption von Medieninhalten erschließt, haben die Medien durch ihre Informationsfunktion einen mehr oder weniger starken Einfluss auf den Migrations- und Integrationsdiskurs. Medien können kollektive und individuelle Einstellungen zu Migration und Integration beeinflussen und somit auch die Rahmenbedingungen der Integration mitbestimmen. Dafür spricht auch eine von Differenzierung durch Erol Yildiz. Seiner Ansicht nach reiche das Wirkungspotential nicht so weit, dass die Medien neue Wirklichkeiten schaffen und Nationalismus und Rassismus erzeugen können. In seinem Verständnis sind die Massenmedien vielmehr ein Transportmittel für Deutungen und Bilder, die bereits in der Gesellschaft vorhanden sind. „Massenmedien greifen bestimmte Normalitätsvorstellungen auf, die in anderen gesellschaftlichen Kontexten, z.B. in politischen oder wissenschaftlichen, entstanden sind. Daher können Medien nicht unabhängig von der Gesellschaft betrachtet werden“ (Yildiz 2006: 38). In diesem Kontext lässt sich davon ausgehen, dass die Analyse eines Mediendiskurses über Integration und Migration auch die Rezeptivität einer Gesellschaft abbildet. Gerade durch eine Diskussion unter dieser Prämisse erhält die Analyse der Migrantenberichterstattung eine signifikante Relevanz.
„Die in Deutschland lebenden Ausländer sollen ihren Lebensstil
ein bisschen besser an den der Deutschen anpassen.“
(Item aus der ALLBUS)
Wie bereits erwähnt, erfolgen Integrationsprozesse in einem Spannungsfeld zwischen Migranten, Politik, Medien und Aufnahmegesellschaft. In diesem Sinne hängt ein erfolgreicher Integrationsprozess nicht nur von strukturellen Opportunitäten ab, die vom Staat als integrationspolitischer Regisseur geschaffen werden. Vielmehr sind auch die sozialen Opportunitäten (z.B. für interethnische und interkulturelle Kontakte), die die Aufnahmegesellschaft den Zuwanderern eröffnet, von Relevanz. Erst die Berücksichtigung der Beziehung einer Aufnahmegesellschaft zu seinen Zuwanderern kann auch Aufschlüsse über den Integrationsprozess von Zuwanderern geben.
Für die Betrachtung der Einstellungen gegenüber Zugewanderten werden im Folgenden einige Ergebnisse aus dem Datenreport 2008, die auf Basis der ALLBUS entstanden sind, betrachtet werden. In der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften wird seit 1980 regelmäßig die Zustimmung von Deutschen zu vier Aussagen[31] erhoben (Datenreport 2008: 208). Für die Erhebung des Jahres 2006 findet die Aussage „Die in Deutschland lebenden Ausländer sollen ihren Lebensstil ein bisschen besser an den der Deutschen anpassen“ die meiste Zustimmung. Vergleicht man die Ergebnisse mit denen voriger Jahre, so ist auffällig, dass gerade die Zustimmung zum eher moderaten Item „Ausländer sollen ihren Lebensstil anpassen“ seit 1994 stark zugenommen hat. Im Gegensatz dazu ist die Zustimmung zu den anderen eher „ausländerablehnenden“ Items rückläufig oder nahezu auf dem gleichen Niveau geblieben. Hier liegt in gewisser Weise eine Analogie zu den integrationspolitischen Entwicklungen der letzten Jahre vor. Ablehnende oder gar feindliche Dispositionen verlieren zunehmend an Präsenz. Die Ergebnisse der ALLBUS lassen sich demzufolge als gesellschaftliche Korrespondenz auf den integrationspolitischen Grundsatz „Fördern und Fordern“ interpretieren.
Des Weiteren wurde untersucht, inwieweit Differenzen im Lebensstil verschiedener Ausländer- und Zuwanderergruppen im Vergleich zu dem der Deutschen wahrgenommen und bewertet werden. So wurde in Bezug auf die soziale Distanz zwischen Deutschen und den beiden größten Zuwanderergruppen in Deutschland festgestellt, „dass es in der deutschen Bevölkerung gegenüber Türken - anders als z.B. gegenüber Italienern - nach wie vor gewisse Vorbehalte gibt. Die hier lebenden Türken werden von vielen als »anders«, eigenen Sitten und Gebräuchen verhaftet wahrgenommen. Und die Tatsache, dass vor allem Befragte, die einen stark vom deutschen abweichenden Lebensstil zu erkennen glauben, am liebsten auf die Distanz zu den Türken gehen, spricht dafür, dass diese Andersartigkeit in der Regel eher negativ bewertet wird“ (Datenreport 2008: 214).
Trotz der Vorbehalte gegenüber der größten Minderheit in Deutschland, kann man davon ausgehen, dass es kein ausländerfeindliches Meinungsklima in Deutschland gibt, gerade auch weil es einen Zuwachs des Anteils derer gibt, die die Präsenz von Ausländern als kulturelle Bereicherung für Deutschland empfinden.
Es hat sich gezeigt, dass komplexe Integrationsprozesse nur durch die Betrachtung der verschiedenen Spannungsfelder analysiert werden können. Öffentliche Diskurse oder wissenschaftliche Studien, die einzig die Integrationswilligkeit oder das erreichte Integrationsniveau von Migranten erfassen oder messen, wären unter der Prämisse eines multivariaten Integrationsprozesses zu eindimensional.
Aus der Betrachtung dieser Spannungsfelder gehen bereits im Ansatz einige generative Fragen für die später folgende empirische Studie hervor. Fraglich ist zum einen, wie die lokale Politik in Celle sich integrationspolitisch[32] positioniert hat. Dazu ist von Interesse in welcher Form die Yeziden in den meinungsbildenden Medienorganen Celles dargestellt und eventuell bewertet werden[33]. Bezüglich der sozialen Beziehungen zur Aufnahmegesellschaft könnte von Interesse sein, ob die Celler Ye ziden sich in irgendeiner Weise stigmatisiert (z.B. gerade auch als Türken) oder mit Vorurteilen konfrontiert fühlen. Diese Fragen sind unter anderem in die Konzeption der empirischen Studie am Ende der Arbeit mit einzubeziehen.
Die Yeziden sind eine besondere Gruppe von Einwanderern in Deutschland. Obwohl sie bereits in Karl Mays Erzählungen „Durchs wilde Kurdistan“ (1892) als „T**felsanbeter“ erwähnt wurden, sind sie außerhalb von ihren Ballungszentren in Deutschland recht unbekannt. Medial werden sie öfters im Zusammenhang von Ehrenmord[34], Zwangsehe[35] oder auch als Opfer von Terroranschlägen im Irak[36] genannt. Eine tabellarische Übersicht exemplarischer (deutschsprachiger) Schlagzeilen erhält man im Anhang 1 dieser Arbeit.
Die Yeziden stellen unter sämtlichen Gruppen der Zuwanderer eine kleine religiöse und ethnische Minderheit dar. Des Weiteren sind sie ein bisher nur marginal erforschtes Themengebiet. Detailliierte Informationen zur Sozialstruktur oder Statistiken bezüglich yezidischer Population sind nur verstreut zu finden und basieren überwiegend auf Schätzungen. In ihren ursprünglichen Siedlungsgebieten stellen sie eine doppelte Minorität dar, die nicht gesondert erfasst wurde. Die kurdisch sprechende Gemeinschaft der Yeziden gehört zudem zur ethnischen Minderheit der mehrheitlich muslimischen Kurden.
Da sämtliche Kurden einst Yeziden waren, war das Siedlungsgebiet der Yeziden zunächst mit dem des kurdischen Volkes identisch. Nach der zunehmenden Islamisierung der Kurden wurde ihr Siedlungsgebiet)edoch weiter eingegrenzt. Letztlich sind kleine Regionen von Yeziden verstreut auf das gesamte Siedlungsgebiet der Kurden verblieben (Düchting/ Ates 1992: 108). Das Hauptsiedlungsgebiet liegt in der Region Sinjar im heutigen Nordirak/ Region Kurdistan, wo etwa 500.000 Yeziden leben. Die Herkunft dieser exklusiv kurdischen Religionsgruppe wurzelt zudem in den kurdischen Gebieten der Türkei, des Iran und Syriens. Weitere Siedlungsgebiete der Yeziden liegen in Armenien, Georgien und Russland (Savelsberg/ Hajo 2001: 18). In diesen Gebieten, besonders auf dem Staatsgebiet der Türkei, ist ihre Zahl insbesondere durch Verfolgung, Exodus und Arbeitsemigration, stark zurückgegangen (Ammann 2001: 259f.). Eine größere Diasporagemeinde hat sich seit Ende der 60er Jahre in Westeuropa, speziell in einigen Regionen Deutschlands herausgebildet.
Die Schätzungen über die weltweite Population der Yeziden reichen von 200.000 (Guest 1993: XIII; Schmalz- Jacobsen/ Hansen 1997: 242) bis zu 800.000 (Tolan 2004: 13). Die Zahl der Yeziden in Deutschland wird auf etwa 20.000 - 25.000 bzw. 28.000 geschätzt (Düchting/ Ates 1992: 108; Yalkut- Breddermann 1999: 51; Ackermann 2003: 157). Der größte Teil davon stammt aus der Türkei. Kizilhan geht davon aus, dass von den einst etwa 30.000 Yeziden nur noch circa 1500 auf dem Staatsgebiet der Türkei leben (Kizilhan 1997: 237). Auf Basis eines Gutachtens schätzt der yezidische Verein „Yezidisches Forum e.V. - Oldenburg“ die Zahl der verbliebenen Yeziden in der Türkei auf unter 600 Personen (Yezidisches Forum e.V. 2006: online).
Durch Arbeitsmigration, Nachzug zur Familie und Flucht haben sich in einigen Städten, im Zuge von Kettenmigrationsprozessen, kleine yezidische Gemeinden bzw. Kolonien herausgebildet (Yalkut- Breddermann 2001: 16). Dies resultiert neben den Mechanismen von Kettenmigrationen auch aus der Tatsache, dass die Yeziden eine streng endogame Gruppe sind. Ihre hochkohäsiven Verwandtschaftsbeziehungen bleiben so trotz der räumlichen Verstreutheit ein enges soziales Netzwerk, das wiederum die Kettenmigration gefördert hat (Yalkut- Breddermann 2001: 16). Unter den Gemeinden in Deutschland ist Celle die Größte mit über 2700 Yeziden (Savelsberg/ Hajo 2001: 21). Sie ist darüber hinaus die weltweit größte Yezidigemeinschaft außerhalb ihrer ursprünglichen Siedlungsgebiete (Akkaya 1982: 237).
Die Gruppe der Yeziden wird folgend exkursartig vorgestellt. Da tiefgehende religionswissenschaftliche Erläuterungen zu den spezifischen Religionsinhalten, der religiöse Ursprung etc. den Rahmen dieser Arbeit sprengen würden, ist es sinnvoll die Erläuterungen auf die essentiellen Elemente zu beschränken. Der konkrete Bezug zur Fragestellung ist daher erkenntnisführend.
Sozialwissenschaftliche Literatur zur Situation der kurdischen Yeziden in Deutschland ist kaum vorhanden - obendrein ist sie schwer zugänglich. Dieses Defizit wird bei dem Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit zu den Ye ziden offensichtlich. Folglich steht eine relativ kleine Range an wissenschaftlich nutzbarer Daten zur Verfügung. Wissenschaftliche Beiträge stammen größtenteils aus den Religionswissenschaften oder der Ethnologie. Speziell die Situation der Yeziden im Exil bzw. in Deutschland wird in vielen Veröffentlichungen meist nur peripher als untergeordnetes Thema zwecks Vollständigkeit behandelt. Meistens beschränken sich diese Ausführungen auf die Zahl der Yeziden in Deutschland, die Verfolgungsgeschichte oder spezielle Religionsinhalte[37]. Geprägt sind die Ausführungen z.B. auch durch unscharfe Annahmen bezüglich der Integration in Deutschland: „Die Integration der Yeziden in Deutschland verläuft nicht immer reibungslos. Die Kinder der so genannten »Gastarbeitergeneration« haben nicht selten an den Folgen von Vernachlässigung und mangelnder Führung in ihrer Kindheit und Jugend zu leiden“ (Affolderbach/ Geisler 2007: 25). Schwerpunkt wissenschaftlicher Betrachtungen sind demnach das Yezidentum als Religion einer ethnoreligiösen Gruppe, die Entstehung und Transformation religiöser Elemente wie auch die (Verfolgungs-) Geschichte der Yeziden in ihren Heimatländern. Ferner gibt es eine größere Bandbreite von allgemeinen Gesamtdarstellungen zwecks Information oder Aufklärung über die yezidische Gemeinschaft und Religion (z.B. Issa 2007; Affolderbach/ Geisler 2007).
In den letzten Jahren sind hingegen auch einige empirische Studien zu den Ye ziden erschienen. In diesem Kontext ist insbesondere die Studie von Eva Savelsberg und Siamend Hajo (2001) zu nennen. Darin analysieren sie das Verhältnis von kurdischen Ye ziden in Celle zur Mehrheitsgesellschaft. Erkenntnisleitend für ihre Studie waren 14 qualitative Interviews mit Celler Yeziden der ersten und zweiten Generation. Eine weitere wissenschaftliche Arbeit zur Situation der Yeziden in Deutschland ist ein Aufsatz von Andreas Ackermann (2003). Mit Rückgriff auf den Begriff „Diaspora“ beschreibt und analysiert Ackermann die Transformationsprozesse innerhalb der yezidischen Gemeinschaft in Deutschland. Zu nennen ist ferner die Arbeit von Sabiha Yalkut- Breddermann (2001). Sie analysiert die verschiedenen Transformationsprozesse innerhalb der yezidischen Gemeinschaft, die sich vom Übergang von Flucht und Emigration zur Integration in Deutschland vollziehen. Ihre Analysen basieren auf jahrelangen empirischen Feldforschungen[38]. Zudem ist die Studie „Jugendliche Yeziden“ von Ingo Bloeß (1996) zu nennen. Darin wird anhand qualitativer Interviews die Identitätskonstruktion yezidischer Nachkommen im Spannungsfeld der deutschen Gesellschaft in Celle untersucht. Vor dem Hintergrund, dass Literatur zu den Yeziden in Deutschland schwer zugänglich und beschränkt ist, werden Erkenntnisse dieser und anderer (Forschungs-) Arbeiten auch für entsprechende Segmente dieser Arbeit fruchtbar gemacht.
Die Reflexion yezidischer Präsenz in Deutschland erfolgt nicht nur auf wissenschaftlicher Ebene. Insbesondere in der Belletristik hat sich die Zahl der Veröffentlichungen erhöht (Tuku 2009; Bulut 2008; Issa 2007). Auffällig dabei ist, dass gerade yezidische Frauen autobiographisch über ihre Erfahrungen in der kurdisch- yezidischen und deutschen Gesellschaft berichten.
[...]
[1] In der Literatur werden unter anderem auch die Bezeichnungen Jesiden, Yezidi, Yazidi, Eziden oder Ezidi verwendet. Im deutschsprachigen Raum hat sich jedoch überwiegend die Schreibweise „Yeziden“ durchgesetzt. Zudem wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit im Folgenden auf die doppelte Schreibweise (männlich/weiblich) für sämtliche Termini verzichtet.
[2] Damit war auch die abnehmende Aussicht auf eine Rückkehr in die Herkunftsregionen verbunden.
[3] Zudem ist die Selbstorganisationsdichte in und außerhalb Celles besonders hoch. So gibt es neben zwei yezidischen Fußballvereinen (SV Dicle Celle seit 1984; FC Firat Bergen seit 2000) auch einen zweiten Kulturverein (Ezidisches Kultur- Zentrum in Celle und Umgebung seit 1993).
[4] Ingo Bloeß spricht in diesem Zusammenhang von 40- 50 yezidischen Familien, die sich im Zeitraum zwischen 1963- 1974 in Celle niedergelassen haben (Bloeß 1996: 7).
[5] Diese Bewertung erfolgt auch aus der Erkenntnis, dass die Partizipation an einem eigenethnischen Verein auf freiwilliger Entscheidung der Individuen basiert. Vereine sind grundsätzlich konsensbasiert. Kollektive Positionen des Vereins spiegeln demnach zu einem gewissen Teil die Einstellungen und Meinungen der Individuen wieder.
[6] In diesem Kontext könnte z.B. fraglich sein, ob die PEC eine heimatlandorientierte oder aufnahmelandorientierte Vereinsprogrammatik verfolgt.
[7] Über die strukturelle Integration der Ye ziden liegen kaum aufschlussreiche empirische Daten vor, so z.B. bezüglich der Bildungsbeteilung von kurdischen Ye ziden in Deutschland. Empirische Daten bezüglich der wirtschaftlichen Eingliederung sind ebenfalls kaum bzw. gar nicht vorhanden.
[8] Hierbei könnte z.B. fraglich sein, welchen Einfluss die lange Aufenthaltsdauer und die fehlende Rückkehropportunität auf die identifikative und soziale Integration haben und welche Bedeutung dabei die strukturelle und kognitive Integration einnehmen.
[9] Im Rahmen der qualitativen Studie am Ende der Arbeit wurden neun qualitative Interviews, davon drei Experten- und sechs offene Leitfadeninterviews, durchgeführt.
[10] Parallel dazu vollzog sich die Deckung des Bedarfs an Arbeitskräften auch auf informellem Wege, vor allem durch eigenmächtige Anwerbungen von Unternehmen mittels privater Arbeitsvermittler. Sinn und Zweck der zwischenstaatlichen Anwerbeverträge war, die privaten Anwerbevereinbarungen zu unterbinden und die wachsende Zuwanderung unter staatliche Kontrolle zu bringen (Mattes 2005: 38).
[11] „Von den Ausländern, die am 31. Dezember 1987 in der Bundesrepublik lebten, waren 45.8 % bereits zehn bis 20 Jahre, 13.9 % sogar mehr als 20 Jahre und insgesamt 59.7 % länger als zehn Jahre im Land“ (Bade 2004: 82).
[12] In dieser Hinsicht kann von einem Selbstverstärkungseffekt gesprochen werden. Durch die massive Kettenmigration nach Deutschland sind vor allem auch die sozialen Netzwerke im Herkunftskontext erodiert worden. Dieser Selbstverstärkungseffekt hat sich insbesondere bei den Yeziden gezeigt. So sind in relativ kurzer Zeit nahezu ganze Dorfverbände ausgewandert.
[13] „[...] das neue Erlebnis, nicht verfolgt zu werden und die Tendenz, sich gemeinsam stärker zu fühlen, brachte hier die größte Yezidi- Kolonie der Welt hervor“ (Akkaya 1982: 237).
[14] An anderer Stelle heißt es entsprechend: „Durch den langwährenden Aufenthalt von Ausländern ist die Bundesrepublik Deutschland nach ihrem Selbstverständnis kein Einwanderungsland geworden, auch wenn die Anwerbung zueiner Dauerniederlassung von Ausländerngeführthat“ (BMI 1991: 5f.).
[15] Gesetz zur Förderung der Rückkehrbereitschaft von Ausländern: 1983.
[16] Anwerbestopp-Ausnahmeverordnung: 1993;DrittstaatenregelungimAsylrecht-Art. 16aGG: 1993.
[17] „Abstammungsprinzip“.
[18] Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt im Land; „Geburtsortprinzip“.
[19] Aus dem Amt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl) ging das auf Bundesebene zentral zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hervor (Bade 2006: 36).
[20] Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet.
[21] Vgl. § 45 Aufenthaltsgesetz.
[22] Vor diesem Hintergrund werden Zuwanderer aufgefordert, sich aktiv um den Erwerb deutscher Sprache zu bemühen und sich in die Rechts- und Gesellschaftsordnung einzugliedern.
[23] Auf dem Integrationsportal des BAMF wird dies in den richtungweisenden Schlagworten „Integration - voneinander lernen, gemeinsam leben“ formuliert.
[24] Printmedien, Hörfunk und Fernsehen.
[25] Art. 5 GG.
[26] Medieninhalte wirken beispielsweise mittelbar durch so genannte »opinion leader« auf das Meinungsbild der Gesellschaft. Dazu können Massenmedien Themen mit Bezug auf die Zuwanderung und Integration von Minderheiten in der gesellschaftlichen Themenagenda positionieren. Man spricht in diesem Kontext von einer „agenda setting/ building“ -Wirkung der Massenmedien (vgl. hierzu Pürer 1998: 107ff.).
[27] Die Stichprobe der Studie umfasst die „Migrantenberichterstattung“ der Sender ARD, ZDF, RTL und SAT 1.
[28] Umfasst einen Anteil von 35% der Beiträge über Migranten (Ruhrmann/ Sommer/ Uhlemann 2006: 46).
[29] Umfasst einen Anteil von 34.4% der Beiträge über Migranten (Ruhrmann/ Sommer/ Uhlemann 2006: 46).
[30] Einzeitungskreise sind Regionen, in denen sich die lokale Bevölkerung aus einer einzigen Zeitung über das lokale Geschehen - somit auch über die dort ansässigen Personen mit Migrationshintergrund - informieren kann (Meyn 2001: 82). So stellt Celle z.B. einen Einzeitungskreis dar. Die Cellesche Zeitung hat demnach, abgesehen von denjournalistisch unbedeutenden Anzeigenblättern, ein lokales Nachrichtenmonopol.
[31] I. „Die in Deutschland lebenden Ausländer sollen ihren Lebensstil ein bisschen besser an den der Deutschen anpassen.“ II. „Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die in Deutschland lebenden Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken.“ III. „Man sollte den in Deutschland lebenden Ausländern jede politische Betätigung in Deutschland untersagen.“ IV. „Die in Deutschland lebenden Ausländer sollten sich ihre Ehepartner unter ihren eigenen Landsleuten auswählen.“ (Datenreport 2008: 208).
[32] Gibt es ein Integrationsleitbild? Wie ist es ausgestaltet? Gibt es einen Migrationsbeirat oder einen Integrations- bzw. Ausländerbeauftragten?
[33] Hat die lokale Cellesche Zeitung eine hohe meinungsbildende Relevanz? Welches Bild wird durch sie über die Celler Migranten, speziell den Yeziden, vermittelt? Liegen Formen einer exkludierenden Codierung vor? Potenziert die Migrantenberichterstattung der Celleschen Zeitung die beidseitigen Vorurteile, Xenophobie oder Stigmatisierungen? Wie ist die subjektive Meinung der Ye ziden in Celle hierzu?
[34] Z.B. „Auswüchse eines Frauenbildes: Zwang, Mord, Vergewaltigung“ - Cellesche Zeitung vom 18.01.2005.
[35] Z.B.„Ausländer - JagdaufSükrüya“ - DER SPIEGEL 2/2003. S. 60.
[36] Z.B. „Irak: Yeziden fürchten nach Attentaten ihre »Ausrottung«“ - Die Presse vom 17.08.2007.
[37] Bezüglich der spezifischen Religionsinhalte der Yeziden gibt es ein großes Erkenntnisinteresse in den verschiedenen Wissenschaften. Dies resultiert insbesondere aus dem Tatbestand, dass die yezidische Religionsgemeinschaft sich auf Basis einer „oral tradition“ generiert. Die Religionsinhalte sind dementsprechend nicht konsonant und in schriftlicher Form formuliert. Die Interpretation verschiedener Religionsinhalte, von speziellen Sitten und Bräuchen, steht demnach im Vordergrund wissenschaftlicher Untersuchungen.
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