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Forschungsarbeit, 2010
49 Seiten, Note: 1,3
1 Einleitung
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Frontal- und Werkstattunterricht
2.1.1 Frontalunterricht
2.1.2 W erkstattunterricht
2.2 DefinitionderÜberschreitung
2.3 Fragestellung und Erwartung
3 Empirische Untersuchung
3.1 Methodische Vorüberlegung
3.1.1 Forschungsstrategie und Wahl der Methode
3.1.2 Das Kategoriensystem der Überschreitungen
3.2 Konstruktion des Beobachtungsverfahrens
3.2.1 Wie wird beobachtet?
3.2.2 Was wird beobachtet und wie wird protokolliert?
4 Durchführung
4.1 Die Stichprobe
4.1.1 DasBeobachtungsfeld
4.1.2 Stichprobenbeschreibung
4.2 Der Erstkontakt
4.3. EineBeobachtungsstunde
4.4 DieErhebungsstrategie
4.5 Die Auswertung
5 Ergebnisse und Diskussion
5.1 Häufigkeitsverteilung von Überschreitungen in den Wochen
5.1.1 DieersteWoche
5.1.2 DiezweiteWoche
5.2 Häufigkeitsverteilung im Überblick
5.3 Implikationen
5.4 Ausblick
6 Literaturverzeichnis
7 Abbildungs- und Diagrammverzeichnis
8 Anhang
8.1 Erläuterung
8.2 Erhebungsdokumentation
8.2.1 Tag 1
8.2.2 Tag 2
8.2.3 Tag 3
8.2.4 Tag 4
8.2.5 Tag 5
8.2.6 Tag 6
8.2.7 Tag 7
8.2.8 Tag 8
8.2.9 Tag 9
8.3 T agesmatrizen
8.3.1 Matrix Tag 1
8.3.2 Matrix Tag 2
8.3.3 Matrix Tag 3
8.3.4 Matrix Tag 4
8.3.5 Matrix Tag 5
8.3.6 Matrix Tag 6
8.3.7 Matrix Tag 7
8.3.8 Matrix Tag 8
8.3.9 Matrix Tag
8.4 Wochenmatrizen
8.4.1 Woche 1
8.4.2 Woche 2
8.5 Matrix im Gesamtüberblick
Die Lebensbedingungen und -gewohnheiten der Grundschüler haben sich seit den letzten Jahrzehnten stark verändert. Sie werden heute mit einer großen Medienvielfalt konfrontiert, wachsen teilweise in schwierigen sozialen Verhältnissen auf und stehen nicht selten unter Druck, gute kognitive Leistungen zu erbringen, welchem sie auf Grund ihrer Erziehung nicht gewachsen sind.
Dr. Michael Winterhoff, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, setzte sich mit den Entwicklungsstörungen im Kindes- und Jugendalter auseinander und ist als Sozialpsychiater in der Jugendhilfe tätig. In seinem Buch Warum unsere Kinder Tyrannen werden schildert er eine Reihe von Beziehungs-, Verhaltens- und Konzentrationsstörungen der Schüler. Diesen begegnet der Lehrer im Schullalltag.1 Überwiegend zeigen sie sich in Form von Unterrichtsstörungen, welche den Unterricht beeinflussen. Aber nicht nur unsere Schüler haben sich verändert, sondern auch die Unterrichtsformen und deren Methoden.
In dieser Forschungsarbeit sollen die Unterrichtsformen Frontalunterricht und Werkstattunterricht in ihren Überschreitungen gegenübergestellt und miteinander verglichen werden. Anschließend folgt eine Interpretation der Ergebnisse, woraus pädagogische Implikationen hergeleitet werden sollen. Der Ausblick gibt abschließend Anregungen zu neuen Forschungsfragen.
In diesem Kapitel werden Frontal- und Werkstattunterricht in ihrer Definition und Funktion vergleichend betrachtet. Anschließend folgt eine kurze Diskussion und Erweiterung des Begriffs der Unterrichtsstörung. Auf dieser Basis soll das Forschungsdesign aufgebaut werden.
Im Wörterbuch der Pädagogik lautet die Definition des Frontalunterrichts:
Sozialform des Unterrichts, bei dem ein Lehrer versucht, den Lernstoff an eine Schulklasse [...] unter Berücksichtigung methodischer Lernschritte an alle Schüler gleichzeitig und effektiv zu vermitteln. Dabei steuert kontrolliert er mit Fragen und Impulsen den Fortgang des Lernprozesses.2
In dieser Unterrichtsform vertritt der Lehrer die zentrale Rolle innerhalb der Lehrer- Schüler-Interaktion. Es gibt unterschiedliche Methoden, die im Frontalunterricht Anwendung finden: Vortrag, Bewegungsspiele, Kreativspiele, Übung, Unterrichtsgespräche uvm. Diese können in Einzelarbeit, Partnerarbeit, im Klassenunterricht, in Kleingruppenarbeit oder anderen Sonderformen umgesetzt werden. Deshalb bezeichnet Herbert Gudjons den Frontalunterricht als eine „Sozialform des Unterrichts“3. SchülerInteraktionen, z.B. Kreisgespräch ohne Diskussionsleitung, Streitgespräch oder Rollenspiel, werden vom Frontalunterricht getrennt, da es hier keine frontale Lehrerlenkung gibt und „die ganze Klasse gleichzeitig angesprochen und beteiligt“4 ist.
Der Frontalunterricht besitzt einen charakteristischen Ablauf, der dem Schüler Struktur und Sicherheit im Schulalltag bietet. Die Unterrichtsstunde beginnt mit einer Stundeneröffnung und dem Themeneinstieg. Anschließend wird der Lernstoff wiederholt, dargeboten und erarbeitet. Zum Unterrichtsschluss werden die Ergebnisse gesichert und Hausaufgaben gestellt. Der Unterricht ist dadurch stark thematisch orientiert, der Unterrichtsverlauf sprachlich strukturiert und der Lehrer besitzt einen höheren Sprachanteil als die zu unterrichtende Schulklasse.5
Desweiteren unterscheidet Gudjons zusätzlich zwei Formen des Frontalunterrichts. Zum einen den traditionellen Frontalunterricht, der sich an den Definitionen orientiert und einer methodischen Monokultur entspricht. Und zum anderen den integrierten Frontalunterricht, der „sich auf den Zusammenhang frontalunterrichtlicher Phasen mit eigentätigen, selbstverantworteten und selbstgesteuerten Schülerarbeitsformen richtet“6. Dadurch grenzt Gudjons den modernen Frontalunterricht vom historischen ab.
Der Werkstattunterricht ist eine Grundform des offenen Unterrichts, in dem die Selbsttätigkeit, Selbststeuerung und Selbstkontrolle der Schüler im Vordergrund stehen. Sie werden gefordert, aktiv, entdeckend, ganzheitlich und fachübergreifend zahlreiche Themen zu bearbeiten, weshalb der Lehrer eine hohe Differenzierungsfunktion ausführen muss. Zusätzlich dürfen die Schüler den Unterrichtsverlauf mitbestimmen und bei der Vorbereitung mitwirken. Sie übernehmen dadurch eine kooperative Verantwortung.7
Aus diesen Eigenschaften entwickelte Jürgen Reichen eine Definition des Werkstattunterrichts. Dieser ist ein
vom Lehrer organisierten offenen Arrangement von Lernsituationen und Materialien, bei dem die Schüler Mitbestimmungsmöglichkeiten hinsichtlich der Arbeitsformen und Inhalte haben, so dass z.T. auch Schülerinteressen, -bedürfnisse, -initiativen zum bestimmenden Moment schulischen Lernens werden.8
Die Werkstatt im Schulunterricht ist sowohl themen- als auch zielorientiert. Sie enthält ein breites Lernangebot, abhängig von den Lerntypen und Interessen der Schüler. Aufgabenstellungen sind klar, unkompliziert und selbsterklärend zu formulieren, damit eine selbstständige Erarbeitung durch die Lernenden ermöglicht wird. Unterschiedliche Sinne werden aktiviert, Arbeitstechniken eingesetzt und Kompetenzen aufgebaut, wodurch die Schüler eigene Fähigkeiten und Fertigkeiten entdecken. Wichtig ist auch, dass die Schüler ihre Lernergebnisse überprüfen und die Erfolgskriterien selbst kontrollieren können.9
Es gibt verschiedene Modelle des Werkstattunterrichtes. Eines der Modelle wird besonders häufig in den Schulen verwendet: das Büfett-Modell. Hier wird die Werkstatt in einem bestimmten Bereich des Klassenraums auf einem großen Regal aufgebaut. Dort finden die Schüler zahlreiche Ablagen, die verschiedene, zu bearbeitende Aufgabenstellungen beinhalten. Als Arbeitsmedien können Arbeitsblätter, Arbeitshefte und Bücher genutzt werden, aber auch Puzzle, Bastelmaterialien, Setzkästen, Domino-, Memory- und Würfelspiele. Die Aufgaben werden in Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit gelöst und müssen entsprechend gestaltet, strukturiert und vom ,Stationschef kontrolliert werden.10
Durch den Werkstattunterricht lernen die Schüler frei und selbstverantwortlich zu arbeiten. Für den Lehrer bietet er eine gute Ergänzung zum lehrergesteuerten und lehrgangsorientierten Unterricht. Zwar hat der Lehrer einen enorm hohen Organisationsaufwand, um die Werkstatt schülergerecht und unter dem Aspekt der Differenzierung aufzubauen. Jedoch schlüpft er in der Phase des Werkstattunterrichts in die „Rolle des Lernberaters, Lernhelfers, Moderators und Diagnostikers“11. Am Ende der Werkstatt moderiert der Lehrer das Schüler-Schüler-Gespräch über die Ergebnisse und neuen Erfahrungen aus der Werkstatt, überprüft die von den ,Stationschefs‘ kontrollierten Arbeiten der Schüler und organisiert abschließend eine Ergebnispräsentation. Häufig werden die Ergebnisse den Schülern auch mit nach Hause geben, damit ihre Eltern Einsicht in die Arbeitsunterlagen erhalten können.
Während des Frontal- und Werkstattunterrichts wird der Lehrer mit unterschiedlichen Unterrichtsstörungen konfrontiert. In diesem Abschnitt soll der Begriff der Unterrichtsstörung definiert und diskutiert werden. Eine von vielen Definitionen stammt von Rainer Winkel:
Eine Unterrichtsstörung liegt dann vor, wenn der Unterricht gestört ist, d.h. wenn das Lehren und Lernen stockt, aufhört, pervertiert, unerträglich und inhuman wird.12
Hilbert Meyer ist mit Winkels Definitionjedoch nicht zufrieden, denn so sei auch die Schulpause zwischen den Stunden [...] eine Störung! [...] Eine Störung ist immer eine Normabweichung - sei sie nun bewusst oder ohne Absicht eingetreten, stamme sie vom Lehrer oder von den Schülern.13
Hinsichtlich dieser Argumentation muss dem Einwand Meyers zugestimmt werden. Zusätzlich enthalten seine Anführungen einen noch bedeutsameren Aspekt: auch die unbeabsichtigten Störungen sind eine Normabweichung und müssen in die Definition der Unterrichtsstörung integriert werden. Dieser Aspekt fehlt auch in der aktuelleren Definition von Ortner & Ortner:
Auf das Verhalten eines Schülers bezogen, trifft Stören des Unterrichts alle Aktionen und Reaktionen, mit denen dieser sich bewusst über schulische Normen und Regeln hinwegsetzt. Das Störverhalten richtet sich dabei gegen den Lehrer, die Mitschüler oder gegen den Unterrichtsverlauf.14
Um das Wesen der Unterrichtsstörungen zu erweitern, untersuchte und definierte Robert Wilkens in seiner Dissertation den Begriff der Überschreitung:
Als Überschreitung wird die schülerseitige Verletzung einer Unterrichtsregel verstanden. Dabei ist es nicht entscheidend, ob dieses Fehlverhalten bewusst oder unbewusst zustande kam. [...] Unbeabsichtigte Regelverstöße sind ein wesentlicher Teil von Überschreitungen, da auch solche Handlungen Erziehungsverhalten auslösen können.15
Eine weitere Unterscheidung der Überschreitung zur Unterrichtsstörung trifft Wilkens im Bereich der Forschungstätigkeit:
Bei Unterrichtsstörungen fragt man nach den Ursachen der Entstehung, nach Erscheinungsformen und danach, welche Handlungsmöglichkeiten Lehrer haben, mit diesen Unterbrechungen umzugehen. Eine Überschreitung dagegen ist Teil einer Überschreitungssituation, in der der Fokus zusätzlich noch auf der Wirkung der lehrerseitigen Interventionsmaßnahme auf den Schüler liegt.16
In dieser Feststellung wurde jedoch nicht berücksichtigt, dass auch unbewusste Störungen einer Ursache unterliegen, die bearbeitet und vorgebeugt werden muss. Nur wenn der Lehrer die Ursache der unbewussten Störung kennt, kann er zielgesteuert und wirksam intervenieren. Folglich befindet sich die Überschreitung auch im Forschungsblick der Ursachenforschung und den möglichen Interventionsmaßnahmen. Ebenfalls ist zu beachten, dass die Unterrichtsstörung nach Wilkens Definition eine Teilmenge der Überschreitung darstellt, weshalb der Forschungsbereich nicht in zwei Kategorien getrennt werden darf.
Nach dieser kurzen Argumentation muss zudem auf eine weitere Problematik aufmerksam gemacht werden: der subjektiven Wahrnehmung. Eine Klassenlautstärke, erzeugt durch verbale und physiologische Aktivitäten der Schüler, wirkt im Frontalunterricht schon im geringsten Grad störend. Allerdings kann die Lautstärke im Werkstattunterricht sogar fördernd sein. Erst ab einem höheren Grad wirkt sie störend und kann so den Unterrichtsverlauf negativ beeinflussen. Allerdings ist das Störungsempfinden der Menschen enorm subjektiv. Die Reizschwelle und ihr zugehöriges Reaktionsmuster sind sowohl bei den einzelnen Schülern als auch beim Lehrer unterschiedlich stark ausgeprägt. In der Auswertung der Erhebung wird diese Tatsache einbezogen.
In dieser Forschungsarbeit werden die Unterrichtsüberschreitungen im Deutsch- und Mathematikunterricht einer ersten Klasse im Schulanfangsunterricht näher untersucht. Dabei wird der Frontal- und Werkstattunterricht in seiner relativen Häufigkeit vergleichend gegenübergestellt. Zusätzlich soll beobachtet werden, ob die Überschreitungen sich wechselseitig beeinflussen.
Jeder Lehrer wird im Schulalltag mit Überschreitungen konfrontiert. Das Wissen über deren Bewältigung ist ein nützliches Werkzeug für die professionelle Lehrtätigkeit. Mögliche Implikationen werden am Ende der Forschungsarbeit entsprechend der Ergebnisse aufgeführt.
In diesem Kapitel wird die Methodik und das Beobachtungsverfahrens vorgestellt, die das Forschungsdesign konstruieren und die Grundlage für die Durchführungen bieten. Bereits jetzt wird daraufhingewiesen, dass die Durchführung auf Grund realer Zufallsparameter vom Forschungsdesign abweichen kann.
Für die Methode ist es von eminenter Bedeutung, die Beobachtungssituation in ihrer Echtheit zu bewahren. Subjektive Interpretationen und große Zeitintervalle können eine aktuelle Situation verzerren, weshalb die Beobachtungsdokumentation systematisch und ohne Zeitverzögerung erfolgen muss. Dafür ist es wichtig, dass die Erhebung direkt in der Beobachtungsklasse und während des Unterrichtsgeschehens erfolgt. Eine Interpretation resultiert erst nach einer Standardisierung der Ergebnisse, um verschiedene Einflussfaktoren (Stimmung der Schüler, Stimmung des Forschers, Zeitdruck, Konzentrationsschwierigkeit, unausgeglichenes Verhältnis der Unterrichtsformen uvm.) auszugrenzen. Zwar wäre eine Längsschnittstudie für diese Forschungsarbeit sinnvoller, steht jedoch nicht im Rahmen des Möglichen, wodurch eine fehlende Repräsentativität entsteht. Wilkens führte als erste und einzige Person eine Längsschnittstudie über Überschreitungssituationen im Schulanfangsunterricht durch, weswegen sich meine Forschungsarbeit an seiner Theorie orientieren wird.
Wilkens entwickelte für seine Studie zwei Kategoriensysteme: Kategoriensystem zur Analyse der Überschreitungen von Schülern im Anfangsunterricht (kurz: KADÜSA) und Kategoriensystem zur Analyse von Lehrerinterventionen in Überschreitungssituati- onen im Anfangsunterricht (kurz: KALÜSA)17. Im Rahmen der Lehrerausbildung an der Universität Leipzig fand ein Seminar Beobachten von Unterrichtsstörungen im Sommersemester 2010 statt, welches von Wilkens geleitet wurde und dieser Forschungsarbeit zugrunde liegt. Dort trainierten die Studenten anhand von Filmausschnitten die Kategorisierung von Überschreitungen mit Hilfe des KADÜSA-Systems. Sehr viele Überschreitungen ließen sich schnell und zweifelsfrei zuordnen. Da während der Beobachtungsintervalle wenig Zeit für Interpretationsspielräume bestehen wird, ist dies für die Erhebungsdurchführung von außerordentlicher Bedeutung.
Um die Orientierung innerhalb des KADÜSA-Systems zu erleichtern, soll es kurz anhand einer graphischen Darstellung vorgestellt werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1- KADÜSA-System
Das Kategoriensystem besteht aus 5 Hauptkategorien mit signifikanten Subkategorien.
I Einschränkung der individuellen Lernvoraussetzungen
In dieser Kategorie gilt die Regel, dass der Schüler nicht „seine eigenen Lernvorausset- zungen [...] beeinträchtigen“18 darf. Eine Beeinträchtigung entsteht durch:
1) Unaufmerksamkeit, z.B. Schüler bemalt sich, träumen, mit Karten spielen, trödeln
2) Unordnung, z.B. Federmappe als Sichtschutz aufstellen, unordentlicher Arbeitsplatz
3) Abschreiben.
II Einschränkung der kollektiven Lernvoraussetzungen
Eine Einschränkung der kollektiven Lernvoraussetzungen, welche die Klasse insgesamt betrifft, entsteht durch die Beeinträchtigung von Schülern durch Schüler während des Lernprozesses. Hierzu zählen:
4) verbale Aktivitäten, z.B. lautes themenfremdes Gespräch in einer Gruppenarbeit, unaufgefordertes Reden, Selbstgespräche, streiten, singen
5) physische Aktivitäten, z.B. kippeln, Gegenstände wegnehmen, sich umdrehen
6) lärmende Aktivitäten, z.B. Buch / Stifte herunterfallen lassen, pfeifen, Plättchendose schütteln
7) Aggression, z.B. Schüler hänseln / beschimpfen, hauen, treten, kneifen, drohen.
III Verletzung der Sitzordnung / Sitzkonvention
„Der Schüler muss die Sitzordnung einhalten“19 ist eine Regel, welche der dritten Kategorie von KADÜSA zugeordnet und mit der Subkategorie 8) codiert wird. Diese ist verletzt, wenn der Schüler nicht ordnungsgemäß auf seinem Platz sitzt (Kopf aufstützen, auf dem Tisch liegen, im Ranzen kramen). Aber auch, wenn er unaufgefordert seinen Platz verlässt, durch die Klasse geht oder den Klassenraum verlässt.
IV Missachtung der Lehrerautorität
Hier gilt die Regel, dass der Schüler „die Lehrerautorität achten“20 muss. Dazu gehören:
9) die Verletzung der Rolleninstanz und des Respekts gegenüber dem Lehrer, z.B. Lehrer nachahmen, über den Lehrer lachen
10) Missachtung expliziter Direktiven, z.B. während der Erklärung der Aufgabenstellung mit der Bearbeitung beginnen, dem Lehrer widersprechen, unaufgefordert Hefte / Bücher öffnen.
V Rest
Falls Überschreitungen auftreten, die keiner der ersten vier Kategorien zuzuordnen sind, so bietet diese fünfte eine letzte Zuordnungsmöglichkeit.21 Solche Überschreitungen wären, z.B. essen und trinken im Unterricht, bemalen von Tischen und Stühlen.
Die Beobachtung erfolgt systematisch, d.h. der Autor konzentriert sich auf seine Fragestellung und schaltet thematisch irrelevante Einflüsse aus. Dabei verwendet er die direkte teilnehmende Beobachtung, indem er in seinem Beobachtungsfeld unmittelbar anwesend ist. Die aktive Teilnahme am Unterrichtsgeschehen ist unverzichtbar, da somit eine Vertrauensbasis aufgebaut, eine natürliche ungezwungen Verhaltensweise gefördert und die Neugier der Schüler gesenkt werden soll. Dies geschieht durch die Unterstützung der Schüler als auch des Lehrers während des Unterrichts. Ebenfalls soll der Kontakt zu den Schülern in der Hort- und Hausaufgabenbetreuung aufgenommen und gepflegt werden. Für die genannten Funktionen ist die erste Praktikumswoche vorgesehen.
Ab der zweiten Praktikumswoche beginnen die Testerhebungen, wo die Anwendung des KADÜSA-Systems mit seinen Subkategorien in der Realität trainiert wird. Zusätzlich werden folgende Konstanten bestimmt, um die Erhebung in ihrer Auswertung zu vereinfachen: Erhebungsintervall pro Unterrichtsstunde und beobachtbare Schüleranzahl.
Zu Beginn der dritten Woche startet die Haupterhebung. Weil die Erhebungsklasse in der vierten Woche einen Wandertag durchführen wird, stehen nur neun Erhebungstage zur Verfügung, statt der geplanten zehn.
Die beobachteten Überschreitungen werden sofort in das KADÜSA-System von Wilkens eingeordnet. Bei unklaren Überschreitungen erfolgt eine Notiz der Umstände und deren spätere Kategorisierung. Hierfür wird ein Forschungstagebuch als Hilfsmittel verwendet.
Am Ende jeder Unterrichtsform erhält der Lehrer einen Kurzfragebogen, indem er sein subjektives Empfinden zu bestimmten Überschreitungen mitteilen kann.22 Dieser Kurzfragebogen soll als Interpretationshilfe dienen, um die positive als auch negative Wirkung von Überschreitungen zu bestimmen.
[...]
1 Vergl. Winterhoff, Michael und Carsten Tergast: Warum unsere Kinder Tyrannen werden. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2008.
2 Schaub, Horst und Karl G. Zenke: Wörterbuch der Pädagogik. 4. Aufl. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2000. S. 224.
3 Gudjons, Herbart: Frontalunterricht. Neu entdeckt. Integration in offene Unterrichtsformen. 2. Aufl. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt Verlag 2007. S. 22.
4 Gudjons, Herbart: Frontalunterricht. s. 23.
5 Ebd. S. 25.
6 Gudjons, Herbart: Frontalunterricht. Neu entdeckt. S. 24.
7 Wiater, Werner, Jürgen Müller u.a.: Werkstattunterricht: Theorie . Praxis. Evaluation. München: Ernst Vögel 2002. S.9.
8 Reichen, Jürgen: Lesen durch Schreiben. Allgemeindidaktische und organisatorische Empfehlungen. 3. Aufl. Hamburg: Heinevetter 1988 (Heft2). S. 84.
9 Wiater, Werner: Werkstattunterricht: Theorie . Praxis. Evaluation. S. 43.
10 Wiater, Werner und Jürgen Müller: Werkstattunterricht: Theorie . Praxis. Evaluation. S. 44.
11 Ebd. S. 67.
12 Winkel, Rainer: Der gestörte Unterricht. 3. Auflage. Bochum: Kamp Schulbuchverlag 1996 (Bd. 69). S. 26.
13 Meyer, Hilbert: Unterrichtsmethoden. Praxisband. 2. Aufl. Frankfurt/Main: Cornelsen 1987 (Bd. 2). S. 226-227.
14 Ortner, Alexandra und Reinhold Ortner: Verhaltens- undLernschwierigkeiten. 6. Aufl. Basel: Beltz 2002. S. 200.
15 Wilkens, Robert: Lehrer-Schüler-Interaktionen in Überschreitungssituationen. Eine Fallstudie zum Regelerwerb in der Grundschule. Diss. Leipzig: Universitätsverlag 2010. S. 40.
16 Wilkens, Robert: Lehrer-Schüler-Interaktionen in Überschreitungssituationen. S. 41.
17 Wilkens, Robert: Lehrer-Schüler-Interaktionen in Überschreitungssituationen. S. 85-93.
18 Wilkens, Robert: Lehrer-Schüler-Interaktionen in Überschreitungssituationen. S. 86.
19 Wilkens, Robert: Lehrer-Schüler-Interaktionen in Überschreitungssituationen. S. 91.
20 Ebd. S. 92.
21 Die Überschreitung Rest besitzt die Überschreitungsnummer 11).
22 Beispiel: Sei der Frontalunterricht die Unterrichtsform (1) und der Werkstattunterricht die Unterrichts form (2): Erste Stunde Mathematik (1),2 Werkstattstunden (2) und 1 Stunde Werkstatt (2) am darauf folgenden Tag. Nach Mathematik gibt es einen Fragebogen. Der nächste folgt nach dem Werkstattunterricht des gleichen Tages. Für die Werkstatt am nächsten Tag gibt es einen neuen Fragebogen.