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Diplomarbeit, 2006
54 Seiten, Note: 2,0
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Fragestellung und theoretische Verortung
2. Die Struktur vertikaler Beziehungen in der Automobilindustrie
2.1 Entwicklung in der Vergangenheit
2.2 Heutige Struktur vertikaler Beziehungen
2.3 Studien zur zukünftigen Entwicklung
2.4 Entwicklungen innerhalb der Automobilindustrie
2.5 Formen der Zusammenarbeit
2.6 Probleme
2.6.1 Qualitäts-Probleme
2.6.2 Kostendruck
2.6.3 Korruption
2.7 Zusammenfassung
3. Theoretischer Rahmen der Transaktionskostenökonomik
3.1 Der transaktionskostenökonomische Ansatz von Williamson
3.1.1 Die Dimensionen von Transaktionen
3.1.2 Fundamentale Transformation
3.1.3 Wahl des Kontrollmechanismus
3.1.4 Dynamisches Modell der Wahl des Kontrollmechanismus
3.1.5 Zusammenfassung und Bezug zur „Make-or-Buy“-Entscheidung
3.2 Weiterentwicklungen des Ansatzes
3.2.1 Hintergrund vertikaler Integrationen
3.2.2 Einfluss spezifischen Know-hows
3.3 Fallbeispiel General Motors / Fisher Body
3.4 Zusammenfassung und Darstellung des theoretischen Rahmens
4. Anwendung des Rahmens auf die aktuelle Struktur der Automobilindustrie
4.1 Kriterium der Spezifität von Investitionen
4.2 Kriterium der Existenz von Quasi-Renten und des Hold-up-Potentials
4.3 Kriterium der Spezifität von Anlagen und Know-how
5. Schlussbetrachtung
Anhang
Literaturverzeichnis
Abbildung 1: Schema der Kontrollformen von Williamson
Abbildung 2: Transaktionskosten der verschiedenen Kontrollformen
Abbildung 3: Entwicklung der Anzahl der Automobilhersteller und Zulieferer
Tabelle 1: Wertschöpfungsanteile der Hersteller im Vergleich
Tabelle 2: Veränderung der absoluten Eigenleistung bis 2015 gegenüber 2002
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Automobile werden heute nicht mehr von Unternehmen wie Porsche, BMW oder Mercedes-Benz produziert, sondern größtenteils von deren Zulieferfirmen. Die Automobilhersteller haben noch einen durchschnittlichen Anteil an der Fertigung ihrer Produkte von etwa einem Drittel. Der Großteil eines Fahrzeugs wird von externen Unternehmen hergestellt. In einem BMW X3 beispielsweise steckt mehr vom österreichischen Zulieferer Steyr als vom bayerischen Autobauer, betrachtet man den Anteil der Wertschöpfung (Mercer 2004). Auf der Produktionsseite der Automobilindustrie herrscht eine weit verzweigte Arbeitsteilung, bei der die Hersteller selbst nur noch einen wertmäßig geringen Anteil übernehmen.
Die Frage nach den Ursachen einer solchen Arbeitsteilung wird traditionell von der Volkswirtschaftslehre beantwortet. Adam Smith zeigte, dass sich durch eine Spezia- lisierung auf bestimmte Tätigkeiten eine Effizienzsteigerung erzielen lässt. Später wurde von Coase unabhängig von der Betrachtung der Produktionskosten die Frage analysiert, warum überhaupt Firmen existieren und welchen Umfang sie haben, wa- rum einige viele Wertschöpfungsstufen beinhalten und andere hoch spezialisiert sind (Klein 2005, 435). Dabei geht es um eine Gegenüberstellung des Marktes und der Unternehmung als Formen der Organisation von Arbeitsschritten und um den Ver- gleich der Kosten, die bei der jeweiligen Form der Organisation entstehen. Die hier- aus entstandene Theorie wird als Transaktionskostenökonomik bezeichnet und ist Teil der Neuen Institutionenökonomik (Williamson 1985, 16).
Ein Problem dieses Bereichs der Volkswirtschaftslehre ist die so genannte „Make-or- Buy-Entscheidung“ (Klein 2005, 436). Soll ein Unternehmen ein bestimmtes Gut selbst herstellen oder es auf dem Markt einkaufen? Auch hier werden die beiden Formen der Organisation gegenübergestellt und die jeweiligen Transaktionskosten verglichen. Die Entscheidung eines Unternehmens, ein bisher fremd bezogenes Gut selbst herzustellen wird dabei als vertikale Integration und der umgekehrte Fall als Outsourcing bezeichnet (Göbel 2002, 188ff.).
Offensichtlich spielt in der Automobilindustrie der Markt als Organisationsform eine bedeutendere Rolle als die Unternehmung, es scheint im großen Maße Outsourcing stattgefunden zu haben. In der vorliegenden Arbeit soll dieser Beobachtung nachgegangen und ihre Ursachen beleuchtet werden. Insbesondere geht es um die Frage, ob die vertikalen Beziehungen zwischen Automobilherstellern und Zulieferern mit dem Ansatz der Transaktionskostenökonomik erklärt werden können.
Zunächst wird hierzu in Kapitel 2 die Struktur vertikaler Beziehungen in der Auto- mobilindustrie dargestellt. Dabei wird auch auf Probleme eingegangen, die sich aus den Eigenschaften dieser Struktur entwickelt haben. Darauf wird in Kapitel 3 anhand des transaktionskostenökonomischen Ansatzes von Williamson und Weiterentwick- lungen ein theoretischer Rahmen gebildet, um anschließend im vierten Kapitel die vorher beschriebenen Beziehungen zu erklären. Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst und bewertet.
Vertikale Beziehungen zwischen Herstellern und Zulieferern drücken aus, wie die Arbeitsteilung in der Produktion von Automobilen organisiert ist: fertigen die Her- steller große Anteile selbst und kaufen nur wenige Teile von externen Unternehmen am Markt ein oder sind viele Bereiche der Produktion an Fremdfirmen ausgelagert und nur ein geringer Teil der Wertschöpfung findet bei den Herstellern statt. Es geht also um die Verteilung der Fertigungstiefe beziehungsweise um den Grad der verti- kalen Integration in der Automobilindustrie.1 Neben der Produktion muss auch die Entwicklung von Automobilen und einzelnen Teilen berücksichtigt werden. Unter- sucht werden sollen hier aber in erster Linie nicht die Beziehungen selbst, sondern die Struktur dieser Beziehungen. Es geht um die Muster, um die Regelmäßigkeiten, die diese Beziehungen aufweisen und wodurch sie beeinflusst werden. Wie hoch ist die Fertigungstiefe in einzelnen Segmenten? Warum ist sie bei einem Unternehmen höher oder niedriger als bei einem anderen?
Um die heutige Struktur vertikaler Beziehungen zwischen Automobilherstellern und Zulieferern darstellen zu können, soll im Folgenden zunächst die historische Entwicklung der Automobilindustrie erläutert werden. Vor diesem Hintergrund werden Charakteristiken der aktuellen Strukturen deutlicher. Zudem soll auch auf die Zukunft der Beziehungen eingegangen werden, die in Studien untersucht worden ist und sich teilweise schon heute abzeichnet.
Seit der Erfindung des Automobils Ende des 19. Jahrhunderts und dem Beginn der Produktion im größeren Maßstab gab es mehrere ‚Revolutionen’ in der Art und Wei se, wie diese Produktion organisiert wurde. Henry Ford löste Anfang des 20. Jahr- hunderts die auf die Bedürfnisse der wenigen Kunden abgestimmte Werkstattferti- gung ab und schaffte eine hochintegrierte Unternehmung, in der nahezu alle Teile eines Automobils in Eigenproduktion hergestellt wurden und erstmals das Fließband zum Einsatz kam (Kretschmer 2005, 6). Da diese Struktur aber aufgrund der steigen- den Unternehmensgrößen immer inflexibler wurde, musste eine neue Art der Organi- sation gefunden werden. In den 20er Jahren nahm deshalb Alfred Sloan, der damali- ge Präsident von General Motors, Abschied vom hohen Grad der Integration und gliederte einzelne Bereiche der Produktion aus (Becker 2006, 265f.). Dies fand aller- dings nicht in allen Bereichen statt, denn, wie die Übernahme des Karosseriebauers Fisher Body durch General Motors im Jahre 1926 zeigt, wurden Teile der Produktion gezielt in das Herstellerunternehmen integriert (Klein et al. 1978, 308f.).
In den 60er Jahren schließlich entwickelte Toyota sein Produktionssystem, das auf besonders schlanken und flexiblen Strukturen aufbaut und dabei ein hohes Maß an Effizienz und Qualität aufweist (Kretschmer 2005, 6). Der Grad der vertikalen Integration wurde dabei stark verringert. Dem Beispiel von Toyota sind die Automobilhersteller aus den USA und Europa gefolgt (Jürgens 2003, 19).
Abbildung 3 (im Anhang) verdeutlicht diese Veränderungen in der Automobilindust- rie. Dargestellt wird die Entwicklung der weltweiten Anzahl der Automobilhersteller sowie der Zulieferer seit Beginn der Automobilproduktion bis ins Jahr 2000 und in einer Vorhersage noch darüber hinaus bis ins Jahr 2015. Die Anzahl der Automobil- hersteller stieg zu Beginn des 20. Jahrhunderts stark an und erreichte im Jahr 1910 ihren Höhepunkt mit 500 Unternehmen. Seit diesem Zeitpunkt findet aber eine kon- tinuierliche Konsolidierung statt. Im Jahr 1950 hatte sich die Zahl bereits auf 50 ver- ringert und in 2004 gab es nur noch 14 eigenständige Hersteller. Es wird erwartet, dass die Anzahl bis 2015 noch weiter sinkt.
Eine ähnliche allerdings zeitversetzte Entwicklung ist bei den Zulieferern zu erken- nen. Ihre Anzahl stieg seit den Anfängen der Automobilproduktion an, verzeichnete aber erst zu Beginn der 30er Jahre ein stärkeres Wachstum und erreichte 30 Jahre später ihren Höhepunkt bei etwa 40.000 Unternehmen. Mitte der 70er Jahre setzte auch bei den Zulieferern eine starke Konsolidierung ein, die bis zum Jahr 2000 deren Anzahl auf 5.600 Unternehmen verringerte. Bis 2015 wird eine Verlangsamung der Konsolidierung erwartet, jedoch soll sich in diesem Zeitraum die Zahl der Zulieferer halbieren (Mercer 2004, 26).
Die oben beschriebenen ‚revolutionären’ Entwicklungen zeigen, dass es eine Ver- bindung zwischen der Anzahl der Automobilhersteller und der Anzahl der Zulieferer gibt. In den Anfängen der Produktion wurde zunächst in Werkstätten gearbeitet, in denen Automobile weitestgehend in Handarbeit entstanden und nur wenige Teile von externen Unternehmen bezogen wurden. Die steigende Anzahl der Zulieferer ist hier genau wie die steigende Anzahl der Automobilhersteller mit dem allgemeinen Wachstum der Industrie zu erklären. Auch nachdem Henry Ford und andere in grö- ßerem Maßstab produzierten, stieg die Anzahl der Zulieferer nicht stärker an als zu- vor, denn der Grad der Integration bei den Automobilherstellern war extrem hoch.2 Erst als Firmen nach dem Beispiel von Alfred Sloan in den 20er Jahren begannen, Teile der Produktion fremd zu vergeben, stieg die Anzahl der Zulieferer rapide an. Der allgemeine Trend der steigenden Fremdvergabe als Reaktion auf den Erfolg von Toyota würde analog zur Entwicklung seit den 20er Jahren auf einen weiteren An- stieg der Zahl der Zulieferer schließen lassen. Allerdings scheint seit Mitte der 70er Jahre der Effekt der Konsolidierung zu überwiegen, so dass die Anzahl stark gesun- ken ist.
Es kann festgehalten werden, dass die Fertigungstiefe der Automobilhersteller im Durchschnitt seit dem Beginn der industriellen Produktion stetig abgenommen hat und immer mehr Fertigungsanteile an Zulieferer übertragen wurden. Eine differenzierte Betrachtung, beispielsweise von einzelnen Produktionsschritten, zeigt aber, dass es eine heterogene Struktur von vertikalen Beziehungen gibt. Dies wird auch durch die heutige Struktur in der Automobilindustrie unterstrichen.
Der Wertschöpfungsanteil der Automobilhersteller im weltweiten Durchschnitt und im Segment „Light Vehicles“ (Mercer 2004, 19) lag im Jahr 2002 bei 35 Prozent. Entsprechend der oben aufgezeigten Entwicklung haben die Automobilhersteller fast zwei Drittel der Produktion an externe Unternehmen ausgelagert. Da dies aber nur ein Durchschnittswert ist und bereits oben gezeigt wurde, dass es zur Beschreibung der Struktur der vertikalen Beziehungen einer Differenzierung bedarf, sollen die Wertschöpfungsanteile in einzelnen Bereichen genauer untersucht werden. Die dazu- gehörigen Daten sind in Tabelle 1 (im Anhang) zusammengefasst. Eine erste Differenzierung lässt sich hier beim Typ der verschiedenen Automobilher- steller beziehungsweise Marken vornehmen.3 4 Volumenmarken wie Volkswagen, Renault oder Kia, deren Produkte eher einen „Kostenfokus“ aufweisen (ebd., 20), haben einen Eigenanteil an der Fertigung von 35 Prozent und liegen damit genau im weltweiten Durchschnitt. Dies verwundert nicht weiter, lässt sich doch annehmen, dass diese Unternehmen aufgrund ihrer Ausrichtung den größten Teil der Automobi- le weltweit produzieren. Premiummarken wie Mercedes-Benz, BMW und Audi ha- ben dagegen eine Fertigungstiefe von 36 Prozent. Dieser Wert liegt zwar nur knapp über dem Gesamtdurchschnitt, doch in der weiteren Betrachtung wird der Unter- schied zwischen Volumen- und Premiummarken deutlicher.
Eine weitere Differenzierung lässt sich durch die Betrachtung der im Automobilbau eingesetzten Hauptmodule machen. Während beispielsweise beim Antriebsstrang der Wertschöpfungsanteil der Hersteller mit 37 Prozent etwa im Gesamtdurchschnitt liegt, beträgt dieser Wert bei der Karosseriestruktur 96, in den Bereichen Interior und Elektrik/Elektronik dagegen nur 16 Prozent. Hier zeigen sich also enorme Unter- schiede. Betrachtet man neben den Hauptmodulen auch die Zugehörigkeit zu Volu- men- oder Premiummarken ergeben sich weitere Unterschiede. Beim Interior bei- spielsweise liegt der Wert für Premiummarken mit 13 Prozent etwas niedriger als der Durchschnitt. Die Studie von Mercer (2004, 37ff.) geht noch einen Schritt weiter und untersucht die Fertigungstiefen bei den einzelnen Modulen in Abhängigkeit von Markenclustern, die aus den Dimensionen „Volumen versus Premium“, „Preis versus Qualität“ und „Sport versus Komfort“ gebildet werden. Während der durchschnittli- che Eigenanteil der Hersteller beim Fahrwerk 23 Prozent beträgt, liegt er im Mar- kencluster „Volumen, Preis, Komfort“ bei 21,4 Prozent. Dieser Unterschied ist zwar nicht besonders groß, doch bei der späteren Betrachtung der zukünftigen Entwick- lung zeigen sich erhebliche Differenzen.
Zuletzt lässt sich der Fertigungsanteil der Hersteller noch nach der „Wertschöpfungs- stufe“ differenzieren (ebd., 22). Genau wie bei den Hauptmodulen ergeben sich hier große Unterschiede. Der Wertschöpfungsanteil der Hersteller liegt bei der Vor- und Serienentwicklung bei 45 beziehungsweise 46 Prozent, bei Modulfertigung und Modulmontage beträgt er 25 Prozent und bei der Fahrzeugmontage 99 Prozent. Die drei dargestellten Arten der Differenzierung zeigen eine sehr heterogene Struktur der vertikalen Beziehungen. Um dies zu verdeutlichen, sollen auch Prognosen für die Entwicklung bis zum Jahr 2015 betrachtet werden.
Sowohl die eben zitierte Studie „FAST 2015“ von Mercer (2004), als auch die Studie „HAWK 2015“ von McKinsey (2003), machen auf der Basis von Interviews mit Ex- perten aus der Automobilindustrie Prognosen zur Entwicklung der Wertschöpfungs- anteile der Hersteller bis zum Jahr 2015. Solche auf Schätzungen beruhenden Analy- sen der Zukunft haben sicherlich im Vergleich zu quantitativen Vergangenheitsunter- suchungen geringere Aussagekraft. Trotzdem sind sie hier nützlich. Sie weisen zum einen auf Entwicklungen hin, die für die Untersuchung der Struktur vertikaler Bezie- hungen relevant sind und zum Teil von denselben Personen gestaltet werden, deren Einschätzungen mit den Interviews abgefragt wurden. Zum anderen sind exakte Zah- len, die für eine quantitative Untersuchung notwendig wären, nicht erhältlich oder werden von den einzelnen Herstellern nicht veröffentlicht.5
Beide oben erwähnten Studien kommen zum Ergebnis, dass die durchschnittliche weltweite Fertigungstiefe der Automobilhersteller sinken wird, und zwar auf 23 be- ziehungsweise 25 Prozent. Auch hier lassen sich, wie bei der Beschreibung der heu- tigen Wertschöpfungsanteile, verschiedene Differenzierungen nutzen, um die Hete- rogenität der Struktur zu verdeutlichen (Mercer 2004). Die dazugehörigen Daten befinden sich in Tabelle 1.
So verringern Volumenmarken ihren Anteil an der Wertschöpfung von 35 auf 22 Prozent, während bei Premiummarken der Wert von 36 auf nur 26 Prozent fällt. Deutlicher wird der Unterschied zwischen den beiden Typen bei einer Betrachtung einzelner Marken und der Veränderung der jeweiligen absoluten Eigenleistung bis 2015 bezogen auf den Wert von 2002, dargestellt in Tabelle 2 (im Anhang). Wäh rend Volumenmarken wie Chrysler oder Renault ihre Eigenleistung absolut gesehen senken, erhöhen Premiummarken wie BMW oder Audi diesen Wert. Betrachtet man die Wertschöpfungsanteile differenziert nach Hauptmodulen, zeigen sich erneut gravierende Unterschiede (ebd., 21). Während die Hersteller ihren Anteil bei der Karosseriestruktur von 96 auf 59 und beim Antriebsstrang von 37 auf 20 Pro- zent verringern, bleiben die Anteile bei Interior und Elektrik/Elektronik nahezu un- verändert. Bei einer genaueren Untersuchung des Moduls Interior ergeben sich aber sehr wohl starke Veränderungen. Während Volumenmarken ihren Eigenanteil von 16 auf 14 Prozent senken, erhöhen Premiummarken diesen Wert von 13 auf 17 Prozent. Differenziert man nach den oben erwähnten Markenclustern, so zeigen sich weitere gegenläufige Entwicklungen (ebd., 39). Während beispielsweise der Wertschöp- fungsanteil der Hersteller im Cluster „Volumen, Preis, Komfort“ um 13 Prozent sin- ken soll, wird im Markencluster „Premium, Qualität, Sport“ ein Anstieg um 48 Pro- zent erwartet. Die beiden letzten Ergebnisse stehen nicht im Widerspruch zum gene- rellen Trend, denn dabei handelt es sich um einen durchschnittlichen Wert. Vielmehr unterstreichen sie die Heterogenität der Struktur vertikaler Beziehungen in der Au- tomobilindustrie.
Auch bei der Betrachtung der verschiedenen Wertschöpfungsstufen zeigen sich gro- ße Unterschiede. So wird erwartet, dass sich der Eigenanteil der Hersteller im Be- reich der Fahrzeugmontage von 99 auf 96 Prozent verringert, in der Modulfertigung und -montage soll er aber von jeweils 25 auf 10 beziehungsweise 13 Prozent sinken.
Die in Kapitel 2.2 erläuterte Heterogenität der Struktur vertikaler Beziehungen wird durch die Betrachtung der prognostizierten zukünftigen Entwicklung bestätigt. Wäh- rend im Durchschnitt der Wertschöpfungsanteil der Automobilhersteller niedrig ist und erwartet wird, dass er in der Zukunft weiter sinkt, liegt er bei einzelnen Modulen und Produktionsstufen relativ hoch oder soll sich in speziellen Bereichen sogar erhö- hen. Anscheinend hängt der Eigenleistungsanteil vor allem von der Markenausrich- tung (Volumen- oder Premiummarke), vom jeweiligen Hauptmodul und von der be- trachteten Wertschöpfungsstufe ab. Mit dem Markenkriterium lässt sich durch die Nutzung weiterer Dimensionen und die Bildung von Clustern die Struktur noch dif- ferenzierter betrachten. Auch können die Hauptmodule nach der Markenausrichtung getrennt betrachtet werden. Die Eigenschaften der jeweiligen Marke scheinen also starken Einfluss auf den Wertschöpfungsanteil der Automobilhersteller zu haben.
Die Gründe hierfür sollen in Kapitel 4 mit Hilfe eines transaktionskostentheoretischen Rahmens analysiert werden.
Bevor die Zusammenarbeit von Herstellern und Zulieferern detaillierter betrachtet wird, soll zunächst auf Entwicklungen eingegangen werden, die den Rahmen für die Organisation dieser Zusammenarbeit bilden.
Jürgens (2003, 17f.) beschreibt hierzu mehrere “Entwicklungsdynamiken“. Um dem steigenden Wettbewerbsdruck gerecht zu werden, nutzen die Automobilhersteller das Mittel der Produktdifferenzierung. Die Modell- und Variantenvielfalt hat sich dabei stark erhöht und die Lebenszyklen sind kürzer geworden. Damit einher geht eine Zunahme des „Innovationsdrucks“, denn die Hersteller müssen ihren Kunden fortlau- fend Weiterentwicklungen ihrer Produkte anbieten können. Vor allem findet dies im Bereich der Elektronik statt. Zusätzlich stellen die Kapitalmärkte hohe Renditeanfor- derungen an die Hersteller. Diese müssen deshalb „traditionelle Felder“ verlassen und neue erschließen. Beispiele hierfür sind ein stärkeres Engagement bei der Finan- zierung von Automobilen oder Dienstleistungsangebote wie ein „Flottenmanage- ment“.
Diese Erkenntnisse werden durch die vom McKinsey (2003, 7ff.) veröffentlichte Studie „HAWK 2015“ unterstrichen. Der von den Wünschen der Kunden sowie gesetzlichen Regelungen erzeugte „Innovationsdruck“ steht einem „Kostendruck“ stagnierender realer Absatzpreise gegenüber. Hieraus ergibt sich ein „steigender Produktivitätsdruck in der Automobilindustrie“ (McKinsey 2003, 16), der erheblichen Einfluss auf die Organisation der Zusammenarbeit hat. Beispielsweise lässt sich hieraus die Weitergabe des Kostendrucks von den Herstellern an die Zulieferer erklären, aber auch die steigende Fremdvergabe von Entwicklungsaufgaben. Diese Zusammenhänge werden aber in Kapitel 4 genauer untersucht.
Eine weitere wichtige Entwicklung in der Automobilindustrie ist die verstärkte Mo- dularisierung von Fahrzeugteilen (Jürgens 2003, 24f). Bereits in den 70er und 80er Jahren begannen Hersteller damit, in ihrer Produktion nicht nur am Fließband das gesamte Fahrzeug, sondern auch in kleinen spezialisierten „Inseln“ Module, wie et- wa eine Frontschürze, zu produzieren. Dies sollte zum einen der weniger monotonen Arbeitsorganisation dienen, zum anderen eine verstärkte Automation ermöglichen. Da die Produktion in mehrere voneinander unabhängige Bereiche aufgespalten wurde, konnte die Modulproduktion sukzessive an Zulieferer fremdvergeben werden. So hat sich aus einem neuen „Produktionskonzept“ ein „Moment der Formierung der neuen Industriegovernance“ entwickelt (Jürgens 2003, 25). Gleichzeitig hat der ver- stärkte Einsatz von Modulen einen großen Einfluss auf die im Markt aktive Anzahl von Zulieferern. So scheint die im Zuge der Modularisierung fortschreitende Stan- dardisierung die Entwicklung von „Megazulieferern“ sowie die Konsolidierung zu begünstigen. Bereits in Kapitel 2.1 beziehungsweise in Abbildung 3 konnte gezeigt werden, dass sich die Anzahl der Zulieferer seit Mitte der 70er Jahre stark verringert hat und erwartungsgemäß weiter sinkt.
Wie genau sehen die Beziehungen zwischen Automobilherstellern und Zulieferern aus, welche Formen nehmen sie konkret an?
Der oben beschriebene hohe Grad der Fremdvergabe von Produktion und Entwick- lung von Herstellern sowie der Prozess der Modularisierung lassen darauf schließen, dass die Zulieferer nicht nur Einzelteile zur Produktion beisteuern, sondern ganze Elemente des Fahrzeugs eigenständig fertigen und den Herstellern zur Montage lie- fern.
Wie Jürgens (2003, 19f.) erklärt, hat die europäische Automobilindustrie von der japanischen gelernt und nicht nur die Fertigungstiefe der Hersteller reduziert, son- dern gleichzeitig auch die Anzahl direkter Zulieferer und damit die Komplexität der Organisation reduziert. So hat sich das so genannte „Pyramidenmodell“ (ebd., 19) entwickelt, an deren Spitze der jeweilige Automobilhersteller steht und von den dar- unter liegenden Zulieferern mit Modulen und Komponenten versorgt wird. Bei den Zulieferern selbst gibt es eine Abstufung nach so genannten „Tier-Zulieferern“ (ebd., 21).6 Die „First-Tier-Zulieferer“ (ebd.) stehen in direktem Kontakt mit dem Herstel- ler und beliefern ihn mit Modulen, für deren Produktion sie von „Second-Tier- Zulieferern“ (ebd.) beliefert werden, die wiederum in Kontakt mit „Third-Tier- Zulieferern“ (ebd.) stehen. Die Zulieferer erster Ebene haben also selbst Zulieferer und so weiter. Diese Art der Organisation kann als „funktionale Wertschöpfungsar- chitektur“ bezeichnet werden, in der sich das Know-how der Zulieferer auf bestimm- te Module bezieht (McKinsey 2003, 45).
In den letzten Jahren haben sich die Zulieferer aber zunehmend auf spezielle Kompe- tenzen konzentriert. Einige produzieren unter Einsatz bestimmter Technologien spe- zifische Teile und Komponenten, die sich nicht mehr an bestimmten Funktionen ori- entieren (Jürgens 2005, 27). „Unternehmen mit … Know-how zu Oberflächenstruk- turen werden zum Beispiel Module wie Türinnenverkleidungen, Cockpit, Mittelkon- sole oder Lenkrad, die heute noch separat geliefert werden, in Zukunft verbinden können.“ (McKinsey 2003, 46). Andere Unternehmen haben besondere Kompeten- zen in der Integration von Modulen und ganzen Systemen (z.B. dem Innenraum) und stellen diese für Automobilhersteller zusammen. Wieder andere sind in der Lage, die „Gesamtintegration“ des Fahrzeuges für einen Hersteller zu übernehmen, was eine komplette Auslagerung der Produktion möglich macht (Jürgens 2005, 27). Beispiele für eine solche Komplettmontage durch Zulieferer sind die Fertigung des Mercedes- Benz CLK-Cabrios durch die Firma Karmann und die Produktion des BMW X3 durch die Firma Steyr (Mercer 2004, 15).
Diese Ausrichtung der Zulieferer auf bestimmte Kompetenzen löst das oben be- schriebene „Pyramidenmodell“ zunehmend auf und es entwickelt sich eine „wissens- basierte Wertschöpfungsarchitektur“ (McKinsey 2003, 46), die weniger durch ein System mit verschiedenen Stufen beschrieben werden kann, als vielmehr durch ein Netzwerk, bei dem ganz unterschiedliche Akteure entsprechend ihrer Kompetenzen miteinander in Verbindung stehen. Trotzdem gibt es aber immer noch große Unter- schiede in der Größe der Zulieferer, was sich auch auf die Beziehungen untereinan- der auswirkt.
Für die Automobilhersteller bringt diese Ausrichtung ihrer Zulieferer zwar zum ei- nen bessere Möglichkeiten der Auslagerung von Produktionsschritten mit sich, auf der anderen Seite findet aber ein stetiger Kompetenzverlust an die Zulieferer oder ein exklusiver Aufbau von Kompetenzen bei diesen statt (Jürgens 2005, 28). Dass dies zu Problemen führen kann, wird weiter unten verdeutlicht werden. Die intensive Kooperation von Herstellern und Zulieferern erfordert auch eine ver- änderte Art der Standortorganisation. Jürgens (2005, 29) beschreibt hierzu drei unter- schiedliche Modelle von „integrierten Montagestandorten“, wobei er zwischen „Zu- liefererparks“, der „Kondominium-Methode“ und dem „Konsortium-Ansatz“ unter- scheidet. Sako (2005) bezeichnet demgegenüber alle lokalen Kooperationsformen als „supplier parks“ und unterscheidet vielmehr nach der Art, wie dabei das Eigentum an den Investitionen verteilt ist.
Um diese Kooperationen etwas genauer zu beleuchten, sollen drei Beispiele dargestellt werden.
Ford-Werk in Köln
Jürgens (2005, 31) beschreibt als Beispiel für einen „Zuliefererpark“ die Kooperation von Ford mit zwei Zulieferern in einem Werk in Köln. Die beiden „Karosserie- Schweißmaschinen-Hersteller Comau und Kuka“ betreiben das Werk in einem Joint Venture und sind Eigentümer der Anlagen. Als Besonderheit wird hier das „Pay-on- production-Prinzip“ eingesetzt, bei dem der Automobilhersteller „für die Leistung der Zulieferer erst jeweils nach Einbau der Teile in das in der Regel schon verkaufte Fahrzeug“ zahlt. Hier bieten die Zulieferer also als weitere Dienstleistung die Finan- zierung von Anlagen mit an, was über die Zusammenarbeit in der Produktion hinaus- geht (Mercer 2004, 84).
Ford-Werk in Camaçari
Sako (2005, 19f.) beschreibt dieses Werk in Brasilien als ein Beispiel für ein Kon- dominium von Hersteller und Zulieferern, bei dem die Partner unter einem Dach zu- sammenarbeiten. In diesem Fall ist Ford Eigentümer der Grundstücke sowie der Ge- bäude und kontrolliert die Endmontage. Die Zulieferer sind Eigentümer der Anlagen und betreiben diese. Ford versucht sicherzustellen, dass alle Angestellten des Werkes in vergleichbaren Beschäftigungsverhältnissen sind und gleiche Löhne erhalten. Hierzu wurde ein Komitee eingerichtet, in dem Ford mit den größten Zulieferern über entsprechende Maßnahmen berät. Genau hier liegt das Problem und der Grund dafür, dass diese Form der Kooperation in Deutschland und in den USA nicht ge- nutzt wird. Die Möglichkeit unterschiedlicher Verträge und Löhne „unter demselben Dach“ wird von Gewerkschaften nicht akzeptiert (Jürgens 2005, 31).
Smart-Werk in Hambach
Die Produktion des Smart im französischen Hambach wird sowohl von Sako (2005, 17) als auch von Jürgens (2005, 31) als Beispiels für ein Konsortium beschrieben. Sieben Zulieferer übernehmen hier verschiedene Teile der Fertigung, während Ange- stellte von Smart (beziehungsweise MCC7 ) die Endmontage durchführen.
[...]
1 Von horizontaler Integration ist dagegen die Rede, wenn sich Unternehmen auf der gleichen Wertschöpfungsstufe zusammenschließen, z.B. wenn ein Unternehmen einen Konkurrenten aufkauft.
2 Die 1910 einsetzende Konsolidierung bei den Automobilherstellern zeigt, dass nicht nur der Grad der vertikalen Integration hoch war, sondern auch der Grad der horizontalen Integration anstieg.
3 Die Daten dieses Kapitels stammen vor allem von Mercer (2004). Die darin enthaltenen Informationen beziehen sich auf das Jahr 2002, bilden einen weltweiten Durchschnitt und beschreiben das Segment „Light Vehicles“.
4 Marken stehen bei der Betrachtung im Vordergrund, da die wenigen verbliebenen Unternehmen eine Vielzahl von Marken unter einem Dach vereinen.
5 Zumindest ist es in der circa einmonatigen Recherchephase dieser Arbeit nicht gelungen, Daten über die Wertschöpfungsanteile der einzelnen Hersteller zu bekommen. Zwar benutzen einige Autoren, z.B. Monteverde und Teece (1982) oder Masten et al. (1989), Daten zur Annäherung, doch diese beruhen wiederum auf Interviews und Schätzungen.
6 „Tier“ bedeutet im Englischen „Stufe“ oder „Rang“. (Übersetzt mit LEO: http://dict.leo.org/)
7 MCC steht für Micro Compact Car und ist der Name des Smart-Herstellers (Sako 2005, 17).
Bachelorarbeit, 55 Seiten
Diplomarbeit, 81 Seiten
BWL - Unternehmensführung, Management, Organisation
Diplomarbeit, 81 Seiten
Diplomarbeit, 97 Seiten
Bachelorarbeit, 49 Seiten
Bachelorarbeit, 112 Seiten
Bachelorarbeit, 55 Seiten
Diplomarbeit, 81 Seiten
BWL - Unternehmensführung, Management, Organisation
Diplomarbeit, 81 Seiten
Diplomarbeit, 97 Seiten
Bachelorarbeit, 49 Seiten
Bachelorarbeit, 112 Seiten
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