Diplomarbeit, 2003
182 Seiten, Note: 1,0
Abbildungsverzeichnis
Anhangsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und methodisches Vorgehen
2. Wissen
2.1 Was ist Wissen? - Abgrenzung zu Daten und Information
2.2 Perspektiven des Wissens - Wissensbasis
2.2.1 Perspektiven
2.2.1.1 Wissen als „ Objekt “
2.2.1.2 Wissen als „ Prozess “
2.2.2 Die „organisationale Wissensbasis“
2.2.2.1 Wissensarten
2.2.2.2 Wissenstr ä ger
2.3 Die Bedeutung des Wissens als Wettbewerbsfaktor
3. Grundlagen des Wissensmanagements
3.1 Wissensmanagement - empirische Befunde
3.2 Betrachtungen zum Wissensmanagement aus theoretischer Sicht
3.2.1 Zum Begriff des Wissensmanagements
3.2.2 Überblick über die Ansätze und Konzepte des Wissensmanagements
3.2.3 Technik- versus humanorientiertes Wissensmanagement
3.2.4 Ganzheitliches Wissensmanagement
3.2.5 Bausteinmodell des Wissensmanagements nach Probst et al
3.2.5.1 Wissensziele
3.2.5.2 Wissensidentifikation
3.2.5.3 Wissenserwerb
3.2.5.4 Wissensentwicklung
3.2.5.5 Wissens(ver)teilung
3.2.5.6 Wissensnutzung
3.2.5.7 Wissensbewahrung
3.2.5.8 Wissensbewertung
3.3 Zusammenfassung
4. Baustein „Wissens(ver)teilung“ - theoretische Fundierung
4.1 Verständnis und Aufgaben nach Probst et al
4.2 Grundsatzfragen zur Wissens(ver)teilung
4.2.1 Inhalte, Zeitpunkt, Verortung und Umfang der Wissens(ver)teilung
4.2.2 Erwünschte Formen der Wissens(ver)teilung
4.2.3 Auswirkungen mangelhafter versus übertriebener Wissens(ver)teilung
4.2.3.1 Nutzen der Wissens(ver)teilung
4.2.3.2 Gefahren und Kosten der Wissens(ver)teilung
4.2.3.3 Relativer Nutzen der Wissens(ver)teilung
4.3 Der Wissens(ver)teilungsprozess - Teilprozesse der Wissensdiffusion
4.3.1 Problematik der Teilbarkeit von Wissen
4.3.2 Modell der Wissensdiffusion nach Seidel
4.3.2.1 Die Phase der „ Teilung “
4.3.2.2 Die Phase des „ Transfers “
4.3.2.3 Die Phase der „ Ver ä nderung der Wissensbasis “
4.3.3 Determinanten des Verhaltens - Einflussfaktoren im Diffusionsprozess
4.3.3.1 „ Soziales D ü rfen “
4.3.3.2 „ Situative Erm ö glichung “
4.3.3.3 „ K ö nnen “
4.3.3.4 „ Wollen “
4.3.4 Konzentration auf die Bereitschaft zur Wissensteilung - „Wollen“
4.4 Bereitschaftsbarrieren zur Wissensteilung
4.4.1 Empirische Ergebnisse
4.4.2 Individuelle Bereitschaftsbarrieren zur Wissensteilung - die Theorie
4.4.2.1 Machttheoretische und mikropolitische Ü berlegungen
4.4.2.2 Wettbewerbstheoretische Ü berlegungen
4.4.2.3 Psychologische Ü berlegungen
4.4.2.4 Konflikt- und Kooperationstheoretische Ü berlegungen
4.5 Zusammenfassung
5. Gruppen als kollektive Wissensträger
5.1 Gruppe, Arbeitsgruppe und Team
5.2 Arten von Arbeitsgruppen - Teamarbeit
5.2.1 Informelle Arbeitsgruppen - Wissensgemeinschaften
5.2.2 Formelle Arbeitsgruppen - Projektteams
5.2.3 Teamarbeit - Chancen und Risiken
5.3 Bezugsrahmen der Analyse
5.4 Gruppenstrukturen und Gruppenprozesse als Einflussfaktoren
5.4.1 Gruppenstrukturen
5.4.1.1 Gr öß e
5.4.1.2 Rollen
5.4.1.3 Heterogenit ä t - Diversit ä t
5.4.1.4 F ä higkeiten
5.4.2 Gruppenprozesse
5.4.2.1 Normen
5.4.2.2 Gruppenkoh ä sion
5.4.3 Wechselseitige Wirkungsmechanismen und erste Implikationen
5.5 Zusammenfassung
6. Gestaltungsempfehlungen und Interventionsmaßnahmen
6.1 Organisationskultur - Wandel zu einer “Sharing Culture”
6.2 Wissensorientierte und gruppenbasierte Anreizsysteme
6.3 Führung und Gruppe
6.3.1 Leadership Development - Führungsstil
6.3.2 Team Member Selection
6.3.3 Team Building
6.3.4 Team Training
7. Schlussbetrachtung
7.1 Zusammenfassung und kritische Würdigung
7.2 Ausblick
Anhang A. Barrieren der Wissensteilung - empirische Befunde
Anhang B. Linkliste zum Thema Wissensmanagement
Anhang C. Basistechnologien des OMIS
Literaturverzeichnis
Abbildung 1: Das Kontinuum von Daten, Informationen zum Wissen
Abbildung 2: Bausteinmodell des Wissensmanagements
Abbildung 3: Strategien von Wissens(ver)teilung
Abbildung 4: Strukturierung des intellektuellen Kapitals nach Sveiby
Abbildung 5: Formen der direkten Wissensdiffusion
Abbildung 6: Teilprozesse der Wissensdiffusion
Abbildung 7: Funktionalitäten und Beispiele für Basistechnologien
Abbildung 8: Bereitschaftsbarrieren der Wissensteilung
Abbildung 9: Bezugsrahmen der Arbeit
Tabelle 1: Überblick über Wissensmanagementkonzepte in der Literatur
Tabelle 2: Traditional and autopoietic view of knowledge
Tabelle 3: Gestaltungsparameter der Projektgruppe
Tabelle 4: Chancen und Risiken von Teamarbeit
Anhang A. Barrieren der Wissensteilung - empirische Befunde
Anhang B. Linkliste zum Thema Wissensmanagement
Anhang C. Basistechnologien des OMIS
„ Fortschritt1 lebt vom Austausch des Wissens. “
(Albert Einstein, 1879 - 1955)
Im „Wissenschaftssystem“ ist seit jeher ein kumulativer Effekt und damit Erkenntnisfortschritt nur denkbar, sofern Forscher untereinander auf die Selektionsleistung ihrer Kollegen zurückgreifen können und infolgedessen nicht gezwungen sind jede Frage selbst zu beantworten (vgl. Willke, 2000).
Diese Arbeit betrachtet die Wissens(ver)teilung jedoch vorwiegend in einem ökonomischen Kontext. Ziel des einleitenden Kapitels ist die Themenwahl der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit zu begründen sowie deren konkrete Zielsetzung und methodisches Vorgehen aufzuzeigen.
Die Bedeutung eines Informationstransfers bzw. einer Wissens(ver)teilung ist, wie eingangs verdeutlicht, kaum zu bestreiten. Dabei ist speziell auf betriebswirtschaftlicher Ebene die Beschäftigung mit Wissen als dem „Vierten“ Produktionsfaktor sowie die Auseinandersetzung mit organisationsinternen sowie -externen (Ver-)Teilungsvorgängen ein viel versprechendes Managementthema, welches in den letzten Jahren durch unzählige Veröffentlichungen thematisiert und diskutiert wurde (vgl. z.B. Drucker, 1993; Stewart, 1998; Bendt, 2000; Thiel, 2002). Hintergrund stellt zum einen der zunehmende Wertschöpfungsanteil wissensbasierter Produkte sowie der für ihre Produktion und Vermarktung notwendigen Prozesse dar, welcher sich quer über alle Industrie- und Dienstleistungsbranchen erstreckt (vgl. Amelingmeyer, 2000). Zum anderen zieht der nachhaltige Anstieg der Komplexität der weltweiten Informations- und Wissensbestände eine immer weitergehende Fragmentierung und Spezialisierung der Fachgebiete nach sich, die wiederum nur über Austauschprozesse nutzbringend in der Forschung und Produktentwicklung einfließen können (vgl. Probst, Raub & Romhardt, 1998). Als logische Konsequenz ergibt sich dadurch ein Trend zur zunehmenden Kollektivierung der Arbeit. D.h., dass ein immer größer werdender Anteil der Mitarbeiter einen zunehmenden Teil ihrer Arbeitszeit in Teams oder projektorganisierten Arbeitsprozessen verbringt, um funktionsübergreifende Problemstellungen zu bearbeiten (vgl. Katzenbach & Smith, 1993a). In der Theorie begründen die Strukturen und Prozesse funktionsübergreifender Arbeitsgruppen ideale Voraussetzungen für Wissensgenerierung und Wissensaustausch (vgl. Tannenbaum, Salas & CannonBowers, 1996). Anstatt individueller Einzelleistungen gewinnen hier die kollektiven Einzelbeiträge zum Gesamtprojekt in Form der Bereitstellung von Informationen und kritischen Wissensbeständen in hohem Maße an Bedeutung. Nur über ein ausgeprägtes individuelles Kooperationsverhalten und die Bereitschaft die eigenen Wissensbestände den anderen Arbeitsgruppenmitgliedern zugänglich zu machen, kann eine effiziente Zusammenarbeit und damit der Projekterfolg gewährleistet werden. Soweit zur Theorie.
Jedoch besteht in der betrieblichen Wirklichkeit eine Kluft zwischen dem wünschenswerten Verhalten und dem realen Handeln. So kommt es bspw. häufig zu Doppelarbeiten und Ineffizienzen bei der Entscheidungsfindung aufgrund des Zurückhaltens von erfolgskritischen Informationsbeständen. Häufen sich derartige Verhaltensweisen und werden sie durch die beteiligten Mitglieder als solche wahrgeommen, ist ein verstärktes Misstrauen untereinander sowie eine verminderte gegenseitige Kooperationsbereitschaft zu erwarten. Eine Abnahme des Commitments zum Projekt und der Arbeitszufriedenheit kann infolgedessen nicht mehr ausgeschlossen werden. In seiner Endkonsequenz lässt das soeben beschriebene Szenario negative Auswirkungen auf den gesamten Wertschöpfungsprozess und damit der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmung befürchten.
Vor diesem Hintergrund hat sich in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Studien mit den in der Praxis häufig auftretenden Barrieren der Wissensteilung beschäftigt. Die Ergebnisse verweisen dabei auf Hemmnisse wie dem fehlenden Bewusstsein der Mitarbeiter, der Einstellung „Wissen ist Macht“, dem individuell übermäßigen Zeitaufwand, dem Konkurrenzdenken zwischen Mitarbeitern und Abteilungen sowie dem Mangel an nutzerfreundlicher Informationstechnologie (vgl. hierzu Anhang A). Diese Vielzahl an Hindernissen lässt also nicht auf einen „automatisierten“ Wissensaustausch innerhalb der Arbeitsgruppen schließen. Vielmehr scheinen sozialpsychologische Faktoren im Hinblick auf die Wissensdiffusion unterschätzt bzw. vernachlässigt zu werden (vgl. Pawlowsky, 1998). Zumeist wird der Schwerpunkt auf die Implementierung einer umfangreichen Informationstechnologie (bspw. Groupware, Intranet etc.) gelegt. Zwar kann diese die Diffusion unterstützen, ist aber weder in der Lage initiierend zu wirken, noch die in der Person verankerten individuellen Hemmnisse zu beseitigen.
Damit ist der einzelne Mitarbeiter in den Mittelpunkt der Betrachtungen zu rücken. Er allein entscheidet, ob und wie viel seiner Informationen und Wissensinhalte in die kollektive Arbeitssituation einfließen. Es gilt damit die Beweggründe einer mangelnden Bereitschaft zur Wissensteilung zu untersuchen, um im Anschluss darauf basierend aktivierende und förderliche Kontexte zu schaffen, die zu einer Erhöhung der individuellen Bereitschaft zur Wissensweitergabe beitragen können. Der neue Aspekt dieser Problematik sollte diesbezüglich das systematische Management der Wissensflüsse im Rahmen einer wissensorientierten Unternehmensführung sein. Diese Aufgabe stellt sich in der Praxis im Rahmen eines viel rezipierten integrativen Wissensmanagements, wobei der Fokus konkret in den simultan zu generierenden Vorteilen für die Organisation, der Gruppe und dem Individuum liegen muss. Dabei könnte sich die Gestaltung dieser wissensteilungsförderlichen Kontexte als ein Hauptaufgabenfeld der Arbeits- und Organisationspsychologie erweisen, indem sie den Abbau von Enteignungsängsten bzw. Monopolisierungsstrategien beim Wissensträger selbst sowie die Gestaltung und Etablierung von teilungsfreundlichen Gruppenstrukturen und Gruppenprozessen unterstützt. Ferner wäre das Mitwirken bei der Konzeption einer für die Wissensteilung förderlichen Unternehmenskultur ein weiteres viel versprechendes Betätigungsfeld.
Vor diesem Hintergrund versucht die vorliegende Arbeit einen Beitrag zum Abbau des Missverhältnisses zwischen der zum einen hohen Forschungsintensität im Themenfeld Wissensmanagement und zum anderen den offensichtlichen Umsetzungsdefiziten in der Unternehmenspraxis zu leisten. Zur Aufarbeitung des Problemkomplexes wird eine umfangreiche Analyse der Literatur zum Forschungsfeld des Wissensmanagements und des arbeits- und organistaionspsychologisch geprägten Erkenntnisobjekts der Kleingruppenforschung vorgenommen und miteinander verknüpft. Die Arbeit verfolgt dabei konkret das Ziel, über ein theoriegeleitetes deduktives Vorgehen Gestaltungsempfehlungen und Interventionsmaßnahmen zur Aktivierung und Förderung der individuellen Bereitschaft zur Wissensteilung innerhalb kollektiver Arbeitssituationen von Projektgruppen anzubieten. Neben den in der Literatur häufig diskutierten unternehmenskulturellen, anreiz- und führungstheoretischen Aspekten interessieren im Rahmen der Themenwahl speziell Gestaltungsempfehlungen und Interventionen, welche Führungskräfte bezüglich der Strukturen und Prozesse einer Arbeitsgruppe ergreifen können, um die individuelle Bereitschaft zur Wissensteilung zu erhöhen. Letztere sind insbesondere als Erweiterung bzw. Ergänzung derjenigen umfassenden Gestaltungsempfehlungen anzusehen, welche bereits von dem weit rezipierten „Bausteinmodell des Wissensmanagements“ nach Probst et al. (1998) erfasst werden. In Bezug auf die Ableitung des Maßnahmenbündels liegt der maßgebliche Beitrag dieser Arbeit darin, neben den Einflüssen von Verhaltensdeterminanten („Soziales Dürfen“, „Können“, „Situative Ermöglichung“) speziell die Einflüsse von Gruppenstrukturen und Gruppenprozessen auf motivationale Barrieren der Wissensteilung theoriegeleitet herauszuarbeiten, um anhand dieser Ergebnisse positive („Was ist zu tun?“) sowie negative („Was ist zu vermeiden?“) Implikationen für die Praxis zu entwickeln.
Im Folgenden wird die Aufbaustruktur zur Erarbeitung der Zielsetzung vorgestellt. Zunächst erfolgt im Kapitel 2 und 3 die Darstellung einiger definitorischer Grundlagen bezüglich des Wissensbegriffes sowie des Wissensmanagements. Es wird die Notwendigkeit eines systematischen Managements der Ressource Wissen herausgestellt und ferner das Bausteinmodell des Wissensmanagements nach Probst et al. (1998) als Rahmengeber für die im Abschnitt 6 zu entwickelnden Gestaltungsempfehlungen konkretisiert.
Das Kapitel 4 widmet sich ausführlich dem Baustein der „Wissens(ver)teilung“. Hier werden spezifische Fragen geklärt, die es bei der Zielbildung als Grundlage für ein systematisches Management der Wissensflüsse im Unternehmen zu beachten gilt sowie eine Sensibilisierung für die Auswirkungen einer mangelhaften bzw. übertriebenen Wissens(ver)teilung durchgeführt. Im Anschluss daran erfolgt eine theoretische Fundierung der Wissensflüsse im Unternehmen, wobei die Wissens(ver)teilung als Leistungsverhalten identifiziert wird, welches von verschiedenen Determinanten abhängig ist („Wollen“ sowie oben angeführte Determinanten). Aus diesen Überlegungen wird die Konzentration auf die individuelle Bereitschaft zur Teilung von Wissen vorgenommen („Wollen“). Abschließend werden theoretisch differenziert Bereitschaftsbarrieren der Wissensteilung betrachtet und im Rahmen dieser Arbeit ergänzt. Ebenso werden Einflüsse der restlichen Verhaltensdeterminanten theoriegestützt skizziert. Dies erfolgt vor dem Hintergrund, dass erst die Erkenntnis darüber, warum gewisse Handlungs- bzw. Verhaltensschemata greifen, eine Erfolg versprechende Diskussion von potenziellen Interventionsmaßnahmen ermöglicht.
Im nachfolgenden Kapitel 5 wird der Fokus auf die Gruppe als kollektiven Wissensträger gelenkt. Eine einführende Darstellung der Projektgruppe und Teamarbeit sowie die Konkretisierung des Bezugsrahmens der Arbeit legen dabei die Grundlagen für die daran an- schließende theoriegeleitete Analyse der Einflüsse von Strukturen und Prozessen auf die Bereitschaftsbarrieren.
Auf Grundlage dieser Ergebnisse werden im Abschnitt 6 die Gestaltungsempfehlungen und Interventionsmaßnahmen entwickelt.
Die Schlussbetrachtung des Kapitels 7 fasst die inhaltlichen Ergebnisse zusammen und gibt einen für die Arbeit beschließenden Ausblick auf weitere Forschungsfragen.
„ Wissen nennen wir den kleinen Teil der Unwissenheit, den wir geordnet haben. “ (Ambrose Bierce, 1842-1914)
Vor einer systematischen Aufarbeitung der Aktivierung und Förderung von Wissens(ver)teilung im Unternehmen, ist es unerlässlich den Begriff des Wissens genauer zu diskutieren und die Bedeutung dieser intangiblen Ressource für das Unternehmen darzustellen.
Häufig werden in Wissenschaft und Praxis die Begriffe Daten, Informationen und Wissen uneinheitlich verwendet, da eine begriffliche Trennung als nicht notwendig erachtet wird (vgl. Seng, 1989 zit. nach Güldenberg, 2001; Bendig, 1988). Für eine Arbeit mit wissenschaftlichem Anspruch ist es jedoch unabdingbar die charakteristischen Unterschiede klar herauszustellen, um somit Missverständnissen vorzubeugen sowie den betrieblichen Entscheidungsträgern ein Verständnis für diesen Erfolgsfaktor im Unternehmen zu geben.
Im Folgenden wird hier dem Hierarchisierungsvorschlag nach North in Form einer „ Wis- senstreppe “ Rechnung getragen werden (vgl. hierzu und zum Folgenden North, 2002).2
Daten
Daten bestehen aus Zeichen oder Zeichenfolgen (Buchstaben, Ziffern u.ä.). Zeichen werden durch eine Codierung bzw. in Form einer Syntax zu Daten. Diese können in gedruckter, gespeicherter, visueller oder akustischer Form vorliegen (vgl. Davis & Botkin , 1994). Sie repräsentieren damit Fakten, besitzen jedoch noch keine Bedeutung an sich.
Informationen
Informationen entstehen aus der Einordnung der Daten in einen spezifischen Kontext (Problembezug) sowie deren Verwendung für ein bestimmtes Ziel. Dies kann über die Instrumente der Kategorisierung, Kombinierung, Verdichtung, Analyse, Zusammenfassung und Interpretation von Daten erfolgen (vgl . Albrecht , 1993; Davenport & Prusak , 1998).
Informationen werden über einen Kommunikationsprozess von einem Sender an einen Empfänger transferiert. Dabei haben Informationen häufig einen subjektiven Charakter, da sie von der Interpretation des Empfangenden abhängen. Es ist diesbezüglich durchaus möglich, dass verschiedene Personen die gleiche Nachricht bzw. Information unterschiedlich beurteilen. Ferner sind Informationen für den Empfänger wertlos, sofern sie keinen Neuigkeitscharakter besitzen und nicht mit aktuellen oder vergangenen Informationen verknüpft werden können (vgl. North, 2002).
Wissen
Wissen, so die weiter verbreitete Auffassung, sind vernetzte Informationen, die in einen Erfahrungskontext eingebettet sind. Durch diese Vernetzung kommt es zu einer höheren Komplexität, so dass es als mehrdimensional, strukturiert und hierarchisch aufgebaut charakterisiert werden kann (vgl. Albrecht , 1993). Wissen entsteht durch die Verarbeitung und Speicherung wahrgenommener Informationen im menschlichen Gehirn, d.h. durch Lernprozesse (vgl. Güldenberg , 2001). Auf diese Weise begründet es die Fähigkeit Kontexte richtig einzuschätzen, in dem es in Form von Modellen für konkrete oder abstrakte Objekte, Ereignisse und Sachverhalte vorliegt (vgl. Albrecht , 1993).
Informationen erweitern, verändern und restrukturieren somit permanent das Wissen, welches aber auch von der interpretativen Rückbindung an vorhandenes Wissen, den spezifischen Verarbeitungsmustern, individuellen Erfahrungen, Perspektiven, Interpretationen sowie den Werthaltungen und Einstellungen des Wissensträgers abhängig bleibt. Wissen weist dadurch eine eindeutig subjektive Komponente auf, die letztlich dazu führt, dass ein und dieselbe Ausgangsinformation nach individueller Perzeption bei verschiedenen Individuen zu vollständig voneinander abweichenden Wissensinhalten transformiert werden kann bzw. gar nicht als solche wahrgenommen wird (vgl. Schüppel , 1996). Hauptunterscheidungskriterium zu Daten und Informationen ist damit die Personen- und Kontextgebundenheit (vgl. Probst et al., 1998).
Probst et al. (1998) sehen hingegen eine stringente Trennung von Daten, Information und Wissen als äußerst problematisch. Sie erachten diesbezüglich das Konzept eines Kontinuums zwischen den Polen Daten und Wissen als tragfähiger, da ihrer Meinung nach nicht nur die klare Unterscheidung sondern auch das Erkennen der Verknüpfungen als unerlässlich für das Management der Wissensbasis eines Unternehmens einzustufen ist. Das Fehlen dieser Fähigkeit würde demnach zu einer Entkopplung der verschiedenen Daten-, Informations- und Wissensbereiche im Unternehmen führen.
Abbildung 1: Das Kontinuum von Daten, Informationen zum Wissen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: „Wissen managen: wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource optimal nutzen“, von G.J.B. Probst, S. Raub & K. Romhardt, 1998, S. 36.
Das Kontinuum von Daten über Information zum Wissen veranschaulicht einen Entwicklungsprozess, bei dem sich der Mensch bspw. einer Problemlösung anstatt in klar abgrenzbaren Sprüngen eher in mehreren kleinen Schritten annähert. Isolierte Zeichen verdichten sich dabei zu kognitiven Handlungsmustern. Wissen wird somit nicht ad hoc erworben, sondern häufig erst durch das Zusammenfügen und der Interpretation einer Vielzahl von Informationen über einen längeren Zeitraum hinweg generiert (vgl. Probst et al., 1998).3
Im Folgenden wird eine Arbeitsdefinition zugrunde gelegt, die den Ausgangspunkt für weitere Überlegungen darstellt. Es zeigte sich bei der Auswahl einer geeigneten Begriffsbestimmung, dass es bisher nicht zu einer allgemein anerkannten Begriffsauffassung gekommen ist. Vielmehr hängt die konkrete Auslegung des Wissensbegriffs von der wissenschaftlichen Betrachtungsperspektive sowie Fragestellung ab (vgl. Amelingmeyer , 2000). So wird Wissen etwa in den verschiedensten Wissenschaften, wie bspw. in der Philosophie, Psychologie, Soziologie, Kognitionsbiologie, Informatik und Betriebswirtschaftslehre thematisiert (vgl. Güldenberg , 2001; Lehner, Hildebrand & Maier , 1995).
Unter Berücksichtigung der Themenwahl sowie oben diskutierter Kontinuumvorstellung wird im Weiteren eine managementorientierte Sichtweise des Wissensbegriffs vertreten. Es wird dabei die Wissensdefinition von Probst et al. (1998, S. 44) angeführt, da sie versucht den Zweck und das Phänomen des Wissens zu erfassen:
„ Wissen bezeichnet die Gesamtheit der Kenntnisse und F ä higkeiten, die Individuen zur L ö sung von Problemen einsetzen. Dies umfa ß t sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische Alltagsregeln und Handlungsanweisungen. Wissen st ü tzt sich auf Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu diesen jedoch immer an Personen gebunden. Es wird von Individuen konstruiert und repr ä sentiert deren Erwartungen ü ber Ursache-Wirkungs-Zusammenh ä nge in einem bestimmten Kontext. “
Amelingmeyer (2000) kritisiert an dieser Definition, dass zwar der Tatsache der Bedeutungszuordnung durch den Menschen explizit Rechnung getragen wird, dadurch jedoch die Wissenseigenschaft zum Beispiel bei der Archivierung von Mitarbeiterwissen in Schriftstücken verloren geht und damit ein anderer Terminus verwendet werden müsste. Dies wird hingegen durch die Autoren nicht vorgenommen. Trotz berechtigter Kritik wird obige Phänomenbeschreibung als Grundlage für weitere Ausführungen verwendet. Vielmehr muss bei korrekter Anwendung der Begriffstrennung von Informationen gesprochen werden, sobald es zu einer Übertragung von Wissen auf Speichermedien kommt.
Aufbauend auf dieser grundlegenden Definition erfolgt nun eine Diskussion der verschiedenen Wissensbestände innerhalb einer Organisation. Diesbezüglich werden die Perspektiven des Wissens und die „ organisationale Wissensbasis “ eingeführt, wobei letztere ein Grundverständnis für verteilungsrelevante Wissensinhalte und einer Einordnung der Arbeitsgruppe als kollektiven Wissensträger legt.
Hier stellt sich die Frage, wie Wissen aufgefasst wird. Dahingehend werden zwei Perspektiven unterschieden: Wissen aus der Objektbetrachtung sowie das Verständnis als Prozess.
Nach diesem Verständnis wird Wissen als ein beliebig teil-, duplizier- und speicherbares sowie transportables Ergebnis betrachtet (vgl. North , 2002). Es wird als eine wertvolle, knappe und dauerhafte Ressource aufgefasst aus der sich strategische Wettbewerbsvorteile ableiten lassen. Ziel eines Unternehmens ist es dahingehend mit Hilfe des Konzepts des „ Organizational Memory Information System “ (OMIS) möglichst große Bestände an erfolgsrelevantem Wissen zu konservieren, da Informationen aus der Vergangenheit durchaus auf Gegenwartsentscheidungen wirken und diese beeinflussen können (vgl. Walsh &
Ungson , 1991).4 Kritisch bleibt hierbei anzumerken, dass die Auffassung entstehen könnte, ein erfolgreiches Management der Ressource Wissen wäre über die Archivierung in Datenbanken und damit dem alleinigen Ausbau einer informationstechnischen Infrastruktur hinreichend ausgefüllt. Wie Kurtzke und Popp (1998) trefflich bemerken, führt diese Annahme schnell zu ungenutzten „Daten- und Informationsfriedhöfen“.
Wissen verlässt nach dieser Betrachtungsperspektive den statischen Rahmen des Objektverständnisses und die Dynamik von Wissen wird hervorgehoben. Hill (1997) bezeichnet diesbezüglich Wissen als Prozess, welcher als nicht objektiv präsent und einfach abrufbar gilt, sondern geschaffen, dargeboten und ständig erneuert werden muss. Es ist kein andauernder Zustand, sondern verlangt einen stetigen Aneignungs- und Identifikationsprozess.
Wie schon weiter oben durch Güldenberg (2001) angedeutet, vertreten auch Maier und Lehner (1994) die Auffassung, dass Wissen als (Weiterentwicklungs-) Prozess und damit als Lernen bezeichnet werden kann. Durch die reflektive Auseinandersetzung eines Individuums mit seiner Umwelt entsteht neues Wissen, welches wiederum Eingang in die Organisation findet. Die kontinuierliche Weiterentwicklung der Wissensbestände ist als Grundvoraussetzung für den Bestand und die künftigen Handlungspotenziale von Organisationen anzusehen. Polanyi (1961, S. 466) betont die Prozesssichtweise mit der Aussage: „Knowledge is an activity which would be better described as a process of knowing.“
Die dargelegten Perspektiven von Wissen existieren allerdings nicht getrennt, sondern ergänzen einander. Wissen kann somit situativ sowohl als Objekt wie auch als Prozess interpretiert werden bzw. ist zwischen diesen beiden Extrempositionen einzuordnen (vgl. Davenport & Prusak , 1998; North , 2002). Für die Gestaltung des wissensorientierten Unternehmens sieht North (2002) die Prozessdimension des Wissens als „dominierend“ an und räsoniert, dass diesbezüglich konsequent Rahmenbedingungen für den Wissensaufbau und -transfer zu fördern sind (vgl. zu ähnlicher Sichtweise auch Kurtzke & Popp, 1998).
Im Folgenden wird auf das Konstrukt der „organisationalen Wissensbasis“ eingegangen.
Die Gesamtheit des Wissens in einem Unternehmen wird als organisationale Wissensbasis bezeichnet und stellt damit eines der wichtigsten Subsysteme des Gesamtsystems Unternehmung dar (vgl. Probst et al., 1998; Güldenberg , 2001). Es handelt sich offenbar um einen sehr weit gefassten Begriff, der zum besseren Verständnis weiter aufgespalten werden muss. Dazu wird im weiteren Verlauf dem Verständnis von Amelingmeyer (2000) gefolgt. Sie beschreibt das Konstrukt der organisationalen Wissensbasis als hochgradig integrativ, welches dahingehend Anknüpfungspunkte sowohl für theorie- als auch gestaltungsorientierte Fragestellungen eröffnet. Weiterhin lässt es sich ihrer Ansicht nach weit genug differenzieren, um gerade sehr konkrete wissens- und managementbezogene Einzelaussagen erfassen und einordnen zu können (hier also die Ableitung von Gestaltungsempfehlungen und Interventionsmaßnahmen auf Gruppenebene). Detailliertere Ausführungen werden dabei hinsichtlich der Wissensarten und der Art und Anzahl der Wissenstr ä ger gemacht.5
In der Literatur liegt eine Vielzahl von Ansätzen zur Kategorisierung von Wissen nach der Wissensart vor.6 Die vorliegende Arbeit beschränkt sich jedoch auf die wesentlich wissens(ver)teilungsrelevante Dichotomie. Die Differenzierung zwischen explizitem und implizitem Wissen, welche auch als „ epistemologische “ Dimension bezeichnet werden kann (vgl. Nonaka & Takeuchi, 1995), geht indirekt auf Polanyi (1966) zurück.7
Unter explizitem Wissen wird generell jenes Wissen subsumiert, welches in artikulier-, transferier- und archivierbarer Form existiert (vgl. North , 2002). Die Artikulierbarkeit äußert sich konkret darin, dass es bereits sprachlich umgesetzt ist oder unmittelbar sprachlich umgesetzt werden kann. Es ist damit für jedermann zugänglich und nicht an ein Subjekt gebunden (disembodied knowledge), sofern dies zunächst von der konkreten Bereitschaft des Wissensträgers zur Wissensteilung abstrahiert betrachtet wird (vgl. hierzu und zum Folgenden Amelingmeyer, 2000; Schreyögg, 2001). Neben kodifizierten Wissensinhalten (bspw. Formeln, Patente, Organigramme) werden auch diejenigen Wissensbestände als explizit bezeichnet, die der Person in einer bei Bedarf direkt mitteilbaren Form bewusst sind.
Demgegenüber wird von implizitem Wissen gesprochen, sobald Wissen nicht mehr unmittelbar artikulierbar ist, es damit also in eher unbewusstem Zustand in einer Person verankert vorliegt (embodied knowledge). Es beruht auf Erfahrungen, Idealen, Werthaltungen und Gefühlen und umfasst mentale Modelle (Perspektiven, Vorstellungen). Diese Elemente stellen den kognitiven Teil des impliziten Wissens dar. Daneben existieren noch praktisch-technische Komponenten, die sich in konkretem Know-How, routinisierten Verhaltens- und Vorgehensweisen sowie handwerklichem Geschick und Fertigkeiten manifestieren (vgl. Rüdiger & Vanini, 1998; Petkoff, 2001). Die kognitiven Elemente sind dabei tief im Verhalten und den Handlungen des Einzelnen verankert und stellen im Vergleich zum expliziten Wissen den wesentlich größeren Teil des persönlichen Wissens dar (vgl. North , 2002; Nonaka & Tackeuchi, 1995). Infolgedessen ist implizites Wissen schwer übertragbar, da es viele Aspekte des individuellen Wissens und Könnens erfasst, welche eben nicht in Worten äußerbar sind und möglicherweise auch nicht geäußert werden können. Damit kann es als ein „Kontext-Wissen“ verstanden werden (vgl. Polanyi , 1985; Schüppel , 1996).
Als Artikulationshilfe bieten sich Metaphern, Analogien, Erfahrungsberichte oder Modelle an, um die schwer explizierbaren Bestandteile außenstehenden Personen verständlich zu machen (vgl. Nonaka, Toyama & Konno , 2000; Nonaka, Takeuchi & Umemoto, 1996).
Die hier vorgestellte Unterscheidung von implizitem und explizitem Wissen ist als eine Art übergeordnete Kategorisierung der weiteren Strukturierungsvorschläge von Amelingmeyer (2000) anwendbar. So gliedert sie das Wissen über die Wissensart hinaus nach dem „ Wis- sensgebiet “ und dem „ Unternehmensbezug “. Die Strukturierung nach den Wissensgebieten deckt die „Wissensbreite“ der Organisation ab und erfolgt in Metawissen, Wissenschaftsbereiche (natur- und sozialwissenschaftliches Wissen), Einsatzgebiete (Wissen über Objekte und Anwendungen, wie bspw. Lasertechnik) und systemorientierte Kriterien (Struktur- und Funktionswissen). Die Strukturierung nach dem Unternehmensbezug hingegen erfasst die „Wissenstiefe“ der Organisation und spaltet sich in den Einsatzbereich im Unternehmen (Beschaffungs-, Produktions- und Vertriebswissen, Wissen über Geschäftsfelder und Kompetenzen), die Unternehmensspezifit ä t des Wissens (Wissen über unternehmensinterne Abläufe, Spezialmaschinen, Software), den Neuigkeitsgrad f ü r das Unter- nehmen (bekanntes, grundsätzlich bekanntes, neues und absolut neues Wissen) sowie in die Relevanz f ü r das Unternehmen (Wissenspriorität: sehr wichtig bis unwichtig) auf.
Bei genauerer Betrachtung lässt sich dabei die „Breite“ und „Tiefe“ des Wissens durchaus auch in explizite und implizite Bestandteile zerlegen. So ist bspw. Wissen im spezifischen Einsatzbereich „Personalwesen“ zwar sicherlich in expliziter Form (Stellenbeschreibungen, Anreizmodelle, Organigramme) vorhanden, jedoch findet sich auch die implizite Komponente in Form von Wissen über die informellen Abläufe bei der Personalentwicklung sowie bei der „sozialen Kompetenz“ von Mitarbeitern wieder.
Wenn also im weiteren Verlauf von den Wissensarten die Rede ist, so wird implizit die Breite und Tiefe der Wissensbasis mit berücksichtigt werden.
Schließlich wird an dieser Stelle dem Metawissen Rechung getragen. Es stellt das „Wissen über Wissen“ dar, also z.B. Wissen über Wissensinhalte, Wissensträger und die Problemlösungsrelevanz von Wissen (vgl. Amelingmeyer, 2000). Damit kommt ihm bezüglich des Managements von Wissens(ver)teilung eine besondere Bedeutung zu, da es auch Kenntnisse darüber beinhaltet, dass ein bestimmtes Wissen überhaupt in Wissensträgern vorliegt und dass es im konkreten Anwendungsfall einsetzbar ist oder sein könnte, es aber durchaus eine mangelnde Bereitschaft gibt dieses zu teilen und somit Maßnahmen zur Aktivierung und Förderung der Bereitschaft zur Wissensteilung ergriffen werden müssen.
Aufgrund des immateriellen Charakters von Wissen ist eine Bindung desselben an Wissensträger eine logische Konsequenz. Unter Wissensträgern versteht Amelingmeyer (2000,
S. 51) „[…] diejenigen körperlichen Elemente […], in denen sich Wissen manifestieren kann“. Dabei trifft sie eine Unterscheidung in die drei Hauptgruppen personelle, materielle und kollektive Wissensträger (vgl. zum Folgenden Amelingmeyer, 2000).8
1. Personelle Wissenstr ä ger:
In den einzelnen in der Organisation tätigen Personen ist potenziell die bereits oben angedeutete, gesamte Spannweite des Wissens verkörpert. Die konkrete Ausformung dieses individuellen Wissens lässt sich auf verschiedene Charakteristika zurückführen. Diese setzen sich aus den bisherigen Erfahrungen, der Ausbildung sowie aus dem Aufgabenbereich im Unternehmen zusammen, welcher sowohl durch die fachlichen Anforderungen als auch durch die hierarchische Position gekennzeichnet ist. Zusammen bilden diese Faktoren den spezifischen Hintergrund der Person, der sich durchaus bei unterschiedlichen Personengruppen, wie bspw. Ingenieuren und Führungskräften, deutlich unterscheidet. Weiterhin sind Persönlichkeitsmerkmale wie Selbstvertrauen, Extraversion, Initiative und Motivationsgrad im Umgang mit den persönlichen Wissensbeständen (hier das Teilen) von großer Bedeutung (vgl. auch Asenkerschbaumer, 1987; zu Selbstvertrauen Abschnitt 4.4.2.3).
In der Organisation treten personelle Wissensträger als interne Mitarbeiter, Mitarbeiter von Partnerfirmen oder Selbständige auf. Sie stellen ihr Wissen in der Regel gegen Entgelt zur Verfügung und sind in der Lage, dieses Wissen an andere Arbeitsstätten und in andere Unternehmen zu überführen (vgl. Albrecht, 1993; Drucker , 1997).
2. Materielle Wissenstr ä ger:
Hier wird zwischen druckbasierten, audiovisuellen, computer- sowie produktbasierten Wissenstr ä gern unterschieden (vgl hierzu und zum Folgenden Amelingmeyer, 2000). Letztere sind für den weiteren Fortgang der Arbeit von geringerer Bedeutung und werden nicht weiter betrachtet.
Die druckbasierten Wissenstr ä ger (Bücher, Projektberichte, Notizzettel etc.) können explizites als auch implizites Wissen, sofern dieses in Form von Text und/oder Bild artikulierbar ist, aufnehmen.
Audiovisuelle Wissenstr ä ger (bspw. Tonbänder, Videos, Fotos etc.) dienen zur Speicherung expliziter Kenntnisse, die in optischer und/oder akustischer Form vorliegen. Daneben eignen sie sich durch die Aufnahme und anschließende Analyse von Vorgängen auch zur Explizierung von implizitem Wissen (bspw. Mitschnitt eines Beratungsgesprächs).
Eine weitere Untergruppe stellen die computerbasierten Wissenstr ä ger dar (z.B. ROM, Disketten, Internet, Intranet etc.). Diese werden aufgrund ihrer größeren Speicherkapazität und durch die Ausstattung mit Zusatzfunktionen (bspw. Such- und Sortieralgorithmen) für die Aufnahme der druck- und audiovisuellbasierten Wissensträger verwendet. Durch Fortschritte im Bereich der Informationswirtschaft lassen sich zudem mit Hilfe von Computerprogrammen im Rahmen von Modellen und Simulationen immer mehr zuvor implizite Wissensinhalte in expliziter Form erfassen (vgl. Foray & Cowan , 1996).
Allen materiellen Wissensträgern ist gemein, dass sie vorwiegend eine Speicherungs-, Dokumentations- und Auswertungsfunktion ausüben und im Gegensatz zu personellen Wissensträgern nicht zur eigenständigen (Ver-)Teilung neuen Wissens in der Lage sind, im Prinzip also nur ein Mittel zum Zweck darstellen. Den computerbasierten Wissensträgern kommt zusätzlich noch eine Verarbeitungs- und Vernetzungsfunktion zu, wobei gerade letztere eine besondere Stellung einnimmt, da über sie die Wissensinhalte auch einer Mehrzahl anderer angeschlossener Wissensträger zugänglich sind (z.B. über Intranet).
3. Kollektive Wissenstr ä ger:
Ein kollektiver Wissensträger verkörpert einen Verbund personeller und gegebenenfalls materieller Wissensträger, welcher in seiner Gesamtheit über ein originäres kollektives Wissen verfügt, das über die Summe der einzelnen Mitglieder hinausgeht. Mit Blick auf eine Unternehmung kann man verschiedene Ebenen kollektiver Wissensträger identifizieren. Es können Teile eines Unternehmens (Projektgruppen, Abteilungen), das Unternehmen als Ganzes oder auch interorganisationale Gebilde (z.B. Allianzen) unterschieden werden. In Bezug auf den thematischen Fokus wird hier die Gruppenebene in den Mittelpunkt der Betrachtungen gerückt, welche in der soeben beschriebenen Systematik einen Bestandteil der übergeordneten kollektiven Wissensträger darstellt (vgl. ausführlich Kapitel 5).
Das in den kollektiven Wissensträgern gespeicherte kollektive Wissen bezieht sich auf Strukturen, eingespielte Prozesse oder ungeschriebene Regeln der jeweiligen Kultur und ist eine maßgebliche Voraussetzung für die Koordination der Tätigkeiten der einzeln eingebundenen Wissensträger. Dadurch erhöht es die Effizienz eines kollektiven Wissensträgers, indem es einerseits den Abstimmungsbedarf untereinander verringert und andererseits den Austausch individuellen Wissens zwischen den eingebundenen Wissensträgern erleichtert (vgl. Zahn & Greschner , 1996). Kollektives Wissen bildet sich evolutionär und besteht sowohl aus expliziten wie auch aus den überwiegend impliziten Wissensanteilen (vgl. Schneider , 1996; Rüstmann , 1999). Trotz gemeinsam geteilter Wissensbestände besitzt jeder Wissensträger nur einen Teil des gesamten kollektiven Wissens.
Vor diesem Hintergrund wird die Notwendigkeit einer gezielten Wissens(ver)teilung augenscheinlich, die nicht zuletzt aus Gründen der Bewahrung von kollektivem Wissen betrieben wird. So könnten bspw. durch das Ausscheiden einzelner Wissensträger (Ruhestand) oder die Auflösung kollektiver Wissensträger (Fusionen, Outsourcing) die wertvollen kollektiven Wissensbestände vermindert werden, sofern keine gezielte (Ver-)Teilung von Wissensinhalten der Unternehmung verfolgt wird (vgl. zu Aufgaben einer Wissens(ver)teilung Abschnitt 4.1).
Abschließend wird an dieser Stelle eine für diese Arbeit relevante Definition der organisationalen Wissensbasis nach Amelingmeyer (2000, S. 81) vorgestellt:
„ Die Wissensbasis eines Unternehmens kann zusammenfassend als Gesamtheit des zu einem bestimmten Zeitpunkt im Rahmen der Unternehmensprozesse und/oder Unternehmensaufgaben verf ü gbaren, an personelle, materielle und/oder kollektive Wis- senstr ä ger gebundenen Wissens interpretiert werden . Der Begriff wird dabei nicht auf das von allen Organisationsmitgliedern geteilte Wissen beschr ä nkt.“
Einen nicht zu vernachlässigenden Aspekt stellt die Dynamik der organisationalen Wissensbasis dar. Sie impliziert Veränderungsprozesse, die unter dem Begriff des „ Organisa tionalen Lernens “ zusammengefasst werden können. Probst et al. (1998, S. 44) verstehen unter „ Organisationalem Lernen “ „[…] die Veränderung der organisationalen Wissensbasis, die Schaffung kollektiver Bezugsrahmen sowie die Erhöhung der organisationalen Problemlösungs- und Handlungskompetenz“. Dies kann über individuelle und kollektive Lernprozesse erfolgen (vgl. hierzu ausführlich Schüppel , 1996).
Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen sind die in der vorliegenden Arbeit abzuleitenden Maßnahmen nicht nur als aktivierend und fördernd für die Bereitschaft zur Wissensteilung zu verstehen, sondern ebenso als durch die Unternehmensleitung gestaltbare Interventionen zur Initiierung von Lernprozessen (vgl. bspw. Abschnitt 6.1). Bezüglich des letzteren Verständnisses verfolgen diese ein Aufbrechen der festgefahrenen Routinen und erstarrten Denkmuster (z.B. „Wissen ist Macht“) und wirken somit flankierend bzw. unterstützend für die beabsichtigte Steigerung der individuellen Teilungsbereitschaft.
Im weiteren Verlauf der Arbeit wird die Bedeutung des Wissens als Wettbewerbsfaktor diskutiert, um daraus die Notwendigkeit eines gezielten Managements der Ressource Wissen - speziell im Hinblick auf deren (Ver-)Teilung - zu verdeutlichen.
“ An investment in knowledge always pays the best interest. ”
(Benjamin Franklin, 1706 - 1790)
Art und Intensität des Wissenseinsatzes variieren je nach Unternehmensbranche und der Art der zu erstellenden Produkte. Jedoch zeigt sich, dass sowohl für Unternehmen im High-Tech- als auch im Low-Tech-Bereich, sowohl für Industrie- als auch Dienstleistungsunternehmen, die Verfügbarkeit von für die Leistungserstellung relevanten Wissens eine besondere Bedeutung hat und dies auch zunehmend im Bewusstsein der Unternehmen verankert ist (vgl. Amelingmeyer , 2000).
So weist eine Studie des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) aus, dass 98 Prozent der 314 befragten deutschen mittelständischen und großen Unternehmen der produzierenden und nicht-produzierenden Branche das Management von Wissen als in Zukunft wichtig oder sogar sehr wichtig ansehen. Es zeigt sich auch, dass speziell die nicht-produzierenden Unternehmen stärker dem Thema Wissensmanagement zugewandt sind, wobei der Grund in der höheren Stellenwertzuschreibung dieser „einzigen“ Ressource zu sehen ist (vgl. Bullinger, Rüger, Koch & Staiger , 2001).
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Fortsetzungsstudie der KPMG Management Consulting Group aus dem Jahre 2003. Danach hat sich in den letzten drei Jahren das Bewusstsein für das Wissen als strategische Ressource maßgeblich erhöht. So vertreten 80 Prozent der 500 europaweit befragten Unternehmen diese Sichtweise (vgl. KPMG, 2003).
Das Wissen prägt in erhöhtem Maße die Produkte eines Unternehmens. Dies gilt insbesondere für wissensintensive Unternehmen wie z.B. Beratungsgesellschaften, Anwaltskanzleien, Werbeagenturen und Software-Unternehmen (vgl. Nurmi , 1998). Aufgrund der großen Bedeutung des Wissens in nahezu allen Leistungserstellungsprozessen und Unternehmensfunktionen, wird es aus Theorie- wie Praxissicht als zentraler Produktionsfaktor oder sogar als Axialprinzip der postindustriellen Gesellschaft bezeichnet (vgl. Schüppel , 1996).
Diese Sichtweise kann zwar erklären, dass bei fehlendem Wissen eine Leistungserstellung schwer möglich ist, jedoch kann die Darstellung von ausgeprägten Wettbewerbsvorteilen durch das Wissen nur begrenzt vorgenommen werden. Eine Betrachtung des Wissens als strategischer Wettbewerbsfaktor erscheint dahingehend sinnvoller (vgl. North, 2002).
Um die Bedeutung des Wettbewerbsfaktors Wissen zu klären, haben sich zwei komplementäre Sichtweisen herausgebildet. Zum einen stellt der „ Ressourcenbezogene Ansatz “ (vgl. Penrose, 1959) eine unmittelbare Beziehung zwischen den Ressourcen des Unternehmens und seiner Wettbewerbsposition her. In der Literatur werden Ressourcen hinsichtlich des Potenzials zur Schaffung von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen nach folgenden Kriterien beurteilt (vgl. Barney , 1991; Bamberger & Wrona , 1996):
1. Wert der Ressource und deren Beitrag zur Erhöhung der Effizienz im Unternehmen und damit auch zur Erhöhung des Kundennutzens,
2. Seltenheit bzw. Knappheit der Ressource,
3. Abnutzungsgrad der Ressource bei deren Einsatz im Wertschöpfungsprozess,
4. keine vollkommene Mobilität der Ressource und
5. keine Möglichkeit zur umfassenden Imitation sowie Substitution.
Diese Kriterien dauerhafter Wettbewerbsvorteile werden insbesondere von der intangiblen immateriellen Ressource Wissen erfüllt. So ergeben sich erhebliche Schwierigkeiten bei der Imitation und Substitution von Wissen aufgrund seines impliziten sowie expliziten Charakters und der Tatsache, dass diese beiden Ausprägungen immer an Personen gebunden sind (vgl. North , 2002). Auch lässt sich bei dem Abnutzungsgrad ein nicht zu vernachlässigender Umstand dahingehend erkennen, als dass Wissen im Gegensatz zu materiellen Ressourcen beim Gebrauch eher an Wert gewinnt bzw. sich vermehrt (vgl. Probst et al., 1998). Ungeachtet dessen, muss dennoch berücksichtigt werden, dass Wissen mit der Zeit veraltet, da neuere Erkenntnisse von heute schon im nächsten Jahr überholt sein können (vgl. auch Drucker, 1997). Es muss daher einer kontinuierlichen Aktualisierung und Neugenerierung unterzogen werden. Dabei sollten veraltete Wissensbestände identifiziert und aus der Unternehmung ausgesondert werden (vgl. Bullinger et al., 2001).
Zum anderen geht der „ Umweltbezogene Ansatz “ von einer Ungleichverteilung von Informationen und Wissen zwischen Unternehmen und sich daraus ableitbaren Informationsund Wissensvorsprüngen aus, die bei rechtzeitiger Wahrnehmung und Anwendung zu nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen führen können (vgl. Porter, 1980). Jedoch ist bei einem dynamischen Wettbewerb davon auszugehen, dass das Verhalten von erfolgreichen Unternehmen durch die Konkurrenz imitiert wird und daher diese Vorteile fortwährend verloren gehen. Dies erfordert wiederum eine auf Innovationen basierende Wettbewerbsstrategie („ Economies of speed “), in der neue Informations- und Wissensvorsprünge geschaffen bzw. erkannt und in unternehmerische Handlungen umgesetzt werden (vgl. North , 2002; Mirow, 1998).
Unabhängig davon, welchem Ansatz gefolgt wird, kann abschließend festgestellt werden, dass die „Wissensaktiva“ einer Unternehmung einen - wenn nicht den entscheidenden Wettbewerbsfaktor für die aktuelle und zukünftige Konkurrenzfähigkeit im wissensbasierten Wettbewerb darstellen. Diese Sicht wird nicht zuletzt durch Pawlowsky (1998) bestärkt, der Wissen einerseits eine zentrale Funktion im Prozess der Leistungserstellung zuschreibt (z.B. Wissen über Kombinationsmöglichkeiten der Ressourcen Arbeit, Betriebsmittel, Werkstoffe) sowie andererseits Wissen als Ergebnis der Leistungserstellung sieht (bspw. Know-how, das eine Bewegung entlang der Erfahrungskurve ermöglicht). Diese Tatsache macht Wissen gleichzeitig zur Ursache wie auch zur Wirkung und damit zu einer nicht zu unterschätzenden Voraussetzung für die Entwicklungsdynamik von Unternehmen.
Nachdem hier die Bedeutung des Wissens für die betriebswirtschaftlich organisierten Institutionen herausgearbeitet wurde, ist der Schritt hin zur Notwendigkeit des Managements von Wissen vollzogen. Es wird diesbezüglich im nächsten Kapitel ein Grundverständnis für das Wissensmanagement hergestellt und spezifische Ziele sowie Aufgaben diskutiert.
In diesem Kapitel wird ein Überblick über empirische und theoretische Befunde des Managements von Wissen gegeben. Im weiteren Verlauf wird das für die vorliegende Arbeit verwendete Modell eingehender erläutert.
Obwohl Wissen als zentrale Unternehmensressource wahrgenommen wird, ist sein Management noch unterentwickelt (vgl. auch Meta Group, 2001). Dieser Umstand lässt sich nicht zuletzt daraus erklären, dass die oben erwähnte Doppelfunktion des Wissens als Ursache und Wirkung ein gewisses Dilemma darstellt und seine Behandlung als Produktionsfaktor erschwert (z.B. dessen Klassifizierung, Quantifizierung, Evaluierung, kontextabhängige Wertbeimessung), gleichzeitig jedoch ursächlich für die Eignung als Basis von Wettbewerbsvorteilen ist (vgl. Zahn et al., 2000).
Diese Unterentwicklung zeigt sich auch an verschiedenen empirischen Studien. So stellen Bullinger et al. (2001) in ihrer Erhebung fest, dass nur 40 Prozent der 314 befragten Unternehmen dieses in der Praxis auch wirklich umsetzen. Wie die Autoren weiter herausstellen, betreiben dabei 80 dieser 40 Prozent das Wissensmanagement seit weniger als fünf Jahren, so dass geschlossen werden muss, dass der überwiegende Teil der Unternehmen noch in der Einführungsphase bzw. in den ersten Phasen der Operationalisierung steht (vgl. Bullinger et al., 2001; Meta Group, 2001). Diese Entwicklung hat sich auch in den letzten zwei Jahren nicht nachhaltig verbessert. Nach einer Studie der KPMG Management Consulting Group (2003) haben in diesem Zeitraum lediglich 10 bis 45 Prozent der 500 befragten Unternehmen konkrete Wissensmanagementinitiativen, wie z.B. die Implementierung von „ Communities of Practice “ (CoPs; freiwillige Wissensnetzwerke), „ Competence Cen- ters “ (internes Kompetenzzentrum) oder „ Centers of Excellence “ (Netzwerke über Abteilungen, Prozesse und Funktionen hinweg) umgesetzt.
Ein weiteres Anzeichen für die große Lücke, die zwischen Anspruch und Wirklichkeit bezüglich der konkreten Umsetzung klafft, ist die Tatsache, dass sich zwar deutsche Unternehmen durch eine effektivere Nutzung der Ressource Wissen eine Erhöhung der Innovationsfähigkeit, eine größere Kundennähe sowie eine durchschnittliche Produktivitätssteigerung von bis zu einem Drittel versprechen - gleichzeitig aber 80 Prozent der Unternehmen die Nutzung ihrer intellektuellen Werte für wenig effizient bis uneffizient einschätzen (vgl. Vorbeck & Heisig , 2001). Auch hier weisen die jüngsten Ergebnisse der KPMG Studie (2003) keine nachhaltigen Verbesserungen aus. Immer noch 78 Prozent der teilnehmenden Unternehmen gehen von einem Versagen bei der erfolgreichen Ausnutzung der vorhandenen Wissensbestände aus, wodurch sie nach ihrer eigenen Einschätzung die gegenwärtigen Geschäftspotenziale versäumen.
Diese Ergebnisse dürften damit auch die nachgelagerten Erwartungen an ein Wissensmanagement (z.B. Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit, Ausbau der Marktstellung etc.) eher enttäuschen (vgl. dazu Graßhoff , 1996; North & Papp, 2001). Ein Grund dafür ist womöglich in den Unmengen an Veröffentlichungen zu diesem Themengebiet in den letzten Jahren zu sehen (vgl. dazu Linkliste im Anhang B), die in der Praxis keine Einigkeit darüber herausgebildet haben, was unter Wissensmanagement zu subsumieren ist und welche konkreten Aufgaben und Ziele damit verfolgt werden sollen. Die nachfolgenden Ausführungen versuchen diesbezüglich ein grundlegendes Verständnis zu fördern.
In diesem Abschnitt erfolgt ein bündiger Überblick in Bezug auf den theoretischen Forschungsstand zum Wissensmanagement. Dahingehend werden der Begriff, die Ansätze und Konzepte sowie das für diese Arbeit grundlegende Modell diskutiert.
Der Terminus Wissensmanagement lässt sich in seinen Ursprüngen auf Hertz (1988, S. 114) zurückführen, der erstmals den Begriff des „ Knowledge Management “ verwandte.
Das Wissensverständnis wurde bereits weiter oben herausgearbeitet (vgl. Abschnitt 2.1), so dass an dieser Stelle kurz auf den Managementbegriff eingegangen wird. Dieser wird aus einer funktionalen Perspektive betrachtet. Hintergrund stellt die Tatsache dar, dass er im Gegensatz zur institutionalen Auslegung - die Aufgaben, Tätigkeiten und Prozesse umfasst, welche zur Erstellung der unternehmensspezifischen Leistung erforderlich sind. Management wird demnach als eine Art Querschnittsfunktion aufgefasst, die in jedem Unternehmensbereich von Bedeutung ist (vgl. Amelingmeyer, 2000). Auch Schweiker (2002) stützt diese Ansicht, indem er Wissensmanagement als integralen Bestandteil aller Geschäftsprozesse eines Unternehmens betrachtet. Probst et al. (1998) fordern diesbezüglich die Anpassung bestehender Anforderungsprofile und Stellenbeschreibungen sowie die
Implementierung funktions- und hierarchieübergreifender Managementpositionen im Unternehmen, um einer einseitigen Verankerung des Wissensmanagements im Personal- und Informatikbereich entgegenzuwirken.
In der jüngeren Literatur wird der Begriff des Wissensmanagements nicht mehr ohne weiteres unreflektiert übernommen. Vielmehr wird von „ Wissensorientierter Unternehmens- f ü hrung “ (vgl. Albrecht , 1993, S. 92; North , 2002, S. 3) oder „ Wissensorientiertem Management “ (vgl. Seidel , 2002, S. 81) gesprochen. Geißler (2002, S. 61) spricht von „ Wissens und Kompetenzmanagement “, da praktische wie auch wissenschaftliche Gründe dafür sprechen. Er führt dahingehend an, dass Wissensmanagement sich meist auf das Management des expliziten, dokumentierten oder dokumentierbaren Wissens beschränkt und gerade der Begriff des Kompetenzmanagements den Bereich des praktischen Könnens, d.h. das implizite Wissen, abdeckt. Während Seidel (2002) argumentiert, dass dem ganzheitlichen Begriff des „Wissensorientierten Managements“ der Vorzug zu geben sei, da er in der Lage ist die Berührungsfelder zu anderen Management-Konzepten mit einzubeziehen, betont North (2002) hingegen die Notwendigkeit des Wissensmanagements zur Erfüllung der Unternehmensziele und wählt deshalb den oben erwähnten Begriff.
Den drei Standpunkten wird in dieser Arbeit nicht gefolgt, da sich bei genauerer Betrachtung unter diesen Wortwendungen im Prinzip nichts anderes verbirgt, als unter dem Paradigma des Wissensmanagements seit einigen Jahren diskutiert wird. Die Begrifflichkeiten werden daher an geeigneter Stelle synonym verwendet.
Wissensmanagement wird in der vorliegenden Arbeit als integratives Konzept verstanden, welches sich der Theorien und Modelle verschiedenster Managementansätze bedient9 (hier bspw. Motivations- und Anreizmodelle) und dadurch in der Lage ist, die verschiedenen Forschungsergebnisse in einem einheitlichen Kontext darzustellen sowie zuvor vernachlässigte Zusammenhänge aufzuzeigen (vgl. Amelingmeyer , 2000; Klosa , 2001). Dieses Angebot interdisziplinärer Methoden und Instrumente ermöglicht eine Gestaltung von Wissensentwicklungs-, -(ver)teilungs- und -nutzungsprozessen auf der Ebene der kollektiven, der personellen und der materiellen Wissensträger sowie der finanziellen und rechtlichen Ebene (vgl. Peritsch , 2000). In der Praxis ist Wissensmanagement als Querschnittsaufgabe anzusehen, welche funktions- und hierarchieübergreifend wahrgenommen und in den Unternehmenszielen konkretisiert werden muss (vgl. Probst et al., 1998).
In den letzten Jahren haben sich verschiedenste Modelle und integrative Konzepte herausgebildet, die sich einerseits hinsichtlich ihrer Sichtweisen auf das Wissensmanagement und andererseits bezüglich der Umsetzung, damit also in den Aufgaben und Zielsetzungen eines solchen deutlich unterscheiden (vgl. Klosa , 2001). In Tabelle 1 sind mehrere in der Literatur häufig aufgegriffene Konzepte entsprechend ihres Erscheinungszeitpunktes aufgelistet. Weitere Ansätze und Modelle finden sich bei Roehl (2000) und North (2002).
Tabelle 1: Überblick über Wissensmanagementkonzepte in der Literatur
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: aktualisiert und modifiziert entnommen aus „Wissensmanagementsysteme in Unternehmen: State-ofthe-Art des Einsatzes“, von O. Klosa, 2001, S. 23.
Die oben angeführten Konzepte bieten der Unternehmung sehr differenzierte Ansatzpunkte im erfolgreichen Umgang mit Wissen. So werden bspw. jeweils Fragestellungen über die Einführung eines Wissensmanagements (z.B. Schüppel , 1996 ; Fraunhofer IPK , 1998), die Übertragungsprozesse von Wissen und Lernprozesse (z.B. Nonaka & Takeuchi , 1995), das prozessorientierte Management der Ressource Wissen (z.B. Probst et al., 1997; Fraunhofer IPK , 1998 und 2002), die systemtechnische Unterstützung (z.B. Rehäuser & Krcmar , 1996) sowie die organisationale Lernf ä higkeit (z.B. Reinhardt & Pawlowsky, 1997; Amelingmeyer , 2000) schwerpunktmäßig thematisiert. Dabei werden vereinzelt mehrere Fragestellungen durch die jeweiligen Konzepte aufgenommen (vgl. Klosa , 2001).
In der Literatur gibt es noch keinen allgemein anerkannten Systematisierungsvorschlag für die verschiedenen Konzepte. Bei Schüppel (1996) findet sich dahingehend eine erste grobe Einteilung in ein technikorientiertes, humanorientiertes sowie ganzheitliches Wissensma nagement (vgl. hierzu und zum Folgenden Schüppel, 1996).
Der technikorientierte Ansatz stellt die EDV-gestützte Wissensverarbeitung in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Hauptansatzpunkte stellen hier die Managementaktivitäten bezüglich der Informations- und Kommunikationstechnologien dar, welche durch Spezialabteilungen (z.B. „Organisation & EDV“) innerhalb des Unternehmens in Form des Informationsmanagements wahrgenommen werden.
Beim humanorientierten Ansatz steht der Mensch als Wissensträger im Mittelpunkt. Seine Potenziale müssen durch diverse Maßnahmen entwickelt und zur Anwendung gebracht werden. Wissensmanagement wird demnach mit Humanressourcen-Management gleichgesetzt und durch die zuständige Personalabteilung wahrgenommen (vgl. Pucik , 1988).
Da diese beiden Varianten recht einseitig von ihrer technischen bzw. humanorientierten Perspektive argumentieren, haben sich zur Überwindung dieser dichotomen Auffassung die ganzheitlichen Wissensmanagementans ä tze herausgebildet. Sie verbinden die jeweiligen Perspektiven zu einem umfassenden Ansatz des Managements von Wissen.
Die ganzheitlichen Ansätze können entsprechend der Einteilung von North (1998) kategorisiert werden (vgl. Klosa , 2001). Er unterscheidet zwei Denkrichtungen zur Veränderung der organisationalen Wissensbasis, die sich zum einen als „ technokratisches Wissensma nagement “ und zum anderen als „ Wissens ö kologie “ bezeichnen lassen (vgl. hierzu und zum Folgenden North, 2002).
Der technokratische Wissensmanagementansatz legt sein Hauptaugenmerk auf das Wissen als Produktionsfaktor bzw. Objekt (vgl. Abschnitt 2.2.1.1). Er geht dabei von einer Plan-, Steuer- und Messbarkeit des Wissensaufbaus sowie der Wissensnutzung aus, welche sich an den aus den Unternehmenszielen deduktiv ableitbaren Wissenszielen orientiert.
Die „ Wissens ö kologie “ betont hingegen den Prozesscharakter des Wissens (vgl. Abschnitt 2.2.1.2) und stellt auf die Gestaltung von Rahmenbedingungen bzw. Kontexten ab, die der
Wissensentwicklung sowie der Motivation der Mitarbeiter zum geschäftseinheits- und unternehmensübergreifenden Teilen und Nutzen von Wissen förderlich sind.
Soeben dargestellte Denkrichtungen sind als „Extrempositionen“ zu verstehen. Welche Sichtweise favorisiert wird, hängt maßgeblich von der Wissensart ab. Explizites Wissen bedarf einer Speicherung in Datenbanken. Hierfür ist der technokratische Ansatz besser geeignet, da dieser eine Archivierung, Speicherung und anschließende Verbreitung über eine IT-Infrastruktur vorsieht. Implizite Wisseninhalte können in solchen Strukturen nur begrenzt gespeichert werden, da es überwiegend im intensiven persönlichen Kontakt vermittelt wird und aufgrund dessen in Datenbanken nur begrenzt nutzbar wäre.
Dem Konzept der Wissensökologie fehlt jedoch der ökonomische Bezug, so dass North (2002) noch eine dritte Kategorie der „ Phasenmodelle “ bzw. „ management-orientierten Ans ä tze “ ergänzt. Diese verbindet Elemente der Wissensökologie mit Komponenten klassischer Managementprozesse (Planung, Steuerung, Ergebnismessung) und betrachtet Wissen situativ als Objekt („Wissensaktiva“) bzw. Prozess (Veränderung der Wissensbasis).
Es sei betont, dass die Potenziale, die der Einsatz von Wissensmanagement bieten kann, nur dann optimal dimensionsübergreifend ausschöpfbar sind, wenn ein ganzheitlicher Ansatz gewählt wird. Dazu sind zumindest drei Gestaltungsdimensionen zu beachten. Neben der informationstechnischen Dimension (z.B. geeignete technische Infrastruktur), sind auch organisationale Elemente (Aufbau von Methoden zum Wissenserwerb, Wissenstransfer, Wissensentwicklung etc.) sowie das Management der Humanressourcen (Personalentwicklung, Anreizsysteme) zu berücksichtigen. Der gesamte Prozess des Wissensmanagements hängt dabei maßgeblich von der frühzeitigen Einbindung und der Bereitschaft der Mitarbeiter ab (vgl. Bullinger & Prieto, 1998; Bullinger, Wagner & Ohlhausen , 2000).
Im Folgenden wird der für die Arbeit grundlegende ganzheitliche Wissensmanagementansatz nach Probst et al. (1998) vorgestellt. Anhand dieses eher management-orientierten Konzeptes werden die zahlreichen Einzelaufgaben einer wissensorientierten Unternehmensführung übersichtlich operationalisiert. Die Darstellung dient diesbezüglich einem tieferen Verständnis des Wissensmanagements und den später folgenden Erläuterungen zur Wissens(ver)teilung. Weiterhin ermöglicht es im Rahmen dieser Arbeit die Einordnung der weiter unten abzuleitenden Gestaltungsempfehlungen und Interventionsmaßnahmen.
Die Autoren verstehen ihr Bausteinmodell des Wissensmanagements als ein integriertes Interventionskonzept, welches sich mit den Möglichkeiten der Gestaltung, Lenkung und Entwicklung der organisationalen Wissensbasis befasst, unter der sie die Gesamtheit der individuellen, kollektiven und informationstechnischen Wissensbestände verstehen, auf die eine Organisation zur Lösung ihrer Aufgaben zurückgreifen kann (vgl. hierzu und zum Folgenden Probst et al., 1998). Wissensmanagement wird in diesem integrativen Ansatz als handlungsbezogene bzw. interventionsorientierte Weiterentwicklung des organisationalen Lernens verstanden (vgl. Roehl, 2000). Die Interventionsmöglichkeiten erstrecken sich dabei zum einen auf sechs Kernprozesse, die sich aus zusammengefassten und systematisierten Problemkategorien von beteiligten Praxispartnern ergaben. Damit bietet dieses Wissensmanagementverständnis zum einen die Möglichkeit an konkreten Fragestellungen anzukoppeln und dadurch den Implementierungserfolg zu erhöhen (vgl. Romhardt, 1998). Zum anderen bieten sich Interventionsmöglichkeiten auf der Ebene des Individuums, der Gruppe und der Gesamtorganisation, so dass Wissensmanagement eine Brückenfunktion zwischen diesen Elementen ausübt und die verschiedensten Funktions- und Hierarchiebereiche unter einer einheitlichen Interventionsstrategie vereinen kann. Grafisch lässt sich das Bausteinmodell wie in Abbildung 2 darstellen.
Abbildung 2: Bausteinmodell des Wissensmanagements
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: modifiziert entnommen aus „Wissen managen: wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource optimal nutzen“, von G.J.B. Probst, S. Raub & K. Romhardt, 1998, S. 56.
Die Kernprozesse oder Bausteine des Wissensmanagements als ausschließlich wissensbezogene Aktivitäten folgen dabei in ihrer Anordnung zwei Prinzipien. Ein „äußerer Kreislauf“ mit den Elementen Zielsetzung, Umsetzung und Bewertung bildet einen traditionellen Managementprozess ab. Dieser Regelkreis erfüllt mehrere Aufgaben. Einerseits verdeutlicht er die Relevanz strategischer Aspekte im Wissensmanagement sowie die Bedeutung eindeutiger und konkreter Zielsetzungen. Andererseits berücksichtigt er die Notwendigkeit der Messung, um so der Idee einer zielgerichteten Steuerung gerecht zu werden.
Der „innere Kreislauf“ beinhaltet die sechs Bausteine Wissensidentifikation, Wissenserwerb, Wissensentwicklung, Wissens(ver)teilung, Wissensbewahrung und Wissensnutzung. In ihm erfolgt die Umsetzung der Ziele, wobei darauf hingewiesen werden muss, dass zwar isolierte Interventionen in einzelne Kernprozesse möglich sind, diese jedoch zwangsläufig Auswirkungen auf andere Bausteine haben (vgl. gestrichelte Linien). Die Autoren raten daher von einer isolierten Optimierung in einzelnen Bereichen ohne Berücksichtigung der Interdependenzen zu anderen Bausteinen ab.
Die im Folgenden genauer darzulegenden Bausteine stellen einen pragmatischen Ansatz zur Abbildung der Realität dar. Nach Bullinger, Warschat, Prieto & Wörner (1998) zeigen die Erfahrungen, dass Praktiker mit Hilfe der Kernprozesse wissensrelevante Probleme in ihrer Organisation eher einordnen und verstehen können. Dadurch fällt wiederum die Auswahl geeigneter Interventionsinstrumente leichter und das Leitbild einer wissensorientierten Unternehmensführung kann in handhabbare Maßnahmenpakete umgesetzt werden.
Die Formulierung von Wissenszielen dient als Orientierungsrahmen, in der die Richtung für die Aktivitäten des Wissensmanagements abgesteckt wird. Ferner erfüllen Wissensziele klassische Zielfunktionen wie die Entscheidungs-, Koordinations-, Motivations- und Kontrollfunktion. Die Entscheidungsfunktion verfolgt die Abwägung alternativer Maßnahmen im Hinblick auf ihre Effektivität und Effizienz. Die Koordinationsfunktion übernimmt die Abstimmung von unvereinbaren Zielen sowie den frühzeitigen Interessenausgleich zur Verhinderung von Reibungsverlusten. In unmittelbarem Zusammenhang hierzu steht die Motivationsfunktion, die eine Erhöhung der Bereitschaft durch Ausrichtung auf gemeinsame Ziele verfolgt. Die Kontrollfunktion umfasst schließlich die Messung und Bewertung von Fortschritten, die nur anhand klar operationalisierter Ziele möglich ist (vgl. hierzu und zum Folgenden Probst et al., 1998). Die Operationalisierung von Zielen umfasst die quantitative, qualitative und zeitliche Konkretisierung. Eine mögliche Abweichung von Zielen kann dadurch frühzeitig erkannt werden (vgl. Ulrich & Fluri, 1995).
In Anlehnung an das St. Galler Management-Modell ist ein dreistufiges Zielsystem auf der normativen, strategischen und operativen Ebene zu formulieren. Normative Wissensziele richten sich auf die Entwicklung einer „wissensbewussten“ Unternehmenskultur, die das (Ver-)Teilen und die Weiterentwicklung von individuellem Wissen zu unternehmensweit nutzbarem Wissen visionär unterstützt. Strategische Wissensziele determinieren die inhaltliche Bestimmung organisatorischen Kernwissens, beschreiben den zukünftigen Wissensbedarf und definieren ein anzustrebendes Kompetenzportfolio. Mit Hilfe der operativen Ziele werden schließlich die normativen und strategischen Ziele in handlungsorientierte sowie messbare Teilziele umgesetzt, indem sie auf einzelne Organisationsbereiche (Team-, Mitarbeiterebene) heruntergebrochen werden. Operative Wissensziele sind damit als Grundvoraussetzung für alle Kernprozesse des inneren Kreislaufs zu interpretieren, denn nur so sind konkret nutzbare Handlungsanweisungen für die Auswahl und den Einsatz der jeweiligen Interventionsinstrumente ableitbar (vgl. Probst & Raub, 1998). Nicht zuletzt lassen sich aus konkreten Zielen Verhaltenserwartungen an die Mitarbeiter ableiten, die diese wiederum als Legitimation für ihre Verhaltensweisen auslegen (vgl. Schanz , 1978).
Bevor aufwendige Anstrengungen zur Generierung neuen Wissens unternommen werden, ist es notwendig, intern bzw. extern bereits vorhandenes Wissen der verschiedenen Wissensträger zu identifizieren und damit transparent zu machen. Dies sollte sich über die expliziten und impliziten Wissensbestände erstrecken, bspw. in Form von intranetbasierten Wissenslandkarten oder Expertenverzeichnissen. Hintergrund dieses Kernprozesses ist die Tatsache, dass mangelnde Transparenz zu Ineffizienzen bezüglich suboptimaler Entscheidungen (bspw. bei der Projektteambesetzung) führen. Um die Transparenz über erfolgskritisches Wissen zu erhöhen, reicht jedoch eine reine Technologielösung nicht aus. Die Analyse der in der Industrie angewandten Methoden zur Identifikation von Wissen zeigt, dass gerade der Faktor Mensch in den informellen Netzwerken einer Unternehmung und deren Nutzung (bspw. im Rahmen von Gesprächen in lockerer Atmosphäre) die höchste Relevanz besitzen. Auch spielen so genannte Wissensbroker eine immer größere Rolle, deren Aufgabe es ist, Wissensnachfrage und Wissensangebot im Unternehmen koordiniert zusammenzuführen (vgl. zu letzten Ausführungen Probst et al., 1998; Bullinger et al., 1998).
Ein weiterer Baustein eines integrativen Wissensmanagements stellt die gezielte Bewirtschaftung externer Wissensquellen dar. Das Gestaltungsfeld erstreckt sich hierbei über das Wissen kooperationswilliger Firmen, Stakeholderwissen (bspw. Kundenwissen) sowie den Erwerb von Wissensprodukten. Dabei muss ein Ausgleich zwischen den Investitionen in die Zukunft (Potenziale) und unmittelbar verwertbarem Wissen für die Gegenwart gefunden werden (vgl. Probst et al., 1998). Beim Wissenserwerb ist die Absorptionsf ä higkeit der Organisation zu berücksichtigen, da der Kontext, in den das Wissen eingebettet ist, nur schwer übertragbar ist und damit die Gefahr für eine zu große Ablehnung seitens der Organisationsmitglieder besteht (vgl. Cohen & Levinthal, 1990).
Neben dem Erwerb von Wissen ist dessen interne Entwicklung als Pendant im Hinblick auf die in der Betriebswirtschaftslehre typische „Make or Buy“-Entscheidung anzusehen. Amelingmeyer (2000) führt Kriterien der Gr öß e der Wissensl ü cke, der vorhandenen Ressourcen, der Erfolgsrelevanz des fehlenden Wissens und der Art der Beziehung zu den ex- ternen Wissenstr ä gern als Entscheidungsdeterminanten an. Der Fokus bei der Entwicklung liegt dabei auf der Schaffung neuer individueller und kollektiver Fähigkeiten sowie neuer innovativer Produkte und Prozesse (vgl. Probst et al., 1998). Die Forschung zu Kreativitäts- und Innovationsprozessen zeigt, dass dieser Vorgang sehr komplex ist. So kann Wissensbildung nicht „programmiert“ oder „verordnet“ werden. Die Frage, wie man neues Wissen entwickelt, ist nicht auf der Basis einer trivialen Anwendung von Lernwerkzeugen (bspw. “think tanks“ oder Lernarenen) zu beantworten. Es existieren dennoch gute Gründe für die Annahme, dass organisationale Kontexte so gestaltet werden können (z.B. Kultur der Offenheit, Fehlertoleranz etc.), dass sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, neues Wissen zu entwickeln und somit Innovationen zu fördern (vgl. Pawlowsky & Reinhardt, 2002).10
„Wissen auf die richtigen Mitarbeiter zu verteilen, beziehungsweise organisationales Wissen an die Stelle zu bringen, wo es gerade dringend gebraucht wird, ist eine der schwierigsten und am meisten unterschätzten Hindernisse für ein erfolgreiches Wissensmanagement.“ (Probst et al., 1998, S. 222). Generell können mit der Wissens(ver)teilung drei Aufgaben verbunden sein. Erstens die Multiplikation von Wissen innerhalb der Organisation, zweitens die Sicherung von Wissen durch dessen Kollektivierung bzw. Speicherung in Datenbanken sowie drittens die Entwicklung neuen Wissens durch den simultanen Austausch vorhandenen Wissens. Dabei ist zu beachten, dass kulturelle und individuelle Barrieren den Wissensfluss innerhalb des Unternehmens negativ beeinflussen können (vgl. Probst et al., 1998). Eine ausführlichere Darstellung dieses Bausteins erfolgt im Kapitel 4. Hinsichtlich der Barrieren wird auf den Abschnitt 4.4 verwiesen.
Wissensidentifikation, Wissensentwicklung und Wissenserwerb allein erzeugen noch keinen signifikanten Nutzen für das Unternehmen. Erst die Wissensnutzung führt zum produktiven Einsatz der organisationalen Wissensbasis und damit zur Umsetzung des Wissens in innovative Produkte und Prozesse. Bevor jedoch das problemlösungsrelevante Wissen tatsächlich genutzt werden kann, muss es an die Bedarfsträger im Unternehmen verteilt werden (vgl. Probst et al., 1998). Ein weiterer zentraler Aspekt bei der Nutzung von Wissen ist die Beseitigung von Barrieren. Amelingmeyer (2000) verweist in diesem Zusammenhang auf das „Not-Invented-Here“-Syndrom, dass sich in der Regel in einer mangelnden Akzeptanz von Wissen Dritter niederschlägt, als auch das Phänomen der kognitiven Dissonanz, dass eine Nutzung von Wissen, das in Widerspruch zu eigenen Überzeugungen und/oder Handlungen steht, beeinträchtigen kann (vgl. zur Theorie der kognitiven Dissonanz Festinger, 1957). Die Abneigung neues Wissen anzuwenden wird auch als Sicherheitsmechanismus betrachtet, bei dem der Mitarbeiter sich vor Überfremdung und einer Identitätsaufgabe schützt, indem er „bewährte Routinen“ beibehält (vgl. Bullinger & Prieto, 1998). Von besonderer Bedeutung sind deshalb die benutzerfreundliche Gestaltung der technischen Infrastruktur sowie die Berücksichtigung persönlicher Kontakte zwischen Wissensgeber und Wissensanwender, um die Akzeptanz bei letzterem zu fördern.
[...]
1 Soweit in dieser Arbeit Berufsbezeichnungen, Ämter und Funktionen in der männlichen Form bezeichnet werden, ist dies geschlechtsneutral zu verstehen.
2 Auf die ausführliche Darstellung der „ Wissenstreppe “ wird an dieser Stelle verzichtet. Sie erstreckt sich über das Wissen hinaus in Form des Könnens, des Handelns, der Kompetenz bis hin zur Wettbewerbsfähigkeit (vgl. North , 2002). Weitere Abgrenzungsversuche unternehmen Rehäuser und Krcmar (1996), Albrecht (1993), Weggeman (1996) sowie Pfiffner und Stadelmann (1995).
3 Diese Sicht der übergangslosen „Anreicherung“ ist eher praxisorientiert und wird auch von Mertins, Heisig und Vorbeck (2001) sowie Böhm (2000) vertreten.
4 Kuhn und Abecker (1998, S. 198) geben eine systemnahe Definition: „A Corporate Memory/OMIS is an enterprise-internal application-independent information and assistant system. It stores large amounts of data, information, and knowledge from different sources of an enterprise. These are represented in various forms, such as data-bases, documents, and formal knowledge-bases. The OMIS will be permanently extended to keep it up-to-date and can be accessed enterprise-wide through an appropriate network infrastructure.”
5 Erstmals sprechen Duncan und Weiss (1979) von einer organizational knowledge base.
6 In der Literatur wird auch von Wissenstypologien (vgl. Seidel , 2002), Klassifikationen (vgl. Bendt , 2000) oder Leitunterscheidungen in Form von Dichotomien (vgl. Wagner , 2000; Romhardt , 1998) gesprochen. Zusätzlich führen auch Hoerem, Krogh und Roos (1996) Unterteilungsansätze an. Auf eine ausführlichere Betrachtung bzw. Beurteilung der einzelnen Klassifikationsansätze wird an dieser Stelle verzichtet.
7 Epistemologie: griech.; Erkenntnislehre, Lehre vom Wissen (vgl. Wahrig, 2002). Die Epistemologie des Wissens drückt aus, inwiefern ein kognitives System über das jeweilige Wissen reflektieren kann und es zu explizieren vermag (vgl. Krogh & Venzin , 1995). Ausgangspunkt für die Überlegungen Polanyis (1966, S. 4 f.) war „[...] the fact that we can know more than we can tell”. Polanyi (1985) grenzt implizites Wissen nicht - wie fälschlicherweise oft angenommen - von explizitem Wissen ab. Er untersucht lediglich implizites Wissen und betrachtet in diesem Zusammenhang auch Fähigkeiten des Individuums, die er als „nichtexplizierbar“ bezeichnet. Eine klare Einteilung in implizites und explizites Wissen erfolgt dabei nicht.
8 Zu weiteren Gliederungsvorschlägen von Wissensträgern vgl. Pfeiffer (1965), Corsten (1982), Güldenberg (2001) sowie Ewald (1989).
9 Berührungspunkte existieren explizit zu den Ansätzen des Personalmanagements, des Organisationsentwicklungskonzepts (vgl. hierzu Kapitel 6), des Innovations- und des Informationsmanagements, des Qualitätsmanagementkonzepts sowie zum Konzept der Lernenden Organisation (vgl. Seidel, 2002; Peritsch, 2000).
10 Amabile (1997; 1998) identifiziert mit ihrer „ Componential Theory of Organizational Creativity and Innovation “ organisationale Arbeitsumgebungsfaktoren positiver (Stimulants: Organizational and Supervisory Encouragement, Work Group Supports, Sufficient Resources, Challenging Work, Freedom) sowie negativer Art (Obstacles: Organizational Impediments und Workload Pressure) auf empirisch abgesicherter Basis.
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