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Diplomarbeit, 2011
57 Seiten, Note: 1,0
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung der Arbeit
1.2 Zielsetzung der Arbeit
1.3 Vorgehensweise und Untersuchungsansatz
2. Neurowissenschaftliche Grundlagen
2.1 Definition Neurowissenschaft
2.2 Definition Neuroökonomie
2.3 Definition Neuromarketing
2.4 Biologische Grundlagen
2.4.1 Physiologischer Aufbau des Gehirns
2.4.2 Funktionsweise des Gehirns
2.4.3 Psychische Wahrnehmung des Menschen
2.4.4 Entscheidungsfindung als Ergebnis interagierender Prozesse
2.5 Technische und methodische Grundlagen
2.5.1 Elektrophysiologische Verfahren
2.5.2 Bildgebende Verfahren
2.5.2.1 Funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT)
2.5.2.2 Positronen-Emissions-Tomographie (PET)
2.5.2.3 Funktionelle transkranielle Dopplersonographie (fTCD)
2.6 Aktueller Forschungsstand und Grenzen der Neurowissenschaft
2.6.1 Grenzen der Neurowissenschaften
2.6.2 Aktueller Forschungsstand
3. Neuromarketing
3.1 Bedeutung von Neuromarketing
3.2 Neuste Erkenntnisse von Neuromarketing-Studien
3.2.1 Neuromarketing-Studie 1: Nucleaus accumbens - ich will mehr davon
3.2.2 Neuromarketing-Studie 2: Spiegelneuronen am Werk - ich nehme dasselbe wie sie
3.2.3 Neuromarketing-Studie 3: Coca-Cola-/Pepsi-Challenge
3.3 Brand Code Management
3.4 Limbic® Map
3.4.1 Aufbau und Hintergrund des Modells
3.4.2 Anwendung und Empfehlungen für das Marketing
3.4.2.1 Die Limbic Types®
3.4.2.2 Neuronale Altersunterschiede
3.4.2.3 Neuronale Geschlechtsunterschiede
3.4.2.4 Empfehlungen für das Marketing
4. Implikationen des Neuromarketing im Online-Marketing
4.1 Aktuelle Problemstellungen im Online-Marketing
4.2 Stärken von Online
4.3 Situationsanalyse
4.4 Online-Marketing-Kommunikation neuronal gestalten
4.4.1 Neuronale Werbegestaltung
4.4.1.1 Soziale Komponente in Werbeelementen
4.4.1.2 Storytelling und Online Video Ads
4.4.2 Gehirngerechte Werbewirkung
5. Zusammenfassung und Fazit
Anlage 1: Tabelle - Studien aus dem Bereich Neuromarketing
Anlage 2: Abbildung - Querschnitt durch das menschliche Gehirn
Anlage 3: Limbic® Types nach Alter
Anlage 4: Limbic® Types nach Geschlecht
Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Wissenschaftliche Eingliederung von Neurowissenschaft, Neuroökonomie und Neuromarketing
Abbildung 2 Entscheidungsfindung als Ergebnis interagierender Prozesse
Abbildung 3 Übersicht zu neuroökonomischen Methoden
Abbildung 4 Reaktionszeit bei Bild-Wort-Paaren
Abbildung 5 Die Limbic® Map
Abbildung 6 Die Limbic® Types in Deutschland
Abbildung 7 Begriff “Welle” als Werbebotschaft auf der Limbic Map
Abbildung 8 Mercedes Spot “Ohrfeige”
Abbildung 9 Querschnitt durch das menschliche Gehirn
Abbildung 10 Limbic® Types nach Alter
Abbildung 11 Limbic® Types nach Geschlecht
Tabelle 1 Studien aus dem Bereich Neuromarketing
Immer mehr Menschen verbringen ihre Zeit im Internet. „Gelegentlich“ nutzen inzwi- schen 69,4% der Deutschen ab 14 Jahren das Internet und „innerhalb der letzten vier Wochen“ sind es immerhin noch 68,1% im Jahr 2010.1 Die Werbebudgets der Werbe- treibenden folgen diesem Trend. Somit hat sich Onlinewerbung in den letzten Jahren zu einem bedeutenden Bestandteil im Marketing-Mix entwickelt. Der Marktanteil für On- linewerbung am Gesamtwerbemarkt in Deutschland betrug 2009 rund 22%. Ab 2011 wird sich Onlinewerbung als größter deutscher Werbeträger durchsetzen. Im Jahr 2014 wird Onlinewerbung ihren Marktanteil auf fast 32% erhöhen und somit Ausgaben von fast 21,8 Milliarden Euro erreichen.2 Die Werbetreibenden sehen sich im Wettbewerb um die Gunst der Konsumenten einer zunehmenden Konkurrenz ausgesetzt. Dement- sprechend wird es für Werbetreibende immer schwieriger, die Aufmerksamkeit des Konsumenten zu gewinnen. In der Konsequenz wird der Kunde mit Werbebotschaften überhäuft, was auch als Reizüberflutung empfunden wird.3
Neue Ideen und innovative Marketingstrategien sind notwendig, um den Konsumenten für ein Produkt zu gewinnen und ihn an die Marke zu binden. Ein Ansatz zur effizienten Kundengewinnung im Online-Marketing könnte der Einsatz von Neuromarketing sein. Dabei werden neurowissenschaftliche Erkenntnisse und Verfahren für Marketingfrage- stellungen genutzt. Die Hirnforschung hat in den letzten Jahren viele neue Erkenntnisse darüber gewonnen, wie Emotionen die Entscheidungen von Menschen beeinflussen. Man weiß jetzt besser, wie Marken und Werbung in den Köpfen der Kunden wirken und was genau kaufrelevante Emotionen auslöst. Das Ziel des Neuromarketing besteht also darin, den neuronalen Entscheidungsprozess eines Konsumenten zu verstehen und das Produkt sowie die Werbung ganzheitlich so zu gestalten, dass der Kunde diese Marke präferiert.4
Die Übertragung von Erkenntnissen des Neuromarketing auf das Online-Marketing ist bisher kaum wissenschaftlich erforscht. Die vorliegende Arbeit hat sich vorgenommen, die Chancen für die wirksame Ansprache der Kunden mittels Neuromarketing zu be- schreiben und aufzuzeigen wie es im Online-Marketing praktisch genutzt werden kann.
Diese Arbeit untersucht die Frage „Wie können die neurowissenschaftlichen Erkennt- nisse und Verfahren des Neuromarketing für erfolgreiches Online-Marketing genutzt werden?“
Dabei soll aufgezeigt werden, dass der Konsument kein rational handelndes Subjekt ist, sondern vielmehr während des Entscheidungsprozesses von impliziten, unbewußten Vorgängen innerhalb des Gehirns bestimmt wird. Somit wird eine Entscheidung nicht allein rational, sondern vor allem emotional getroffen.5 Im Laufe dieser Arbeit wird der derzeitige Stand der Entwicklungen im Neuromarketing aufgezeigt. Als Ergebnis wer- den mit Hilfe neurowissenschaftlicher Erkenntnisse Handlungsempfehlungen zur Ver- besserung der Effizienz des Online-Marketing gegeben. Dieses ergibt sich aus einer fundierten, nachvollziehbaren Analyse von neurowissenschaftlichen Erkenntnissen in der Markenführung, welche im Online-Marketing angewandt werden. Das Konzept dient den Werbetreibenden als konkrete Handlungsanweisung. Es enthält somit über- wiegend umsetzbare Vorschläge, die direkt zum messbaren Erfolg im Online-Marketing führen.
Im ersten Teil wird der wissenschaftliche Hintergrund des Neuromarketing erläutert. Hierzu werden zunächst neurowissenschaftliche Grundlagen aufgezeigt. Eine Bestands- aufnahme der bisherigen Forschung im Neuromarketing sowie eine strukturierte Analy- se der aktuellen Erkenntnisse sollen die ökonomische Relevanz des Neuromarketing verdeutlichen.
Durch Analyse der aktuellen Situation im Online-Marketing soll ein grober Überblick über die Problemstellung gewonnen werden.
Nachfolgend werden Erkenntnisse des Neuromarketing aus der Markenführung zu einer Reihe von Implikationen für das Online-Marketing herangezogen. Diese Handlungs- empfehlungen bringen die in dieser Arbeit herausgearbeiteten Erkenntnisse schließlich in eine für das Online-Marketing umsetzbare Form.
Die Neurowissenschaft (Englisch: Neuroscience) umfasst alle Forschungen über die Struktur, den Aufbau und die Funktion des biologischen Nervensystems. Sie umfasst Erkenntnisse und Verfahren verschiedener biologischer, medizinischer, physiologischer und psychologischer Disziplinen, wie die Molekularbiologie, die Evolutionsbiologie, die Elektrophysiologie, die Neurophysiologie, die Anatomie, die Entwicklungsbiologie, die Zellularbiologie, die Neurologie, die kognitive Neuropsychologie und die Psycholo- gie. Letztendlich erarbeitet die Neurowissenschaft eine ganzheitliche Betrachtung über das Zusammenwirken und die Interaktion aller Bestandteile des Organismus.6 Durch sogenannte bildgebende Verfahren wird es ermöglicht, Gehirnaktivitäten bei Reizstimu- li im Gehirn zu lokalisieren und am Bildschirm sichtbar zu machen, um diese zu inter- pretieren. An dieser Stelle setzt die kognitive Neurowissenschaft an. Sie beschäftigt sich mit dem Zusammenhang zwischen Verhalten und Nervensystem.7
“ New brain imaging technologies have motivated neuroeconomic studies of the internal order of the mind ( … ). We are only at the beginning of this enterprise, but its promise suggests a fundamental change in how we think, observe and model decision in all its contexts. ” Auszug aus der Nobelpreisrede von Vernon Smith in Stockholm (2002)
Waren es anfangs die Erkenntnisse der Psychologie, der Kulturwissenschaften und der Soziologie, so hält heute die Neurowissenschaft auf Grund neuster Forschungsergebnis- se Einzug in die Wirtschaftswissenschaften. Ohne Zweifel sind emotionale, intuitive und teilweise irrationale Entscheidungen zu gravierend, um von den Ökonomen unbe- achtet zu bleiben.8 Das bisher abgetane „Bauchgefühl“, die Intuition des Konsumenten, rückt in den Fokus der Aufmerksamkeit. Gilt dieser höchst komplexe und emotionale Prozess inzwischen doch als wesentlich bestimmend über die Entscheidung des Men- schen.
In der Literatur wird unter dem Begriff Neuroökonomie (Englisch: Neuroeconomics) im Allgemeinen die Nutzung neurowissenschaftlicher Erkenntnisse und Verfahren für wirt- schaftswissenschaftliche Fragestellungen verstanden.9 Wirtschaftswissenschaften und Psychologie als zentrale Disziplinen beschreiben dabei die theoretische Problemstel- lung. Durch den Einsatz von Neurowissenschaften wird hierzu ein empirischer Lö- sungsansatz aufgezeigt. Die Neuroökonomie versucht durch Einsatz neurowissenschaft- licher Erkenntnisse und Verfahren, Kognition und Emotion von Menschen zu analysie- ren und zu erklären wie diese die Entscheidungsfindung beeinflussen.10 Die Bedeutung von Emotionen wurde in der rein ökonomischen Betrachtungsweise bisher vernachläs- sigt. Durch den Einsatz impliziter und apparativer Verfahren der Hirnforschung stehen der Neuroökonomie jedoch neue Möglichkeiten für die Erforschung des Einflusses von Emotionen auf das Konsumentenverhalten zur Verfügung. Ziel ist es die Gedanken und Gefühlswelt von Menschen zu erforschen, sichtbar zu machen und zu erklären, um diese für die Ökonomie zu instrumentalisieren.11
Hierbei wird nach der Definition im engeren und weiteren Sinne unterschieden. „Die Neuroökonomie (i.w.S.) untersucht die neuronalen Grundlagen ökonomisch relevanten Verhaltens mit Hilfe neurowissenschaftlicher Methoden.“12 Die Neuroökonomie i.e.S. hingegen analysiert mikroökonomische Fragestellungen. Die Übergänge zwischen Neu- roökonomie i.e.S., Neurofinance und Neuromarketing sind fließend, da diese Diszipli- nen ebenfalls mikroökonomische Modelle einbeziehen. Deswegen soll im weiteren Ver- lauf Neuroökonomie i.e.S. auch implizit unter dem Begriff Neuromarketing verstanden werden.13
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Wissenschaftliche Eingliederung von Neurowissenschaft, Neuroökonomie und Neuromarketing
Quelle: Vgl. Bauer, Exler, Höhner, (2006): Neuromarketing, S. 4
Neuromarketing ist als Teilgebiet der übergeordneten Neuroökonomie definiert.
Dieses junge, interdisziplinäre Forschungsgebiet versucht mit Hilfe neurowissenschaftlicher Erkenntnisse und Verfahren marketingrelevante Fragestellungen zu beantworten. Kenning versteht darunter „[…]eine Analyse der neuronalen Wirkung (absatz-) marktpolitischer Maßnahmen“.14
Neuromarketing ist ein also absatzmarktbezogener Ansatz der Neuroökonomie, welcher neurowissenschaftliche Forschung mit Marketing und verschiedenen traditionellen Ver- haltungsforschungen verknüpft, um neuronale Mechanismen durch Marketingstimuli nicht nur physiologisch im Gehirn zu ermitteln, sondern das Gehirn als Entstehungsort der Kaufentscheidung zu verstehen. Es soll ein grundlegendes Verständnis über das Konsumentenverhalten und die Wirkung von Marken gewonnen werden, um marketing- relevante Fragestellungen zu beantworten. Neuromarketing i.w.S befasst sich mit der Nutzung von Erkenntnissen der Hirnforschung und der Verhaltensforschung für den Einsatz in Marketingtheorie und -praxis. Neuromarketing i.e.S. beschäftigt sich mit dem Einsatz apparativer Verfahren zu Marktforschungszwecken.15 In der engeren Defi- nition kann Neuromarketing als die Anwendung der Erkenntnisse der Neurowissen- schaft auf das Marketing bezeichnet werden. Dabei werden apparative Methoden der Hirnforschung zu Marktforschungszwecken verwendet.16
Die menschliche Wahrnehmung wird zum Großteil von unbewussten Prozessen gesteu- ert. Professor Gary Zaltman von der Harvard Universität fand heraus, dass ca. 95 % der mentalen Prozesse, die die Wahrnehmung steuern und Entscheidungen treffen, unbe- wusst ablaufen.17 Neuromarketing befasst sich daher mit der Erforschung des unbe- wussten Verhaltens und der damit verbundenen (Kauf-)Entscheidungsfindung von Menschen. Dies soll die klassische Marktforschung nicht ersetzen. Vielmehr wird ver- sucht durch Implikation von Erkenntnissen der Psychologie, der empirischen Sozial- und Marktforschung sowie der Hirnforschung ein ganzheitliches Verständnis für das Kaufverhalten von Konsumenten zu erlangen. Hierdurch soll die Effizienz von Marke- tingmaßnahmen verbessert werden.18
Für ein besseres Verständnis der Bereiche und Prozesse des Gehirns ist es notwendig, sich mit den biologischen Grundlagen des menschlichen Gehirns sowie der Informationsverarbeitung zu beschäftigen. Nachfolgend werden daher die für das Neuromarketing relevanten Gehirnregionen und Prozesse erläutert.
Das menschliche Gehirn fungiert als Steuerzentrale des gesamten Körpers. Informatio- nen aus dem Organismus und der Umwelt treffen hier zusammen und werden zu Reak- tionen verarbeitet. Abbildung 1 im Anhang zeigt den Aufbau des menschlichen Gehirns. Das menschliche Gehirn besteht im Wesentlichen aus 100 Milliaraden bis einer Billion Nervenzellen, den sogenannten Neuronen.19 Die Nervenzelle wiederum sorgt für den Informationsaustausch mit anderen Nervenzellen, indem sie ein elektrisches Signal durchläuft. Dieses elektrische Signal wird von der darüber liegenden Synapse in chemi- sche Signale umgewandelt, welche sodann über chemische Botenstoffe, die sogenann- ten Neurotransmitter, an andere Nervenzellen weitergeleitet werden.20 Auf diese Weise stehen die einzelnen Regionen des menschlichen Gehirns in Interaktion zueinander. Das Großhirn (Neokortex) ist der am höchsten entwickelte Bereich und demgemäß für höhere Funktionen wie abstraktes Denken und Sprache zuständig.21 Es ist für alle be- wussten Empfindungen und Handlungen verantwortlich und steuert somit den Willen, die Kreativität und das Gedächtnis.22 Das Stammhirn ist für die automatischen, lebens- wichtigen Funktionen wie Atmung, Herzschlag und Blutkreislauf zuständig. Das Klein- hirn steuert die motorische Koordination.23 Für das Neuromarketing sind bestimmte Gehirnregionen und Funktionsweisen von Interesse, da sie direkt auf das Verhalten wir- ken. Im Nachfolgenden werden daher auch nur diese weiter erläutert. Der präfrontale Kortex und das limbische System sind die wichtigsten neuronalen Regi- onen für die Bestimmung des Verhaltens. Im präfrontalen Kortex befinden sich eine funktional-kognitive Einheit und eine emotionale Einheit (orbitofrontaler und ventro- medialer präfrontaler Kortex). Dieser gilt als Speicher von Lebenserfahrungen und Er- kenntnissen und bildet den Übergang zwischen emotionalem Wollen und der Hand- lungsumsetzung. Er liefert dem Bewusstsein kognitiv verarbeitete Erfahrungen und Konsequenzen zur Beurteilung neuer Situationen. Das limbische System wird durch den cingulären Kortex, den orbitofrontalen und ventromedialen Kortex, den Hypothalamus, die Amygdala und den Hippocampus abgebildet. Es ist im Wesentlichen mit der Verar- beitung von Emotionen beschäftigt. In dieser Region des Gehirns entstehen also Kon- sum- und Kaufwünsche. Es werden erwartete positive bzw. negative Konsequenzen bestimmter Handlungsoptionen mit Erfahrungen verglichen. Neue Reize von außen werden, durch Zufuhr gespeicherter Inhalte aus dem Neokortex, hinsichtlich Ihrer Kon- sistenz bewertet. Die Amygdala, als Abteilung für die Bewertung von Emotionen, ist für automatisch-affektive Verhaltensweisen verantwortlich. Der Hypocampus ruft Erfah- rungen und Inhalte aus dem Gedächtnis und speichert Veränderungen dort wieder ab, desweiteren agiert er als Verbindung zum Bewusstsein.24 Der präfrontale Kortex und das limbische System bilden somit die verhaltenssteuernden Einheiten und zeichnen sich somit für Kaufentscheidungen verantwortlich.25
Der mit der Gehirnaktivität verbundene Stoffwechsel kostet Energie.26 Besonders in neuen Situationen wird das Bewusstsein aktiviert, um dem limbischen System alle ähn- lichen Erfahrungen aus dem Neokortex zur Verfügung zu stellen. 20 % der uns zur Ver- fügung stehenden Energie wird vom aktivierten Gehirn verbraucht, was entgegen dem „evolutionsbiologischen Energiesparprinzip“27 steht. Denn gemäß der Evolution ver- sucht das Gehirn Energie zu sparen, da Organismen diese Energie direkt oder indirekt ihrem Nachwuchs zukommen lassen können. Deshalb versucht das Gehirn viele Hand- lungen, die bereits häufiger zu positiven Konsequenzen geführt haben, als automati- sches Programm (default mode) abzuspeichern. Um energieeffizienter zu arbeiten, kann das Gehirn schneller und ohne neues Nachdenken bewährte Handlungen aus dem default mode abrufen, ohne dass das Bewusstsein darüber informiert wird.28
Die menschliche Psyche umfasst das Bewusstsein und das Unbewusstsein. Das Be- wusstsein wird als aktuelle Erlebniswelt, auf die sich die Aufmerksamkeit richtet, be- zeichnet und gilt als ein Systemzustand des Gehirns.29 Es kann allerdings nur einen Bruchteil der eingehenden Informationen verarbeiten, der Großteil wird unbewusst auf- genommen.30 Lediglich die Ergebnisse dieser unbewussten Prozesse erreichen das Be- wusstsein. Die Informationen des Bewusstseins (explizites System) werden somit im Unbewusstsein (implizites System) vorbereitet.31 Die wesentliche Erkenntnis für das Marketing besteht demnach darin, dass im menschlichen Gehirn zwei Systeme existie- ren, die für das Konsumentenverhalten verantwortlich sind: das explizite und das impli- zite System.32 Mit einer automatischen Informationsverarbeitungskapazität von 11 Mio. Bit pro Sekunde ist das implizite System hoch effizient, da es hierfür lediglich 5 % der gesamten Energieresourcen benötigt, dazu größtenteils unbewusst und deutlich schnel- ler ist als das explizite System. Zu diesen Verarbeitungsvorgängen gehören Sinnes- wahrnehmung, Lernvorgänge, Emotionen und Automatismen darüber hinaus noch non- verbale Kommunikation und die Entstehung der Wahrnehmung und Wirkung von Mar- ken.33
Die Entscheidungsfindung des Menschen ist das Ergebnis von vier interagierenden Quadranten, den kontrollierten und automatischen, sowie kognitiven und affektiven Prozessen. Als affektiv werden Emotionen wie Angst, Neid, Ekel und Triebe wie Hun- ger, Schlaf und Zustände wie physischer Schmerz und Suchtempfinden bezeichnet. Als kognitiv gelten Vorgänge wie Absichten, Kenntnisse, Überzeugungen, Erinnerungen und Wissen. Dabei werden Prozesse, die aus einer bewussten Entscheidung resultieren, als kontrollierte Prozesse bezeichnet. Automatische Prozesse hingegen laufen meist unbewusst und ohne besondere Anstrengung der Verarbeitung ab. Erst durch den be- wussten Sinneseindruck eines Zustandes werden beispielsweise Gefühle vom Konsu- menten wahrgenommen. Somit entsteht die Wahrnehmung von Gefühlen erst durch einen kognitiven Verarbeitungsprozess des Menschen. Emotionen sind physiologische Zustände, die nicht zwingend bewusst wahrgenommen werden. Emotionen laufen auf neuronaler Basis als Reiz-Reaktionsbündel ab und werden dem Menschen am Ende des gesamten Prozesses als „Gefühl“ bewusst.34 Die nachfolgende Grafik zeigt die intera- gierenden Prozesse der vier Quadranten:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 Entscheidungsfindung als Ergebnis interagierender Prozesse
Quelle: Vgl. Camerer, Loewenstein, Prelec (2005)
Mit Hilfe verschiedener Verfahren zur Messung der elektrischen Gehirnaktivität sowie zur Messung der Stoffwechselvorgänge des Gehirns können neuronale Vorgänge im Gehirn erforscht und analysiert werden. Im Folgenden werden die für das Neuromarketing relevanten Verfahren erläutert.
In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die modernen Methoden der Hirnforschung auf Grund des medizinisch-technischen Fortschritts deutlich verbessert. So ermöglichen ihre Messmethoden inzwischen tiefe Einblicke in die Funktionsweise des menschlichen Gehirns.35 Die abgebildete Übersicht zeigt, dass die neurowissenschaftlichen Verfahren in elektrophysiologische und bildgebende Verfahren unterteilt werden können.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 Übersicht zu neuroökonomischen Methoden
Quelle: eigene Darstellung
Die elektrophysiologischen Messverfahren unterteilen sich in Elektroenzephalographie (EEG) und Magnetenzephalographie (MEG). Die EEG ist eine psychophysiologische Methode, mit der die hirnelektrische Aktivität und ihre Schwankungen von der Schä- deldecke abgeleitet werden können. Das EEG besteht aus einer Vielzahl von Elektroden die an einer Haube montiert werden. Die im Gehirn enstehenden Signale werden von den Elektroden an eine externe Speichereinheit weitergegeben. Das Problem bei der räumlichen Analyse des EEG liegt darin, dass Signale, die tiefer im Gehirn entstehen, eine geringe Wahrscheinlichkeit haben, an der Kopfoberfläche detektiert zu werden.36
Bei der MEG können die elektromagnetischen Emissionen, welche durch die Aktivitä- ten der Neuronen ausgesendet werden, gemessen und räumlich lokalisiert werden. Sie ist somit im Gegensatz zur EEG nicht auf die äußeren Gehirnregionen beschränkt. Al- lerdings ist die räumliche Auflösung beim MEG wie auch beim EEG gering.37 Abschließend lässt sich sagen, dass der Vorteil der elekrophysiologischen Verfahren in der guten zeitlichen Auflösung besteht. Dennoch sind diese Verfahren hinsichtlich ihrer räumlichen Auflösung den bildgebenden Verfahren unterlegen.38 Um die Schwächen der zuvor vorgestellten Methoden zu überwinden, werden im Nachfolgenden die bild- gebenden Verfahren näher betrachtet.
Die bildgebenden Verfahren unterteilen sich in strukturelle und funktionelle Bildge- bung. Die strukturelle Bildgebung besteht aus den Messverfahren: Röntgen, Computer- tomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT), welche lediglich die Ab- bildung der anatomischen Hirnstruktur aufzeigen und somit keine neuronale Aktivität messen, sondern lediglich eine Darstellung innerer Organe projizieren können. Daher liegt der Schwerpunkt der neuroökonomischen Forschung bei den funktionellen bildge- benden Verfahren.39 Wegen ihrer mangelnden Relevanz für die neuroökonomische For- schung wird die strukturelle Bildgebung in der vorliegenden Arbeit nicht weiter heran- gezogen.
Die funktionelle Bildgebung misst die Gehirnaktivität über den Stoffwechsel. Dies er- möglicht die Unterscheidung zwischen aktivierten und und weniger aktivierten Hirnre- gionen bei der Bewältigung bestimmter Aufgaben und unterteilt sich in funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT), Positronen-Emissions-Tomographie (PET), funk- tionelle transkranielle Doppler-Sonographie (fTCD). Die genannten Verfahren erlauben eine dreidimensionale Aufzeichnung der Gehirnaktivitäten im Zeitablauf mit nur einer geringen zeitlichen Verzögerung von wenigen Sekunden.40 Hierdurch können Gehirnbe- reiche lokalisiert werden, die an kognitiven und emotionalen Prozessen beteiligt sind.41
Die genannten Verfahren erfüllen weitestgehend die Anforderungen an empirische Messmethoden und werden nachfolgend erläutert.
Das bevorzugte Verfahren des Neuromarketing ist die funktionelle Magnetresonanzto- mographie (fMRT). fMRT bietet nicht nur die genauste räumliche Auflösung verbunden mit der geringsten zeitlichen Verzögerung, sie kommt auch ohne radioaktive Kontrast- mittel aus.42 Das Verfahren nutzt die unterschiedlichen magnetischen Eigenschaften von oxygeniertem und desoxygeniertem Blut, denn sauerstoffreiches (oxygeniertes) Blut strahlt geringe magnetische Felder ab, als sauerstoffarmes (desoxygeniertes) Blut.43 Dies wird in der Medizin als „BOLD-Effekt“ (blood-oxygen-level-dependent) bezeich- net.44
Die Probanden befinden sich auf einer Liege im Kernspin-Resonanz-Tomographen, wobei ihnen über eine Spiegelapparatur visuelle Reize wie beispielsweise Marketing- Stimuli gezeigt werden.45 Hierbei werden die Aktivität des Gehirns gemessen und die auf Grund von Marketing-Stimuli unterschiedlich stark aktivierten Regionen identifi- ziert. Der Computer setzt die Aktivierung mittels mathematischer, statistischer Verfah- ren in ein dreidimensionales Bild um. Dies ermöglicht die Analyse neuronaler, somit unbewusster Prozesse im Moment der Markenbetrachtung. Wenn neuronale Aktivität in den Arealen entsteht, die nach neurowissenschaftlichen Erkenntnissen für die Verarbei- tung von Emotionen zuständig sind, erlaubt dies Rückschlüsse auf die Wahrnehmung von Marken.46
Die Positronen-Emmissions-Tomographie (PET) ermöglicht durch die Injektion radio- aktiver Glukose die Betrachtung der Blutflussveränderungen im Gehirn. Am Kopf be- festigte Sensoren zeigen die Schwankungen der radioaktiven Substanz am Computer- bildschirm.
[...]
1 Vgl. ARD/ZDF Onlinestudie 2010, S.1 ff
2 Vgl. Price Waterhouse Coopers, Studie: German Media Outlook 2010, S. 1 ff
3 Vgl. Esch (2007), S. 29
4 Vgl. Häusel (2008a), S. 15
5 Vgl. Raab, Gernsheimer, Schindler (2009), S. 1
6 Vgl. Hanser (2005), S. 173
7 Vgl. Thompson (2001), S. 417
8 Vgl. Thompson (2001), S. 2
9 Vgl. Kenning (2006), S. 25
10 Vgl. Raab, Gernsheimer, Schindler (2009), S. 4
11 Vgl. Raab, Gernsheimer, Schindler (2009), S. 4
12 Bauer, Exler, Höhner (2006), S. 3
13 Vgl. Bauer, Exler, Höhner (2006), S. 3
14 Kenning (2007), S. 18
15 Vgl. Häusel, H. G. (2008), S. 10 ff
16 Vgl. Raab, Unger, Unger (2009), S. 4-6
17 Vgl. Zaltman (2003), S. 9
18 Vgl. Häusel (2007), S. 18-19
19 Vgl. Thompson (2001), S. 1
20 Vgl. Kandel, Schwartz, Jessel (1996), S. 23 ff.
21 Vgl. Anderson (1996), S. 23-25
22 Vgl. Menche (2003), S. 158-160
23 Vgl. Springer, Deutsch (1995), S. 332-336
24 Vgl. Häusel (2008), S. 220 ff
25 Vgl. Zimmermann (2006), S. 19
26 Vgl. Zimmermann (2006), S. 19-21
27 Vgl. Häusel (2005), S. 82
28 Vgl. Häusel (2005), S. 82-85
29 Vgl. Behrens, Neumaier (2004), S. 8
30 Vgl. Kroeber-Riel, Weinberg, Gröppel-Klein (2009), S. 294-295
31 Vgl. Felix (2008), S. 18
32 Vgl. Scheier (2006), S. 59-61
33 Vgl. Scheier (2008), S.87-124
34 Vgl. Camerer, Loewenstein, Prelec (2005), S. 15 ff
35 Vgl. Behrens, Neumaier (2004), S. 20
36 Vgl. Schandry (1998), S. 215 ff.
37 Vgl. Kühnpast (2004), S. 22-23
38 Vgl. Kenning, Plassmann, Ahlert (2007), S. 57
39 Vgl. Esch (2007), S. 562-564
40 Vgl. Bauer, Exler, Höhner (2006), S. 46
41 Vgl. Möll (2007), S. 1214
42 Vgl. Smidts (2002), S. 18-19
43 Vgl. Bauer, Exler, Höhner (2006), S. 6
44 Vgl. Scheier, Held (2006), S. 103
45 Vgl. Schäfer (2006), S. 46-47
46 Vgl. Schäfer (2006), S. 48-49