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Bachelorarbeit, 2010
30 Seiten, Note: 2,0
1 Einleitung
2 Grundsätze nationalsozialistischer Erziehung
3 Das Leben der Johanna Haarer
4 Das Buch „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“
4.1 Geschichte des Buches
4.2 Der J.F. Lehmanns Verlag
4.3 Folgewerke der Autorin
5 Umsetzung der nationalsozialistischen Ideen im Buch
6 Analyse der Vorworte des Buches
7 Die Mutter-Kind-Beziehung im Wandel
7.1 Die idealisierte Mutterfigur
7.2 Das Kind als ewige Herausforderung
8 Die Rolle des Vaters im Wandel - vom Erbanlagenspender zum Familienvater
9 Resümee
10 Literaturverzeichnis
"Auf uns Frauen wartet als unaufschiebbar dringlichste die eine uralte und ewig neue Pflicht: der Familie, dem Volk, der Rasse Kinder zu schenken."1
Mit diesem Satz beendete Johanna Haarer das Vorwort ihres Buches „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ und machte damit bereits deutlich, welche Aufgabe die Frau im nationalsozialistischen Deutschland gestellt bekommt.
Das erste Kind ist für jede Frau eine große Herausforderung. Viele neue Aufgaben kommen auf die künftige Mutter zu sowie die Angst, etwas falsch zu machen, dem Kind während der Schwangerschaft oder danach durch falsches Verhalten zu schaden, ist oft gegeben. So ist es nicht untypisch, dass die Frau sich neben der ärztlichen Beratung auch entsprechende Literatur besorgt, die sie über die wichtigsten Dinge informieren soll. Im ersten Moment erscheint dies logisch. Die Bücherhandlungen von heute bieten eine reiche Vielfalt an Fachliteratur rund um das erste Kind. Es ist nun Aufgabe der Mutter, sich die für sie ansprechendste Literatur auszuwählen. Was ist aber, wenn das Mittel der Wahl nicht gegeben ist?
Zur Zeit des Nationalsozialismus war dies der Fall. Viele Bücher fielen der Zensur oder gar dem Verbot durch die Nationalsozialisten zum Opfer darunter allein alle Bücher, die nicht von deutschen Autoren verfasst wurden. Die zukünftigen Mütter sollten direkt ein Buch als Ideal nehmen, welches die Grundsätze nationalsozialistischer Erziehung zum Vorbild hatte.
Ein solches Buch war „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ von Dr. med. Johanna Haarer. Doch nicht die Tatsache, dass es ein solches Buch zu dieser Zeit gab, soll Thema dieser Arbeit sein, sondern die gesäuberte Veröffentlichung des Werkes bis in die späten 80er Jahre. Trotz ihrer eindeutig nationalsozialistisch geprägten Pädagogik wurde es Johanna Haarer ermöglicht, ihr Säuglingspflegebuch unter dem Titel „Die Mutter und ihr erstes Kind“ weiter zu publizieren. Die Frage, die sich hierbei sofort aufdrängt, sollte lauten: Was ist in den Werken, die nach dem Krieg veröffentlicht wurden anders als in den nationalsozialistischen? Hier findet sich die Relevanz der gewählten Thematik. Ziel der Bachelorarbeit soll es ein, die Bücher aus den Jahren 1934, 1937, 1953, 1963, 1978 und 1987 auf verschiedene Aspekte hin zu analysieren und zu interpretieren. Ein besonderes Augenmerk wird hierbei auf dem Wandel der Mutter- sowie Vaterrolle liegen. Es gilt herauszufinden, inwiefern sich die Bücher unter diesem Aspekt weiterentwickelt haben.
Im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit, wird auf die Grundsätze der nationalsozialistischen Erziehung eingegangen. Dem folgen die Biographie der Autorin der umstrittenen Erziehungsratgeber, Johanna Haarer, und eine intensive Beschäftigung mit dem Buch „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“. Hierbei werden die Geschichte des Buches, der J.F. Lehmanns Verlag und die Folgewerke der Autorin genauer betrachtet. Dem folgt die Textanalyse. Zuerst wird hinterfragt, inwiefern die Grundsätze der nationalsozialistischen Erziehung in den Haarerbüchern umgesetzt wurden. Danach werden kurz die Vorworte der verschiedenen Ausgaben und deren Wandel interpretiert. Im weiteren Verlauf wird nun die Mutter-Kind- Beziehung genauer analysiert. Hierbei wird das Idealbild der Mutter herausgearbeitet und geklärt, warum das Kind als ewige Herausforderung gesehen wird. Nach eingehender Betrachtung der Mutter-Kind-Beziehung rückt dann der Wandel der Vaterrolle in den Fokus. Abschließend folgt das Resümee.
Die Grundsätze der nationalsozialistischen Erziehung wurden bereits in Adolf Hitlers Werk „Meine Kampf“ ersichtlich, welches zum ersten Mal am 18.7.1925 erschien.2 In diesem Buch beschrieb er alle Veränderungen und alle Neuerungen, die der Nationalsozialismus mit sich bringen würde, sollte Hitler selbst als Führer die Macht in Deutschland übernehmen. Er wollte eine Diktatur errichten, die stärker und mächtiger sein sollte als alle dagewesenen. Um eine solche Staatsform jedoch durchzusetzen und halten zu können, benötigt es an erster Stelle ein Volk, das hinter seinem Führer steht.
Hitler legt in seinem Buch viel Wert auf das Thema Erziehung. Diese sollte, wie später an den Büchern von Frau Dr. med. Haarer ersichtlich wird, schon im Säuglingsalter beginnen und nie ein wirkliches Ende finden. Ziel jeder heutigen Erziehung sollte stets die Mündigkeit des Menschen sein. Im Nationalsozialismus hingegen ist Mündigkeit nicht das Ziel der Erziehung.3 Hubert Steinhaus formuliert diese Tatsache in seiner Schrift: „Hitlers pädagogische Maxime“ folgendermaßen: „Wer die lebenslange Erziehung proklamiert, behauptet damit die lebenslange Unmündigkeit des Menschen.“4 Und lebenslange Erziehung war das erklärte Ziel Hitlers. Die Kinder und Jugendlichen wurden von einer nationalsozialistischen Institution zur nächsten durchgereicht, als Beispiel seien hier die Hitlerjugend und die SS genannt.
Eine der obersten Richtlinien der Erziehung war hierbei die Erziehung zur Rassenhygiene. Die Kinder sollten von Beginn an mit dem Wissen aufwachsen, dass sie Arier sind und somit einer überlegenen Rasse angehören.5 Vor allem die jüdischen Bürger sollten gemieden werden. Ein Beispiel für die ausgeprägte Rassenpolitik sind folgende Gesetze: „das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ und „das Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes“. Diese werden auch in den Haarer Büchern von 1934 und 1937 erwähnt und werden im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit noch eine Rolle spielen.
Ein weiterer wichtiger Punkt war, wie Hitler selbst beschreibt, „(…) das Heranzüchten kerngesunder Körper.“6 Er wollte eine gesunde Jugend, die schön und gleichzeitig stark, stolz und verschwiegen ist. Zu bedenken ist hierbei stets, dass Hitler in den Kinder und Jugendlichen nicht in erster Linie das neue Volk, sondern die neuen Soldaten und Mütter sah. Es ist natürlich sehr vorteilhaft, wenn das kommende Heer aus Männern besteht, die stählerne Körper haben und bereit sind, eher zu sterben als ihr Land zu verraten.
Der körperlichen folgte die seelische Erziehung, welche durch die geistige Erziehung komplettiert wurde. Hitler war der Meinung, dass zu viel Wissen seine Jugend nur verderben würde. In diesem Fall sollten die wirklich hochbegabten Kinder ausgesondert und entsprechend gefördert werden.7
Ein weiterer wichtiger Punkt war die geschlechtsspezifische Erziehung der Jungen und Mädchen. Die Kinder sollten von Beginn an lernen, welche Aufgaben künftig auf sie zukommen würden. Dies wird vor allem bei Betrachtung der Kindergartenspiele deutlich. Während die Jungen Soldaten, Panzer und Flugzeuge bastelten und Krieg spielten, bastelten die Mädchen Hakenkreuzkränze und sangen Lieder über tapfere deutsche Soldaten.8
Wie eingangs bereits erwähnt, ist eine gesicherte Diktatur oft nur möglich, wenn das Volk geschlossen hinter seinem Führer steht. Den Grundstein dafür legte Hitler ebenfalls bereits im Kleinkindalter. Das Führerprinzip war fester Bestandteil eines jeden Feiertages, eines jeden Gedichtes oder Liedes und sogar eines jeden Gebets. Hitler war stets allgegenwertig und wurde als Retter der deutschen Rasse gepriesen. Die Kinder lernten zu ihm aufzuschauen und mit zunehmendem Alter nahm oft auch die Verehrung zu, bis die jungen Frauen und Männer sich ganz in seinen Dienst stellten und sogar bereit waren, ihr Leben zu geben.
Inwiefern Hitlers nahezu antipädagogischen Leitlinien im Buch „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ verarbeitet wurden, wird in Punkt fünf der vorliegenden Arbeit deutlich.
Johanna Barsch wurde am 3. Oktober 1900 in einer kleinen Stadt Namens Bodenbach geboren und war das jüngere zweier Kinder.9 Ihr Vater, Alois Barsch, war Kaufmann und betrieb sein eigenes Papierwarengeschäft, indem auch ihre Mutter, Anna Barsch, tätig war. Als ihr älterer Bruder 10 Jahre alt war, verstarb er an Meningitis. Der Verlust des Bruders durch eine Krankheit könnte ein Indiz für ihre spätere Berufswahl gewesen sein, auch wenn die Quellen nicht deutlich machen, wie alt Johanna war, als ihr Bruder starb. Während der Zeit von 1906 bis 1914 besuchte Johanna die Volks- und Bürgerschule in Bodenbach und arbeitete anschließend mit im Familienbetrieb.10 Ohne das Einverständnis ihrer Eltern entschied sie sich mit 17 Jahren für das Studium der Medizin. Die Zeit während der Vorbereitung auf die Reifeprüfung verbrachte sie in dem von Hermann Lietz gegründetem Landerziehungsheim „Haubinda“. Danach legte sie diese im Landerziehungsheim „Bieberstein“ erfolgreich ab. In der folgenden Zeit studierte sie in München, Heidelberg und Göttingen.11 1924 heiratete Johanna Barsch den Medizinstudenten Dr. Hellmut Weese. Dieser war später bei der Firma Bayer tätig und erfand das erste injizierbare Barbiturat. Ein Jahr nach ihrer Hochzeit legte Johanna Weese ihr Staatsexamen in München ab und erarbeitete sich anschließend die Promotion und die Zulassung als Ärztin.12 Im späteren Verlauf ihrer beruflichen Karriere wurde sie als Assistenzärztin für Lungenkrankheiten im Sanatorium der Stadt Harlaching beschäftigt. Im Jahr 1929 kam es zur Scheidung von ihrem Mann. Drei Jahre später heiratete Johanna Weese den Oberarzt Dr. Friedrich Haarer. Während der Ehe gab sie ihren Beruf auf und gebar fünf Kinder.13 Schnell fand Johanna Haarer jedoch eine andere ausfüllende Tätigkeit, die ehrenamtliche Mitarbeit in der NSDAP. Wie Manfred Berger in seinem Text „Frauen in der Geschichte des Kindergartens: Johanna Haarer“ darstellt, übernahm sie „das Referat der Gausachbearbeiterin für rassenpolitische Fragen in der NS-Frauenschaft, engagierte sich in der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, im Hilfswerk Mutter und Kind sowie in der Münchener Mutterschule.“14 Des Weiteren dozierte sie von 1938 bis 1939 über das Thema Gesundheitslehre auf dem Kindergärtnerinnenseminar in München. Nach intensiver und überzeugter Arbeit zu Themen wie Rassenhygiene und dem „vermeintlichen Verfall der Mutterschaft und der Familie“15, wurde Johanna Haarer nach Ende des dritten Reiches festgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht. Ihr Mann, der währenddessen vom Krieg heimkehrte, nahm sich nach Erhalt der Nachricht über die Festnahme seiner Frau das Leben. Ihre Tätigkeit als Ärztin nahm sie in den unterschiedlichen amerikanischen Internierungslagern, in die sie gebracht wurde, wieder auf.16 Auch nach ihrer Entlassung war es ihr aufgrund ihres nationalsozialistischen Engagements nicht gestattet, eine eigene Praxis zu eröffnen. Bis zu ihrem Ruhestand arbeitete sie als Fachärztin für Lungenkrankheiten in verschiedenen Gesundheitsämtern. Am 30. April 1988 starb Johanna Haarer im Alter von 87 Jahren in München.17
Neben ihrer Tätigkeit als Ärztin arbeitete Johanna Haarer auch sehr erfolgreich als Schriftstellerin. Eines ihrer erfolgreichsten Bücher war der Erziehungsratgeber „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“, welcher im Jahr 1934 das erste Mal veröffentlicht wurde. Auch in der Zeit nach der NS-Diktatur wurde ihr Werk, jedoch unter dem Titel „Die Mutter und ihr erstes Kind“, noch mehrmals publiziert. Das jüngste Exemplar stammt aus dem Jahr 1987. Was die verschiedenen Bücher voneinander unterscheidet und was sie vielleicht immer noch mit dem nationalsozialistisch geprägten Werk von 1934 gemein haben, soll im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit geklärt werden.
Das Buch „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ von Dr. Johanna Haarer erschien zum ersten Mal im Jahr 1934. Adolf Hitler war gerade seit einem Jahr an der Macht und schaffte es in der Kürze der Zeit zur Führerfigur einer ganzen Nation aufzusteigen. Seine Ideen über die Erziehung der Kleinkinder mussten unters Volk gebracht werden, um seine Zukunftsvisionen wahr werden zu lassen. Johanna Haarer war Anhängerin der NSDAP, Ärztin, Hausfrau und selbst Mutter und somit die perfekte Kandidatin um ein Buch zu schreiben, das zum Ziel hatte „(…) allen arischen Müttern reichseinheitlich dieselben Säuglingspflegeregeln zu vermitteln.“18.
„Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ wurde laut des Lehmanns Verlages, der die Bücher zur Zeit des dritten Reiches publizierte, in den Jahren 1934, 1937, 1940 und 1943 veröffentlicht und kostete 3,20 Reichsmark.19 Der Titel des Buches machte bereits deutlich, an wen es gerichtet ist, an die deutsche Mutter, welche ihr erstes Kind erwartet. Es soll die Mutter durch alle Phasen ihrer Schwangerschaft begleiten und somit offene Fragen klären und helfen, schwerwiegende Fehler im Umgang mit dem Neugeborenen zu vermeiden. Das Inhaltsverzeichnis ist in insgesamt zwölf Kapitel aufgeteilt. Dies ändert sich auch bis zur Ausgabe von 1987 nicht, die Gliederung und die Betitelung bleiben fast durchgehend erhalten. Die Kapitel reichen von der Schwangerschaft, der Entbindung und Pflege bis hin zur Erziehung des Kindes. Beim genauen Betrachten wird jedoch schnell deutlich, dass keine der von Frau Haarer getroffenen Aussagen überprüfbar ist. Alle Haarerbücher, die in diese Arbeit einfließen, von 1934 bis ins Jahr 1987, besitzen keine Quellenangabe. Die getroffenen Aussagen, sowie Zahlen und Fakten sind somit nicht überprüfbar. Dem Buchcover von 1987 ist zu entnehmen, dass das Buch bis 1987 über 1,2 Millionen mal verlegt wurde. Welche Jahrgänge unter diese Zahl fallen, ist jedoch nicht klar.
[...]
1 Haarer, 1934, S. 8
2 Simons, 2006, S.1
3 Vgl. Steinhaus, 1981, S.40
4 Steinhaus, 1981, S.50
5 Vgl. Berger, 1986, S.21
6 Hitler zitiert in Berger, 1986, S.24
7 Vgl. Berger, 1986, S.22
8 Vgl. Berger, 2005, S. 7
9 Vgl. Berger, 2009, S.1
10 Vgl. ebd. S.1
11 Vgl. ebd. S.1
12 Vgl. ebd. S.1
13 Vgl. ebd. S.1
14 Ebd. S.1
15 Ebd., S.1
16 Vgl. Berger, 2009, S.2
17 Vgl. ebd., S. 2
18 Berger, 2009, S.2
19 CD-Rom aus Warwas, 2002