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Bachelorarbeit, 2012
43 Seiten, Note: 1,7
Geowissenschaften / Geographie - Bevölkerungsgeographie, Stadt- u. Raumplanung
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Definition und Abgrenzung
3 Ablaufmodelle
3.1 Der doppelte Invasions-Sukzessions-Zyklus
3.2 Phasenmodell des Wandels von Nachbarschaften
4 Erklärungen für Gentrification
4.1 Ökonomie: Das Marktmodell
4.2 Kultur: „Production of Gentrifiers“
4.3 Staat: Einflussnahme
5 Die Geschichte der Gentrification
5.1 Die erste Welle der Gentrification
5.2 Die zweite Welle der Gentrification
5.3 Die dritte Welle der Gentrification
5.4 Die vierte Welle der Gentrification
6 Das Beispiel New York
6.1 Entwicklung des Stadtteil Harlem
6.2 Ablauf
6.3 Auswirkungen
6.4 Super-Gentrification: Das Beispiel Brooklyn Heights
Schlussbemerkung
Literaturverzeichnis
Abb. 1: Doppelter Invasions- Sukzessions- Zyklus der Gentrification
Abb. 2: Das Modell der rent gap-Theorie
Abb. 3: Schematischer Ablauf der Geschichte der Gentrification
Abb. 4: New York nach Community Districts
Abb. 5: Brownstone Häuser in Brooklyn Heights
Abb. 6: Gebiete mit überdurchschnittlichem Einkommen in Harlem, 1970-1980
Abb. 7: Ethnische Zusammensetzung in Central Harlem (CD 10) 1990-2010
Tab. 1: Kennzeichen für Incumbent Upgrading und Gentrification
Tab. 2: Phasen und Indikatoren in ausgewählten Modellen des Wandels von Wohnvierteln und eines Modells der Gentrification
Tab. 3: Immobilienstatistiken für Central Harlem (CD 10), 2000-2010
Tab. 4: Immobilienstatistiken für Brooklyn Heights, NY 1970-2000
Der Prozess der Gentrification, also die Aufwertung innenstadtnaher Wohngebiete, ist bereits seit Jahren ein dominantes Thema in den verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen, aber vor allem in der Stadtgeographie und -soziologie. Der Verlauf des Prozesses und seine Entstehung wurde seit seinem Aufkommen in den 1960er Jahren intensiv erforscht und es wurden Versuche unternommen das Phänomen modellhaft zu erklären und darzustellen. Trotzdem ist das Thema nach wie vor aktuell und brisant.
Ursprünglich stammt der Begriff aus Großbritannien als erste Verdrängungs- und Auf- wertungsprozesse in London beobachtet wurden. Die prominentesten Beispiele stammen jedoch aus Städten in Nordamerika. Dort wurde auch die Forschung in den 1970er Jahren auch vorangetrieben ,aber heute ist Gentrification ein globales Phäno- men.
Ziel dieser Arbeit ist es, die theoretischen Grundlagen zum Verständnis des Gentrification-Prozesses darzustellen. Dazu wird der Begriff zunächst definiert und ab- gegrenzt. Weiterhin sollen die bisher existierenden und gängigsten Modelle und Theo- rien zum Verlauf und zur Erklärung des Prozesses erläutert werden. Anschließend soll die Entstehung, der Verlauf und die Auswirkungen anhand von Fallbeispielen aus der Stadt New York veranschaulicht werden. Dabei ist vor allem der Stadtteil Harlem, welcher sich zu einem Wohnstandort einer wohlhabenden Mittelschicht entwickelt, als eines der bekanntesten Gentrification Gebiete, im Fokus der Betrachtungen. Weiterhin wird auf die neueste Entwicklung eingegangen, welche ein gänzlich neues Ausmaß eines Aufwertungsprozesses zeigen, nämlich die sogenannte Super-Gentrification, in Zuge derer sogar bereits aufgewertete Gebiete weitere Aufwertungsmaßnahmen erfah- ren. Zur Illustrierung dieses Phänomens dient das Stadtviertel Brooklyn Heights im Stadtteil Brooklyn.
Zunächst muss herausgestellt werden, dass in der deutschen Literatur keine Einheitlichkeit in der Terminologie herrscht. Einige Autoren verwenden den eingedeutschten Begriff Gentrifizierung (Friedrich 2000; Borsdorf/Bender 2010), andere hingegen bleiben bei dem englischen Wort Gentrification (Friedrichs/Kecskes 1996). In dieser Arbeit wird auch der englische Begriff genutzt, da er im englischsprachigen Raum zuerst aufgekommen und geprägt worden ist.
Der Ausdruck Gentrification wurde im Jahr 1964 von der britischen Soziologin Ruth Glass geprägt. Sie hat damit neu aufkommende Veränderungen der Londoner Innenstadt beschrieben, welche heute als klassische Gentrification bezeichnet werden (Glass 1964 zit. in Lees et al. 2008:4):
One by one, many of the working class quarters of London have been invaded by the middle classes- upper and lower. Shabby, modest mews and cottages- two rooms up and two down- have been taken over, when their leases have expired, and have become elegant, expensive residences. Larger Victorian houses, downgraded in an earlier or recent period- which were used as lodging houses or were otherwise in multiple occupation- have been upgraded once again. Nowa- days, many of these houses are being subdivided into costly flats or “houselets” (in terms of the new real estate snob jargon). The current social status and value of such dwellings are frequently in inverse relation to their status, and in any case enormously inflated by comparison with previous levels in their neighbourhoods. Once this process of ‘gentrification’ starts in a district it goes on rapidly until all or most of the original working class occupiers are displaced and the social charac- ter of the district is changed.
Sie nutzte den Begriff dabei auf ironische Art und Weise (gentry (engl.): niederer Landadel), um die neuen Bewohner der betroffenen Gebiete zu beschreiben (Borsdorf/Bender 2010:220).
Eine spätere, umfassende und kompakte Definition von Gentrification liefert Hamnett (1991:175). Nach ihm ist Gentrification:
simultaneously a physical, economic, social and cultural phenomenon. Gentrifica- tion commonly involves the invasion of middle-class or higher-income groups of previously working-class neighborhoods or multi-occupied ‘twilight areas’ and the replacement or displacement of many of the original occupants. It involves the physical renovation or rehabilitation of what was frequently a highly deteriorated housing stock and its upgrading to meet the requirements of its new owners. In the process, housing in the areas affected, both renovated and unrenovated, un- dergoes a significant price appreciation. Such a process of neighborhood transi- tion involves a degree of tenure transformation from renting to owning.
Auch in dieser Definition findet sich der Austausch einer Bevölkerungsschicht und die Aufwertung der Bausubstanz wieder, jedoch bringt sie auch neue Aspekte ein, wie die enormen Wertsteigerungen der Grundstücke und die Transformation von Miet- zu Ei- gentumswohnungen. Es handelt sich also um mehrere Prozesse, die ablaufen und ver- schiedene Auswirkungen haben. Im ursprünglichsten und wörtlichsten Sinne bedeutet Gentrification allerdings nur einen Austausch einer statusniedrigen Bevölkerung durch eine statushöhere Bevölkerung in einem Wohngebiet. Diese Definition wird auch von Friedrichs (1996:14) bevorzugt.
Diese auf der einen Seite sehr kurzen und mit nur einem Schlüsselmerkmal versehenen Definitionen gegenüber den sehr komplexen und mehrere Prozesse umfassenden, zeigen auf, dass sich eine exakte Begriffsbestimmung als schwierig erweist. Des Weiteren hat Clay (1979:57) bereits früh eine Differenzierung zwischen einer Auf- wertung aus Eigeninitiative der Hausbewohner und -besitzer (Incumbent Upgrading) und Gentrification im engeren Sinne vorgenommen. Die nachfolgende Tabelle liefert einen Überblick über die Unterschiede und Eigenschaften der beiden Aufwertungspro- zesse.
Tab. 1: Kennzeichen für Incumbent Upgrading und Gentrification. Quelle: verändert nach Friedrich (2000), S. 36.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Nach dieser Abgrenzung wird deutlich, dass es sich bei Gentrification zusätzlich um ein sehr begrenztes Phänomen handelt, welches häufig nur einen Block betrifft. Weiterhin wird das verstärkte Konfliktpotential und der schnelle und intensive Ablauf der Gentrification aufgezeigt.
Trotz der Prägung des Begriffes in den 1960er Jahre, gab es bereits früher vergleichba- re Aufwertungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen in innenstadtnahen Bereichen. So wurden beispielsweise Wohnviertel der ärmeren Bevölkerungsschichten im Paris des 19. Jahrhunderts abgerissen, um Platz zu schaffen für die geplanten Boulevards und neue, attraktive Wohnbauten (Smith 1996:34).
Ebenfalls wird bereits von Gentrification Prozessen aus den späten 1930er Jahren in Teilen von New York, New Orleans und Washington, D.C. berichtet. Nichtsdestotrotz gelten die kapitalistischen Städte der Nachkriegszeit als Geburtsstätten der klassischen Gentrification (Lees et al. 2008:5).
Der Ablauf des Prozesses der Gentrification wurde versucht in verschiedenen Modellen darzustellen und zu erklären. Dabei hat sich nach Friedrichs (1996:15) folgende Problematik ergeben: Die Erklärungen der Gentrification beruhen auf einzelnen, mitei- nander nicht verbundenen Hypothesen, was darauf zurückzuführen ist, dass unzurei- chend spezifiziert wird, welcher Sachverhalt des Prozesses überhaupt erklärt werden soll. Wenn es sich bei diesem Sachverhalt lediglich um den Bevölkerungsaustausch handelt, bieten sich zwei Theorien der soziologischen Stadtforschung an, um Gentrifica- tion zu erklären: das Modell des Invasions-Sukzessions-Zyklus und die Theorie des Nachbarschaftswandels.
Ursprünglich behauptet die Hypothese eines Invasions-Sukzessions-Zyklus, dass eine Gruppe B in ein Wohngebiet der Gruppe A eindringt. Daraufhin nimmt der Anteil der Gruppe A schrittweise ab und ihre Wohnungen werden von Haushalten der Gruppe B bezogen. Am Ende dieses Prozesses steht die Dominanz der Gruppe B im betreffenden Wohnviertel. Sie hat mindestens 75% der Haushalte im Wohngebiet übernommen.
Dieses Modell ist am Beispiel des Wandels ethnischer Gruppen in Wohnvierteln nord- amerikanischer Städte durch die sozialökologische Schule in den 1920er Jahren entwi- ckelt worden. Dort waren es Angehörige einer Minderheit, die in ein Wohngebiet der Mehrheit eindrangen, in anderen Fällen verdrängt eine Minderheit eine andere. In jedem Fall war der Status der eindringenden Bevölkerungsgruppe niedriger als derjeni- ge der eingesessenen Bevölkerung im Wohnviertel (Friedrichs 1996:16). Bei der Gentrification dringt allerdings eine statushöhere Gruppe in ein Wohngebiet einer sta- tusniedrigeren ein und dementsprechend wurde das Modell angepasst.
Es wurde zuerst von Clay (1979:57ff.) aufgegriffen und durch Dangschat (1988:280) weiterentwickelt. Zunächst wurden die beteiligten Akteure als Pioniere, Gentrifier und Andere klassifiziert. Dabei gelten die Pioniere als risikofreudigere Untergruppe oder Wegbereiter der später in das Quartier eindringenden Gentrifier. Diese Gruppen sind schwierig operational zu definieren, daher wird hier eine eher qualitative Charakterisierung angewendet (vgl. Tab. 1):
- Pioniere (z.B. Studenten, eher alternative Szene): Altersgruppe 18-25 Jahre; häufig noch in der Ausbildung, ohne gesichertes Einkommen, ledig mit Partner oder in Wohngemeinschaften, geringe Wohnflächenansprüche;
- Gentrifier (z.B. Yuppies: young urban professionals): Altersgruppe 26-45 Jahre; leitende oder mittlere Angestellte, ledig und alleinlebend, hohes und sicheres Einkommen, hohe Ansprüche an Wohnfläche und -standard, wollen von der Nä- he zu innerstädtischen Arbeitsplätzen profitieren;
- Andere: Restkategorie der ursprünglichen Quartiersbewohner, die meist zu den statusniederen, altersmäßigen oder ethnischen Randgruppen gehören (Friedrich 2000:35; Borsdorf/Bender 2010:220f.).
Da bei diesem Modell von zwei nacheinander eindringenden Gruppen ausgegangen wird, spricht man von einem doppelten Invasions-Sukzessions-Zyklus. Dieses Modell ist in nachfolgender Abbildung dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Doppelter Invasions- Sukzessions- Zyklus der Gentrification. Quelle: Friedrich (2000), S. 35.
Wie dem Modell zu entnehmen ist, ist der Verlauf der Gentrification in fünf Abschnitte unterteilt. In der ersten Invasions-Phase der Pioniere (P1) ergänzen die Pioniere die ursprüngliche statusniedrige Bevölkerung. Sie treffen dabei auf einen schlechten Ge- bäudezustand sowie niedrige Grundstücks- und Mietpreise. In der zweiten Invasions- Phase der Pioniere (P2) erhöht sich der Anteil der Pioniere, wodurch das Angebot an Geschäften und Dienstleistungen seinen Charakter verändert. Kneipen, Secondhand- sowie Antiquitätenläden ziehen auch externe Bewohner an und es kommt zu ersten Modernisierungen und Aufwertungen im Baubestand, oft in Eigeninitiative der Bewoh- ner und Hausbesitzer. Die dritte und vierte Phase des Modells stellen einerseits die dritte Invasions-Phase der Pioniere dar (P3) und gleichzeitig die ersten Invasions- Phasen der Gentrifier (G1 und G2). In diesen Phasen beteiligen sich also die ersten Gentrifier am Verdrängungsprozess der eingesessenen Bewohner und gleichzeitig der Pioniere. Dadurch ist im Wesentlichen der Anreiz für die Renovierung des Baubestan- des gegeben, wobei die Sanierungs- und Umbaumaßnahmen ab diesem Zeitpunkt von kapitalkräftigen Investoren durchgeführt werden. Die Wohnungsmieten beziehungswei- se -preise steigen deutlich an, Mietwohnungen werden oft in Eigentumswohnungen umgewandelt, die Vermittlung der Wohnungen wird von Maklern übernommen (Borsdorf/Bender 2010:221). Des Weiteren ändert sich die Infrastruktur auf Kosten des Einzelhandels nach den Bedürfnissen der neuen Bewohnerschaft. In der fünften und letzten Phase des Modells, der dritten Invasions-Phase der Gentrifier (G3) beschleunigt sich der Wandlungsprozess und statushöhere Bevölkerungsgruppen ziehen verstärkt ein. Daraus resultieren spekulativ begründete Fluktuationen auf dem Immobiliensektor (Friedrich 2000:35). Die Gentrifier haben außerdem die eingesessene Bevölkerung sowie einen Teil der Pioniere verdrängt.
Allerdings ist zu beachten, dass dieser idealtypische Ablauf einer empirischen Prüfung nicht standhält. Eine Studie zeigte, dass sich die Verkaufspreise von Gebäuden diskon- tinuierlich entwickeln und nicht als Folge von Modernisierungen oder Umwandlungen. Weiterhin wurde aufgezeigt, dass der Anteil verkaufter Gebäude oft vor und nicht nach der Modernisierung von Gebäuden ansteigt (Friedrichs 1996:16f.). Weiterhin belegen Studien, dass der Ablauf des Modells vor allem in der dritten und vierten Phase dadurch modifiziert wird, dass die ursprünglichen Pioniere nach sozialem Aufstieg häufig im Quartier verbleiben und damit gleichsam zu Gentrifiern avancieren (Friedrich 2000:35). Dementsprechend erhöht sich dadurch die Zahl der Gentrifier nicht durch Zuzug und Verdrängung, sondern durch einen Wechsel der Gruppenzugehörigkeit.
Nach Friedrichs (1996:17) besteht eine weitere Möglichkeit, Gentrification in bestehen- de Theorien und Modelle zu integrieren, nämlich in den Modellen des Wandels von Nachbarschaften. Diese Theorien enthalten einzelne Hypothesen, ihr Kern ist jeweils eine Beschreibung des Wandels eines Wohngebietes durch eine fünf- oder sechsstufi- ge Abfolge von Phasen. Alle Modelle unterstellen eine regelhafte und irreversible Abfol- ge der Phasen, wobei die Dauer der einzelnen Phasen offen bleibt. Ein Phasenmodell der Gentrification stellt nun eine Ergänzung der Phasenmodelle des Wandels von Nachbarschaften dar. Dieser Zusammenhang ist in nachfolgender Tabelle dargestellt.
Tab. 2: Phasen und Indikatoren in ausgewählten Modellen des Wandels von Wohnvierteln und eines Modells der Gentrification Quelle: Friedrichs 1996, S. 18f.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In diesem Fall setzt das Modell der Gentrification in der letzten Phase des Nachbarschaftswandels ein und beschreibt den Verlauf einer Aufwertung des Wohnviertels. Dabei ist hier offen gelassen, unter welchen Bedingungen es in Phase fünf zu einer Aufwertung oder aber zu einem weiteren Niedergang des Wohnviertels kommt. Diese Integration der Modelle der Gentrification in die des Wandels von Nachbarschaften ist in mehrfacher Hinsicht für die Analyse der Gentrification hilfreich:
1. Durch die Einordnung der Gentrification in einen Verlaufsprozess sind die Bedin- gungen zu spezifizieren, unter denen das Gebiet entweder weiter verfällt oder aber die Aufwertung einsetzt.
2. Die Indikatoren für die Beschreibung der Phasen können verwendet werden, um den Prozess der Gentrification zu beschreiben. Einige Indikatoren zur Beschreibung werden von nahezu allen Autoren verwendet:
- Alter der Gebäude,
- durchschnittliche Miete,
- Anteil der Wohnungseigentümer,
- Anteil der Minderheit(en) im Wohngebiet,
- durchschnittliches Einkommen der Bewohner,
- Alter der Bewohner.
Kovariation von Bevölkerungsmerkmalen und Merkmalen der Bausubstanz aus: Je schlechter die Bausubstanz, desto niedriger ist der Status der Bewohner beziehungsweise der Neueinziehenden.
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