Masterarbeit, 2012
87 Seiten, Note: 2,3
1. Einleitung
1.1 Thematische Abgrenzung und Methodik
1.1.1 Methodik
1.2 Begriffe und Definitionen
1.2.1 Abkürzung „IT“
1.2.2 Operativ-taktischer Stab
1.2.3 Stabsunterstützungssoftware
1.3 Rechtliche Grundlagen
1.3.1 Gesetze
1.3.2 Dienstvorschriften
1.4 Die Entwicklung der zivilen Stabsarbeit in Deutschland
1.4.1 Stab HVB
1.4.2 Katastrophenschutzleitung und Technische Einsatzleitung
1.4.3 Verwaltungsstab und Führungsstab
1.4.4 Mobile Stäbe
1.4.5 Mengengerüst
1.5 Fazit
2 Einflüsse auf die Qualität der Stabarbeit
2.1 Planbarkeit
2.1.1 Planbare Ereignisse
2.1.2 Nichtplanbare Ereignisse
2.2 Organisation und Technik
2.2.1 Räumlichkeiten
2.2.2 Technische Ausstattung und Arbeitsmaterialien
2.3 Personal
2.3.1 Personalauswahl
2.3.2 Personalstärke
2.3.3 Teambildung
2.3.4 Distress
2.4 Ausbildung
2.5 Einsatzhäufigkeit
2.5.1 Alarmierungsschwelle
2.6 Erfahrung
2.6.1 Waldbrand
2.6.2 Hochwasser
2.6.3 Großveranstaltungen
2.6.4 Evakuierungen
2.6.5 Massenanfall von Verletzten (MANV)
2.6.6 Verfügbarkeit von Auswertungen
2.7 Fazit
3 Aufgabenfelder in der Stabsarbeit
3.1 Kommunikation und Meldungsmanagement
3.1.1 Übertragungsaufwand
3.1.2 Übertragungsdauer
3.1.3 Formulare
3.2 Informationsmanagement
3.3 Visualisierung
3.3.1 Lagekarte
3.3.2 Problemdarstellung
3.4 Ressourcenmanagement
3.5 Planung und Prognose
3.6 Dokumentation
3.7 Fazit
4 Möglichkeiten der IT-Unterstützung
4.1 Kommunikation und Meldungsmanagement
4.1.1 Rollenkonzept
4.1.2 Funktionalitäten
4.1.3 Systematik des Vierfach-Vordruckes
4.1.4 Videokonferenztechnik
4.2 Informationsmanagement
4.2.1 Statische Informationen
4.2.2 Dynamische Informationen
4.3 Visualisierung
4.4 Ressourcenmanagement
4.5 Planung und Prognose
4.6 Dokumentation
4.6.1 Archivierung
4.7 Administration
4.7.1 Nutzerverwaltung
4.8 Datenmanagement
4.9 Fazit
5 Zusammenfassung
5.1 Vor- und Nachteile von Stabsunterstützungssoftware
5.1.1 Vorteile
5.1.2 Nachteile
5.2 Einfluss auf die Qualität der Stabarbeit
5.2.1 Planbarkeit
5.2.2 Organisation und Technik
5.3 Personal
5.4 Ausbildung
6 Ausblick
6.1 Einfluss auf die Entwicklung der zivilen Stabsarbeit in Deutschland
6.2 Forschung
6.3 Fazit
Abkürzungen
Literaturverzeichnis
Anhang 1:
Anhang 2:
Anhang 3:
Anhang 4:
Anhang 5:
Abb.1: Allgemeine Übersicht der Behörden und Organisationen in Deutschland, die in Stabsstrukturen innerhalb der verschiedenen Verwaltungsebenen organisiert sind (Quelle: Verfasser)
Abb. 2: Strukturierung der Software zur Einsatzunterstützung (Quelle: Verfasser)
Abb.3: Ursachen für Distress nach der Informationsverarbeitung (Quelle: Nach Ungerer, durch Verfasser modifiziert)
Abb.4: Naturkatastrophen in Deutschland 1980 bis 2011 (Quelle: Münchner Rückversicherung)
Abb. 5: Bidirektionale Meldungs- und Informationswege eines Stabes (Quelle: Verfasser)
Abb. 6: Prinzipskizze zur Darstellung des Übertragungsaufwandes und der Übertragungsdauer zwischen zwei Führungsebenen (nach Dr. Freudenberg und Karsten, AKNZ, vom Verfasser modifiziert)
Abb. 7: Passive und aktive Bereiche bei der Informationsbearbeitung (Quelle: Verfasser)
Abb.8: Vorschlag zur Neueinteilung der Führungsmittel zur Informationsgewinnung (Quelle: Verfasser)
Abb.9: Unterteilung der statischen Daten (Quelle: Verfasser)
Abb.10: Unterteilung der dynamischen Daten (Quelle: Verfasser)
Abb.11: Verkürzung der Übertragungsdauer und -aufwandes durch den Einsatz von Stabsunterstützungssoftware (Quelle: Verfasser)
Abb. 12: Zeitachse (siehe Kapitel 1.3 und 1.4) (Quelle: Verfasser)
Abb.13: Zusammenhang zwischen den Aufgabengebieten eines operativ-taktischen Stabes (Quelle: Verfasser)
Abb.14: Mind-Map als Grundlage für die Struktur im Kapitel 3 (Quelle: Verfasser)
Tab. 1: Störfaktoren für die Stabsarbeit (Quelle: Garrecht)
Tab.2: Gesamtzahl der "Katastrophenalarme" in Deutschland für Freiwillige Feuerwehren, Berufsfeuerwehren und Werkfeuerwehren (Quelle: Jahrbücher 2007 bis 2011 des DFV)
Tab.3: Zuordnung der Aufgabenfelder mit IT-Anwendungen zu den drei Phasen des Datenmanagements (siehe Kapitel 4.8) (Quelle: Verfasser)
Tab. 4: Produktliste (Quelle: Verfasser)
„Für den Einsatz von EDV-/IT-Systemen im Katastrophenschutz gibt es keine Alternative“ (WEISSCHNUR 2006, S. 8).
Ob die Anwendung dieser Systeme dabei eine Entlastung, Verstärkung oder ein Sicherheitsrisiko für die Stabsarbeit[1] darstellt, hängt von sehr vielen verschiedenen Faktoren ab, bei deren Beschreibung in dieser Arbeit das Hauptaugenmerk auf die Beantwortung der folgenden Fragestellungen gelegt wird:[2]
- Welche Themengebiete lassen sich für die Aufgaben in operativ-taktischen Stäben, für die es IT-Anwendungen gibt, identifizieren?
- Welche Möglichkeiten bieten die verfügbaren IT-Anwendungen für die identifizierten Aufgabengebiete?
- Welche Vor- und Nachteile ergeben sich durch die IT-Anwendung für die Arbeit in operativ-taktischen Stäben in den identifizierten Aufgabengebieten?
In Deutschland gibt es eine Vielzahl von sehr unterschiedlichen Organisationen und Behörden, die innerhalb ihrer internen Strukturen Gremien aufstellen, die als Stab[3] organisiert sind.
Im Rahmen dieser Arbeit werden die Möglichkeiten von IT-Anwendungen (Software) in operativ-taktischen Stäben, die auf der Grundlage der Dienstvorschrift 100 „Führung und Leitung im Einsatz“ in der „Führungsstufe D“ arbeiten, aus Anwendersicht betrachtet. Abbildung 1 zeigt eine Möglichkeit zur Einteilung der grundsätzlichen Strukturen; die Zuordnung der operativ-taktischen Stäbe ist dabei grau hinterlegt. Die Führungsebene der Technischen Einsatzleitungen (Führungsstufe C) kann bei den Betrachtungen nicht ganz ausgeklammert werden, da nach dem Prinzip der aufwachsenden Führungsstrukturen einige auf dem Software-Markt verfügbaren Produkte eine aufwachsende, modulare Anwendung bieten oder aber die Kommunikation und der Informationsaustausch mit den nachgeordneten und übergeordneten Führungsebenen von grundsätzlicher Bedeutung für den Anwender ist.
Die Möglichkeiten von IT-Produkten zur Unterstützung von Polizeibehörden, Krisenstäben in Unternehmen und Nicht-Regierungsorganisationen, der Bundeswehr, der Bundes- und Landesbehörden außerhalb der Innenressorts werden im Rahmen dieser Arbeit nicht untersucht.
Weiterhin wurde die Auswahl der betrachteten Anbieter auf den deutschen Markt beschränkt.
Software, die bei Hilfsorganisationen (ASB, DRK, JUH, MHD) in Deutschland zum Einsatz kommt, wurde in die Betrachtung mit einbezogen, wenn die Möglichkeiten der Software auch eine Anwendung in den Führungsstufen C und D in operativ-taktischen Stäben vorsieht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1: Allgemeine Übersicht der Behörden und Organisationen in Deutschland, die in Stabsstrukturen innerhalb der verschiedenen Verwaltungsebenen organisiert sind (Quelle: Verfasser)
Die Aussagen in dieser Masterarbeit basieren auf der Recherche in der einschlägigen Fachliteratur des Bevölkerungsschutzes ergänzt durch die Auswertung von Unterlagen der Herstellerfirmen und durch Internet-Recherche.
Die Ausführungen wurden bewusst produktneutral gehalten. Diese Masterarbeit beinhaltet keinen bewertenden Vergleich von Produkteigenschaften.
Die Mehrheit der Herstellerfirmen wurde durch den Verfasser persönlich besucht, soweit dies während des Bearbeitungszeitraums organisatorisch und zeitlich realisierbar war.
Weiterhin fanden Gesprächstermine bei Feuerwehren statt, die als Anwender Erfahrung gesammelt und dies teilweise auch in der Fachliteratur veröffentlicht haben.
Für das grundsätzliche Verständnis der rechtlichen Grundlagen und der Arbeitsbedingungen von operativ-taktischen Stäben in Deutschland beschreibt Kapitel 2 Einflussgrößen auf die Qualität der Stabsarbeit, die in der Fachliteratur erwähnt werden.
Die Systematik bei der Beschreibung der Aufgabengebiete in operativ-taktischen Stäben im Kapitel 3 basiert auf der Auswertung der Literatur. Die Schlagwörter und Kernaussagen der Veröffentlichungen wurden mit Hilfe der Mind-Mapping-Technik thematisch zugeordnet.
Der Beschreibung der Möglichkeiten der am Markt verfügbaren Software im Kapitel 4 liegt die Gliederung des Kapitels 3 zugrunde.
Die Zusammenfassung der Vor- und Nachteile, die durch den Einsatz von Stabsunterstützungssoftware für die Arbeit in operativ-taktischen Stäben erkennbar sind, nimmt auch Bezug auf die im Kapitel 2 erwähnten Einflussgrößen auf die Qualität der Stabsarbeit.
Die Abkürzung „IT“ (engl.) steht für „Information Technology“ als Oberbegriff für die Informations- und Datenverarbeitung sowie die dafür benötigte Hard- und Software.[4]
In dieser Arbeit wird der Bezeichnung „operativ-taktischer Stab“ folgende Definition auf der Basis der FwDV 100 zugrunde gelegt:[5]
Ein operativ-taktischer Stab ist eine Führungseinheit, die bei Großschadensereignissen oder Katastrophen die Einsatzleitung auf der Führungsebene C oder die politisch-gesamtverantwortliche Komponente auf der Führungsstufe D unterstützt. Die Gliederung und der Umfang sind in Kapitel 3.2.2.2 der FwDV 100 beschrieben.
Unter dem Begriff „operativ-taktisch“[6] werden in der FwDV 100 folgende Aufgaben zur Koordination der technisch-taktischen Maßnahmen aufgeführt:
- Bildung von Einsatzabschnitten
- Ordnung des Raumes
- Ordnung der Kräfte
- Ordnung der Zeit
- Ordnung der Information
Plattner verwendet den Begriff „operative Führung“ bereits 1992 bei der Beschreibung der Führungsorganisation der Landeshauptstadt München.[7]
Die in Deutschland verwendeten Bezeichnungen und Organisationsformen für operativ-taktische Stäbe im Sinne der FwDV 100 sind vielfältig und gehorchen dabei meistens einer landesspezifischen Systematik. Dies führt in der der Fach-Literatur auch immer wieder zu kritischen Anmerkungen.[8]
Beispiele:
FEL Feuerwehr-Einsatz-Leitung (Hamburg)[9]
ÖEL Örtliche Einsatzleitung (Bayern)[10]
FüGK Führungsgruppe Katastrophenschutz (Bayern)
GAL Gefahrenabwehrleitung (Bayern)
Im Sinne der Feuerwehr-Dienstvorschrift „Führung und Leitung im Einsatz“ (FwDV 100) sind die auf dem Markt angebotenen Programme den „EDV-Systemen zur Einsatzunterstützung“ als Führungsmittel zuzuordnen.[11] EDV-Systeme bestehen aus Hard- und Software-Komponenten. Oestreich verwendet den Begriff „digitale Einsatzunterstützung“, meint damit Hard- und Software und schließt in seine Betrachtungen die Führungsstufen A und B mit ein.[12] Im Rahmen dieser Arbeit werden nur die auf dem deutschen Markt für operativ-taktische Stäbe verfügbaren Programme (Software) betrachtet.
Die Vielzahl von Software-Anwendungen macht eine zusätzliche Untergliederung der An-wendungsgebiete erforderlich, um eine thematische Abgrenzung zu ermöglichen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.2: Strukturierung der Software zur Einsatzunterstützung (Quelle: Verfasser)[13]
Um innerhalb des Begriffes „Systeme“ auch eine eindeutige Abgrenzung zu den in der Fachliteratur und Firmenunterlagen verwendeten anderen Begriffen (z. B. Führungs-unterstützungssystem[14], Einsatzinformationssystem[15], Einsatzführungssystem[16], Disaster-managementsystem[17] ) zu erreichen, wird nachfolgend als Oberbegriff für die in operativ-taktischen Stäben anwendbaren Programme der Begriff „ Stabsunterstützungsssoftware “ verwendet.
Brand- und Katastrophenschutz sind Ländersache[18] und werden von den Städten und Gemeinden im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung (Brandschutz)[19] und Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung (Katastrophenschutz)[20] auf örtlicher Ebene wahrgenommen. Jede kreisfreie Stadt und jeder Landkreis innerhalb eines Bundeslandes kann auf dieser Rechtsgrundlage über die Ausstattung der Führungsstrukturen im Bevölkerungsschutz selbst entscheiden. Dies betrifft also auch die Entscheidung über die Nutzung von IT-Unterstützung.
1968 trat das „Gesetz über die Erweiterung des Katastrophenschutzes (KatSG)“ in Kraft.[21] In Verbindung mit der „Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Organisation des Katastrophenschutzes (KatS-Organisation-Vwv)“[22] bildete es die Rechtsgrundlage für die Dienstvorschriften des Katastrophenschutzes und der Stärke- und Ausstattungsnachweisungen (STAN)[23] und verpflichtete den Hauptverwaltungsbeamten einen Stab (Stab-HVB) zu seiner Beratung und Unterstützung bei der Überwachung und Führung der Einheiten und Einrichtungen zu bilden[24] (siehe Kapitel 1.4.1). Das KatSG bildete die Grundlage für den vom Bund und Ländern gemeinsam getragenen Katastrophenschutz.
1997 trat das „Zivilschutzneuordnungsgesetz (ZSNeuOG)“[25] in Kraft. Die Beteiligung des Bundes im Katastrophenschutz wurde neu geregelt. Die seit 1968 bestehende Rechtsgrundlage für die Dienstvorschriften des Bundes und die STAN entfiel. Somit gab es keine bundeseinheitliche Führungsdienstvorschrift mehr.
Dienstvorschriften stellen den „kleinsten gemeinsamen Nenner“[26] für eine länderübergreifende Anwendung dar, der ein hinreichend einheitliches Führungssystem für die Feuerwehren und den Katastrophenschutz ermöglicht.
Die Systematik erleichtert die organisationsübergreifende Zusammenarbeit bei Groß-einsätzen. Auch in der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit (ZMZ) können die Beteiligten von einer ähnlichen Stabssystematik ausgehen, da das zivile Führungssystem aus den Dienst-vorschriften des Militärs abgeleitet ist.[27]
Im Jahr 1981 tritt die KatS-Dv 100 „Führung und Einsatz“ in Kraft. Diese Vorschrift beinhaltet Grundsätze für die Führung und den Einsatz von Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzes auf Kreisebene, basierend auf dem bundeseinheitlichen Modell einer Katastrophenschutzleitung (KatSL) und der Technischen Einsatzleitung (TEL), das den Ländern vom Ausschuß Feuerwehrangelegenheiten (AFW) der ständigen Konferenz der Innenminister- und -senatoren (IMK) zur Einführung empfohlen wurde.[28] Gemäß Vorbemerkung unter Randnummer 101 in dieser Dienstvorschrift besteht ausreichend Spielraum für zusätzlich notwendige Landesregelungen.[29]
Im Jahr 1982 erscheint die Feuerwehr-Dienstvorschrift 12/1 „Einsatzleitung-Führungssystem“.
Der Vorschlag, das Aufgabengebiet „S5 Fernmeldeführung“[30] und eine „Pressestelle“[31] als Führungsgrundgebiete in die Stabsgliederung mit aufzunehmen fand noch keine Berücksichtigung.
1999 wird die FwDV 100 den Ländern vom AFW zur Einführung empfohlen. Diese Dienstvorschrift stellt nach wie vor den „kleinsten gemeinsamen Nenner“[32] dar, auf den man sich länderübergreifend bei der allgemein gültigen Beschreibung des Führungssystems der zivilen, nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr - ergänzt durch zusätzliche, länderspezifische Regelungen - einigen konnte.[33] Eine organisationsübergreifende Anwendung ist grundsätzlich möglich. Wesentliche Neuerungen:[34]
- Einführung der Stabsbereiche S5 und S6
- Dreiteilung der Einsatzleitung (Einsatzleiter, Führungsassistenz und -hilfspersonal)
- Einführung des Begriffes „operativ-taktisch“
- Einführung von vier Führungsebenen (aufsteigend von Stufe A bis Stufe D)
- Erweiterung der Führungsmittel um Mittel zur Informationsgewinnung
- Beschreibung der für Feuerwehreinsätze wichtigsten und häufigsten taktischen Zeichen
Die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) und das Deutsche Rote Kreuz (DRK) haben sich bei den organisationseigenen Dienstvorschriften an der FwDV 100 bzw. der „farbneutralen“ Dienstvorschrift der Ständigen Konferenz für Katastrophenvorsorge und Katastrophenschutz (SKK) orientiert.[35],[36]
Seit 2007 ist auch eine englischsprachige Version der FwDV 100 verfügbar, die vom Ausschuss für Feuerwehrangelegenheiten, Katastrophenschutz und zivile Verteidigung (AFKzV) der Innenministerkonferenz in der 20. Sitzung am 12. September 2007 autorisiert und zur Verwendung empfohlen wurde.
Um die Bedeutung und die Möglichkeiten von Stabsunterstützungssoftware auf die Stabsarbeit beurteilen zu können, ist es auch erforderlich, die zeitliche Entwicklung der zivilen operativ-taktischen Stäbe in Deutschland zu kennen.
Auf der Basis des Gesetzes über die Erweiterung das Katastrophenschutzes aus dem Jahr 1968[37] in Verbindung mit der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Organisation des Katastrophenschutzes (KatS-Organisation-Vwv) hatte der Hauptverwaltungsbeamte (HVB) einen Stab zu bilden, der ihn berät und ihn bei der Überwachung unterstützt.[38] Dem Stab sollten Angehörige der im Katastrophenschutz mitwirkenden Organisationen angehören. Detailregelungen über die Aufgabenverteilung und Arbeitsweise gab es keine. Dies hätte auf örtlicher Ebene durch den HVB geregelt werden müssen.
Die Waldbrandkatastrophe 1975 zeigt auf, dass sich diese Regelung in der Praxis so nicht bewährt hat (siehe Kapitel 2.6.1).
Als eine Folge der Erkenntnisse aus der Auswertung der Waldbrandkatastrophe in Niedersachsen einigte sich die Innenministerkonferenz im Jahr 1979 auf ein neues Führungsmodell bestehend aus „Katastrophenschutzleitung (KatSL)“ und „Technischer Einsatzleitung (TEL)“. Damit erfolgte die Aufteilung der Führungsgremien in eine politisch-administrative und eine technisch-taktische Komponente. Anfang der 1980er Jahre erschienen die dazu gehörenden Dienstvorschriften (siehe Kapitel 1.3.2).
Aber auch diese Regelung führte zu Unschärfen, die in der Fachliteratur diskutiert wurden.[39]
Grundsätzlich wird zum ersten Mal für zivile Stäbe eine Aufteilung in die Sachgebiet S1 bis S4 beschrieben.
Mit Veröffentlichung der FwDV 100 werden die Unschärfen in den bisherigen Regelungen beseitigt und die Führungsgremien in zwei getrennte Komponenten unter der Leitung des politisch Gesamtverantwortlichen aufgeteilt:
- Administrativ-organisatorische Komponente (Verwaltungsstab)
- Operativ-taktische Komponente (Führungsstab)
Bereits 1976 formulierte der DFV einen Vorschlag zur Bildung „mobiler fachlicher Beraterstäbe“ in jedem Land oder in den Regierungsbezirken.[40] Diese Idee ist also grundsätzlich nicht neu. Auch die AGBF Niedersachen formulierte im Nachgang zur Waldbrandkatastrophe 1975 die Notwendigkeit „überregionaler technischer Einsatzstäbe“.[41]
Das Prinzip der „Fliegenden Stäbe“ wurde auch im Jahr 1990 in Rheinland-Pfalz beim Abtransport von Chemiewaffen angewendet.[42]
Nach der Hochwasserlage im Jahr 2002 formulierte der DFV erneut einen Vorschlag zur Bildung von „Mobilen Unterstützungskräften (MOBUK)“, um insbesondere die Stabsbereiche S2, S5 und S6 durch speziell geschulte und erfahrene Führungsassistenten überregional zu unterstützen. Führungseinheiten auf Bundesebene werden bei diesem Aufbau vom DFV nicht für erforderlich gehalten.[43]
Im Jahr 2008 stellen Kircher und Karsten diese Stabsform in der Fachliteratur wieder zur Diskussion.[44]
Einzig das Bundesland Nordrhein-Westfalen hat mittlerweile in seinen fünf Regierungsbezirken je eine Mobile Führungsunterstützung (MoFüst) aufgestellt.[45]
Da es in Deutschland keine Statistik über die genaue Anzahl der operativ-taktischen Stäbe gibt, werden im Rahmen dieser Arbeit die folgenden Zahlen zu Grunde gelegt.[46]
Die Verwaltungsstruktur in Deutschland gliedert sich in drei Stadtstaaten und 13 Flächenländer. In den dreizehn Ländern unterteilt man das Gebiet weiterhin in insgesamt 295 Kreise und 103 kreisfreie Städte.
3 Stadtstaaten
13 Länder
22 Regierungsbezirke (nicht in allen Ländern)
295 Kreise
103 kreisfreie Städte
436 Summe
Unter der Annahme, dass es innerhalb der Verwaltungsstrukturen in Deutschland bei der Bildung von operativ-taktischen Stäben auf der Basis der FwDV 100 aufgrund lokaler Gegebenheiten Besonderheiten gibt, die zu Unschärfen in der Betrachtung führen können, wird eine Zahl von 400 als Größenordnung angenommen.[47]
In der behandelten Thematik lassen sich auf der Grundlage der Dienstvorschriften keine einheitlichen Begriffe und Definitionen finden. Die Umsetzung der Regelwerke ist aufgrund der in Deutschland geltenden föderalen Strukturen auf Landesebene unterschiedlich und führt zu einer Vielfalt von Bezeichnungen und kleinteiligen organisatorischen Strukturen der operativ-taktischen Stäbe. Zumindest das vom DFV bereits 1976 geforderte allgemeine Verständnis von den Begriffen „Führen“ und „Leiten“ wurde über die Feuerwehr-Dienstvorschriften zum Allgemeingut.[48]
Die aus dem militärischen Bereich[49] übernommene Gliederung eines operativ-taktischen Stabes in mehrere Stabsbereiche oder Sachgebiete („S-Funktionen“) ist trotz der länderspezifischen Regelungen flächendeckend in Deutschland - teilweise mit abweichenden Bezeichnungen - umgesetzt. Sie wurde mit der Herausgabe der FwDV 100 fortgeschrieben und aufgrund neuer Erkenntnisse und Entwicklungen auch noch um zwei weitere Stabsbereiche ergänzt.[50]
Es gibt also nicht das ideale, allgemein verbindliche Stabsmodell für operativ-taktische Stäbe in Deutschland auf dessen Grundlage Software als Arbeitshilfe für die Einsatzunterstützung entwickelt werden kann.
Die im Teilkapitel 1.3 erwähnten gesetzlichen Regelungen sind im Anhang 1 als Zeitstrahl im Zusammenhang mit Ereignissen, die Einfluss auf die Entwicklung der Arbeit der zivilen Stäbe in Deutschland hatten, dargestellt.
Garrecht ermittelte verschiedene Störfaktoren für die Arbeit in zivilen Stäben und unterscheidet grundsätzlich in interne und externe Störfaktoren.[51]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Störfaktoren für die Stabsarbeit (Quelle: Garrecht)
Szenarien, bei denen operativ-taktische Stäbe zum Einsatz kommen können, werden im Folgenden aufgrund der Vorlaufzeit in planbare und nichtplanbare Ereignisse unterschieden:
Termine von Großveranstaltungen stehen mit langen Vorlaufzeiten fest und ermöglichen daher eine gute Vorbereitung der Stabsarbeit, um viele Faktoren für Distress (siehe Kapitel 2.3.4) zu minimieren und um im Ereignisfall auf der Basis von vorbereiteten Einsatzunterlagen Entscheidungen treffen zu können.
Auch bei planbaren Einsätzen (z. B. Bombenentschärfungen), bei denen häufig nur wenige Stunden oder Tage Vorlaufzeit bestehen, können operativ-taktische Stäbe sich mit den erforderlichen Einsatzunterlagen präparieren und Informationen von den beteiligten Institutionen vorab einholen.
Die meisten Hochwasserlagen haben aufgrund ihrer zeitlichen Entwicklung den Vorteil, dass die Alarmierungsschwellen für die Stäbe anhand von Pegelständen bereits festgelegt sind und somit anhand der Prognose abgeschätzt werden kann, wann die Stäbe ihre Arbeit aufnehmen. Die entsprechende Vorlaufzeit kann von den unteren Katastrophenschutzbehörden gut für die Vorbereitung der Stabarbeit genutzt werden.
Ereignisse, die ohne Vorlaufzeit eintreffen, stellen operativ-taktische Stäbe vor besondere Herausforderungen. Die Mitglieder des Stabes sind gezwungen, völlig ohne Vorbereitung eine Lage zu bewältigen. Dabei muss davon ausgegangen werden, dass sich ein vergleichbares Ereignis in der betroffenen Gebietskörperschaft so noch nicht ereignet hat und dass deshalb bei der Mehrzahl der Stabsmitglieder wenig Erfahrung vorliegt.
Körner benennt Fragestellungen, die bei der Konzeption von Räumlichkeiten und der Festlegung der technischen Ausstattung für die Qualität der Stabsarbeit von grundsätzlicher Bedeutung sind:[52]
- Wie muss die Möblierung eines Stabsraums aussehen? Stehen die Tische in U-Form, Inseln oder Quadrat?
- Müssen die Kernfunktionen von den Fachberatern räumlich getrennt sein?
- Steht jedem Stabsmitglied ein Telefon zur Verfügung?
- Wird ein EDV-gestütztes Führungssystem verwendet?
- Ist eine computergestützte Lagekarte das richtige Führungsmittel?
- Kann das zuerst alarmierte Personal die Technik bedienen?
- Wie hoch ist der Schulungsaufwand?
- Wie findet die Dokumentation der Stabsarbeit hinsichtlich der digitalen und manuellen Medien statt?
Operativ-taktische Stäbe können mobil oder ortsfest arbeiten. In der Führungsstufe D ist davon auszugehen, dass das Gremium wegen der Zahl der Personen in einer ortsfesten Befehlsstelle arbeitet.
Die für die Stabsarbeit zur Verfügung stehenden Räume unterliegen häufig einer Doppelnutzung im Altbestand der nutzbaren Liegenschaften innerhalb einer Behörde und müssen im Alarmierungsfall erst für die Stabsarbeit eingerichtet werden.[53] Da diese Räume primär also nicht für die Stabsarbeit konzipiert wurden, sind zwangsläufig entsprechende Einschränkungen von Anfang an vom Nutzer hinzunehmen. Nicht jede Behörde hat die Chance im Rahmen von Neubauten oder erweiterbaren Raumkonzepten die räumlichen Anforderungen an eine moderne Befehlsstelle für operativ-taktische Stäbe umzusetzen.[54] Bei Prendke ist schon unter dem Aspekt der Lärmminimierung der Hinweis zu finden, mehrere Räume zu nutzen, was aber durch eine gute fernmeldetechnische Verbindung kompensiert werden muss. Als Nachteil wird aufgeführt, dass die Mitarbeiter im Stab keine gemeinsame Lagekarte vor Augen haben.[55]
Für die Frage, wie Stabsräume baulich ausgestaltet sein müssen und welche Möblierung möglichst optimal ist, gibt es keine Musterantwort.[56] Bei Garrecht et al. sind Hinweise zu finden, dass neben der Raumgröße sowie der Anordnung und Größe der Arbeitsplätze auch die akustischen und klimatischen Bedingungen für die Arbeitsqualität eines Stabes von Bedeutung sind.[57]
Für die sinnvolle Durchführung von Übungen sind gesonderte Räume für die Übungsleitung erforderlich.[58]
Das Land Baden-Württemberg hat im Jahr 1989 in den Hinweisen zur Bildung eines Katastrophenschutzstabes die Vorgaben für organisatorische Vorkehrungen und Arbeitsbedingungen beschrieben:[59]
- Bestmögliche Ausstattung mit Hilfsmitteln für den einzelnen Mitarbeiter (…) sowie mit Ausstattung zur gemeinsamen Nutzung z. B. größere Rechenanlagen, Dokumentationsmittel, Mittel der bildhaften Darstellung usw.
- Bestmögliche Kommunikationsmöglichkeiten sowohl für persönliche Kommunikation wie auch über technische Hilfsmittel
Gemäß FwDV 100 ist die Einsatzleitung personalmäßig klein zu halten, aber hochwertig zu besetzen.[60] Ein vergleichbarer Hinweis ist auch bei Schläfer zu finden: „Grundsatz muss sein, daß die Größe des Stabes und der Aufwand an Führungsmitteln dem Einsatzumfang entsprechen, also nach Lage und Auftrag sich zu richten haben: So wenig wie möglich - aber auch unbedingt so viel, wie zur ordnungsgemäßen Führung erforderlich!“[61]
Karsten teilt das Personal, das in operativ-taktischen Stäben des Bevölkerungsschutzes zum Einsatz kommt, in drei Gruppen ein:[62]
- Ehrenamtliche Einsatzkräfte (aus den verschiedensten Tätigkeitsbereichen)
- Verwaltungspersonal von Stadt- und Landkreisen
- Hauptamtliche Einsatzkräfte der Hilfsorganisationen und Feuerwehren.
Die Tatsache, dass das für die Funktionen im Stab ausgewählte Personal in der Mehrzahl hauptberuflich völlig andere Aufgabenfelder bearbeitet, spielt bei verschiedenen Gesichtspunkten, die die Qualität der Stabsarbeit betreffen, eine wichtige Rolle (siehe Kapitel 2.3.1f.).[63]
Kaufmann et al.[64] beschreiben die Folgen, die die Forderung nach einer hochwertigen personellen Besetzung hat: Die hauptberuflichen Führungsdienste einer Feuerwehr, die im Regeldienst in einen Schichtplan für die Technischen Einsatzleiter des Grundschutzes eingebunden sind, besetzen häufig auch die herausgehobenen Funktionen innerhalb eines Stabes. Dies führt zu Engpässen entweder im Bereich des Grundschutzes oder im Bereich der Stabsarbeit.
Die im Kapitel 2.3.1 beschriebenen Engpässe verschärfen sich weiter, wenn die betroffene Gebietskörperschaft gezwungen ist, Stabsfunktionen über mehrere Tage zu besetzen.[65] Das Bundesland Hessen strebt zum Beispiel in seinem Katastrophenschutzkonzept eine doppelte Besetzung der Funktionen im Katastrophenschutzstab für einen Zweischichtbetrieb an.[66] Dabei sieht das hessische Konzept eine Funktionsstärke von 25 vor. Die 26 Unteren Katastrophenschutzbehörden des Landes benötigen in der einfachen Besetzung also schon 650 Personen. Rechnet man die drei Stäbe der oberen Katastrophenschutzbehörden und den Stab der obersten Katastrophenschutzbehörde mit ebenfalls 25 Funktionen pro Stab hinzu, so kommt man insgesamt bei der angestrebten doppelten Besetzung auf die Zahl von 1500 Personen![67]
Bei Bandlow-Hoyer ist die Zahl von zumeist 120 ehrenamtlichen Einsatzkräften zu finden, die für eine Besetzung des Stabes in drei Schichten ausgebildet wurden.[68]
Auch Karsten[69] verweist auf der Basis von 400 unteren Katastrophenschutzbehörden in Deutschland (siehe Kapitel 1.4.5) auf den hohen Personalbedarf und die Problematik der doppelten Personalvorhaltung hin, um Ausfälle kompensieren und einen Schichtbetrieb aufrechterhalten zu können.
Kaufmann et al. messen dem Teambildungsprozess innerhalb eines Stabes große Bedeutung bei. Unter der Überschrift „Der Faktor Mensch im Stab“ werden von ihnen verschiedene Aspekte beleuchtet, die es erschweren, dass in Stäben der Teambildungsprozess gefördert wird:[70],[71]
- Hochrangige Führungskräfte sind es aufgrund ihrer taktischen Ausbildung als Führungskraft vor Ort nicht gewohnt, im Team zu agieren, um ein gemeinsames Lageverständnis zu entwickeln.
- Die Zeit für den Teambildungsprozess reicht nicht aus.
- Hierarchieprobleme
Mitschke verweist auf die Vorteile, die sich durch feste Teams in der Stabsarbeit ergeben (Rollenverteilung ist bekannt und akzeptiert, Stärkung der mentalen Stabilität durch ein gefestigtes „Wir-Gefühl“, Arbeitsabläufe sind verinnerlicht und müssen nicht aufs Neue festgelegt werden).[72]
Bei Garrecht sind ebenfalls Hinweise auf die Aspekte des Gruppen- und Führungsverhaltens zu finden.[73]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Distress entsteht für Einsatzkräfte, wenn Lagebeanspruchungen sich in Richtungen entwickeln, die von den Betroffenen nicht mehr überschaut werden können und dann mit unangenehmen Gefühlen einhergehen. Distress hat negative Folgen auf das Führungsverhalten.[74] Ungerer beschreibt zwei Fälle, die in Krisen- und Katastrophensituationen zu gefährlichen Folgen für Einsatzleitungen führen können: Informationen, die im Übermaß vorhanden sind und fehlende Informationen, die für die Lageeinschätzung und-bewältigung erforderlich sind.[75]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.3: Ursachen für Distress nach der Informationsverarbeitung
(Quelle: Nach Ungerer, durch Verfasser modifiziert)[76]
Zu dem Aspekt der Informationsfülle ist im sogenannten „Kirchbach-Bericht“ zur Flutkatastrophe an der Elbe 2002 folgender Hinweis zu finden:
„Die Möglichkeiten des Festnetzes oder Mobilnetzes stoßen auch dann an ihre Grenzen, wenn sie überbeansprucht werden, weil keine klaren Regelungen für seine Nutzung bestehen. Eine Fülle von Meldungen, Gesprächen, Faxen können einen Stab bis an die Grenzen der Lähmung beanspruchen (Kirchbach 2002 Abschnitt H III Ziffer 4).
Ungerer zählt mehrere Effekte auf, die unter hoher Einsatzbelastung in außergewöhnlichen Lagen bei Führungskräften bei der Informationsverarbeitung wahrnehmbar sind:[77]
- Verlust der Fähigkeit, Lagen zu erkunden, vorauszukalkulieren und zu bewerten; Entscheidungen fallen dadurch zu spät
- Verlust der Fähigkeit, Meldungen zu lesen und zu verarbeiten
- Verlust der Fähigkeit, sich sprachlich auszudrücken (Reduzierung auf fünf-Wort-Sätze)
- Verlust der Fähigkeit, sich zu erinnern (Meldungen werden vergessen; kein Antwortverhalten)
Bei Oestreich ist die Anmerkung zu finden, dass man davon ausgehen kann, dass die Anwender, die im beruflichen oder privaten Umfeld IT-Anwendungen nutzen, sich in ihren Gewohnheiten an die schnelle und effiziente Übertragung von Informationen in großen Mengen gewöhnt haben.
Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Arbeit eines Stabes ist die gründliche Ausbildung und die regelmäßige Vertiefung durch Übungen. Bereits 1976 formuliert der DFV diese Forderung in einer Erklärung zur Waldbrandkatastrophe in Niedersachsen.[78] Diese sehr allgemeingültige Feststellung findet sich wiederkehrend in der Fachliteratur, ohne dass letztendlich diese Aussage durch Angaben zum Umfang und Häufigkeit hinreichend präzisiert werden.[79]
Der grundsätzliche Bedarf an Ausbildung für operativ-taktische Stäbe ist sehr hoch. Karsten errechnet in einem Denkmodell einen Bedarf von 300 Wochen Stabsausbildung und 500 Wochen Fortbildung, der von den Bildungseinrichtungen des Bevölkerungsschutzes bundesweit abgedeckt werden müsste.[80],[81]
Für Einsätze von operativ-taktischen Stäben gibt es in Deutschland keine belastbare Statistik. Allgemein wird in der Fachliteratur darauf hingewiesen, dass die Einsatzerfahrung der operativ-taktischen Stäbe gering ist, die Autoren bleiben aber einen zahlenmäßigen Beleg schuldig.[82]
Die These, dass die Mehrheit der Katastrophenschutzstäbe in Deutschland über viele Jahre keine realen, ungeplanten Einsatzlagen zu bearbeiten hatte, lässt sich mit der Statistik des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV) nur unzureichend stützen, da die Zahlen viel zu hoch erscheinen. Es lässt sich aus der Statistik des DFV nicht herausarbeiten, welche Kriterien für die Einstufung in die Rubrik „Katastrophenalarme“ zur Anwendung kommen.
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Tab.2: Gesamtzahl der "Katastrophenalarme" in Deutschland für Freiwillige Feuerwehren, Berufsfeuerwehren und Werkfeuerwehren (Quelle: Jahrbücher 2007 bis 2011 des DFV)
Auch die Statistik der Münchner Rückversicherung ermöglicht keine belastbare Aussage zur Einsatzhäufigkeit für operative-Stäbe der Führungsstufe D. Sie lässt aber zumindest eine Tendenz erkennen, dass die Zahl von Katastrophen in Deutschland deutlich geringer ist, als die beim DFV genannten Zahlen.
In die Statistik der Münchner Rückversicherung fließen Ereignisse ein, die zu nennenswerten Sachschäden und/oder Verletzten oder Toten geführt haben.[83] Ob dabei die Definition einer Katastrophe nach den jeweiligen Landesgesetzen zur Anwendung kam, lässt sich aus der Statistik nicht ablesen. Jährlich wird im Zeitraum von 1980 bis 2010 die Zahl von 45 Naturkatastrophen in Deutschland nicht überschritten.
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Abb.4: Naturkatastrophen in Deutschland 1980 bis 2011 (Quelle: Münchner Rückversicherung)
Mitschke und Kaufmann et al. weisen darauf hin, dass es Sinn macht, die Alarmierungsschwelle für operativ-taktische Stäbe niedrig anzusetzen, um die Stabs-mitglieder in die Lage zu versetzen, eine gewisse Routine zu erlangen.[84]
Der Waldbrand in der Lüneburger Heide im Jahr 1975 gilt häufig als „Mutter aller Katastrophen“ oder „Geburtsstunde der Stabsphilosophie“, die Einfluss auf die Stabsarbeit in Deutschland hatte.[85]
Dem hält Prendke entgegen, dass es nicht erst dieses Ereignisses bedurfte, um zur damaligen Zeit Schwächen im Führungssystem bei Katastropheneinsätzen in Deutschland zu erkennen. Er verweist dabei auf die Aktivitäten der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren (AGBF), die sich in einer Reihe von Seminaren seit 1974 mit dem Thema „Führungsaufgaben bei Großeinsätzen“ beschäftigte.[86] Auch Thomsen kommt zu der Einschätzung, dass das Ereignis eher eine Wiederbelebung des Themas bedeutete. Er führt aus, dass es nicht an den fehlenden Vorschriften lag, die zu den erkennbaren Schwachstellen im Führungssystem führten sondern eher an der fehlenden Umsetzung.[87]
In der Erklärung des Deutschen Feuerwehr-Verbandes zur Waldbrandkatastrophe in Niedersachsen wird ausgeführt, dass in erster Linie bei der Bewältigung dieses Ereignisses Kritik an der Führung geübt wurde, deren Mängel ihren Ursprung in unzulänglichen Regelungen und Begriffen hatten.[88]
Die Erkenntnisse aus der Waldbrandkatastrophe führten letztendlich zur Einführung der Kats-Dv 100 (siehe Kapitel 1.3.2).
Die Stäbe von häufiger betroffenen Regionen verfügen meist über wiederkehrende Erfahrungen in der Führung der Gefahrenabwehrmaßnahmen über längere Zeiträume.
Insbesondere die Auswertung des Hochwassers an der Elbe im Jahr 2002 hatte Folgen auf die Bewertung der Stabsarbeit in Deutschland.[89]
Erfahrungen liegen in den operativ-taktischen Stäben in Deutschland aufgrund vorplanbarer Großveranstaltungen[90] vor. Es gibt aber kein statistisches Material, mit dem die Häufigkeit und örtliche Verteilung der Erfahrung belegt werden kann.
[...]
[1] Vgl. Weisschnur (2006) S. 7
[2] Die Kenntnis der einschlägigen Dienstvorschriften wird grundsätzlich vorausgesetzt; z. B. Feuerwehr-Dienstvorschrift 100 (FwDV 100)
[3] Ein Stab setzt sich allgemein aus einer Leitungsfunktion, den Leitungsebenen der verschiedenen Stabsbereiche, Führungsassistenz, sowie zusätzlichen, lageabhängig benötigten Fachberaterfunktionen und Verbindungspersonen zu anderen Behörden, Organisationen und Institutionen zusammen. Vgl. FwDV100 Kapitel 3.2.2.2
[4] Vgl. Köhler u. Kirchmann (2008) S. 125
[5] Vgl. FwDV 100 (2003) Kapitel 3.2
[6] Der Begriff „operativ-taktisch“ war bis 1989 im Sprachgebrauch der Feuerwehren und des Katastrophenschutzes in den alten Bundesländern nicht üblich. In der DDR war die Bezeichnung „operativ-taktisches Studium“ als Methode zur zielgerichteten Planung, Organisation und Vorbereitung von Einsatzkräften auf Einsätze ein feststehender Terminus. Vgl. Hähnel (1986) S. 373 und Kamm (1988) S. 359
[7] Vgl. Plattner (1992) S. 5
[8] Vgl. Karsten (2008) S. 752, Kirk (1992) S. 34
[9] Vgl. Körner (2011) S. 866
[10] Vgl. Kaufmann et al. (2011) S. 872-873 (für alle genannten Beispiele aus Bayern)
[11] Vgl. FwDV 100 (2003) Kapitel 3.4.2
[12] Siehe Oestreich (2011a)
[13] Die Abkürzung „E.“ steht für „Einsatz“.
[14] Euro-DMS Ltd
[15] Vgl. Solinger (2012) S. 196f.
[16] Vgl. Graeger et al. (2009) S. 19 und DHI-WASY GmbH
[17] TÜV Rheinland Industrie Service GmbH
[18] Artikel 30 in Verbindung mit Artikel 70ff. Grundgesetz
[19] Beispiel: §2 Abs. 1 und 2 HBKG (Hessisches Gesetz über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz)
[20] Beispiel: §25 Abs. 3 HBKG (Hessisches Gesetz über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz)
[21] BGBl. I S. 776 vom 09. Juli 1968; Schäfer und Limbach (1969)
[22] GMBl. S. 181 vom 07. März 1972
[23] Vgl. KatS-Organisation-Vwv Ziffer 27 Abs. 1
[24] Ebenda Ziffer 34 Abs. 1
[25] Siehe Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz vom 25. März 1997 (BGBl. I S. 726)
[26] Vgl. Plattner (1993) S. 128, Peter u. Mitschke (2001) S. 172
[27] Vgl. Kirk u. Molitor (1991) S. 72, Prendke (1976) S. 83, Plattner (1999) S. 917, Schläfer (1976) S. 82
[28] Vgl. Bundesamt für Zivilschutz (1989) S. 18, Peter u. Mitschke (2001) S. 172
[29] Vgl. KatS-Dv 100 Randnummer 101
[30] Vgl. Prendke (1976) S. 89
[31] Vgl. Jeschke (1976) S. 117 Ziffer 7
[32] Vgl. Peter u. Mitschke (2001) S. 172
[33] Bereits 1976 berichtete Prendke von den Erschwernissen, eine einheitliche Meinungsbildung bei der Erarbeitung der FwDV 12/1 herbeizuführen. Vgl. Prendke (1976) S. 84
[34] Vgl. Plattner (1999) S. 918
[35] Abrufbar unter: http://www.thw-noerdlingen.de/download/DV1-100.pdf(zuletzt abgerufen am 18.03.2012) https://www.drkcms.de/lvwl/fileadmin/bilder/Keller/DRK_DV_100.pdf(zuletzt abgerufen am 18.03.2012) https://www.denis.bund.de/imperia/md/content/dokumente/46.pdf (zuletzt abgerufen am 18.03.2012)
[36] Vgl. Plattner (1999) S. 916
[37] Siehe BGBL. I S. 776 vom 09. Juli 1968, Vgl. Schäfer u. Limbach (1969) S. 32
[38] Siehe GMBl. S. 181 vom 07. März 1972 Ziffer 34ff.
[39] Vgl. Plattner 1992 S. 5, Franke (1992) S. 17
[40] Vgl. Deutscher Feuerwehrverband (1976) S. 129
[41] Vgl. Jeschke et al. (1976) S. 117
[42] Vgl. Franke (1992) S. 19
[43] Vgl. Broemme (2002) S. 10
[44] Vgl. Kircher (2008) S. 239 und Karsten (2008b) S. 752 u. S. 754
[45] Vgl. Schreiben des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20. Oktober 2011, AZ 73 - 52.03.04 - MoFüst
[46] Statistisches Bundesamt (2010), Lehmann und Proll (2010)
[47] Vgl. Karsten (2008b) S. 752
[48] Vgl. Deutscher Feuerwehrverband (1976) S. 129
[49] Die Organisation ziviler Stäbe lässt sich auf die militärische Form der Generalstäbe zurückführen.Vgl.Horstmann (2009) S.22-23
[50] Vgl. Plattner (1999) S. 915
[51] Vgl. Garrecht et al. (2012) S. 9, Garrecht (2011) Anhänge III und IV
[52] Vgl. Körner (2011) S. 867
[53] Vgl. Plattner (2006) S. 120, Schindler-Renck et al. (2007) S. 92
[54] Vgl. Körner (2011) S. 866
[55] Vgl. Prendke (1976) S. 90
[56] Die Bedeutung der Sitzordnung ist Thema in einer Masterarbeit im 5. Jahrgang des KaVoMa-Studienganges unter dem Titel „Kommunikation in operativ-taktischen Stäben - Einfluss der Sitzordnung auf das Kommunikationsverhalten“ von Sebastian Grossmann (noch nicht veröffentlicht, Stand: März 2012).
[57] Vgl. Garrecht et al. (2011) S. 20
[58] Vgl. Körner (2011) S. 869
[59] Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.) (1989) S. 852 Ziffer 1.7
[60] Vgl. FwDV 100 (2003) Kapitel 3.2.2.2
[61] Vgl. Schläfer (1986) S. 52
[62] Vgl. Karsten (2008) S.753
[63] Vgl. Karsten (2007) S. 873
[64] Vgl. Kaufmann et al. (2001) S. 874
[65] Vgl. Jeschke et al. (1976) S. 116f., Thomsen (1976) S. 9, Kaufmann et al. (2001) S. 874
[66] Vgl. Hessisches Innenministerium (2011) S. 27
[67] Vgl. Hessisches Innenministerium (2011) Anlage 2 S. 1-6
[68] Vgl. Bandlow-Hoyer (2008) S. 657
[69] Vgl. Karsten (2008) S. 753
[70] Vgl. Kaufmann et al. (2011) S. 874f.
[71] Auch Nötzel verwendet den Begriff „schlechte Teamarbeit“. Vgl. Nötzel (2011) S. 36
[72] Vgl. Mitschke (1993) S. 406
[73] Vgl. Garrecht (2011) Anhang IV
[74] Vgl. Ungerer (1997) S. 209
[75] Ebenda S. 210
[76] Vgl. Ungerer (1997) S. 210 Abb. 4.16
[77] Ebenda S. 216
[78] Vgl. Deutscher Feuerwehrverband (1976) S. 129
[79] Vgl. Mitschke (1993) S. 406
[80] Vgl. Karsten (2008) S. 753
[81] Im Jahr 2012 stehen für die Ausbildung von Personal für operativ-taktischen Stäbe Lehrgangsplätze für Einzelpersonen und geschlossene Führungsgremien an 116 Terminen an der AKNZ zur Verfügung (Quellen: Jahresprogramm 2012 der AKNZ und Mail von Herrn Karsten vom 12.03.2012 an den Verfasser)
[82] Vgl. Franke (1992) S. 19, Garrecht et al. (2012) S. 9, Karsten (2008) S. 753
[83] Siehe E-Mail vom 06. März 2012 von Frau Angelika Wirtz an den Verfasser
[84] Vgl. Mitschke (1993) S. 406, Kaufmann (2011) S. 876
[85] Vgl. Franke (1992) S. 19, Peter u. Mitschke (2001) S. 172
[86] Vgl. Prendke (1976) S. 83f.
[87] Vgl. Thomsen (1976) S. 8
[88] Vgl. Deutscher Feuerwehrwehrverband (1976), Jeschke (1976) S. 116
[89] Vgl. Broemme (2002), S. 9, Kirchbach (2002) Abschnitt K IV, Plattner (2006) S. 124
[90] Eine Großveranstaltung ist ein Ereignis, bei dem eine sehr große Anzahl von Teilnehmern erwartet wird. Die Veranstaltung ist von besonderer regionaler, nationaler oder internationaler Bedeutung und findet meist im
innerstädtischen Bereich oder auf besonderen Flächen statt. Quelle: vfdb-Richtlinie 03/03 Ziffer 1 (09/2010)
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