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Bachelorarbeit, 2011
29 Seiten, Note: 2,0
1. Einleitung
2. Filmgeschichte als Mediengeschichte
3. Das Cinema of Attractions
4. Die Geschichte des Films in 3D
4.1. Stereoskopische Experimente
4.2. Versuche ohne wirtschaftlichen Erfolg
4.3. Der erste Boom
4.4. Rezession und Stagnation
4.5. IMAX®
4.6. Der zweite Boom durch die Digitalisierung
5. Fazit und Ausblick
6. Literaturverzeichnis
6.1. Print-Publika Seite
6.2. Internet-Publika
Kurz nach der Jahrtausendwende steigen die Einnahmen der Filmindustrie und die Be- sucherzahlen in Deutschen Kinos nach langer Zeit wieder. Und das trotz höherer Kosten und anhaltendem Kinosterben. Der Grund? 3D! 2010 steht fest, dass ein 3D im Ver- gleich zum 2D Kinofilm zwar höhere Produktionskosten hat, aber dafür deutlich höhere Einnahmen erzielt. Die Digitalisierung des Kinos und der Produktionsstufen hat einen Boom möglich gemacht.1
Die gegenwärtige Konjunktur des 3D-Kinos ist jedoch nicht plötzlich oder zufällig son- dern Resultat einer technischen und wirtschaftlichen Entwicklung seit Anfang der Film- geschichte. Denn bereits fünf Jahre bevor die Gebrüder Lumière 1895 ihren berühmten ersten Film „Ankunft eines Zuges in La Ciotat“ präsentierten, patentierte der Brite Wil- liam Friese-Greene eine Maschine zur stereoskopischen Präsentation von Filmen, die allerdings technisch derart aufwendig war, dass sie nicht für den Einsatz in Theatern oder auf großen Leinwänden geeignet war.
Die 2D Filmgeschichte im europäischen Raum ist ab Lumière auf unterschiedliche Weisen beschrieben worden. Ein einheitliches Modell gibt es jedoch nicht, da der Auf- wand einer vollständigen Beschreibung nach Filmen, Produktion, Kontexten und Tech- nik zu groß wäre2. So wird die Filmgeschichte in unterschiedlichen Herangehensweisen (Institutionen, Medialitäten, Produkte, Rezeption, etc.) beschrieben. Die Geschichte des 3D Films spielte in der wissenschaftlichen Beschreibung der Filmgeschichte bisher al- lerdings fast keine Rolle. Dabei handelt es sich bei 3D um die konstante Fortführung und Weiterentwicklung eines Kinos als Attraktion3, wie es einst aus Guckkasten und Laterna Magica hervorging. 3D entwickelte sich nicht nur in und für die Kinos, sondern behielt gleichzeitig seinen Stand auf den Jahrmärkten und Volksfesten der Welt und hat mittlerweile eine technische Entwicklung vorzuweisen, die ebenso komplex ist, wie die des zweidimensionalen Films. Im Glanz des Kinos spiegelt sich in der 3D Präsentation von Filmen der ursprüngliche Gedanke des Kinos wider seine Zuschauer zu involvieren und zu faszinieren.
Für die Darstellung der historischen Entwicklung des Films in 3D erklärt diese Arbeit zunächst die Phasenmodelle zur Filmgeschichte von Werner Faulstich und James Mo- naco, um anschliessend deren Parameter Technik, Wirtschaft und eine Auswahl rele- vanter Filme für ein Phasenmodell der Stereoskopie, des 3D-Films, zu verwenden. Zur weiteren Verdeutlichung der aktuellen Relevanz und der historischen Einordnung des Themas dienen die Gedanken von Tom Gunning zum „Cinema of Attractions“.
Da es an wissenschaftlicher Literatur zum stereoskopischen Film mangelt, stützt sich diese Arbeit in der Bildung von Phasen auf die Inhalte ausgewählter, beschreibender Internetquellen von Fachzeitschriften und Film-Fans, deren Aussagen durch Prüfung von Übereinstimmungen und durch den Abgleich der Daten mit Lexika auf ihre Rich- tigkeit geprüft werden. Eine Analyse nach Primärquellen wäre in diesem Rahmen nicht möglich. Zur Darstellung des wirtschaftlichen Kontextes, der sich ebenso wie die Film- geschichte nicht global vereinheitlichen lässt, dienen die Zuschauerzahlen der Kinos in Deutschland als relevanter Indikator, die seit 1925 von der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V. veröffentlicht wurden.
Für das Verständnis dieser Arbeit sei erklärt, dass 3D in diesem Text immer stereosko- pischen Film und nicht Holographie oder andere Versuche der Kreation von visuellem Raum meint.
Als tertiäres Medium steht der Film im Kontext des Interesses der Mediengeschichtsschreibung, die in den Feldern Institutionsgeschichte, Technikgeschichte, Programmund Produktgeschichte sowie der Rezeptions- und Wahrnehmungsgeschichte aktiv ist.4 Neben der Geschichte einzelner Filme als Produkte bedeutet die historische Aufarbeitung und Analyse von Film, als komplexes Kommunikationsmedium, somit die Berücksichtigung aller Aspekte und Dimensionen eines Films (wie z.B. Produktion, Verleih, Rezeption, Ästhetik, Sprache, Musik, Schauspieler, Technik, Regie, Kamera, Besucher, Institutionen, Wirtschaftliche Umstände, etc.).
„Eine solch umfassende Filmgeschichte als Mediengeschichte ist heute noch nicht möglich; dafür fehlen zu viele Vorarbeiten. Außerdem müsste sie derart umfangreich sein, dass sie wohl nur von vielen Menschen geschrieben werden könnte und nur von wenigen Menschen gelesen würde.“5
Die vollständige Geschichte des Mediums Film wurde auf Grund ihres Ausmaßes noch nicht geschrieben. Stattdessen gibt es unterschiedlichste Ansätze, die einzelne Filme oder Gruppen von Filmen aus unterschiedlichen Perspektiven, unterschiedlich konstru- iert, beschreiben.
„Vom Ideal einer umfassenden Systemgeschichte, die alle Aspekte des Films als Kommunikationsmedium umfassen müsste, sind wir sowieso weit entfernt. Aber auch von einer ganzheitlichen, universalistischen Filmgeschichte, die möglichst alle Perspektiven miteinander verbinden würde, kann keine Rede sein.“6
So existiert eine unübersichtliche Geschichtsschreibung unterschiedlichster Autoren, von Einzelfilmen und Genres sowie ihren Machern und ihren Kontexten, die von lokal bis global nach unterschiedlichen Filtern und Kriterien darstellt, wie sich der Film vom technischen Ursprung bis in die Gegenwart verhalten und entwickelt hat. Aber es gibt auch übersichtliches und komprimiertes aus nationaler und internationaler Sicht. Ein Phasenmodell aus Deutscher Perspektive liefert Werner Faulstich 2005 in seinem Werk zur Filmgeschichte. Es sei an dieser Stelle in diese Arbeit eingebracht, da es den Gedanken von Phasen des Films nicht anhand unterschiedlichster inhaltlicher sondern äußerer Faktoren erarbeitet, und so eine Orientierung bietet, die der weiteren Ausarbeitung des Themas in dieser Arbeit von Vorteil ist. Da diese Arbeit nicht das Ziel verfolgt, über die vollständige wissenschaftliche Arbeit zur Geschichte des Films zu informieren, sondern den Aspekt von 3D in diese einordnen möchte, werden die einzel- nen Phasen nach Faulstich7 im Folgenden als Überblick skizziert, jedoch nicht vollstän- dig erklärt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Vgl. Faulstich, Werner (2005): Filmgeschichte. S. 11
Die erste Phase charakterisiert sich vor allem durch vier Aspekte einer technischen Entwicklung. So wurden die bekannten Projektionstechniken verbessert und neue ent- wickelt, der stroboskopische Effekt entdeckt, und das Zelluloid erfunden, das als Mate- rial für Film genutzt werden konnte. Die Weiterentwicklung und Verbreitung der Foto- grafie führte zur immer realeren Bildern. Es entstanden erste Techniken und Apparate für bewegte bzw. laufende Bilder in einer Gesellschaft, deren Wachstum zu einem stei- genden Bedarf nach Unterhaltung führte. Die Technik der französischen Brüder Lu- mieré setzte sich schließlich durch und gilt als Grundstein des Kinos, seit diese am 28. Dezember 1895 in Paris eine erste Aufführung vor Publikum gegen Bezahlung veran- stalteten. In den folgenden Jahren bildete sich eine lukrative Industrie, die Filme produ- zierte und an stationäre Theater oder Wanderkinos vertrieb.
Im Laufe weniger Jahre hatte sich der Film als Attraktion für alle gesellschaftlichen Schichten erwiesen. Es bildeten sich Lichtspielhäuser, die hauptsächlich von einer in- dustrialisierten Filmproduktion weniger großer Anbieter mit Stummfilmen bedient wur- den. Neben dieser Entwicklung waren es Aspekte wie der Trend zum abendfüllenden Langfilm und die Herausbildung von Genres und Filmstars, welche die zweite Phase bezeichnen. 1914 gab es im Deutschen Reich 2.900 Kinos, die täglich von fast 1,4 Mio.
Zuschauern besucht wurden als der erste Weltkrieg (1914 bis 1918) eine plötzliche Re- zession der Filmindustrie im europäischen Raum brachte, welche von der amerikani- schen Filmindustrie, als stärkste Kraft, technisch und organisatorisch genutzt wurde. Mit der Entwicklung des Lichtton-Systems und dem Aufbau des berühmten Studiosys- tems markierte Hollywood in der dritten Phase seinen dominierenden Stellenwert in der Filmbranche, während sich in Europa nationale Besonderheiten wie der expressio- nistische Film in Deutschland oder der poetische Realismus in Frankreich weiter entwi- ckelten. Die Besucherzahlen in Deutschen Kinos waren zwar rückläufig, aber nicht dramatisch rezessiv. So konnten laut Angaben der Spitzenorganisation der Filmwirt- schaft e.V. von 1925 bis zum Beginn des Dritten Reichs durchschnittlich fast 300 Milli- onen Kinobesuche pro Jahr verzeichnet werden.8 Das Jahr 1933 stellt mit der Machter- greifung der Nationalsozialisten den Anfang der vierten Phase und den massivsten Einschnitt in die Deutsche Filmbranche dar. Berufsverbote und Zensur, Verstaatlichung der Filmindustrie und die explizite Propaganda über das Medium Film veränderten bis 1945 grundlegend das Verständnis von Film in Deutschland. Die Gründung einer Film- kammer unter Joseph Goebbels und der Versuch einer Imitation des amerikanischen Studiosystems führte allerdings unter inhaltlichen und qualitativen Einbußen zur Zeit des zweiten Weltkriegs (1942 bis 1945) mit durchschnittlich über einer Milliarde Kino- besuchern pro Jahr9 zu der höchsten Reichweite des Kinos in der Geschichte Deutsch- lands. Es liegt nahe zur vermuten, dass in jener Zeit ein Bedürfnis der Bevölkerung nach Unterhaltung, bzw. ein verbreiteter Eskapismus, zu diesen Werten geführt hat. Nach dem Krieg wurden die nationalspezifisch geprägten Filmkulturen überwunden. In der fünften Phase kamen eine Vielzahl neuer Filme auf die Märkte, mit neuen interna- tionalen Subgenres, Regisseuren und Filmstars. Science Fiction, Psychothriller, Kriegs- und Heimatfilme sind nur einige dieser neuen Arten des Films. Anfänglich geringe Filmbesucherzahlen von lediglich 150 Mio. im Jahr 1945 erholten sich auf bis zu 817,5 Mio. in 1956.10 Die Einführung des öffentlich rechtlichen Fernsehens zwischen 1950 die Besucherzahlen im Kino in der sechsten Phase erneut reduzierte. 1975 waren es noch 128,1 Millionen Kinobesucher pro Jahr. Ein Wert, der sich bis in die Gegenwart nur noch marginal ändern sollte.11 Das Kino in Deutschland antwortete zunächst mit kommerziellen Serienfilmen (z.B. Edgar-Wallace), während Filmemacher wie Alexan- der Kluge, Wim Wenders und andere (Oberhausener Manifest) den Film als Kunst wei- terentwickelten. Die siebte Phase von 1975 bis 1990 kennzeichnet sich vorwiegend durch die weitere Ausdifferenzierung und Weiterentwicklung von Genres und durch die Co-Existenz mit dem Fernsehen (Einführung des dualen Rundfunksystems 1984). Auch neue Speichertechniken wie der Videorekorder (1978) verändern das Umfeld der Film- industrie. Neben einer massiven Welle aus Action, Horror, Gewalt und Sex aus Ameri- ka (z.B. Apocalypse Now, Rocky, Halloween, Alien, Superman, Die Blaue Lagune etc.) legt in Deutschland das Film/Fernseh-Abkommen 1974/75 den Grundstein für neue Produktionsmöglichkeiten des deutschen Kinofilms, der zu Kooperationen von Kino und Fernsehen führt (z.B. Das Boot). Insgesamt entwickelt sich die Technik des Kinos kontinuierlich weiter und führt zu immer besseren Bildern und Sounds (BEISPIELE). Digitalisierung und Globalisierung sind nach Faulstich die Schlagworte für die achte Phase, in der wir uns Gegenwärtig befinden. Künstliche Welten und Special Effects werden immer authentischer und dadurch auch teurer. Produktion und Verwertung in der Filmindustrie sind endgültig globalisiert und in Konzernen organisiert. Analog zu den Anfängen des Kinos, zur ersten Industrialisierung des Films, bilden sich, ähnlich den Lichtspielhäusern Anfang des letzten Jahrhunderts, weltweit große Multiplex- Kinos, die wie Erlebnisparks das Kino erneut zum Event erheben.
Es ist wichtig anzumerken, dass Faulstich in seinem Werk von 2005 weitere für den Film relevante und prägende digitale Faktoren wie DVD, PayTV, das Internet oder mo- bile Endgeräte nicht berücksichtigt hat. Nach Fernsehen und Video/DVD ist das Inter- net als hybrides Medium sicherlich aktuell die größte Herausforderung an alle anderen Massenmedien. Für den Film stellt das Internet mittlerweile nicht nur wichtige neue Vertriebs und Produktionswege dar, sondern seit Mitte der neunziger Jahre vor allem eine große Gefahr als Tauschbörse für Raubkopien (Anm. d. V.). Weiterhin erwähnt Faulstich nicht explizit die neuen technischen Möglichkeiten auf Produktionsseite als Grundlage neuster Entwicklungen wie dem modernen 3D-Kino oder der qualitativ im- mer hochwertigeren Kamera- und Schnitttechnik für Amateure (z.B. HD Video DSLR Kameras und Consumer-Software wie z.B. Final Cut Express).
Ein ähnliches aber internationales Modell, ebenso in acht Phasen, das sich an äußeren Faktoren und nicht an den Filmen selbst orientiert, skizziert James Monaco in seinem Werk „Film verstehen“. Obwohl er in den unterschiedlichen Kapiteln in erster Linie die inhaltlichen Aspekte behandelt, schlägt er für die Geschichtsschreibung von Film mit Rücksicht auf die Übersichtlichkeit die Einflüsse Ökonomie, Politik und Technik vor. 12 Es geht ihm dabei nicht um eine Beschreibung von Ursachen und Wirkungen oder um Wahrheiten einzelner Erklärungen, sondern um das Verständnis von Zusammenhängen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Vgl. Monaco, James (2008): Film verstehen. S. 232ff
Im Gegensatz zu Werner Faulstich bezieht sich James Monaco nicht speziell auf Deutschland, sondern versucht einen weniger ausführlichen internationalen Blick.
Dementsprechend sind die Phasen ähnlich beschrieben, unterscheiden sich jedoch zum Teil in der zeitlichen Abgrenzung. Deutlich wird dieser Unterschied beispielsweise an der Konfrontation von Kino und Fernsehen, die außerhalb von Deutschland deutlich früher begonnen hat. Auch umschreibt Monaco die Gegenwart nicht speziell als digita- lisiert und globalisiert, sondern den Film als eine Facette eines weitgefächerten Ange- bots der Unterhaltungs- und Kommunikationsmedien. Er bleibt mit dieser Einschätzung auf einer abstrakteren, generelleren Ebene, die auch das Internet beschreiben könnte.
[...]
1 Vgl. Wegener, Claudia / Jockenhövel, Jesko (2009): 3D-Kino im Urteil des Publikums. In: Media Perspektiven 09/2009. S. 504
2 Vgl. Faulstich, Werner (2005): Filmgeschichte. S. 7
3 Vgl. Gunning, Tom (1990): The Cinema of Attractions. Early Film, Its Spectator and the Avant-Garde. In: Elsaesser, Thomas (Hrsg.): Early Cinema: space - frame - narrative. S. 56ff
4 Vgl. Hickethier, Knuth (2003): Einführung in die Medienwissenschaft. S. 348ff
5 Faulstich, Werner (2005): Filmgeschichte. S. 7
6 ebd. S. 9
7 Vgl. Faulstich, Werner (2005): Filmgeschichte. S. 15ff
8 Vgl. Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V., Filmbesuch 1925-2010 (2010). <http://www.spio.de/index.asp?SeitID=381&TID=3>.
9 Vgl. ebd.
10 Vgl. ebd.
11 Vgl. ebd.
12 Monaco, James (2008): Film verstehen. S. 232ff