Seminararbeit, 2012
8 Seiten
1 Einleitung
1.1 Kurzzusammenfassung des Romanes Berlin Alexanderplatz
2 Montagetechniken
2.1 Literatur und Montage
2.2 Montagetechnik in Berlin Alexanderplatz
3 Die Bedeutung des Stilmittels der Montagetechnik für den modernen Roman
3.1 Die Krise des Romans
4 Fazit
5 Literaturverzeichnis
1929 erschien der moderne Roman Berlin Alexanderplatz. Alfred Döblins Antwort auf die Romankrise[1] zählt zu den bedeutendsten Großstadtromanen der heutigen Zeit. Der Autor versuchte das Berliner Milieu nahezu realistisch widerzuspiegeln. Dazu bediente er sich vorwiegend der Montagetechnik. Mit Hilfe der avantgardistischen Schreibtechnik schaffte Döblin geradezu ein Kunstwerk des Wortes. Er erlangte den Höhepunkt expressiver Sprachgestaltung und entwickelte einen neuen Naturalismus.[2] Die folgende Arbeit wird sich genau mit dieser Schreibtechnik befassen und Berlin Alexanderplatz daraufhin gehend untersuchen. Zunächst werde ich kurz den Inhalt zusammenfassen, da dieser meiner Meinung nach grundlegend für das Verständnis der Bedeutung des Stilmittels der Montagetechnik für den Roman ist.
Der gutartige, charakterlich schwache Protagonist Franz Biberkopf saß vier Jahre lang im Tegeler Gefängnis, da er zuvor seine Freundin Ida im Affekt erschlagen hat. Nach seiner Entlassung versucht er als anständiger Bürger seinen Weg in das Leben zurückzufinden. Dabei findet er sich in der hektischen Großstadt kaum zurecht und stolpert von einem Unglück in das nächste. Er wird in die kriminellen Handlungen seines Freundes Reinhold hineingezogen und diese werden ihm zum Verhängnis. Er erleidet drei Schicksalsschläge, die ihn immer tiefer fallen lassen. Daraufhin ist Biberkopfs Lebenswille gebrochen und er wird in die Irrenanstalt eingewiesen. Am Ende dieser „Gewaltkur“[3] erscheint ihm der personifizierte Tod und die Wendung tritt ein: Biberkopf erlangt zu folgender Erkenntnis: „verflucht ist der Mensch, der sich auf Menschen verläßt“[4]. Er wird als kritischer Mensch gegenüber seinen Mitmenschen wiedergeboren und legt seine naive Art ab in dem er selbstbestimmt handelt.[5]
Seit dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts arbeitet die literarische Gattung, der Roman, mit dem Prinzip vorgefertigte Teile zu einem Ganzen zusammenzusetzen, der Montage.[6] Bereits zuvor wurde mit dem Stilprinzip der Montage in Ansätzen gearbeitet.[7] Hier wurden vorwiegend ikonographische und poetische Mythologien und Bibelzitate formelhaft zusammengesetzt.[8] Die Montage des 20. Jahrhunderts steht jedoch für den radikalen Bruch mit der Tradition[9] und hat sich dies gänzlich zur Zielsetzung gemacht. Hierfür ist ebenfalls das befremdete Verhalten der Leser zuständig.[10] James Joyce schuf mit seinem epischen Werk der Montagetechnik „Ullyses“ eines der ersten modernen Montagewerken, welches damals als obszön aufgegriffen wurde und heute als ein international bedeutsames Werk eingeordnet wird.
Das Prinzip der Montagetechnik in Berlin Alexanderplatz versucht die Hektik und das Chaos der zeitgenössischen Großstadt darzustellen. Berlin gehörte um den Wechsel des 19. zum 20. Jahrhunderts zu den am rapide wachsenden Städten der Welt. Döblin kannte die sozialen Brennpunkte und das Treiben um den Berlin Alexanderplatz, da er als Kassenarzt in der Nähe des Standortes ansässig war.[11] Der Autor arbeitet mit verschiedenen Handlungssträngen und einem andauernden Wechsel zwischen den sprachlichen Mitteln. Hierbei bietet er ein intensives Mosaik unermesslicher Vielfalt. Unter anderem werden Börsenberichte, amtliche Publikationen, Zeitungsartikel, Reklametafelsprüche, Schlagertextfragmente, medizinische Abhandlungen, Bibelzitate „sprach Jeremia, wir wollen Babylon heilen“[12], Berliner Jargon „Wo soll ick armer Deibel hin“[13], Werbeslogans, Statistiken und Kommentare des Autors zusammengesetzt.[14]
Die Hauptgeschichte Biberkopfs wird nicht nur um eigenständige und parallele Szenen ergänzt, sondern diese werden in die Handlung hineingeschoben und konstruktiv zusammengefügt.[15] Döblin sammelte zur Entstehungsgeschichte des Romanes diverse Zeitungsausschnitte und montierte diese in Anlehnung an die Dada Kunst in sein Manuskript. Der rote Faden des Romanes, die Geschichte vom Franz Biberkopf, wird gepolstert und gesplittet durch die Montageelemente.[16] Dieses äußerste Verfahren der Montage ist die Technik der Collage. Das Collageprinzip montiert Texte zusammen, die verschiedene Bedeutungsebenen in den Text einbringen. Die Textmontage erhält dadurch einen „atmosphärischen Charakter“[17]. Das Symbol der Stadt wird durch die Collagetechnik als melting pot der Kräfte und Energien, welche Berlin Ende der Zwanziger Jahre dominierten, darstellbar.[18] Dieses Kraftfeld der individuellen und kollektiven Energien ist eine Metapher der Moderne.[19] Hervorzuheben ist, dass die Technik der Collage nicht die Zerstückelung der Sprache beabsichtigt, sondern mit Hilfe dieses Stilmittels das Panorama der Stadt verdichtet.[20] Das Zusammenfügen verschiedener Sprachstile lässt sich ebenfalls auf den Erzählermodus und seine Position im Roman übertragen.Der Erzählermodus ist nicht direkt einzuordnen, da er ständig wechselt und dadurch ebenfalls montiert wirkt. Der verwirrende Eindruck, erzeugt durch die Montagetechnik, wird durch die „Pluralisierung von Modus und Stimme des Erzählens“[21] verstärkt. Ein Wechsel findet zum Beispiel innerhalb eines Satzes zwischen dem Erzählerbericht „Er bemerkte...“[22] und dem autonomen inneren Monolog „als dann können...“[23] statt. Bereits im Prolog berichtet der hier auktoriale Erzähler und liefert vorab einstimmende Informationen „Wir sehen am Schluss...“. Das Prinzip des hier auktorialen Erzählers
[...]
[1] siehe Kapitel 3.1 Die Krise des Romans
[2] vgl. B.B-KLL „Berlin Alexanderplatz. Die Geschichte vom Franz Biberkopf“, in: Jens, Walter (Hg.) Kindlers
neues Literaturlexikon, München 1998, S. 742-743, hier: 743
[3] Sander, Gabriele „Berlin Alexanderplatz. Die Geschichte vom Franz Biberkopf“, in: Arnold, Heinz Ludwig (Hg.) Kindlers Literaturlexikon, Stuttgart 2009, S. 667-668, hier: S.667
[4] B.B-KLL: „Berlin Alexanderplatz. Die Geschichte vom Franz Biberkopf“, S. 742
[5] vgl. Abel, Volkmar Die Angst vor der Wahrheit, Norderstedt 2001,S. 23
[6] vgl Klotz, Volker „Zitate und Montage in neuerer Literatur und Kunst“, in: Weisstein, Ulrich (Hg): Literatur und bildende Kunst: ein Handbuch zur Theorie und Praxis eines komparatistischen Grenzgebietes, Berlin, 1992 S.180
[7] vgl ebd
[8] vgl ebd
[9] vgl ebd
[10] vgl ebd
[11] vgl Vietta, Silvio Der europäische Roman der Moderne, München 2007, S. 202
[12] Döblin, Alfred Berlin Alexanderplatz. Die Geschichte vom Franz Biberkopf. München 2011, S. 14
[13] ebd, S. 10
[14] B.B-KLL: „Berlin Alexanderplatz. Die Geschichte vom Franz Biberkopf“, S. 742
[15] vgl Streim, Gregor „Einführung in die Literatur der Weimarer Republik“, in Grimm, Gunter und Bogdal, Klaus-Michael (Hg): Einführungen Germanistik, Darmstadt, 2009, S. 122
[16] vgl Kindlers Literaturlexikon S. 668
[17] Vietta: Der europäische Roman der Moderne, S. 209
[18] vgl ebd S. 212
[19] vgl ebd
[20] vgl ebd S. 216
[21] Streim, Gregor: Einführung in die Literatur der Weimarer Republik, S. 122
[22] Döblin: Berlin Alexanderplatz, S. 131 f.
[23] Döblin: Berlin Alexanderplatz, S. 131 f.
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