Examensarbeit, 2009
134 Seiten, Note: 2,0
Didaktik für das Fach Französisch - Grammatik, Stil, Arbeitstechnik
I Einleitung
II Bilingualer Sachfachunterricht
1. Definition und Spezifika
2. Ziele des bilingualen Unterrichts
3. Vor- und Nachteile
4. Kriterien für die Aufnahme in den bilingualen Zweig
5. Bewertung der Schülerleistungen
6. Persönliche Erfahrung
III Textarbeit im bilingualen Erdkundeunterricht
1. Texte im bilingualen Erdkundeunterricht
1.1. Kontinuierliche Texte
1.2. Nicht-kontinuierliche Texte
2. Materialien im bilingualen Erdkundeunterricht
2.1. Deutschsprachige Bücher
2.2. Französischsprachige Bücher
2.3. Die „Reihe bilingualer Unterricht“
3. Integration von sachfachlichem und fremdspachlichem Lernen
4. Sprachwechsel beim bilingualen Lehren und Lernen
IV Der bilinguale Zweig am Gymnasium Siegburg Alleestraße als Beispiel aus der Schulpraxis
1. Organisatorischer Ablauf bis zum AbiBac
2. Textarbeit am Gymnasium Siegburg Alleestraße
2.1. Sekundarstufe I
2.1.1. Arbeit mit Texten aus Büchern
2.1.2. Arbeit mit von Schülern verfassten Texten
2.1.3. Fremdsprachliches und sachfachliches Lernen
2.1.4. Code-switching
2.2. Sekundarstufe II
2.2.1. Arbeit mit Texten aus Büchern
2.2.2. Arbeit mit von Schülern verfassten Texten
2.2.3. Fremdsprachliches und sachfachliches Lernen
2.2.4. Code-switching
3. Einstellungen der Lehrer zum bilingualen Unterricht
3.1. Schulleiter
3.2. Fachlehrer für Erkunde-bilingual
4. Meinungen der Schüler zum bilingualen Unterricht
5. Ansichten ehemaliger Schüler zum bilingualen Unterricht
6. Persönliche Bewertung des bilingualen Zweiges
V Schlussbetrachtung
VI Literaturverzeichnis
VII Anhang
1. Auswertung der Fragebögen der Absolventen (Abitur 2004)
2. Auswertung der Fragebögen der Schüler
2.1. Klasse 7d
2.2. Klasse 9d
2.3. Jahrgangsstufe 12
2.4. Jahrgangsstufe 13
3. Auswertung der Lehrerbefragung
4. Statistik über die Schülerpopulation im bilingualen Zweig (Gymnasium Siegburg Alleestraße)
„Dann sprichst du ja perfekt Französisch“ ist zumeist die Reaktion, wenn Menschen hören, dass ich ein deutsch-französisch bilinguales Abitur gemacht habe, denn mit dem Begriff „bilingual“ verbindet die Mehrheit die Beherrschung zweier Sprachen auf Muttersprachenniveau. Dabei wird verkannt, dass bilingualer Unterricht zwar als Ziel eine annähernd muttersprachliche Kompetenz in der Fremdsprache anstrebt, diese jedoch nur selten erreicht wird, da die Schulen keine Zweisprachigkeitsbedingungen schaffen können, die zum realen Kontakt von zwei Sprachen führen. Außerdem wird nicht beachtet, dass es kein ausschließlich in französischer Sprache stattfindender Unterricht ist, sondern Unterricht in zwei Sprachen, der Mutter- und der Fremdsprache, wodurch die Sprachkompetenz eben nicht hin zu einem Muttersprachenniveau perfektioniert werden kann.
Während eines Fachdidaktikseminars wurde mir durch die Lektüre eines Textes, der das bilinguale Abitur thematisierte, und die anschließende Diskussion zum ersten Mal bewusst, wie enorm positiv bilinguale Bildungsgänge aus der Sicht von Didaktikern gesehen werden. Durch bilinguale Zweige würden Schüler[1] eine annähernde Zweisprachigkeit erlangen, wären fachlich ebenso kompetent wie sprachlich, hätten ein thematisch extrem breit gefächertes Vokabular, besonders in den Bereichen Geographie, Geschichte und Politik. Nachteile bringe diese Unterrichtsform grundsätzlich keine mit sich, lediglich zahlreiche Vorteile, besonders für die sprachliche Weiterentwicklung.
Diese (fast) ausschließlich positive Sicht würde ich nicht so extrem wie Mentz vertreten, der glaubt, dass die „die Erwartungen an der schulischen Realität vorbeiziehen“ (Mentz 2004), jedoch möchte ich verdeutlichen, dass sich diese Beschreibungen in der Literatur nicht vollständig mit meinen eigenen Erfahrungen aus der Schulzeit deckten, was mich motivierte, als Thema meiner Staatsarbeit „bilingualen Unterricht“ zu wählen.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Besonderheiten des bilingualen Bildungsganges aufzuzeigen und dabei auftretende Schwierigkeiten herauszustellen. Vor allem sollen die Beobachtungen aus der Praxis durch meine eigene Schulzeit sowie Hospitationen während der Bearbeitungszeit der Staatsarbeit mit den theoretischen Erläuterungen aus der Fachliteratur verglichen werden. Einen Schwerpunkt stellt hierbei die Textarbeit dar, die im bilingualen Unterricht als Basis der Inhaltsvermittlung sowie der Einübung von Lesestrategien dient. Aus diesem Grund ist auch die Analyse des verwendeten Materials vorgenommen worden.
Es soll verdeutlicht werden, dass aufgrund fehlender bzw. wenig präziser Richtlinien und Lehrpläne sowie einer fehlenden speziellen Sachfachdidaktik für den bilingualen Zweig viele Punkte in der Praxis nicht so umgesetzt werden, wie es wünschenswert wäre. Deshalb soll nicht nur von den Vorteilen, sondern auch von den Nachteilen gesprochen werden.
Zur Beantwortung dieser Fragestellung wurde wie folgt vorgegangen:
Im ersten Teil der Arbeit sollen zunächst die Grundlagen bilingualen Sachfachunterrichts geklärt werden. Um zu verdeutlichen, von welchem Modell bilingualen Lernens die Rede sein wird, steht zu Beginn eine Definition. Da meine Arbeit sich speziell mit dem bilingualen Erdkundeunterricht beschäftigt, folgt eine Erläuterung der Merkmale, die bilingualen Erdkundeunterricht auszeichnen. Danach werden Vor- und Nachteile bilingualen Sachfachunterrichts aufgeführt und die Kriterien für die Aufnahme in den bilingualen Zweig erläutert. Zusätzlich beschreibe ich das Vorgehen bei der Bewertung von Schülerleistungen, da sich bei dem Aufeinandertreffen zweier Fächer, der Fremdsprache und dem Sachfach die Frage stellt, in welchem Verhältnis beide Bereiche zu werten sind. Abschließend werde ich meine persönliche Erfahrung zu diesen Aspekten schildern.
Der zweite Teil thematisiert die Textarbeit im bilingualen Erdkundeunterricht, wobei betont werden muss, dass nicht von verschiedenen Textarbeitsstrategien verglichen mit denen des Fremdsprachenunterrichts die Rede sein wird, sondern von den Besonderheiten bei der Textarbeit im bilingualen Unterricht, das heißt, wie die Integration von sachfachlichem und fremdsprachlichem Lernen vollzogen werden soll und auf welche Weise die stattfindenden Sprachwechsel angeleitet werden können. Da im bilingualen Erdkundeunterricht nicht nur Texte mit sprachlichen Zeichen Verwendung finden, sondern auch Texte nicht- sprachlicher Zeichen, werden zunächst die Charakteristika beider Textsorten erläutert. Diesen Ausführungen folgt eine Übersicht der Materialien, die im bilingualen Unterricht derzeit Verwendung finden, wobei geklärt werden soll, ob die Lehrkräfte des bilingualen Unterrichts auf geeignetes Material zurückgreifen können.
Der letzte Teil umfasst den praktischen Teil der Textarbeit im bilingualen Erdkundeunterricht, bei dem das Gymnasium Siegburg Alleestraße als Fallbeispiel für den Ablauf des deutsch- französisch bilingualen Zweiges in NRW dient. Zunächst wird der organisatorische Ablauf bis zum AbiBac beschrieben, wobei der Stellenwert des Faches Erdkunde im Rahmen des bilingualen Abiturs verdeutlicht wird. Darauf folgt die Auswertung der Beobachtungen, die während der Unterrichtshospitationen gemacht wurden. Unterschieden nach Sekundarstufe I und II wird die Textarbeit beschrieben. Es wird jeweils die Arbeit mit Texten aus Büchern, mit von Schülern verfassten Texten, die Verknüpfung von fremdsprachlichem und sachfachlichem Lernen sowie das code- switching beschrieben.
Abschließend finden die Ansichten des Schulleiters, des Erdkundelehrers, der derzeitigen Schüler und der Absolventen des Jahres 2004 Beachtung.
Die Literaturlage zu bilingualem Unterricht im Allgemeinen ist günstig, wohingegen die Literatur speziell zu Textarbeit im bilingualen Erdkundeunterricht äußerst dürftig ist. Da keine eigene Sachfachdidaktik existiert, findet man kaum didaktische Modelle zur Umsetzung der Arbeit mit fremdsprachlichen Sachfachtexten, die z.B. die Wortschatzarbeit thematisieren, was ein genuines Problem des bilingualen Sachfachunterrichts darstellt. Hauptsächlich äußern sich Fremdsprachendidaktiker über die Vorzüge des bilingualen Unterrichts für die Erweiterung der Fremdsprachenkenntnisse.
Die Bezeichnung „bilingualer Sachfachunterricht“ ist ohne nähere Definition missverständlich, denn mit ihm werden viele unterschiedliche Realisierungsformen verbunden, die hinsichtlich ihrer Zielsetzung und Organisationsstruktur stark divergieren. Auch schon die im Begriff angesprochene Zweisprachigkeit lässt sich dabei unterschiedlich definieren, so beinhaltet sie einerseits eine annähernde Zweisprachigkeit der Schüler und andererseits das unterrichtsmethodische Verfahren des Einsatzes zweier Lern- und Arbeitssprachen.
Angelehnt an Kuhn/Duhem soll in der vorliegenden Arbeit unter bilingualem Sachfachunterricht „Fachunterricht in einem nicht- sprachlichen Fach verstanden werden, in dem die Arbeitssprache eine moderne Schulfremdsprache ist (i.d. Regel die erste Fremdsprache)“ (Kuhn/Duhem 2006: 18), wobei zu ergänzen ist, dass die Arbeitssprache nicht ausschließlich die Fremdsprache ist, sondern dass grundsätzlich zwei Unterrichtssprachen verwendet werden, Mutter- und Fremdsprache. Die englischen und französischen Termini scheinen mir das Definierte eindeutiger wiederzugeben als die deutsche Bezeichnung: CLIL, die Abkürzung für Content and Language Integrated Learning sowie EMILE, das für Enseignement d' une Matière par L' intégration d' une Langue Etrangère steht. Es wird im Folgenden also nicht von kanadischen Immersionsprogrammen die Rede sein, bei denen zwei Sprachen gleichberechtigt in allen Fächern nebeneinander stehen, sondern von dem Modell des bilingualen Unterrichts, der in gesonderten bilingualen Zügen an deutschen Schulen stattfindet und nur mit ganz bestimmten Sachfächern verbunden ist. Die Ausführungen beziehen sich auf die bilingualen Bildungsgänge in Langzeitform, die sich durch ein Kontinuum auszeichnen, das heißt, dass der Bildungsgang die gesamte Sekundarstufe I und II prägt. Zunächst zeichnet er sich durch eine erhöhte Wochenstundenzahl an Fremdsprachenunterricht in den Klassen 5 und 6 aus und ab Klasse 7 durch Sachfachunterricht, bei dem Teile der Lernziele des Fachunterrichts in der Fremdsprache vermittelt und erarbeitet werden. Bilinguale Züge sind nicht mit deutsch- französischen Gymnasien zu verwechseln, die eine binationale Schülerpopulation umfassen, denn die Zielgruppe bilingualer Züge sind vorrangig deutsche Schüler, weshalb der Terminus „bilingual“ auf den Unterricht, den Bildungsgang und das Ausbildungsprofil bezogen werden sollte und nicht auf die Schüler.
Zu den Spezifika des Faches Erdkunde, aufgrund derer es sich gut für bilingualen Unterricht eignet, wird immer wieder gesagt, dass die Fachsprache näher an der Allgemeinsprache ist als in den naturwissenschaftlichen Fächern. Außerdem decke er die naturwissenschaftlichen Anteile des Vokabulars mit ab durch die „zu diesem Fach gehörende Behandlung geographischer und geophysischer Wirkungsgefüge, durch die Anwendung methodenbezogener Fähigkeiten, durch die Arbeit mit Zahlen, Statistiken, Graphiken und Skizzen“ (Mäsch 1991: 53f). Als weiteres Spezifikum wird häufig genannt, dass das Fach durch seine Anschaulichkeit zahlreiche methodische Möglichkeiten bietet und dadurch den Zugang in der Fremdsprache erleichtert (vgl. Finkbeiner/Fehling 2002: 13). Ein weiterer Grund, warum Erdkunde als bilinguales Sachfach besonders geeignet scheint, ist, dass eine meist mögliche Beschreibungsphase den Einstieg in ein Thema erleichtert, da die Schüler das auf Bildern, Zeichnungen, Karten etc. Abgebildete fast immer mit einfachen sprachlichen Mitteln beschreiben können (vgl. Mäsch 1981: 20). Außerdem bietet die Arbeit mit Karten und Tabellen aufgrund der relativ geringen und sich wiederholenden sprachlichen Strukturen ein festes Gerüst, das kaum Schwierigkeiten während der Beschreibungsphase mit sich bringt (vgl. Mäsch 1981: 20). Des Weiteren fördert der bilinguale Erdkundeunterricht einen multiperspektivischen Zugang und dabei auch die interkulturelle Kompetenz, besonders durch profundere Einblicke in zielkulturelle Gegebenheiten.
Da der Erdkundeunterricht die räumlichen Strukturen der näheren und ferneren Umgebung erschließen soll, kann die zweisprachige Unterrichtspraxis zu einer intensiveren Behandlung der zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtung verhelfen (vgl. Sauer/Heister 1993: 17).
Das traditionelle Ziel, welches auf der Grundlage des deutsch- französischen Freundschaftsvertrages von 1963 basierte, war das vertiefte Fremdsprachenlernen, das zur Aussöhnung der beiden Völker beitragen sollte, da das Fremde besser verständlich und weniger fremd werden sollte (vgl. Küster 2004: 135). Dieses Ziel wurde beibehalten und findet sich heute unter den Beschreibungen fremdsprachlicher und fächerübergreifender Ziele. Unter fremdsprachlichen Zielen subsumiert man die „sach- und inhaltsorientierte Verwendung der Fremdsprache“, „die Förderung der fremdsprachlichen Kommunikations- und Ausdrucksfähigkeit“, „die Entwicklung von Selbstvertrauen im Umgang mit der Fremdsprache“ und „die Förderung der Methodenkompetenz wie Texterschließungsstrategien“ (Haubrich 2006: 160). Das interkulturelle Lernen, das dazu führt, dass Vorstellungen von anderen Ländern weniger stereotypenhaft und stärker individualisiert werden, zählt zu den fächerübergreifenden Zielen (vgl. ebd.: 160). Als dritte Kategorie werden die geographischen Ziele beschrieben, welche die Vermittlung von raumbezogenen Schlüsselqualifikationen umfassen und oberste Priorität haben sollen (vgl. ebd. : 160). Es soll somit ebenso wie im deutschsprachigen Erdkundeunterricht vorrangig um die „Vermittlung einer raumbezogenen Handlungskompetenz auf der Basis von Fach-, Methoden- und Medienkompetenz“ gehen (Lenz 2004: 103).
Im Allgemeinen werden für den bilingualen Erdkundeunterricht folglich keine speziellen geographischen Ziele genannt, da es dieselben wie im nicht- bilingualen Unterricht sein sollen. Stattdessen werden meistens die fremdsprachlichen Lernziele besonders hervorgehoben und ausgeführt, da man den Erwerb vertiefter Kenntnisse der Partnersprache als zusätzliches Ziel des bilingualen Unterrichts erachtet:
Die Schüler sollen zu den unverkürzten deutschsprachigen Lernzielen die französischsprachige Kompetenz hinzu erlangen, und zwar mit dem Ziel einer umfangreicheren und tieferen kommunikativen Kompetenz, als dies allein durch den LK Französisch möglich ist (Mäsch 1981: 24).
Die Absolventen bilingualer Zweige sollen über eine möglichst hohe Fachkompetenz in den Sachfächern verfügen sowie gleichzeitig eine möglichst weitreichende Sprachkompetenz besitzen. In den Vorbemerkungen der Empfehlungen für den bilingualen Unterricht wird das fremdsprachliche Lernziel sogar als eine "annähernde Zweisprachigkeit benannt. (Ministerium für Schule und Weiterbildung 1997: 7).
Die fremdsprachlichen Ziele werden so betont, da man der Meinung ist, dass ein Individuum in Zeiten der Globalisierung auf eine entsprechende Kenntnis fremder Sprachen und Kulturen zurückgreifen können muss, um Anteil an der Globalisierung haben zu können. Das fremdsprachliche Ziel soll somit eine Sprachkompetenz sein, die über die Ziele des regulären Fremdsprachenunterrichts hinausgeht und besonders dazu befähigt, Sachverhalte aus Bereichen wie Wirtschaft, Kultur und Politik, in der Fremdsprache verstehen und vermitteln zu können. Hallet fasst in diesem Kontext drei Zielfelder zusammen, die er als „bilingual Triangle“" bezeichnet. Die Schüler sollen erstens „über ihre eigenen Erfahrungen, ihre eigene Lebenswelt und ihren eigenen Kulturraum wie z.B. Geographie oder Geschichte“ kommunizieren können. Zweitens sollen sie über „Phänomene, Gegebenheiten und Sachverhalte der zielsprachlichen Kulturen und Gesellschaften“ sprechen können und drittens sollen sie fähig zu einer Kommunikation über „Phänomene, Gegebenheiten und Sachverhalte von kulturübergreifender, kulturvergleichender, globaler oder universaler Bedeutung“ sein (Hallet: 1999: 24). Die bilingual Lernenden sollen durch diese Ausbildung Mobilität in Studium und Beruf erhalten, dadurch beruflich- wirtschaftlichen Erfolg genießen und in der internationalen Kommunikation in fachlicher und allgemeinsprachlicher Hinsicht beachtete und geachtete Partner sein können (vgl. Raabe 2006: 402).
Den drei oben genannten Zielkategorien könnte man noch das lernpsychologische Ziel der Motivation hinzufügen, da die sprachbegabten Schüler über die Fremdsprache ein größeres Interesse und eine höhere Motivation für das Sachfach entwickeln, auch begünstigt durch die methodische sehr ausgefeilte Unterrichtsplanung (vgl. Lenz 2002: 5).
Zu den Vorteilen, die Schüler von dem bilingualen Unterricht verglichen mit denen des nicht-bilingualen Unterrichts haben, zählen zunächst einmal bessere Fremdsprachenkenntnisse, die sie dadurch erhalten, dass sie die Sprache in authentischen Zusammenhängen nutzen und zwar häufiger pro Woche aufgrund der zusätzlichen vielfältigen Sprechanlässe in den Sachfächern.
Die bilingual Lernenden gebrauchen die Fremdsprache mit großem Selbstvertrauen flexibel in fast allen Anforderungssituationen (vgl. Vollmer 2005: 50) und können spontaner und flüssiger reden als die ausschließlich in der Muttersprache unterrichteten Schüler (vgl. Vollmer 2005: 52), was Edwards als wichtigen Faktor für ein erfolgreiches Lernen ansieht:
La confiance dans sa capacité d' utiliser la langue seconde peut constituer un élément important dans les efforts des élèves en vue du dévéloppement d' une compétence dans cette langue (Edwards zit. nach Golay 2005: 19).
Sie verwenden die Sprache angstfreier und selbstbewusster, weil im bilingualen Unterricht die Übermittlung von Inhalten wichtiger als die fremdsprachliche Korrektheit ist (vgl. Lenz 2002: 7). Durch den bilingualen Unterricht wird nicht nur das Fachvokabular erlernt, sondern besonders die „allgemeinsprachliche Ausdrucksfähigkeit entscheidend gestärkt, vertieft und ausgebaut“ (Vollmer 2005: 58). Vor allem haben sie einen leichteren Zugang zu Lern- und Arbeitstechniken, verfügen über ein breiteres Repertoire dieser Techniken als die Schüler des traditionellen Fremdsprachenunterrichts und setzen diese besser und flexibler ein (vgl. Krechel 1998: 156). Ein weiterer zu nennender Vorteil ist, dass die Lernenden in dieser Form von Unterricht merken, dass sie die Sprache nicht nur für das spätere Berufsleben erlernen, sondern unter anderem durch authentisches Material in nahezu authentischen Sprechsituationen erleben, dass sie die Sprache als sinnvolles Instrument anwenden können, um über sachfachliche Inhalte zu referieren.
Der bilinguale Unterricht bringt jedoch nicht nur Vorteile für das fremdsprachliche Lernen der Schüler mit sich, sondern auch für das Fach Erdkunde, denn in der sachfachlichen Kommunikation werden Sachverhalte genauer überdacht, präziser präsentiert und ausgiebiger diskutiert. Die teilweise etwas reduziertere Progression im Lernstoff forciert diese detailliertere Bearbeitung mancher Sachverhalte und führt „aufgrund der daraus resultierenden Verarbeitungstiefe zu einer höheren Behaltensleistung“ (De Florio- Hansen 2003: 17). In diesem Kontext ist ebenso vorteilhaft, dass die Fremdsprache die Verständigung erschwert und dadurch zu einer beidseitigen Konzentration führt, die keine Zeit für Ablenkungen lässt und das Abschweifen vom Thema reduziert bzw. verhindert (vgl. Golay 2005: 16).
Befragte Lehrer nennen zusätzlich eine höhere Leistungsbereitschaft der Schüler als Vorteil, der aus dem Mehraufwand des bilingualen Unterrichts resultiere.
Ein weiterer Vorteil ist, dass durch die größere Zahl und Vielfalt von „handlungs- und projektorientierten Arbeitsformen“ (De Florio- Hansen 2003: 17) die Motivation der Schüler gesteigert wird. Des Weiteren ist vorteilhaft, dass die Schüler im bilingualen Erdkundeunterricht detailliertere, kulturelle Kenntnisse über das Zielsprachenland erhalten, was im regulären Fremdsprachenunterricht oftmals zu wenig thematisiert wird. Nach W. v. Humboldt bzw. nach der Sapir-Whorf-Hypothese gelangen die Schüler zu einer zusätzlichen, qualitativ anderen Anschauung der Welt bzw. zu einer Perspektivenerweiterung (vgl. Mäsch 1991: 48), wohingegen die Schüler, die keinen bilingualen Unterricht haben, nicht so ein hohes Maß an Fremdverstehen aufweisen. Der bilinguale Unterricht bringt ein kontrastives Vorgehen hinsichtlich der Begriffsbildung mit sich, so dass die Schüler die unterschiedlichen Konnotationen in Mutter- und Fremdsprache für gleiche Sachverhalte präsentiert bekommen: „Schüler hinterfragen einen auf Englisch eingeführten (Fach-)Begriff und setzen diesen in Beziehung zum deutschen (Fach-) Begriff“ (Hoffmann 2003: 31).
Neben diesen genannten Vorzügen für das fremdsprachliche und sachfachliche Lernen, resultieren aus dem bilingualen Schulabschluss eine Erhöhung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt, da es eine Zusatzqualifikation für nicht-sprachliche Berufe darstellt sowie die Befreiung von Sprachprüfungen vor Aufnahme eines Studiums im Partnerland.
Neben den zahlreichen Vorteilen des bilingualen Unterrichts werden jedoch ebenso Nachteile angeführt, auch wenn sich nur wenige Aufsätze finden lassen, die sich mit den Nachteilen auseinandersetzen. So beklagt Vollmer das punktuelle Auseinanderklaffen von Sachfach- und Sprachkompetenz (Vollmer 2005: 65) wozu das folgende Zitat passend erläutert, dass im bilingualen Sachfach inhaltlich weniger gelernt wird aufgrund der zusätzlichen fremdsprachlichen Belastung: „Zugunsten dieses Potentials kann laut Hallet in Kauf genommen werden, dass im Sachfach einige Abstriche gemacht werden müssen, wenn es in der Fremdsprache unterrichtet wird“ (Decke- Cornill 1999: 165). Auch Müller-Schneck nennt als Nachteil, dass die Lerninhalte reduziert werden müssen und dass für die Lehrer aufgrund des Mangels an geeigneten Unterrichtsmaterialien ein hoher Arbeitsaufwand anfällt. Die wenigen Materialien, die für den bilingualen Unterricht existieren, würden den unterrichtlichen Anforderungen nicht gerecht (vgl. Müller- Schneck 2006: 244).
Der bilinguale Unterricht erweitere den Wortschatz der Fremdsprache, jedoch führt Imgrund als Nachteil an, dass vielen Schülern nur die französischen Fachbegriffe, aber nicht die deutsche Fachterminologie bekannt seien (Imgrund 2005: 37).
Es gibt keine in Form von Richtlinien, Erlässen, Empfehlungen o. ä. offiziell festgelegten Kriterien (z.B. überdurchschnittliche Intelligenz, Leistungsfähigkeit, hohe Sprachkompetenz etc.) (vgl. Müller- Schneck 2006: 64), die Schüler für den Eintritt in den bilingualen Zweig erfüllen müssen, weshalb jeder Schulleiter individuell die Entscheidungskriterien für die Einschulung der Schüler in den bilingualen Zweig festlegt.
Grundsätzlich soll der bilinguale Unterricht laut Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen allen interessierten Schülern offen stehen (vgl. Müller- Schneck 2006: 65), doch es wird trotzdem oftmals eine Selektion vorgenommen (vor allem da nicht ausreichend Plätze in den bilingualen Klassen vorhanden sind, um der Nachfrage vollständig gerecht zu werden), die vermehrt den Vorwurf der „Elitebildung“ aufkommen lässt. Diese Meinung vertritt z.B. Mentz:
Es ist also davon auszugehen, dass tendenziell eher die stärkeren Schülerinnen und Schüler an einem deutsch- französischen Zweig teilnehmen. Damit bleibt diese Art von bilingualem Unterricht nur einer sehr begrenzten Schülerschaft vorbehalten. [...] Man könnte hier oft die geäußerte Aussage des 'elitären' Charakters aufgreifen, die durch die sehr geringe Anzahl von Schulen her bestätigt zu werden scheint (Mentz 2004: 128).
Müller-Schneck spricht sogar davon, dass in Nordrhein- Westfalen der bilinguale Unterricht zu einer Begabtenförderung werde, da lediglich eine geringe Anzahl von Schülern (vor allem überwiegend nur leistungsstarke und motivierte Schüler) an diesem Unterricht partizipieren können, obwohl aufgrund gewisser Erlasse das „Prinzip der Leistungsheterogenität“ zu beachten sei (Müller-Schneck 2006: 66). Auch Butzkamm glaubt nicht, dass der Zweig allen interessierten Schülern offen steht: „Umgekehrt legt aber auch die deutsche gymnasiale Praxis nahe, daß [sic!] die bilingualen Zweige eine positive Auslese darstellen, da erkennbar leistungsschwächeren Schülern von der Wahl dieses Zweiges abgeraten wird“ (Butzkamm 1992: 25). Dahingegen ist Mäsch der Ansicht, dass der bilinguale Zug nicht elitär sei: „Ihn können besuchen und besuchen tatsächlich Kinder mit 'normaler' Begabung aller sozialer Schichten. Nur Kindern mit erkennbarer Mangelbegabung im Sprachlichen sollte vom Besuch abgeraten werden“ (Mäsch 1993b: 45).
In einer Befragung von Schulleitern nach Kriterien, wurde häufig betont, dass die Schüler über eine besonders hohe Lernbereitschaft und Konzentrationsfähigkeit verfügen müssen, sowie bereit sein sollen, einen erhöhten Arbeitsaufwand, verglichen mit den nicht- bilingual unterrichteten Schülern, in Kauf zu nehmen, da man der Ansicht ist, dass die Schüler für diese Art von Schulabschluss besonders belastbar und ausdauernd sein müssen (vgl. Müller- Schneck 2006: 65/66).
Da Kriterien wie Lernbereitschaft und Konzentrationsfähigkeit weniger leicht feststellbar sind, stellen die Noten des Abschlusszeugnisses der Grundschule in der Regel das entscheidende Kriterium dar. Nur in Rheinland-Pfalz existiert die Variante, dass alle Schüler in den Klassen 5 und 6 am erweiterten Fremdsprachenunterricht teilnehmen und die Schüler danach, auf der Grundlage der Leistungen in diesem Fremdsprachenunterricht, eine Empfehlung für die Teilnahme am bilingualen Unterricht erhalten oder eben nicht.
Dass fast immer die Noten als Hauptauswahlkriterium herangezogen werden, resultiert daraus, dass die Schulen den bilingualen Zweig oftmals als „Aushängeschild“ eingeführt haben, aus diesem Grund an dessen Erfolg stark interessiert sind und die Einschulung von leistungsstarken Schülern als Garantie für Erfolg sehen. Es ergeben sich durch eine solche Auswahl von Schülern teilweise Vorurteile bei den monolingual unterrichteten Klassen gegenüber den bilingualen Gruppen, da man der Auffassung ist, dass die Bilingualen besser seien. Auch Lehrer gehen oftmals mit der Einstellung in den Unterricht, dass sich in den bilingualen Klassen die besten Schüler und in den anderen Klassen die leistungsschwächeren Schüler befinden (vgl. Fehling 2005: 30). Durch Untersuchungen konnte aber gezeigt werden, dass auch weniger gut beurteilte Schüler enorm vom bilingualen Unterricht profitieren, weshalb man Schulnoten eigentlich nicht als Hauptkriterium heranziehen sollte (vgl. Kickler 1995: 140).
Aufgrund der Tatsache, dass oft die besonders leistungsstarken Schüler in den bilingualen Klassen zusammengeführt werden, sind Aussagen wie z.B. dass der bilinguale Unterricht zu einer höheren Motivation und besseren Arbeitshaltung führt als der nicht-bilinguale Unterricht, kritisch zu sehen, da solche Eigenschaften unter Umständen schon vor Beginn des bilingualen Unterrichts vorhanden waren und somit nicht spezifisch auf ihn zurückgeführt werden dürfen.
Andererseits kann dadurch, dass den Schülern das Gefühl gegeben wird, einer ausgesuchten Gruppe anzugehören, ein „Halo- oder Pygmalioneffekt“ entstehen, was bedeutet, dass die Schüler besonders motiviert sind und dadurch gute Leistungen erzielen (vgl. Schmid- Schönbein/ Siegismund 1998: 204).
Die Muttersprache dient keinesfalls als Aufnahmekriterium, weil als Adressaten des bilingualen Zweiges zwar muttersprachlich deutsche Schüler angeführt werden, aber gleichzeitig darauf hingewiesen wird, dass das bilinguale Angebot natürlich besonders für Schüler, die französischsprachig oder deutsch-französisch bilingual aufgewachsen sind, attraktiv ist und diese nicht von dem Besuch des Zweiges ausgeschlossen werden sollen (vgl. Weber 1993: 35).
Im bilingualen Unterricht stellt sich bei der Notengebung die Frage, in welchem Verhältnis sachfachliche und fremdsprachliche Leistungen gewertet werden sollen (bzw. ob fremdsprachliche Leistungen überhaupt eine Rolle dabei spielen dürfen), da eben diese beiden Bereiche im bilingualen Sachfachunterricht zusammentreffen und nicht zu trennen sind, da Sprache die Funktion von Inhalt ist. Eine fixierte Regelung zu dem genauen Verhältnis gibt es nur in Rheinland- Pfalz, wo eine 2:1 Gewichtung praktiziert wird: „Die Leistungen in der Partnersprache sind anteilig zu berücksichtigen und zwar im Verhältnis von 2 (fachliche Leistung): 1 (sprachliche Leistung)“ (vgl. Mäsch 1981: 27).
Andere Bundesländer haben für die bilingualen Züge keine separaten Grundsätze der Leistungsbewertung aufgestellt und formulieren lediglich allgemeinere Regelungen, so stellt ein Erlass in NRW hierzu folgende Forderung: „Bei der Bewertung der Schülerleistungen in dem in der Partnersprache unterrichteten Fach [...] sind in erster Linie die fachlichen Leistungen zu beurteilen. Sie ist mit der Leistungsbewertung der nicht bilingual geführten Kurse vergleichbar“ (Mäsch 1981: 27), weshalb die fremdsprachlichen Leistungen somit weniger stark gewichtet werden sollen als die sachfachlichen Leistungen. Dieses ungleiche Verhältnis der beiden Leistungsteilbereiche erschwert die Notenfindung enorm, da es z.B. Schüler gibt, die zwar sehr gut Französisch sprechen, aber deren geographische Kenntnisse zu wünschen übrig lassen oder manche Schüler gute sachfachliche Leistungen bringen, die dem Lehrer aber nur schwerlich und mittels einer desolaten Sprache übermittelt werden.
Man muss beachten, dass im deutschsprachigen Erdkundeunterricht eine angemessen verwendete Fachsprache als Teil der fachlichen Leistung in die Note mit einbezogen wird und dass im bilingualen Unterricht zu der deutschen Fachsprache die französische Fachsprache als fremdsprachliche Komponente hinzutritt. Da es eben ein Additum ist, eine zusätzliche fachliche Leistung, sollten fremdsprachliche Leistungen eigentlich nur honoriert werden und nicht zu einer Senkung der Note führen. Allerdings ergibt sich daraus die Frage, ob nicht doch eine Grenze bei einer stark mit Mängeln behafteten Sprache zu ziehen ist, da sich auch im deutschsprachigen Erdkundeunterricht eine solche Sprache negativ auf die Note auswirkt und nicht einfach toleriert werden darf. Die Arbeitsgemeinschaft der Gymnasien mit deutsch-französisch bilingualem Zug hat mit der Schulaufsicht von NRW die Vereinbarung getroffen, dass solange der Kommunikationsfluss in der Fremdsprache vorhanden ist, die sprachliche Leistung nicht negativ gewertet werden darf (vgl. Mäsch 1981: 28). Diese Ansicht teilt Drexel- Andrieu und erläutert sie sehr passend: « Il n'est pas question de pénaliser un candidat parce qu' il fait des fautes, tant qu' on comprend ce qu' il veut dire. Qu' un pluriel soit oublié est regrettable, mais ne baisse pas la note » (Drexel- Andrieu 1988: 211).
Meine Erfahrungen mit dem bilingualen Zweig unterscheiden sich in manchen Punkten von den theoretischen Vorgaben, die dazu gemacht werden. So sollen laut den Empfehlungen zwei Unterrichtssprachen nebeneinander verwendet werden, nämlich die Mutter- und Fremdsprache, so dass Schüler, wenn sie einen Sachverhalt nicht auf Französisch ausdrücken können, diesen auf Deutsch mitteilen dürfen. Zu meiner Schulzeit war es jedoch so, dass fast die ganze Zeit Französisch gesprochen werden sollte und der Unterricht dadurch eher zu einem französisch-monolingualem Unterricht wurde. Schüler, die nicht so gut Französisch konnten und deshalb Hemmungen bei der Beteiligung im bilingualen Sachfachunterricht hatten, beteiligten sich dann gar nicht mehr anstatt auf Deutsch, da deutschsprachige Beiträge nicht erwünscht schienen. Es soll im bilingualen Sachfachunterricht der gleiche Lernstoff vermittelt werden wie im deutschsprachigen Unterricht, was bei unserem Erdkundeunterricht auch der Fall war, jedoch im bilingualen Geschichtsunterricht nicht praktiziert wurde. Dort lag der Fokus sehr stark auf der französischen Geschichte, wodurch der Bereich der Geschichte Deutschlands in den Hintergrund gedrängt wurde und kaum zur Sprache kam.
Das Ziel der „annähernden Zweisprachigkeit“ erscheint mir etwas hochgegriffen, da keiner meiner Mitschüler diesem Ideal nach dem Abitur entsprochen hat. Jedoch kann ich aus meiner Erfahrung auf jeden Fall bestätigen, dass man durch den bilingualen Unterricht vertiefte Fremdsprachenkenntnisse erwirbt, eine bessere Kommunikations- und Ausdrucksfähigkeit besitzt, was in der Literatur immer wieder als eines der zentralen Ziele und Vorteile genannt wird. Der Wortschatz hat sich besonders in den Bereichen Erdkunde, Geschichte und Politik erheblich vergrößert, was ich hauptsächlich auf den bilingualen Sachfachunterricht zurückführe.
Ebenso merkte man, dass die Schüler des bilingualen Zweiges über bessere Strategien der Texterschließung verfügten. Diese Schüler haben durch die häufige Arbeit mit authentischen Materialien gelernt, dass man nicht jedes Wort eines Textes nachschlagen und verstehen muss, um den Inhalt des Textes wiedergeben zu können, da ihnen die erlernten Inferierungsstrategien halfen, um ein- wie mein Erdkundelehrer immer sagte- „Globalverständnis“ des Textes zu erreichen.
Ich denke auch, dass sich das Fach Erdkunde für den bilingualen Unterricht besonders gut wegen seiner Anschaulichkeit eignet. Durch die Arbeit mit Statistiken, Diagrammen und Karten etc. wurden wir in der 7. Klasse langsam an die Arbeit mit solchen Materialien und dem dazugehörigen Fachvokabular geführt, da man die in den Legenden abgedruckten Vokabeln durch die danebenstehenden Symbole gut verstehen und für eigene Unterrichtsbeiträge verwenden konnte.
Die angesprochene erhöhte Motivation für den Erdkundeunterricht, resultierend aus der Verwendung der Fremdsprache, konnte ich bei mir selber auch wahrnehmen: Ich fand den bilingualen Unterricht so interessant, dass ich es in Kauf nahm, weiterhin Erdkundeunterricht in der Oberstufe zu haben, obwohl ich grundsätzlich nicht so sehr an dem Fach interessiert war. Das Fach Erdkunde auf Deutsch hätte ich niemals freiwillig in der Oberstufe gewählt, nur der Gedanke, dass ich dort weiterhin viel Französisch sprechen konnte und somit noch mehr Sprachpraxis erlangen würde, bewog mich dazu, Erdkunde weiterzuwählen.
Überrascht war ich von der Tatsache, dass die fremdsprachlichen Leistungen im Sachfachunterricht nur honoriert werden sollen und nicht negativ mit in die Zeugnisnote eingehen soll. Die Französischleistungen wurden bei uns immer wertend miteinbezogen, so dass ein Schüler in seiner mündlichen Abiturprüfung sogar eine Note schlechter erhielt, mit der Begründung, dass sein Französisch fehlerhaft gewesen sei. Die Existenz von Fehlern als alleinigen Grund für das Herabsetzen der Note zu nehmen, erscheint mir nicht den Empfehlungen zur Beurteilung der Leistungen zu entsprechen.
Im Gegenzug war für die sprachlich interessierten und begabten Schüler, die weniger gute sachfachliche Leistungen bieten konnten, die Mitbewertung der Fremdsprache ein großer Vorteil, denn durch wenige (fremdsprachliche) gute Unterrichtsbeiträge konnten diese Schüler eine gute Erdkundenote erreichen. Es herrschte keine einheitliche und gerechte Bewertung der sprachlichen und sachfachlichen Leistungen.
Leider muss ich sagen, dass die Auswahl der Schüler für den bilingualen Zweig zu unserer Einschulungszeit eine Art der „Elitebildung“ bestätigt, denn die Selektion wurde lediglich an den Schulnoten des Grundschulzeugnisses festgemacht, so dass in die bilinguale Klasse die leistungsstärkeren Schülern eingeschult wurden. Vier der fünf besten Abiturienten unseres Jahrgangs waren Schüler des bilingualen Zweiges. Dadurch erklären sich auch Aussagen der Schüler, dass der Schulleiter sie „überredet“ habe, wenn man sie fragt, warum sie den bilingualen Zweig gewählt haben. Der Schulleiter hat versucht, die leistungsstarken Schüler für den bilingualen Unterricht zu begeistern, damit sein „Aushängeschild“ gut funktioniert. In unserer Klasse befand sich kein Schüler mit Migrationshintergrund, so dass ich vermute, dass der Schulleiter von einer Überforderung dieser Schüler ausgegangen ist und ihnen deshalb von einer Teilnahme abgeraten hatte.
Dahingegen berichtete der Schulleiter immer wieder begeistert von der, verglichen mit anderen Jahrgängen, hohen Anzahl von Abiturienten im bilingualen Zweig ein Jahr vor uns. Im Jahr 2003 hatten nämlich acht Schüler das bilinguale Abitur abgelegt, wohingegen es danach lediglich vier bis sechs Schüler waren. Dabei verschwieg der Schulleiter aber, dass von den acht Schülern fünf afrikanischer Herkunft waren und somit frankophone Schüler waren, denen das Konzept des bilingualen Unterrichts sehr entgegenkam, da sie Französisch besser als Deutsch sprachen. Eine Unterrichtsstunde hatten wir mit diesem Kurs zusammen, was sehr interessant war, da durch die frankophonen Schüler die Redesituation noch viel authentischer und weniger künstlich wirkte. Außerdem konnten diese Schüler immer wieder bei sprachlichen Schwierigkeiten wie z.B. fehlendem Vokabular weiterhelfen, so dass der Lehrer nur gelegentlich in die Diskussionen eingreifen musste. Frankophone Schüler sehe ich deshalb, auch wenn sie nicht die eigentlichen Adressaten sind, als Bereicherung für den bilingualen Unterricht an.
Da die Lehrer unseres Gymnasiums von diesem Ablauf der Schülerauswahl wussten, kam es sehr oft vor, dass an uns erhöhte Erwartungen gestellt wurden: Die Lehrer waren der Ansicht, dass die bilingualen Klasse bessere Leistungen in allen Fächern erbringen müssten als die anderen Klassen, da sich ja darin die besten Schüler befänden, weshalb wir oft hörten: „Ach, ihr seid ja die Bilingualen, dann kann ich ja mehr von euch verlangen“.
Im Folgenden soll ein weiter Textbegriff vorausgesetzt werden, aufgrund dessen man unter Texten alle Dokumente mit sprachlichen und nicht-sprachlichen Zeichen verstehen soll (vgl. Krechel 2005: 65), was später genauer differenziert wird, wenn von kontinuierlichen und nicht- kontinuierlichen Texten gesprochen wird.
Im bilingualen Erdkundeunterricht haben Texte eine andere Funktion als im Französischunterricht, denn hier sind sie nun nicht „Anlass für Analysen von Sprach- und Textstrukturen, sondern sie sind Träger für sachfachlich relevante Informationen“ (Krechel 1999: 41). Das vorrangige Ziel der Textarbeit im bilingualen Erdkundeunterricht ist folglich der sachfachliche Wissenserwerb und nicht, wie im Fremdsprachenunterricht, das fremdsprachliche Lernen.
Dennoch sollte verdeutlicht werden, dass auch im bilingualen Erdkundeunterricht das Textverständnis und die Textproduktion zentrale Elemente darstellen, da sich der Wissenserwerb hauptsächlich auf Texte stützt: „Les activités orales et/ou écrites de compréhension et de production jouent un rôle primordial dans l'enseignement bilingue“ (Krechel 2004: 142). Diese Texte für die Arbeit im Unterricht stammen aus ganz unterschiedlichen Quellen, so werden Internetquellen und Lehrbuchtexte verwendet, aber auch von den Schüler redigierte Texte wie zusammengestellte Dossiers zu einem Thema oder Referate dienen als Material zur Erarbeitung eines neuen Sachverhaltes.
Ein weiterer Unterschied zu der Textarbeit im Fremdsprachenunterricht ist, dass im bilingualen Erdkundeunterricht oft Texte Verwendung finden, die sich nicht an dem Lernstand der Schüler orientieren, wie es bei den Lehrbuchtexten des Französischunterrichts der Fall ist. Solche nicht an die Lerngruppe adaptierten Texte enthalten folglich sprachliche Elemente (häufig sind es lexikalische oder grammatische Probleme), die den Schülern noch nicht geläufig sind.
Die Schüler verbessern ihre Sprachkenntnisse gleichzeitig beim Sachfachlernen, da die Erarbeitung der relevanten Sachverhalte anhand unterschiedlicher Texte, vor allem authentischer Materialien, geschieht und dabei neben der Schulung des Textverständnisses die mündliche und schriftliche Textproduktion immer miteinander verknüpft werden. So werden nach der Lektüre authentischer Texte die sachfachlich relevanten Informationen versprachlicht, sei es in Form eines Resümees oder als Antworten auf Fragestellungen, die der Lehrer den Schülern stellt. Die Schüler müssen, je nach Aufgabenstellung, beschreiben, erklären, vergleichen, bewerten und beurteilen sowie Schlussfolgerungen ziehen (vgl. Krechel 2004: 147). Diese verschiedenen Formen der Versprachlichung der durch die Materialauswertung gewonnenen Sachverhalte, erlernen die Schüler durch die ständige Textarbeit im bilingualen Unterricht.
Allerdings ist diese Form des Lernens kein „Selbstläufer“, denn gewisse Techniken für die Arbeit mit Texten müssen vorher im Fremdsprachenunterricht eingeübt worden sein, damit die Schüler die Texte überhaupt sachfachgerecht auswerten können. Hierzu zählen Techniken wie das überfliegende Lesen (Scanning) oder das Skimming, bei dem es um die möglichst schnelle Auswertung der Hauptinformationen bezüglich einer sachfachlich relevanten Frage geht (vgl. Krechel 1999: 42). Solche Arbeitstechniken erleichtern die Textarbeit im bilingualen Sachfachunterricht erheblich, da die Schüler vor allem im Umgang mit authentischen Texten, die oft sprachlich anspruchsvoll sind, da sie eben nicht an ihren Lernstand angepasst sind, nicht jedes Wort nachschlagen können. Um dennoch schnell und effektiv den Inhalt der Texte erfassen und an die benötigten Informationen gelangen zu können, benötigen sie solche Techniken.
Weitere hilfreiche Techniken sind das Inferieren der Bedeutungen unbekannter Vokabeln mithilfe des Kontextes oder anhand von Wortbildungsregeln (Prä- und Suffigierungsregeln) oder durch das Einbeziehen anderer bereits erlernter Sprachen.
Eine für den Sachfachunterricht äußerst brauchbare Strategie ist das Aktivieren des Vorwissens der Schüler zu einem Thema, z.B. durch gelenkte Brainstorming - Verfahren, weil die Schüler sich dadurch schon ein grobes Bild machen können, in welche Richtung der Text geht und sie sich somit viele Wortbedeutungen anhand des Themenbereiches erschließen können.
Ebenso nützlich ist der Einsatz von Annotierungs- und Visualisierungstechniken, worunter man verschiedenfarbige Markierungen und Unterstreichungen sowie das Hinzufügen von Stichwörtern und Symbolen versteht (vgl. Krechel 1999: 42). Dadurch wird bei der Textauswertung nach der Lektüre das Herausfiltern der Informationen einfacher und schneller sein und die Schüler werden zusätzlich auf eine mögliche Textproduktion vorbereitet. So werden ihnen diese Techniken der Gliederung von Informationen z.B. helfen, wenn sie ein Referat vorbereiten müssen und dazu zahlreiche Texte zu bearbeiten haben. Außerdem sorgt das Markieren während der Lektüre für einen aktiven Leseprozess, der ein sinnerfassendes Lesen ermöglicht, wodurch gleichzeitig die Behaltensleistung gesteigert wird.
Des Weiteren sollen die Schüler durch die Verwendung dieser Techniken zur Generalisierung von Textinformationen befähigt werden, damit sie beispielsweise Schlussfolgerungen aus einer Argumentationskette ziehen können (vgl. Helbig 1998: 45).
Im Zusammenhang mit dem Einüben von Techniken für die Arbeit mit Texten sollten auch Lerntechniken bezüglich des Wortschatzaufbaus bzw. der Erweiterung des Wortschatzes thematisiert werden, wie das Anlegen einer Vokabelkartei oder die Benutzung von ein- und zweisprachigen Wörterbüchern, da diese Techniken einen wichtiger Teil zum autonomen Lernen beitragen und helfen lexikalische Probleme zu reduzieren.
Die eine der beiden im bilingualen Erdkundeunterricht verwendete Textsorte, die der kontinuierlichen Texte, sollte jedem Schüler bei Einsetzen des Erdkundeunterrichts bereits durch den Deutschunterricht oder anderen Sachfachunterricht in deutscher Sprache, wie z.B. Biologie, bekannt sein, da es sich hierbei um die üblichen Texte sprachlicher Zeichen handelt: „Bei kontinuierlichen Texten handelt es sich um fortlaufend geschriebene Texte, was sich mit dem traditionellen Begriffsverständnis deckt“ (Lenz 2004: 108).
Es gibt verschiedene Arten fortlaufend geschriebener Texte, die im bilingualen Erdkundeunterricht benutzt werden, so können dies Berichte, Zeitungsartikel, Erläuterungen, Meinungstexte, Stellungnahmen, Definitionen, Auszüge aus Lexika oder Fachwörterbüchern sein.
Die authentischen kontinuierlichen Texte bieten oftmals Hilfen für die Versprachlichung der gewonnenen Erkenntnisse in der Fremdsprache (vgl. Wildhage/Otten 2003: 198), jedoch sind diese Texte häufig schwer auszuwerten, weil sie sprachlich anspruchsvoll sind, aufgrund der Tatsache, dass sie für Muttersprachler konzipiert wurden.
Die Texte nicht-sprachlicher Zeichen bezeichnet man auch als nicht-kontinuierliche Texte wie es aus der folgenden Definition ersichtlich wird: „Bei nicht- kontinuierlichen Texten ist die Information nicht fortlaufend und auch nicht allein verbal dargestellt, sondern es handelt sich um 'bildhafte' Darstellungen wie Diagramme, Bilder, Karten, Tabellen oder Grafiken“ (Lenz 2004: 108). Auch Fotos, Videos, Karikaturen, Schaubilder und Diagramme zählt man hierzu.
Die Arbeit mit nicht- kontinuierlichen Texten ist im Erdkundeunterricht deshalb so wichtig, da vor geraumer Zeit deutlich geworden ist, dass die Schüler geographische Sach- und Methodenkompetenzen entwickeln müssen, weil diese eine grundlegende Voraussetzung zum Verständnis räumlicher Strukturen und Prozesse auf der Erde darstellen (vgl. Wildhage/Otten 2003: 59). Die Schüler sollen deshalb dazu befähigt werden, mit Karten umzugehen und diese selbstständig auswerten zu können: „Unter Methodenkompetenz wird die Fähigkeit zur Informations- und Datenerhebung, zur Datendarstellung und zur Schwachstellenanalyse verstanden“ (Wildhage/Otten 2003: 59).
Die Techniken wie analytisches Lesen sowie Annotierungs- und Visualisierungstechniken, können auch bei der Arbeit mit nicht- kontinuierlichen Texten wie Karten, Fotos, Diagrammen und Statistiken verwendet werden (vgl. Krechel 2005: 69), da auch bei dieser Textart Arbeitstechniken von Nöten sind, um gezielt an die Informationen zu gelangen, die geboten werden. So muss bei einer Karte zunächst das Thema ermittelt werden, dann kann man die Informationen aus den Legenden hinzufügen und die Raumausschnitte in einen größeren Kontext einbetten sowie schließlich Auffälligkeiten bei statistischen Daten herausfinden und Ursachen benennen. Die Schüler müssen lernen, wie man eine Grafik „liest“ und entschlüsselt, z.B. sollten ihnen die typisch geographischen Symbole, die man stets in den Legenden von Karten vorfindet, erläutert werden und auch die Bedeutungen von z.B. Pfeilen sollte ihnen erklärt werden.
Ein Vorteil von authentischen nicht-kontinuierlichen Texten ist, dass sie meistens leichter verständlich sind als authentische kontinuierliche Texte aufgrund der Tatsache, dass Abbildungen und Symbole größtenteils selbsterklärend sind, wobei wiederum dann die Versprachlichung der Informationen, die man aus ihnen zieht, in der Fremdsprache schwieriger ist, da Vokabeln häufig nur in Form von Legenden unter den Karten gegeben sind (vgl. Wildhage/Otten 2003: 198). Somit bieten diese Materialien verglichen mit kontinuierlichen Texten nur wenige Sprachvorgaben an, die man übernehmen oder paraphrasieren kann (vgl. Czapek 2000: 26), wenn die Schüler sich zu solch einer Quelle äußern möchten. Andererseits bieten aber gerade Bildmaterialien diverse Sprechanlässe, um Fachbegriffe einzuführen.
Die nicht-kontinuierlichen Texte stellen außerdem eine Ergänzung zu den rein sprachlichen Texten dar, denn durch die erhöhte Anschaulichkeit hilft z.B. eine Karte oder ein Foto den Text zu verstehen, was gerade bei sprachlich anspruchsvollen Texten in der Fremdsprache von Vorteil sein kann. Auch die umgekehrte Richtung, dass ein Text Hilfe bietet beim Verständnis einer Karte oder eines Fotos ist möglich, da dieser weiterführende Informationen liefert.
Aber nicht nur nicht- kontinuierliche Texte aus Büchern werden im Erdkundeunterricht verwendet, auch das selbstständige Erstellen von solchen übersichtlichen Grafiken durch die Schüler kommt vor. Durch das Übertragen von Informationen aus einem kontinuierlichen Text in ein grafisches Medium werden komplexe Informationsmengen auf eine neue Weise geordnet (vgl. Buske 2001: 34) und somit oftmals überschaubarer sowie verständlicher für die Schüler, da mit dieser Visualisierung eine Reduktion auf die wesentlichen Informationen einhergeht.
Normalerweise stehen für jedes Unterrichtsfach Lehrwerke von unterschiedlichen Buchverlagen bereit, die sich an den Lehrplänen des jeweiligen Bundeslandes und auch an dem entsprechenden Lernstand der Schüler orientieren.
Anders jedoch sieht die Situation für den französisch-bilingualen Erdkundeunterricht aus. De Florio-Hansen erläutert zwar: „Als bilinguale Bildungsgänge vor über dreißig Jahren an deutschen Gymnasien eingerichtet wurden, waren die Französischlehrer hinsichtlich der Ziele, Inhalte, Methoden und Medien völlig auf sich gestellt“ (De Florio- Hansen 2003: 14), so dass man denken könnte, dass sich im Laufe der Zeit die Situation bezüglich des Lehrmaterials für bilingualen Unterricht eklatant verbessert habe, jedoch existieren bis heute kaum adäquate Materialien, die gesondert für diese Unterrichtsform entwickelt werden. Den Verlagen erscheint der geringe Absatzmarkt einfach zu unrentabel, wie Drexel-Andrieu ausführt:
Il n' existe évidemment aucun livre de géographie adéquat et cet état de choses ne changera guère dans le proche avenir. Trop peu d' élèves sont concernés pour qu' une maison d' édition s' y intéresse et de plus, les programmes varient sensiblement d' un Land à l'autre (Drexel-Andrieu 1988: 204).
Eine Ausnahme bildet die „Reihe bilingualer Unterricht“ vom Klett-Verlag, eine Serie, bestehend aus drei Themenheften. Diese drei Hefte decken jedoch keineswegs den Bedarf an Lehrwerken ab, so dass die Fachlehrer weiterhin gezwungen sind, durch eine erhebliche Mehrarbeit selbst Material für den bilingualen Erdkundeunterricht zusammenzustellen und dies an das Sprachniveau sowie den Lernstand der Schüler zu adaptieren. Häufig handelt es sich dabei um Texte, welche die Lehrer im Internet recherchiert haben und durch das Hinzufügen von Vokabelerklärungen für die Schüler vereinfacht haben.
Des Weiteren wird aufgrund des Mangels an passenden französischsprachigen Lehrwerken auf Bücher aus Frankreich zurückgegriffen, aus denen auszugsweise Themen bearbeitet werden. Durch den Gebrauch von authentischem Material wird der Schüler schon früh mit „bedeutenden kulturellen Aspekten des Ziellandes vertraut“ (Sauer/Heister 1993: 23). Außerdem besitzen diese den „Stempel der kulturellen Prägung der Zielsprache“ (Mentz 2001: 71), wodurch die Zielsprachenkultur thematisiert wird mit der sich die Schüler folglich neben ihrer eigenen Kultur auseinandersetzen. Dadurch üben sie sich darin, von ihrer eigenen Erfahrungswelt abweichende Wahrnehmungs- und Lebensweisen zu verstehen und verschiedene Perspektiven nachzuvollziehen (vgl. Krück/Loeser 2002: 12).
Auch die deutschsprachigen Bücher, mit denen die nicht-bilingualen Schüler im Erdkundeunterricht arbeiten, finden Verwendung, was sicherlich besonders nützlich für das Erlernen der deutschen Geographiefachsprache ist, weil dadurch wichtige fachliche Konzepte nicht nur in der Fremdsprache Französisch, sondern auch auf Deutsch erarbeitet werden (vgl. Krück/Loeser 2002: 12).
Da es deutsch-französisch bilingualer Unterricht und nicht Unterricht ausschließlich in französischer Sprache sein soll und aufgrund des Mangels an speziell für den bilingualen Unterricht entwickelten Lehrwerken, werden auch die folgenden deutschsprachigen Bücher, mit denen die nicht-bilingualen Klassen arbeiten, verwendet.
In der Jahrgangsstufe 7 bzw. bei Schülern, die noch nicht von der verkürzten Schulzeit betroffen sind in der Jahrgangsstufe 8, wird das Buch „Terra“ vom Klett Verlag (Rausch/Rütten 2007) eingesetzt.
Betrachtet man zunächst das Inhaltsverzeichnis, bemerkt man direkt die in blauer Schrift hervorgehobenen „Terra Methode“- Seiten, die Einführungen in methodisches Arbeiten geben zu Themen wie z.B. „Eine Pro-Kontra-Diskussion durchführen“, „Im Internet recherchieren“, „Mit Statistiken richtig umgehen“ und „Einen Film auswerten“, deren Kenntnisse besonders hilfreich für den Erdkundeunterricht sind, aber sicherlich auch fächerübergreifend angewendet werden können.
Das Lehrwerk ist in unterschiedlichen Themenbereiche gegliedert. Jedes Thema wird illustriert durch Karten, Diagramme, Zeichnungen und Texte. Fotos sind nur in geringer Anzahl vorhanden und nehmen nur wenig Platz ein, wenn sie denn vorkommen. Dafür finden sich Aufgabenstellungen, die die Arbeit mit den abgedruckten Materialien anleiten, auf fast jeder Seite. Bei der Lektüre des Buches fällt stark auf, dass wichtige geographische Fachtermini wie „Tundra“ und „Vegetationsperiode“ fettgedruckt sind und somit direkt ins Auge stechen und gleichzeitig den Text gliedern.
Interessant erscheint mir, dass sich am Rand häufig nicht nur Definitionen von Begriffen wie „Kreole“ u. ä. befinden, sondern auch Surftipps, also das jeweiligen Thema ergänzende Internetadressen sowie Lesetipps zu weiterführenden Büchern.
Mehrmals gibt es Doppelseiten mit der Überschrift „Terra Training“, worunter Rekapitulationen des zuvor erarbeiteten Themas in spielerischer Art und Weise eingefügt sind. So gibt es auf diesen Seiten Bilderrätsel, Silbenrätsel oder auch Aufgaben, bei denen die Schüler die richtigen und die falschen Aussagen unterscheiden müssen.
Besonders sinnvoll finde ich die Aufgaben, bei denen eine Beschreibung eines geographischen Begriffs gegeben wird und man den definierten Begriff nennen muss, da dies das Erlernen des Fachvokabulars trainiert.
Als ebenso gelungen erachte ich, dass die Autoren auch Arbeitsformen wie das Lernen an Stationen in das Lehrwerk mit aufgenommen haben. So ist ein Lernzirkel zu dem Thema „In den Wüsten“ abgedruckt, der unterschiedliche Aufgabentypen beinhaltet und somit eine gelungene Abwechslung repräsentiert. So müssen Texte den passenden Fotos zugeordnet werden, Diagramme sollen mit Hilfe eines Atlas angefertigt werden, Experimente werden vorgeschlagen und am Schluss gibt es ein Spiel, anhand dessen das Wissen über Wüsten getestet wird.
Das Lehrwerk erscheint sehr modern, besonders durch sein Layout mit der recht bunten Gestaltung, die sicherlich sehr ansprechend auf die jungen Schüler wirkt. Auch der Anhang, in dem sich, nach Themen wie z.B. „Im tropischen Regenwald“ und „Volksrepublik China“ sortiert, eine Liste mit wichtigen Internetadressen befindet, ist ebenso hilfreich gestaltet.
Des Weiteren umfasst der Anhang ein Lexikon, in dem Definitionen von geographischen Fachbegriffen wie „Bruttoinlandsprodukt“ oder „Savanne“ gegeben werden, was äußerst nützlich für die Schüler ist, da sie dort direkt nachschlagen können, wenn sie ein Wort nicht verstehen.
Auch für die Jahrgangsstufe 9 gibt es vom Klett- Verlag ein Lehrwerk, „Terra Erdkunde 9“ (Rausch/Rütten/Berndt 2005). Es ähnelt vom Layout her sehr dem zuvor beschriebenen Band für die Klassen 7/8, denn auch in diesem Buch befinden sich farblich markierte Seiten mit dem Titel „Terra Methode“, auf denen die Schüler methodische Anleitungen z.B. zum Zusammenstellen eines Portfolios oder zur Erstellung und zur Durchführung einer Power-Point-Präsentation finden. Weiterhin befinden sich auf jeder Doppelseite neben einem kurzen Text Karten, Tabellen, Diagramme, Aufgabenstellungen und wenige kleine Fotos.
Ebenso gibt es zu fast jedem Thema Surftipps, jedoch sind diese in dem Band für die 9. Klassen nun nicht mehr allgemein zu dem jeweiligen Thema eines Kapitels, sondern spezifisch zu manchen Aufgabenstellungen gegeben. Die in dem Lehrwerk der Jahrgangsstufen 7/8 anhand der „Terra Methode“-Seiten eingeführten Arbeitsmethoden wie die Arbeit mit Karten und Grafiken findet nun in den Aufgabenstellungen Verwendung. So beginnen nun zahlreiche Aufgaben mit den Anweisungen „Arbeite mit der Karte“ oder „Arbeite mit der Grafik“, wodurch die Schüler merken werden, dass das zuvor Erlernte ihnen im weiteren Verlauf des Erdkundeunterrichts nützlich sein kann. Die Arbeit mit Texten wird auch ganz gezielt abgefragt, denn zur Lösung einiger Aufgaben wird die Verwendung des Textes explizit angeraten: „Fasse die wichtigsten Gründe für eine grenzüberschreitende Verkehrsplanung in Europa zusammen. Nutze hierfür den Text“ (Rausch/Rütten/Berndt 2005: 135).
Die spielerische Selbstkontrolle über das Erlernte unter dem Namen „Terra Training“, welche die Schüler bereits aus dem Lehrwerk der Klassen 7/8 kennen, gibt es auch in diesem Lehrwerk zu dem Thema „Europa“. Bei diesem "Training" gibt es hauptsächlich Übungen zum Fachvokabular, z.B. werden Begriffe definiert und die Aufgabenstellung dazu lautet: „Nenne die Fachbegriffe“ (Rausch/Rütten/Berndt 2005: 42/43), wodurch die Schüler dazu angeleitet werden, sich das spezifische Fachvokabular des Faches Erdkunde anzueignen.
Die Definitionen, die Abkürzungen oder Erklärungen zu einigen im Text genannten Begriffen geben, sind auch in diesem Buch am Rand abgedruckt. Durch diese Erklärungen erhalten die Schüler direkt weiterführende Informationen, die ihnen äußerst hilfreich bei der Erarbeitung des jeweiligen Themas sein können. So wird z.B. in einem Text „Tertiärisierung“ erwähnt und passend dazu wird am Rand dann der primäre, sekundäre und tertiäre Sektor erläutert, wodurch direkt auch diese Unterscheidung der verschiedenen Wirtschaftssektoren miterlernt werden kann.
Ebenso sinnvoll ist die im Anhang befindliche Übersicht über verschiedene Strukturdaten Europas, wo die Länder der Europäischen Union beispielsweise im Hinblick auf ihre Bevölkerungsdichte und ihr Bruttoinlandsprodukt etc. verglichen werden, denn anhand dieser Übersicht haben die Schüler jederzeit einen Anhaltspunkt, um statistische Angaben, die im Buch erscheinen, vergleichend einordnen zu können.
Bei der Analyse des Inhaltsverzeichnisses des Lehrwerks für die Jahrgangsstufen 11 bis 13 vom Cornelsen- Verlag, „Oberstufe Geographie“ (Flath/Kulke 2007), fiel mir positiv auf, dass es neben den vier Themenbereichen einen fünften Punkt mit dem Titel „Geographische Arbeitsmethoden“ gibt, der sogar 12 Seiten umfasst. Als Arbeitsmethoden werden den Schülern dort z.B. „Kartieren und Auswerten von thematischen Karten“ und „Auswerten von Texten (Analyse, Bewertung)“ präsentiert, was sicherlich äußerst sinnvoll ist, da die Schüler der Oberstufe auf das Abitur hinarbeiten und somit Methoden zum eigenständigen Erarbeiten des Lernstoffs sehr gut gebrauchen können. Zwar kennen die Schüler grundsätzlich bereits diese Arbeit mit Texten und Karten durch die vorangegangenen Lehrwerke, jedoch stellen die Arbeitsmethoden, die in diesem Oberstufenlehrwerk erläutert werden, eine vertiefende Ergänzung des Erlernten dar und sollten meiner Meinung auch weiterhin ihren Platz in Lehrwerken für die Oberstufe haben.
Des Weiteren fällt auf, dass es farblich differenzierte Seitenkennzeichnungen gibt, welche die unterschiedlichen Arbeitsbereiche voneinander abgrenzen. Auf den Seiten mit der Kennzeichnung „Check-in“ sollen die Schüler Wissen reaktivieren, das als Basis für die Neuaneignung notwendig ist. Außerdem sollen sie dabei ihr Ausgangsniveau sichern und ermitteln.
So befinden sich in solchen Kapiteln sogenannte „Begriffscontainer“ (Flath/Kulke 2007: 9) mit Begriffen, welche die Schüler kennen sollten oder es werden auch geographische Arbeitsmethoden genannt, die sie sicher anwenden können sollten. Durch diese „Check-in“-Seiten haben die Schüler die Möglichkeit, vor dem eigentlichen Einstieg in das Thema, Lücken durch autonomes Arbeiten zu schließen, in dem sie die dort genannten Begriffe oder Methoden noch einmal nachlesen. Eine Vertiefung bzw. Erweiterung thematischer Inhalte soll durch die „Intensiv“-Kapitel gewährleistet werden, in denen ein spezifischer Aspekt herausgegriffen und detailliert erklärt wird. Als Ergänzung zu diesen Kapiteln existieren „Praxis“-Seiten, die zur praxisbezogenen Beschäftigung mit geographischen Problemen unter Berücksichtigung von geographischen Arbeitsmethoden anleiten, z.B. befindet sich dort eine Anleitung zur Durchführung einer Schlammprobe (Flath/Kulke: 55).
Die als „Check-up“ betitulierten Seiten stellen exakt das Gegenteil zu den „Check-in“- Seiten dar, denn hier wird das neu anhand des Lehrwerks erarbeitete Wissen zusammengefasst und systematisiert sowie Aufgaben zur selbstständigen Überprüfung dessen geboten.
Insgesamt ist auffällig, dass die Grafiken sehr viel Raum einnehmen und die Texte dafür sehr knapp gehalten sind, was wohl daran liegt, dass die Schüler in der Oberstufe sich selbstständig Wissen aneignen sollen. Aus diesem Grund deuten auch die Aufgabenstellungen auf eine Abkehr von der rein deskriptiven Ebene hin. So sollen Übersichten erarbeitet oder Sachverhalte auf der Grundlage der neu erlernten Kenntnisse begründet werden, was schließlich Übungen sind, die eine eigenständige Analyse erfordern, da nicht mehr nur auf die Texte im Lehrwerk zurückgegriffen werden kann.
Sehr hilfreich bei der Suche nach aktuellen Materialien neben dem Lehrwerk sind sicherlich die zu einigen Aufgaben passend angegebenen Internetadressen. Am Rand gibt es keine Definitionen von Fachvokabular mehr wie in den Unter- und Mittelstufenlehrwerk, dafür gibt es aber im Anhang des Buches ein Glossar, das ausführliche Erklärungen von Fachbegriffen bietet.
Wichtiges Material für die Arbeit im bilingualen Erdkundeunterricht sind die französischsprachigen Atlanten „Atlas 2000- La france et le monde“ (Lacoste 1996) und „Atlas de l'Afrique“ (Yahmed 2000).
Durch die in Atlanten befindliche Verknüpfung von Karten und der jeweiligen Legende lernen die Schüler viele Vokabeln wie Ländernamen und Ressourcenbezeichnungen automatisch durch die Verwendung dieses Mediums im Unterricht. So bedürfen viele Vokabeln kaum noch der Erklärung durch den Lehrer, da die Symbole selbsterklärend sind.
Das Besondere an dem „Atlas de l'Afrique“ ist, dass unter jeder Karte ein Text abgedruckt ist, der immer gleich aufgebaut ist. Es werden für jedes Land „Géographie“, „Population“ und „Economie“ thematisiert und zwar mit Hilfe der gleichen Unterpunkte, so dass, wenn der Lehrer einmal exemplarisch einen Text mit den Schülern besprochen hat, die Arbeit mit den darauffolgenden Beschreibungen der anderen Länder recht leicht fallen wird, da sich die Schüler durch die immer gleiche Gliederung der Informationen vieles erschließen können.
Der „Atlas 2000- La france et le monde“ bietet zahlreiche und sehr vielfältige Karten zu Frankreich, weshalb er sich besonders gut bei der Arbeit zum Thema „Frankreich“ anbietet. Aber nicht nur bei der Behandlung von Frankreich, auch im Unterricht zu dem Themenkomplex „Europa“ eignet sich dieser Atlas sehr gut. Interessant ist sicherlich auch für die Schüler, die deutschen Städte- und Flüssenamen in einem Atlas auf Französisch vorzufinden.
Neben den französischsprachigen Atlanten finden auch die „Géographie“-Bücher (Joyeux 2006 und Mathieu 2004) aus Frankreich Verwendung. Die französischen Bücher fallen zunächst durch ihr großes Format auf. Hinzu kommt, dass die Lehrwerke auffallend bunt gestaltet sind. Das Inhaltsverzeichnis ist sehr übersichtlich gegliedert, da jedes Kapitel farblich in die verschiedenen Bereiche wie z.B. „Études de cas principales“ und „Cours“ unterteilt ist. Bemerkenswert ist außerdem, wie viel Platz Arbeitsmethoden eingeräumt wird, denn es gibt in jedem Kapitel neben „Méthode“ auch „Méthode Bac“, so dass die Schüler alle wichtigen Methoden, die sie für die Abiturprüfungen brauchen, vorfinden. Diese Übersichten zu den verschiedenen Arbeitsmethoden können sicherlich auch hilfreich sein für die deutschen Schüler, vor allem da diese Erläuterungen recht einfach zu verstehen sind.
Fotos, die in den deutschen Lehrwerken eher selten zu sehen sind, sind in den Lehrwerken aus Frankreich zahlreich zu finden, insbesondere sehr große Fotos, die fast eine Seite einnehmen. Dafür ist die Anzahl der Statistiken verglichen mit den deutschen Lehrwerken wesentlich geringer.
Die Texte in den „Géographie“-Büchern sind viel länger und wirken eher umrahmt von den Fotos. Wie in den deutschen Büchern findet man Randbemerkungen zu Fachbegriffen, die hier auf Französisch definiert werden.
Allerdings werden diese Randbemerkungen für deutsche Schüler kaum ausreichen, da die Texte teilweise sehr schwer zu verstehen sind.
Man sollte jedoch das hohe sprachliche Niveau, das diese Texte mit sich bringen, nicht zum Anlass nehmen, gänzlich auf ihren Einsatz im Unterricht zu verzichten, da man es auch als motivierende Herausforderung für die Schüler sehen kann, durch die sich ihre Fähigkeiten stetig verbessern werden. Diese Ansicht teilen Wildhage und Otten auch, da sie erläutern: „Auf rezeptiver Ebene führt die Arbeit mit authentischen fremdsprachigen Materialien zu einer deutlich gesteigerten Kompetenz im verständniserschließenden Umgang mit inhaltlich und sprachlich komplexen Texten“ (Wildhage/Otten 2003: 18).
Allerdings ist bei der Verwendung zu beachten, da die Texte oftmals schwer verständlich sind und die Themen der Lehrpläne von Deutschland und Frankreich divergieren, dass die französischsprachigen Lehrwerke nur auszugsweise im bilingualen Unterricht eingesetzt werden.
Die deutschen Lehrwerke beinhalten fast auf jeder Seite auch passende Aufgabenstellungen zu den Texten oder Grafiken, wohingegen die Fragestellungen in den französischen Büchern nur vereinzelt zu manchen Themen erscheinen. Des Weiteren zielen die Übungen in den „Géographie“-Lehrwerken aus Frankreich eher auf die Analyse von Texten und Bildern und nicht so sehr auf eigenen Erkenntnisgewinn anhand von Statistiken wie es in den deutschen Lehrwerken der Fall ist.
Leider fehlt in den französischen Lehrwerken ein Anhang, in dem alphabetisch noch einmal Fachbegriffe resümierend definiert werden, was den deutschen Schülern im bilingualen Erdkundeunterricht bestimmt beim Textverständnis helfen würde.
Ein weiteres Lehrwerk aus Frankreich, das im bilingualen Unterricht Verwendung findet, ist die „Histoire-Géographie“-Reihe, eine Kombination aus Geschichts- und Erdkundebuch. Aus diesen Büchern kann man auszugsweise auch Material entnehmen, z.B. aus dem Lehrwerk für die 4e (Dourlet 2002) kann man das ausführliche Kapitel über Europa verwenden, da Europa ebenso im deutschen Lehrplan vorgesehen ist. Da diese Bücher das gleiche Layout wie die „Géographie“-Bücher haben, verzichte ich auf eine separate Analyse.
Die „Reihe bilingualer Unterricht“ wurde vom Klett-Verlag herausgegeben und orientiert sich explizit an den thematischen Vorgaben der Richtlinien für das Fach Erdkunde, wodurch die Themen der Hefte „Espace africain“, „Espace européen“ und „Espace mondial“ eine nützliche Grundlage für den Unterricht der Sekundarstufe I bieten.
Das Themenheft „Espace africain“, das für den Unterricht der 7. Klasse konzipiert wurde, behandelt unter Rückgriff auf das Oberthema „Afrika“ grundlegende Arbeitsweisen des Erdkundeunterrichts, die im weiteren Verlauf der Schulkarriere immer wieder verwendet werden können, wie z.B. „Étudier le climat“ oder „Étudier la population“.
Auf jeder Doppelseite befinden sich ein kurzer Text, Statistiken, Karten und Aufgabenstellungen. Des Weiteren werden stets Übungen wie Lückentexte angeboten, in die Wörter eingesetzt werden müssen, die man zuvor anhand des Textes gelernt hat oder Buchstabensalate, aus denen man die „mots-clés géo“ durch einkreisen extrahieren muss. Zusätzlich werden zu jedem Thema sogenannte „outils-géo“ in Informationskästen angegeben, die neben thematisch wichtigem Vokabular auch ausführliche Formulierungen z.B. zur Beschreibung von Bevölkerungsentwicklungen enthalten. Außerdem sind manche dieser Kästen wie Wortfelder aufgebaut. Alle Informationskästen sind ausschließlich in französischer Sprache verfasst, was bedeutet, dass die Schüler entweder selbstständig viele Vokabeln im Wörterbuch nachschlagen müssen oder der Lehrer im Unterricht Hilfestellungen geben muss.
Auf den ersten beiden Seiten befinden sich allgemeinsprachliche Hilfen („Aides linguistique et méthodologiques“), welche den Schülern grundlegende Redemittel präsentieren, die sie zur Beschreibung von Bildern, Statistiken und Karten gebrauchen können.
Die Aufgabenstellungen sind entweder inhaltliche Fragen zum Textverständnis oder Übungen zum Wortschatz, wie z.B. „Cherchez la traduction des mots allemands suivants: dicht, Anbau...“ (Mäsch 2007: 25).
Im Anhang befindet sich ein alphabetischer französisch-deutscher sowie deutsch-französischer Anhang, der eine Übersicht über das zu erlernende Vokabular darstellt.
Die kurzen Texte enthalten sehr viele Wörter aus dem Bereich des spezifischen Erdkundefachvokabulars, die den Schülern noch nicht durch den Französischunterricht bekannt sind, wodurch die Texte recht schwer verständlich wirken und Vokabelhilfen auf jeden Fall nötig sind.
Etwas bedauerlich ist, dass das Heft lediglich schwarz-weiße Bilder und Karten enthält und keine farbigen Abbildungen.
In der 8. Klasse wurde immer mit dem Heft „Espace mondial“ gearbeitet, dessen Druck jedoch nun eingestellt wurde, da im Zuge der verkürzten Schulzeit kein bilingualer Erdkundeunterricht mehr in der achten Klasse stattfindet. Die Erdkundelehrer verwenden derzeit jedoch Ausschnitte daraus in der 9. Klasse, da teilweise Themen, die zuvor in der 8. Klasse behandelt wurden, nun in der 9. Klasse thematisiert werden.
Wie das Heft „Espace africain“ befinden sich zu jedem Thema ein kurzer einleitender Text sowie Karten und Statistiken auf meist drei bis vier Seiten. Auch die Arbeitsaufträge zum Textverständnis sind beibehalten worden in diesem zweiten Teil der dreiteiligen Serie. Im Gegensatz zu dem ersten Heft befinden sich im „Espace mondial“ auch Aufgaben, die nicht allein mit Hilfe des Textes zu lösen sind, sondern bei denen man eigenständig Erkenntnisse aus den Grafiken ziehen muss.
Aus diesem Grund geben die „outil géo“-Informationskästen in diesem Heft auch Hilfestellungen, wie man überhaupt mit solchen spezifischen Materialien arbeitet. So findet man auf S. 21 „Lire un graphique“ abgedruckt, wo Leitfragen abgedruckt sind, die den Schülern bei der Analyse der Grafiken helfen können.
Vergleicht man die Wortschatzarbeit dieses Heftes mit der des Arbeitsheftes „Espace africain“, so stellt man fest, dass gar keine Übungen existieren, die das fremdsprachliche Lernen unterstützen. Nur selten gibt es französischsprachige Definitionen eines Wortes in kleinen Informationskästen, jedoch gibt es keine Übungen, bei denen das neu erlernte Vokabular spielerisch erprobt werden könnte.
Der aus dem „Espace africain“ bereits bekannte zweisprachige Vokabelanhang ist in gleicher Art und Weise auch in diesem Heft vorhanden.
Was direkt auffällt, ist, dass die Texte kürzer sind als die im „Espace africain“ abgedruckten, da man Tabellen und Karten vermehrt Platz einräumt. Das Heft „Espace mondial“ wirkt sehr komplex und anspruchsvoll, da zahlreiche Aufgaben zu jedem Thema gestellt werden, die ein breites Vorwissen voraussetzen und das selbstständige Erarbeiten der Sachverhalte anhand schwierig durchschaubarer Statistiken und Karten fordern. Die Grafiken sind nur spärlich kommentiert, so dass die Schüler sich intensiv mit diesen auseinandersetzen müssen, um an die gewünschten Erkenntnissen zu gelangen.
Das Heft für die 9. Klasse mit dem Titel „Espace européen“ gleicht vom Layout her dem Arbeitsheft „Espace africain“ und dem „Espace mondial“, denn es befinden sich auch dort auf jeder Doppelseite Karten, Statistiken, Aufgabenstellungen neben einem kurzen Text. Allerdings fehlen im Arbeitsheft „Espace européen“ die spielerischen Übungen zum Wortschatz wie Lückentexte oder Kreuzworträtsel, die zahlreich im Heft „Espace africain“ abgedruckt sind. Dennoch sind die Informationskästen („outil géo“) auch in dem Heft für die 9. Klasse zu finden, jedoch in einer anspruchsvolleren Form. So erläutern diese nun nicht mehr einzelne Vokabeln und ihre Bedeutungen, sondern stellen eher methodische Zusammenfassungen zu verschiedenen Themen wie z.B. „Comment étudier les disparités régionales“ (Mäsch 1995: 9) oder „Comment comparer les données statistiques“ (Mäsch 1995: 13) dar. Es gibt keine Angaben mehr, die hilfreich bei unbekanntem Vokabular sein könnten, lediglich das alphabetische deutsch-französische und französisch-deutsche Glossar mit dem zu erlernenden Vokabular ist erhalten geblieben. Die Aufgabenstellungen zielen nun verstärkt auf das selbstständige Erarbeiten mit Hilfe von z.B. Atlanten und fordern vermehrt eigenständiges Denken, da die Aufgaben so gestellt sind, dass man sie nicht nur mit Hilfe des dazugehörigen Textes beantworten kann, z.B. „Quel lien faites-vous entre la crise et la centrale nucléaire de Cattenom? Sur un atlas, situez précisément cette centrale; quels problèmes transfrontaliers a-t-elle posés?” (Mäsch 1995: 21).
Das Besondere an dem französisch-deutschen Glossar des Bandes „Espace euopéen“ ist, dass jedes französische Wort mit einer französischsprachigen Definition versehen wurde, so dass der Schüler neben der deutschen Übersetzung zusätzlich auch eine nützliche Definition auf Französisch bereit gestellt bekommt, z.B.: expansion urbaine, l' (f)- l'accroissement des villes: Städtewachstum.
Meiner Meinung nach ist die „Reihe bilingualer Unterricht“ sehr gelungen, auch wenn sie sprachlich sehr anspruchsvoll ist. Die Reihe orientiert sich, da sie ja speziell für den deutsch-französisch bilingualen Erdkundeunterricht konzipiert wurde, genau an dem Lehrplan für Gymnasien, so dass dem Lehrer dadurch eine gute Grundlage gegeben ist.
Die Hefte führen die Schüler an die Arbeitsweisen heran, die für das Fach Erdkunde äußerst relevant sind, wie zum Beispiel das Analysieren von Grafiken. Sinnvoll ist, dass sobald ein neuer Sachverhalt zum ersten Mal behandelt wird, wie z.B. das Vergleichen diverser Statistiken, direkt auch eine kurze Einführung in die Methodik gegeben wird, meist in Form eines Informationskastens, der die einzelnen Schritte dabei darstellt.
Besonders gelungen ist meiner Ansicht nach die Integration von fremdsprachlichem Lernen neben das sachfachliche Lernen, die sich in den Übungen zum Wortschatz, besonders in dem Band „Espace africain“, manifestiert. Auch die einsprachigen Definitionen, die neben dem Symbol, das einen Schlüssel zeigt, stets als „Mots-clés géo“ abgedruckt werden, halte ich für äußerst sinnvoll, denn dadurch, dass diese Definitionen ausschließlich auf Französisch gegeben werden, lernen die Schüler direkt einige neue Vokabeln und können sicherlich auch Teile der Definitionen verwenden, wenn sie selbst etwas im Unterricht erläutern möchten. Wenn sie die Definition überhaupt nicht verstehen, können sie die exakte deutsche Bedeutung eh im Buch befindlichen Glossar nachschlagen.
Des Weiteren ist praktisch, dass sich auf den letzten Seiten von jedem Band ein zweisprachiges Vokabelverzeichnis befindet, denn dadurch kann der Lehrer wie im Französischunterricht die Vokabeln lernen lassen und abfragen.
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[1] Wenn von „Schülern“ oder „Lehrern“ die Rede ist, sind immer beide Geschlechter gemeint, werden aber aus Gründen der Lesbarkeit und insbesondere der Vermeidung des Binnen-I nicht gesondert aufgeführt.
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