Bachelorarbeit, 2010
51 Seiten, Note: 1,3
Symbolverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Relevanz des Themas
1.2 Gang der Untersuchung
2. Darstellung der Situation
2.1 Der Fall Liechtenstein
2.2 Daten aus der Schweiz
2.3 Weitere Ste uer-CDs
3. Reaktionen auf den Kauf
3.1 Pro und Contra des Ankaufs
3.2 Öffentliche Diskussion
3.3 Stellungnahme des Bundes deutscher Steuerzahler
4. Juristische Perspektive
4.1 Frage nach der Rechtmäßigkeit des Ankaufs
4.2 Untersuchung auf ein Verwertungsverbot
4.3 Auslegung der Selbstanzeige
5. Ökonomische Perspektive
5.1 Situation vor den Steuer-CDs
5.2 Veränderung der Anreize durch die Möglichkeit der Selbstanzeige
5.3 Auswirkungen auf potentielle Datendiebe
6. Der Staat im Zwiespalt - eine kurze philosophische Betrachtung
7. Möglichkeiten des Staates
7.1 Internationale Amts- und Rechtshilfe
7.2 Zinsrichtlinie, Doppelbesteuerungsabkommen und weitere Maßnahmen
7.3 Bekämpfung von Steuerhinterziehung innerhalb der EU
8. Überlegungen zu einem besseren Steuersystem
9. Fazit
Literaturverzeichnis.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Nach der Liechtensteiner Steueraffäre, aber besonders nach dem Auftauchen einer Steuer- CD aus der Schweiz in diesem Jahr, wurde die Existenz von immer mehr Steuer-CDs in Deutschland bekannt. Einige dieser Datenträger enthalten große Datenmengen und auch Informationen über Prominente, andere wiederum beschränken sich auf wenige Einzelfäl- le. Mit jeder neuen Steuer-CD entfachte eine Diskussion darüber, ob diese gekauft werden sollte oder nicht. Allerdings sind bislang weder die rechtliche Grundlage, noch die ökono- mischen Folgen eindeutig geklärt.
In dieser Arbeit sollen die Folgen und Probleme, aber auch das Für und Wider des Kaufs von Steuer-CDs dargestellt werden. Ein besonderer Fokus liegt dabei zum Einen auf der juristischen Komponente, die sozusagen die Grundlage bildet, zum Anderen sollen die ökonomischen Auswirkungen insbesondere mit Hinblick auf die Anreizthematik unter- sucht werden.
Neben der Einleitung umfasst diese Bachelorarbeit acht weitere Abschnitte sowie ein abschließendes Fazit.
Das folgende Kapitel soll zunächst einen Überblick über die Situation geben. Dabei soll sowohl auf den Ablauf des Kaufs der CDs, als auch auf die daraus resultierenden Steuereinnahmen eingegangen werden. Zu Beginn wird ein Rückblick auf den Gang der Liechtensteiner Steueraffäre im Jahr 2007 gegeben. Danach wird der diesjährige Fall der Schweizer Steuer-CD vorgestellt. Im Anschluss daran wird eine kurze Übersicht über weitere, sich im Umlauf befindende Steuer-CDs gegeben.
Im dritten Kapitel werden die Reaktionen auf den Kauf der Steuer-CDs vorgestellt. Zuerst werden die Pro- und Contra-Argumente gegenübergestellt. Anschließend wird ein Einblick in die öffentliche Diskussion gegeben. Dabei werden neben der Meinung der Bürger insbesondere politische Äußerungen dargestellt. Zum Abschluss dieses Kapitels wird auf die Meinung des Bundes deutscher Steuerzahler eingegangen.
Kapitel vier beschäftigt sich mit der juristischen Perspektive. Hier wird zu Beginn unter- sucht, ob der Ankauf der Steuer-CDs rechtmäßig war. Daran anschließend wird geprüft, ob die angekauften CDs als Beweismittel zulässig sind oder einem Beweisverwertungsverbot unterliegen. Da im Zuge der Steuer-CDs häufig die Selbstanzeige als Mittel zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit diskutiert wird, wird abschließend die juristische Grundlage der Selbstanzeige dargestellt.
Das fünfte Kapitel analysiert die ökonomischen Folgen des Kaufs von Steuer-CDs. Zu Beginn des Kapitels wird gezeigt, wie sich die Situation bezüglich Anreizen zur Steuerhin- terziehung vor dem Bekanntwerden von Steuer-CDs darstellt. Darauf folgend wird unter- sucht, wie sich die Anreize zur Steuerhinterziehung bei Vorliegen von Steuer-CDs und insbesondere mit der Möglichkeit der Selbstanzeige verändern. Abschließend wird ein kur- zer Einblick gegeben, wie sich der Kauf von solchen Datenträgern auf potentielle Daten- diebe auswirkt.
Nach einer kurzen philosophischen Betrachtung in Kapitel sechs setzt sich Kapitel sieben mit anderen Möglichkeiten zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung auseinander. Hier wird neben den Amts- und Rechtshilfeabkommen zwischen verschiedenen Staaten auch auf die Möglichkeit einer gemeinsamen EU-Lösung eingegangen. Zudem werden weitere Alternativen ohne Anspruch auf Vollständigkeit vorgestellt.
Im letzten Kapitel werden erste Überlegungen zu einem besseren Steuersystem vorgestellt. Diese Vorschläge beruhen sowohl auf Überlegungen von Experten als auch aus den Ergebnissen dieser Arbeit.
Ein abschließendes Fazit in Abschnitt neun fasst die Ergebnisse der Arbeit kurz zusam- men.
Im Jahr 2007 wurde die Liechtensteinische Finanzaffäre bekannt. Bereits im Jahr zuvor, am 26.01.2006, wurden dem BND durch einen damals anonymen Informanten Daten von deutschen Kunden angeboten. Diese hatten damals insgesamt 3,5 Milliarden Euro in Liechtenstein angelegt. Nachdem sich der Informant Heinrich Kieber mehrfach mit dem BND traf und diesen „Probedaten“ lieferte, erhielt er vom BND eine neue Identität. Nach Rücksprache mit dem Kanzleramt und dem Bundesfinanzministerium schloss der BND mit Kieber einen mündlichen Kaufvertrag der Daten über 4,2 Millionen Euro ab. Der BND- Chef bat die Steuerfahndung des Finanzamtes Wuppertal nach sorgfältiger Prüfung und Absprache mit anderen Behörden einen Antrag auf Amtshilfe zu stellen. Dieser wurde gleich darauf genehmigt. Am 12.06.2007 fand ein Treffen zwischen Kieber und dem BND zur Übergabe der Daten-DVDs statt. Die Kaufsumme wurde anschließend von einem Kon- to des BND abgebucht. Zuvor hatte das Bundesfinanzministerium eine Deckungssumme von 5 Millionen Euro zugesagt.1
Bereits wenige Tage nach dem Kauf der Daten wurden diese an andere Länder kostenlos weitergegeben. Sogar Länder wie Slowenien, das nicht als Hochsteuerland bekannt ist, zeigten Interesse an den gekauften Daten.2
Heinrich Kieber war von April 2001 bis November 2002 bei der LGT Treuhand AG be- schäftigt. In diesem Zeitraum kopierte er unter Umgehung von Sicherheitsvorkehrungen Daten von mehr als tausend Kundenbeziehungen. Bereits im Januar 2003 erpresste er da- mit Fürst Hans-Adam II. mit der Drohung, die Daten ausländischen Behörden zugänglich zu machen. Nach einer rechtskräftigen Verurteilung erhielt die LGT Treuhand AG die DVDs mit den gestohlenen Kundendaten zurück. Allerdings hatte Kieber zuvor Kopien dieser Daten erstellt.3
Auf den Datenträgern befanden sich Angaben über 4.527 Begünstigte von Liechtensteiner Stiftungen aus den 1970er Jahren bis 2005, von denen ca. 1.400 deutschen Anlegern gehör- ten.4 Der prominenteste Fall unter den deutschen Anlegern war Ex-Post-Chef Klaus Zumwinckel, der im Februar 2008 nach einer Hausdurchsuchung medienwirksam festge- nommen wurde. Er wurde zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und einer Million Euro Geldstrafe verurteilt. Infolge dieses Falles gingen hunderte von Selbstanzeigen ein.5
Insgesamt wurden laut Bundesregierung im Zuge der Affäre bereits 588 Ermittlungsverfahren eingeleitet, von denen 191 abgeschlossen sind. Die Einnahmen aus nachgezahlten Steuern sowie Geldstrafen beläuft sich auf ca. 200 Millionen Euro.6
Zu Beginn dieses Jahres, am 31.01.2010, wurde die Existenz einer neuen CD mit Daten über Steuersünder bekannt. Der erste Kontakt zu deutschen Steuerbehörden fand bereits Anfang 2009 statt. Der Datenträger, auf dem sich Adressen, Kontonummern und Summen der angelegten Beträge befanden, wurde zuerst der Steuerfahndung in Wuppertal angebo- ten.7
Bei dem Anbieter handelte es sich vermutlich um einen Angestellten der Credit Suisse Bank, der die Daten während seiner Beschäftigungszeit dort kopiert hatte. Die Steuerfahn- der in Nordrhein-Westfalen baten den Anbieter zunächst um eine Stichprobe von Daten aus NRW. Die Überprüfung von fast hundert Datensätzen ergab eine sehr hohe Trefferquo- te. Nach fast dreiwöchigen Gesprächen mit dem Informanten im Ausland erwarb NRW diese CD am 04.02.2010 zu einem Preis von 2,5 Millionen Euro.8 Auf deren Basis laufen nun rund 1.100 Strafverfahren.
Die Übergabe der CD an vier Wuppertaler Steuerfahnder soll Medienberichten zufolge in Frankreich stattgefunden haben, da dem Informanten bei Übergabe in Deutschland eine Festnahme gedroht hätte.9 Kurz darauf, im Juni 2010, kaufte Niedersachsen eine weitere CD mit Daten über 20.000 Inhaber Schweizer Konten. Die Kosten für den Kauf der CD teilten sich Bund und Länder.10
Als Reaktion auf den Kauf dieser CDs hatten sich 21.734 Steuerhinterzieher selbst angezeigt (Stand 07.07.2010). Man vermutet, dass sich die Daten vieler dieser Steuersünder auf einer oder beiden der gekauften CDs befanden und diese daher ohnehin aufgeflogen wären.11 Die meisten Selbstanzeigen hat es bislang in Baden-Württemberg (2.966) und Hessen (ca. 1.700) gegeben.12 Erst als bekannt wurde, dass die CDs mit den Daten vieler Steuersünder tatsächlich gekauft wurden, setzte die Steuerehrlichkeit ein.13
Über die Höhe der Steuermehreinnahmen durch den Kauf der Steuer-CD in NordrheinWestfalen konnte bislang nur spekuliert werden. Das Bundesfinanzministerium machte bislang keine Angaben dazu. Nach Medienberichten war zunächst von 100 Millionen Euro die Rede, später schon von ca. 400 Millionen Euro.14
Neben den Daten über deutsche Steuersünder soll die CD der Credit Suisse auch belastendes Material aus den Jahren 2004 bis 2008 gegen die Bank selbst enthalten. Die deutschen Behörden planten daher erstmals, der Bank und ihren Mitarbeitern Beihilfe zur systematischen Steuerhinterziehung nachzuweisen.
Die Wuppertaler Steuerfahndung ging davon aus, dass es in diesem Zusammenhang nicht nur Verfahren gegen deutsche Steuerhinterzieher geben würde, sondern ebenfalls gegen Mitarbeiter der Credit Suisse. Ihnen könnte Beihilfe zur Steuerhinterziehung vorgeworfen werden.15 Anfang August schrieb die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft sich selbst angezeig- te Steuerhinterzieher an und verlangte von ihnen eine verbindliche Auskunft über das Be- ratungsvorgehen bei der Credit Suisse. Die Staatsanwaltschaft versprach sich dadurch Na- men von Mitarbeitern, gegen die ein Verfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung eingeleitet werden könnte. Bereits im Juni wurden 13 Filialen der Credit Suisse in Deutschland durchsucht.16
Nach internen Schätzungen der Bank verschwiegen 88 Prozent der deutschen Anleger ihr Geld vor dem deutschen Fiskus. Das entsprach bis zu 100.000 deutschen Steuerhinterziehern mit einem Vermögen von ca. 34 Milliarden Schweizer Franken, also umgerechnet mehr als 23 Milliarden Euro.17
Obwohl Schweizer Politiker beim Kauf der ersten Steuer-CD aus ihrem Land heftig protestierten und die Rechtmäßigkeit des Kaufes in Frage gestellt hatten, rückten diese von ihrer früheren Position ab. Stattdessen kündigte der Schweizer Finanzminister Hans-Rudolf Merz an, kein Interesse mehr an Schwarzgeld zu haben.18
Mitte dieses Jahres (Stand 21.07.2010) beschäftigten sich deutsche Behörden mit mindes- tens sieben Steuer-CDs, wobei der Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen lag.19 Die dama- lige Entscheidung, die Steuer-CD aus Liechtenstein zu einem Preis von 4,2 Millionen Euro zu erwerben, hatte offenbar ein neues Marktsegment eröffnet. Der Verkauf illegal erlangter Daten an den deutschen Staat nahm weiter zu. Nach einer Auflistung des Spiegels20 waren folgende CDs im Umlauf:
Nordrhein-Westfalen: 1.500 Kundendaten der Credit Suisse (der Kauf erfolgte im Februar 2010 für 2,5 Millionen Euro)
Baden-Württemberg: 1.600 mutmaßliche Steuerhinterzieher, zudem 20.000 Kleinbeträge (der Datenträger wurde von Niedersachsen gekauft)
Bayern: Datensätze von Banken aus Luxemburg und der Schweiz (Ankauf unge- wiss)
Schleswig-Holstein: 363 Datensätze wurden den Steuerbehörden im Dezember 2009 anonym und kostenlos zur Verfügung gestellt
Hessen: Steuer-CD mit bislang unbekannten Daten
Einige weitere CDs in verschiedenen Bundesländern mit einer viel geringeren Datenmenge.21
Der Kauf der Steuer-CD in Baden-Württemberg wurde am 26.02.2010 abgelehnt, da insbe- sondere von Seiten der FDP verfassungsrechtliche Bedenken geäußert wurden.22 Daraufhin kaufte der Bund gemeinsam mit Niedersachsen diese CD für einen Preis von 185.000 Eu- ro, anstatt der zu Beginn geforderten 500.000 Euro. Obwohl Baden-Württemberg den Da- tenträger selbst nicht kaufte, möchte es die darauf vorhandenen Daten mit nutzen.23 Nach Aussage vom niedersächsischen Finanzminister Hartmut Möllering ergaben sich allein für das Land Niedersachsen aus den zuvor erhaltenen Probedaten schon Steuereinnahmen von 360.000 Euro.24 Auf der CD befanden sich nicht wie beim Kauf angenommen 20.000, son- dern Daten von ca. 35.000 deutschen Steuersündern. Von diesen 35.000 Daten stammten nach Angaben des niedersächsischen Finanzministeriums 3.873 von Steuersündern aus Niedersachsen.25
Auch Schleswig-Holstein profitierte bereits von den zugespielten Datensätzen. Als Reakti- on darauf zeigten sich mehr als 500 Steuersünder aus Schleswig-Holstein selbst. Dies brachte dem Land Mehreinnahmen von ca. 70 Millionen Euro ein.26 Nach Angaben der Deutschen Steuergewerkschaft legten deutsche Steuerpflichtige mehr als 300 Milliarden Euro im Ausland an. Durch Offenlegung dieser Anlagen, könnte der deutsche Staat ca. 10 Milliarden Euro mehr einnehmen.27
„‚Dieses Jahr ist das CD-Boomjahr‘, sagte der Chef der Deutschen Steuergewerkschaft (DSTG), Dieter Ondracek. Bis Mitte des Jahres habe es schon 25.000 Selbstanzeigen ge- geben.“28
Der Kauf der Steuer-CDs wurde von vielen Seiten diskutiert und analysiert. Im Zuge dessen entwickelten sich zahlreiche Argumente, die für, aber auch gegen den Kauf solcher Datenträger sprechen.
Befürworter des Kaufs sehen den Staat in der Pflicht, jeden Verdachtsmoment der Steuerhinterziehung zu verfolgen. Es müsse alles getan werden um eine gleichmäßige Besteuerung und damit einhergehend Steuergerechtigkeit herzustellen. Zur Not müssten also auch illegal beschaffte Daten angekauft werden.
Gegner des Kaufs kritisieren, dass der Deal mit Dieben und Verbrechern unmoralisch sei und diese nicht auch noch für eine begangene Straftat belohnt werden sollten. Indem der Staat die Daten-CDs kauft, mache er sich zum Mittäter von Straftätern und übergehe die Prinzipien eines Rechtsstaates. Somit gäbe der Staat kein gutes Vorbild für die rechtstreuen Bürger ab und scheine den Rechtsbruch der Datendiebe auch noch gutzuheißen. Gleichzei- tig verliere der Staat seine Glaubwürdigkeit, wenn er Straftaten von Bürgern durch eigene Straftaten bekämpfe.29
Einige Befürworter sehen in dem Ankauf der Steuer-CDs die einzige Möglichkeit des Staates, um Steuerhinterzieher zu entdecken und zu bestrafen. Kritiker des Kaufs sehen dagegen die Gefahr, dass sich der Staat in eine Abhängigkeit von Datendieben begibt. Es stelle ein Problem dar, Geld für etwas auszugeben, das auf rechtlich fragwürdige Weise in jemandes Besitz gelangt ist. Neben dem Kauf von Daten-CDs gäbe es sicherlich auch andere Möglichkeiten zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung. Es sei ein Unding, dass der deutsche Fiskus für den Kauf solcher Daten Steuergelder verwendet.
Weiterhin wird argumentiert, dass man in den neuen Fällen der Steuer-CDs nicht auf einmal anders entscheiden könne, als man es im Fall Liechtenstein getan hat. Dies schaffe allerdings einen Anreiz zu weiteren Straftaten und treibe den Handel mit illegal beschafften Daten zusätzlich an. Sobald bekannt würde, dass sich der Staat nach diesem Verfahren richtet, entstünde der Anreiz zu weiterem Datendiebstahl und der Staat mache sich durch die Aussage, er kaufe jede Steuer-CD, zum Anstifter der Datendiebe.
Positiv zu sehen sei, dass der Kauf von Steuer-CDs mit zunehmender Anzahl eine größere Abschreckungswirkung entfalte und dazu führe, dass sich immer mehr Steuersünder selbst anzeigten. Der Fiskus könne somit leicht mindestens 1,5 Milliarden Euro Steuern einneh- men. Diese müsste er sonst mühsam über Steuerfahnder und Staatsanwälte eintreiben.30
Durch den Kauf oder der glaubwürdigen Drohung eines Kaufes ergäbe sich zudem der Vorteil, dass sich Steuersünder, die sich nicht auf den CDs befinden, selbst anzeigten. Die- se wären ansonsten nicht entdeckt worden, hätten aber befürchtet, ebenfalls entdeckt zu werden. Somit wurden dem Staat neben den Steuersündern auf den CDs auch weitere Straftäter bekannt.
Hingegen sei bislang nicht eindeutig, ob die CDs als Beweise verwertet werden dürfen. Falls dies nicht der Fall sein sollte, hätte der Staat viel Geld dafür ausgegeben und könnte in Zukunft wohl auch nicht mehr mit so vielen Selbstanzeigen als Reaktion auf einen Steuer-CD-Kauf rechnen.
Zum Problem des Datenschutzes äußern sich Befürworter und Kritiker besonders unter- schiedlich. „Wer Steuern hinterzieht hat keinen Anspruch auf Datenschutz“, findet der Landeschef der christlich-demokratischen Arbeitnehmerschaft Christian Bäumler.31 Sigmar Gabriel argumentiert: „‚Wir können Ganoven nicht laufen lassen, nur weil sie von Ganoven entlarvt werden.‘ Wenn die Regierung auf diese Daten verzichte, ‚setzt sie sich einmal mehr dem Verdacht aus, ihre Politik an den Interessen einer Klientel von Wohlha- benden auszurichten‘.“32 Bundesdatenschutzbeauftragter Peter Schaar hingegen kann es „nicht gutheißen, dass unsere Behörden sogar vorbei an Rechtshilfeabkommen, auf die Daten zugreifen, die in anderen Staaten gestohlen worden sind“.33 Immerhin könnte die CD auch Daten von Kunden beinhalten, die keine Steuern hinterzogen haben. Für die Richtigkeit der Daten auf den CDs gäbe es jedoch keine Garantie.
Nach Bekanntwerden der Steuer-CDs ist in der Öffentlichkeit eine heftige Diskussion über den Kauf dieser Datenträger ausgebrochen. Auf der einen Seite gibt es Befürworter des Kaufs, die vor allem aus den Reihen der steuerehrlichen Bürger stammen und bereits einen „Sieg der Gerechtigkeit“34 feiern. Auf der anderen Seite lehnen insbesondere Datenschützer den Kauf solcher CDs ab. Während der Kauf der Steuer-CDs in der breiten deutschen Bevölkerung auf Zustimmung stieß, bestehen politisch, moralisch und besonders rechtlich einige Zweifel. Fragen, die die Rechtmäßigkeit des Kaufs ebenso wie die Verwertungsmöglichkeit der Beweise angehen sind bisher nicht eindeutig geklärt. Selbst wenn das Bundesverfassungsgericht in Zukunft zu dem Urteil kommen sollte, dass die Daten problemlos verwertet werden dürfen, so hat der Kauf der Steuer-CDs durch den Staat einen bitteren Beigeschmack. Rechtsstaatliche Prinzipien und Garantien würden durch einen solchen Kauf umgangen da der Staat mit Straftätern quasi zusammenarbeite, um andere Straftäter zu überführen.35
Auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sah den Kauf der illegalen Steuer-CDs skeptisch. „Der Handel mit gestohlenen Daten darf durch den Ankauf des Staates nicht angeheizt werden.“36 Neben der Ahndung von Steuerhinterziehung sei es auch Aufgabe des Staates, den Diebstahl von sensiblen Daten zu verhindern und zu bestrafen anstatt ihn zu belohnen. Zudem dürfe sich der Staat nicht in eine Abhängigkeit begeben und auf Steuer-CDs angewiesen sein. Die illegale Beschaffung solcher Daten und deren Handel solle nicht durch falsche Signale angetrieben werden.37
Angela Merkel hingegen war der Meinung, „dass es ein gemeinsames Interesse gibt, diese Informationen zu kennen. Steuerhinterziehung ist alles andere als ein Kavaliersdelikt.“38 Auch Strafverteidiger Ulrich Ziegert sah keine Einwände gegen den Kauf der Datenträger: „Wer Beamte ins Drogenmilieu einschleust und Heroin ankaufen lässt, der muss auch eine Daten-CD fragwürdiger Herkunft erwerben dürfen.“39 Ähnlich argumentierte die Deutsche Steuergewerkschaft. Sie plädierte für eine gesetzliche Regelung, die den Kauf solcher Daten ausdrücklich gestattet. „Der Gesetzgeber muss ein Signal setzen und klarstellen, dass für die Datensätze bezahlt werden kann.“40
Negative Reaktionen gab es auch anlässlich der zahlreichen Selbstanzeigen, durch die die Steuerhinterzieher in der Regel straffrei ausgehen. Auch hier bezog die Steuergewerkschaft ganz klar Stellung: „Diejenigen, die mit Vorsatz und ausgeklügelten Hinterziehungsmethoden Kapital am Fiskus vorbei auf ausländische Schwarzgeldkonten schleusen, sind Täter, die die Selbstanzeigenmöglichkeit bewusst und nüchtern in ihre Kapitalanlagestrategien einbeziehen.“41 Diese Aussage zielte auf eine Neuregelung der Selbstanzeige ab. Zudem gab es Stimmen, zum Beispiel aus den Reihen der SPD, die für eine komplette Abschaffung der Selbstanzeige plädierten.42
Die Steuerberaterkammer warnte jedoch davor, die strafbefreiende Selbstanzeige abzu- schaffen. Dies hätte zur Konsequenz, dass es auch bei versehentlicher Unrichtigkeit der Steuerangaben bei einer Korrektur zu einem Verfahren kommen müsse. Dies würde Steu- erpflichtige von einer Korrektur ihrer Angaben abhalten und damit den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllen.43 Es müsse also weiterhin möglich sein, im Falle einer nicht beabsichtigt falschen oder fehlenden Angabe eine Berichtigung vorzunehmen, ohne dass man dafür bestraft würde.
Der Bund deutscher Steuerzahler bezeichnet sich selbst als die Vertretung aller ehrlichen Steuerzahler. Er forderte vom Staat insbesondere die effektive Bekämpfung von Steuerhin- terziehung. Zu diesem Zweck solle der deutsche Staat auch internationale Rahmenbedin- gungen schaffen, die es ermöglichen, Steuerhinterziehung zu bekämpfen oder sogar un- möglich zu machen. Zum Schutz der Daten ehrlicher Steuerpflichtiger, sollten Steuer-CDs nicht gekauft werden, sondern auf eine europäische Lösung gesetzt werden.44
Die beste Möglichkeit zur Verhinderung von Steuerhinterziehung sei nach Meinung des Bundes deutscher Steuerzahler eine Vereinfachung des Steuerrechts. Demnach sollte das neue Steuersystem gerechter sein und eine niedrigere Belastung der Bürger bewirken, sodass deren Steuermoral stiege.45
[...]
1 Vgl. Pitsch (2009), S. 339
2 Vgl. Wagner (2008), S. 372
3 Vgl. Trüg/Habetha (2008); Wagner (2008), S. 370
4 Vgl. Sieber (2008)
5 Vgl. Pitsch (2009), S. 339
6 Vgl. Deutscher Bundestag (2010)
7 Vgl. Leyendecker (2010)
8 Vgl. Leyendecker (2010)
9 Vgl. Tagesschau.de (2010 b)
10 Vgl. Riedel (2010)
11 Vgl. Riedel (2010)
12 Vgl. Stern online (2010 a)
13 Vgl. Riedel (2010)
14 Vgl. Tagesschau.de (2010 b)
15 Vgl. Der Westen (2010); Leyendecker (2010); Spiegel online (2010b)
16 Vgl. NZZ online (2010 b)
17 Vgl. Spiegel online (2010 b)
18 Vgl. Dams (2010)
19 Vgl. Der Tagesspiegel (2010)
20 Bartsch/Schmid (2010)
21 Vgl. Heerspink (2010); Ziegert (2010)
22 Vgl. tagesschau.de (2010 a)
23 Vgl. Dams (2010)
24 Vgl. tagesschau.de (2010 a)
25 Vgl. NZZ online (2010 a)
26 Vgl. Hamburger Abendblatt (2010)
27 Vgl. Schäfers (2010)
28 Vgl. ZDF (2010)
29 Vgl. Göres/Kleinert (2008), S. 6
30 Vgl. Riedel (2010)
31 Manager magazin (2010)
32 Sueddeutsche.de (2010)
33 Sueddeutsche.de (2010)
34 Vgl. Gesellensetter (2010 b)
35 Vgl. Heerspink (2010)
36 Tagesschau.de (2010 b)
37 Vgl. tagesschau.de (2010 b)
38 Spiegel online (2010 b)
39 Gesellensetter (2010 a)
40 Spiegel online (2010 a)
41 Schäfers (2010)
42 Vgl. Riedel (2010)
43 Vgl. Schäfers (2010)
44 Vgl. Däke (2010)
45 Vgl. Bund der Steuerzahler Deutschland e.V. (o. J.)
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