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Bachelorarbeit, 2012
52 Seiten, Note: 1.7
Abkürzungsverzeichnis
2. Funktionsverlagerung dem Grunde nach
2.1 Begriff der Funktion
2.2 Begriff der Funktionsverlagerung
2.3 Arten von Funktionsverlagerungen
2.4 Negativabgrenzung
3. Funktionsverlagerung der Höhe nach
3.1 Grundsatz: Bewertung als Ganzes - Transferpaket
3.1.1 Begriff des Transferpakets
3.1.2 Bewertung des Transferpakets
3.1.2.1 Gewinnpotenzial
3.1.2.2 Kapitalisierungszeitraum
3.1.2.3 Kapitalisierungszinssatz
3.1.3 Auswahl des Verrechnungspreises
3.2 Lizenzierungsoption
3.3 Ausnahme: Escape-Klauseln § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG
3.3.1 Escape-Klausel 1: Keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile
3.3.2 Escape-Klausel 2: Dem Transferpaket äquivalent
3.3.3 Escape-Klausel 3: Zumindest ein immaterielles Wirtschaftsgut
3.3.3.1 Tatbestandsvoraussetzungen
3.3.3.2 Rechtsfolgen
3.4 Preisanpassungsklausel § 1 Abs. 3 Satz 11-12 AStG
3.4.1 Tatbestandsvoraussetzungen
3.4.2 Rechtsfolgen
3.4.3 Beispiel zur Wirkungsweise der Anpassungsklausel
4. Auswirkungen auf die Praxis
4.1 Dokumentationspflichten
4.2 Doppelbesteuerungsproblematik
5. Fazit
Literaturverzeichnis
Rechtsprechungsverzeichnis und sonstige Quellen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Mit fortschreitender Globalisierung der Wirtschaft entwickeln sich auch Un- ternehmen fortlaufend weiter. Dies können neben kleinen Veränderungen auch umfassende Restrukturierungen in Form von Standortverlagerungen sein. Gerade in international agierenden Konzernen stehen Standortent- scheidungen beinahe täglich im Fokus. Nach einer Umfrage des deutschen Industrie- und Handelskammertages verlagern deutsche Unternehmen ver- stärkt auch ihre Forschungs- und Entwicklungsabteilungen ins Ausland.1
Die Motive, bestimmte Unternehmensteile bzw. Funktionen2 ins Ausland zu verlegen, sind vielfältig. Neben außersteuerlichen Gründen, wie z. B. der Er- schließung neuer Märkte, Erhöhung der lokalen Präsenz oder der Nutzung anderer vorteilhafter Standortfaktoren, veranlassen auch steuerliche Motive wie die Ausnutzung internationaler Steuerbelastungsgefälle Konzerne zur sog. Funktionsverlagerung3 ins Ausland.4 Hauptgrund speziell für die Verlagerung der Forschung und Entwicklung ins Ausland ist die Ergänzung zu Produktionsstandorten. Außerdem spielen niedrigere Lohnkosten, gerin- gere Bürokratie, bessere Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte sowie die notwendige Nähe zum Kunden zum ständigen Abgleich mit den Kundenbe- dürfnissen eine große Rolle.5
Der Gesetzgeber will durch die Erfassung bzw. Besteuerung von Funktions- verlagerungen verhindern, dass im Inland entstandenes Steuersubstrat vor Eintritt der Gewinnrealisierung in einen anderen Staat mit niedrigerer Be- steuerung verlagert wird.6 Im Inland geschaffene Gewinnpotenziale sollen auch im Inland besteuert werden (sog. Territorialitätsprinzip)7. Damit soll bspw. unterbunden werden, dass Forschungs- und Entwicklungsaufwendun- gen im Inland steuerlich geltend gemacht werden und die ertragreichen Er- gebnisse anschließend in einem Niedrigsteuerland verwertet werden. Um genau dem entgegenzuwirken, wurde erstmals im Rahmen der UntStRef 20088 im § 1 Abs. 3 AStG die steuerliche Behandlung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen gesetzlich erfasst und durch das Gesetzes zur Um- setzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vor- schriften mit Wirkung zum 15.04.2010 modifiziert.9 Neben dem Gesetz soll die durch das BMF veröffentlichte Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlV)10 sowie das Schreiben des BMF Verwaltungsgrundsätze Funktions- verlagerung (VGFVerl)11 Klarheit hinsichtlich der Besteuerung von Funktions- verlagerungen schaffen und die gesetzlichen Regelungen konkretisieren. Die Regelungen gelten auch für Funktionsverlagerungen ins Inland12, wobei sich die folgenden Ausführungen nur auf den Fall der Funktionsverlagerung ins Ausland beziehen.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die geltende Rechtslage der Besteue- rung von Funktionsverlagerungen darzulegen und zu analysieren. Die Unter- suchung geht von einer Funktionsverlagerung der Funktion Forschung und Entwicklung ins Ausland aus, da gerade in diesem Bereich hohe Gewinnpo- tenziale generiert werden, die im Inland zu einer signifikanten Besteuerung führen können. Die Bearbeitung erfolgt unter der Annahme, dass die Funkti- onsverlagerung innerhalb eines Konzerns stattfindet, in dem sowohl die deutsche Muttergesellschaft als auch die ausländische Tochtergesellschaft jeweils Kapitalgesellschaften sind.
Entsprechend der Zielsetzung dieser Arbeit werden der Einleitung folgend im zweiten Kapitel die Begriffe der Funktion und Funktionsverlagerung unter- sucht sowie die verschiedenen Erscheinungsformen von Funktionsverlage- rungen dargelegt. Der Schwerpunkt dieser Arbeit - die Besteuerung von Funktionsverlagerungen - wird im dritten Kapitel aufgezeigt und untersucht. Zuletzt wird auf die speziellen Auswirkungen in der Praxis eingegangen.
Auf die Untersuchung von Funktionsverlagerungen zwischen einem Stammhaus und einer Betriebsstätte sowie Verlagerungen verlustbringender Funktionen wird im Folgenden verzichtet.
Für die Annahme einer Funktionsverlagerung muss gem. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG „eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken und der mit übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile verlagert“ werden. Demnach muss als erstes das Tatbestandsmerkmal einer Funktion gegeben sein.
In Ermangelung einer gesetzlichen Definition des Funktionsbegriffs be- schreibt das BMF eine Funktion als „Geschäftstätigkeit, die aus einer Zu- sammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht, die von Perso- nal in bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden“.13 Ferner sei sie „ein organischer Teil eines Unternehmens, ohne dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinn vorliegen muss“.14 Die Geschäftstätigkeit Forschung und Entwicklung stellt eine Funktion in diesem Sinne dar.15 Auch Geschäftstätigkeiten, „die zur Geschäftsleitung, …, Materialbeschaffung, Lagerhaltung, Produktion, Verpackung, Vertrieb“ usw. gehören, stellen eine Funktion dar.16 Es erfolgt außerdem eine tätigkeits- und objektbezogene Abgrenzung anhand der mit der Funktion verbundenen Wirt- schaftsgüter und Vorteile sowie der mit der bestimmten Geschäftstätigkeit konkret verbundenen Chancen und Risiken.17 Eine Geschäftstätigkeit ist auch konzernintern möglich18 und ein organischer Teil ist eine zweckgerich- tete, abgrenzbare Tätigkeit unter Nutzung bestimmter Wirtschaftsgüter und Vorteile zur Erwirtschaftung von Ergebnisbeiträgen.19
Insoweit stellt eine Funktion immer nur einen Teil der Unternehmensgesamt- aufgabe dar20, ohne dass ein steuerlicher Teilbetrieb21 vorliegen muss. Die Einbeziehung der Teilbetriebsdefinition stellt einen Anhaltspunkt für die Ab- grenzung einer Funktion nach oben hin dar, zeigt jedoch nicht, welche Ele- mente eines steuerlichen Teilbetriebs für die Funktion entbehrlich sind. Im Umkehrschluss könnte dies jedoch bedeuten, dass alles eine Funktion dar- stellen kann, was ein Teilbetrieb eines Unternehmens ist. „In der realen Welt dürfte dies auf nahezu alle Bereiche auf nahezu allen Aggregationsebenen bis hin zu einzelnen Aktivitäten zutreffen“.22 Im weiteren Verlauf wird ange- nommen, dass die Funktionsverlagerung nach steuerlichen Kriterien keinen Betrieb oder Teilbetrieb darstellt.
Die Ausübung einer Funktion ist stets mit dem Eingehen von Rechtspositio- nen (z. B. Abschluss von Vertragsbeziehungen) und insofern auch mit der Übernahme von Chancen und Risiken verbunden.23 Folgerichtig heißt es im Schreiben des BMF VGFVerl, dass die Gewinnauswirkungen - und somit die Aufwendungen, Erträge und bestimmten Chancen und Risiken - für die be- teiligten Unternehmen sachgerecht abgrenzbar sein müssen24 und eine ge- wisse Eigenständigkeit der Funktion unerlässlich ist.25 Demzufolge liegt keine Funktion und Funktionsverlagerung vor, wenn es einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter des verlagernden Unternehmens nicht mög- lich ist, Aufwendungen und Erträge einer Funktion zuzuordnen oder wenn dieser eine solche Zuordnung nicht vornimmt, weil sie ihm keinen betriebs- wirtschaftlichen Erkenntnisgewinn verschafft. Wird der zu beurteilende Be- reich also nicht separat im Rahmen von Profit Center-, Kostenstellen- oder Segmentrechnung oder anderen vereinfachenden Schlüsselungen geführt, dürfte in der Praxis keine Funktion und somit keine Funktionsverlagerung vorliegen.26
Nach Meinungen von Brüninghaus/Bodenmüller lässt sich aus der Formulie- rung, eine Funktion wird „einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken … verlagert“27 (Hervorhebung durch den Verfasser), entnehmen, dass der Gesetzgeber die Funktion als etwas anderes ansieht als die dazu- gehörigen Chancen und Risiken. Demnach unterscheiden sich die mit der
Funktion übergehenden Chancen und Risiken von anderen Chancen und Ri- siken, die jeder betrieblichen Tätigkeit sowieso immanent seien. Unter typi- sche allgemeine Chancen und Risiken, die per se mit jeder betrieblichen Tä- tigkeit einhergehen, fallen unter anderem Kostenabweichungsrisiken, Haf- tungs- und Existenzrisiken, oder auch Chancen, über höhere Volumina ab- solut höhere Margen oder Kostenaufschlagsbeträge zu erzielen. Funktionen, die lediglich über solche sog. funktionale Chancen verfügen und nur geringe Risiken umfassen, werden typischerweise als Routinefunktionen bezeichnet. Hätte der Gesetzgeber den Übergang dieser funktionalen Chancen und Risi- ken als Tatbestandsmerkmal für die Funktionsverlagerung gesehen, so hätte er sie in § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG nicht separat erwähnen müssen, da sie oh- nehin jeder verlagerten Funktion untrennbar anhaften. Folgerichtig müssen lt. Brüninghaus/ Bodenmüller andere, sog. unternehmerische Chancen und Ri- siken für das Vorliegen einer Funktionsverlagerung ausschlaggebend sein. Hierbei handle es sich um Chancen und Risiken, die in Zusammenhang mit der Marktbearbeitung stehen, also um die Beteiligung an den Erfolgen oder Misserfolgen aus den Leistungen, mit denen das Unternehmen an den Markt tritt (sog. Residualerfolge).28 Anders als hier dargestellt, kann die Verlagerung sog. Routinefunktionen allerdings eine Funktionsverlagerung auslösen, da es bei einer Funktionsverlagerung nicht auf Auswirkungen auf die Gewinner- wartungen ankommt. Solch eine Verlagerung zieht jedoch andere Konse- quenzen mit sich, als dies bei „normalen“ Funktionen der Fall ist.29
Es wird deutlich, dass das BMF es nicht geschafft hat, mit seiner Definition des Funktionsbegriffs für mehr Rechtssicherheit zu sorgen. Sie ist sehr vage, stellt zwar Anhaltspunkte für die Abgrenzung einer Funktion dar, erläutert je- doch nicht exakt, was eine Funktion ist, und vor allem, ab wann sie beginnt. Die Definition sieht vielmehr eine Atomisierung des Funktionsbegriffs auf die kleinstmögliche Einheit vor.30 In Folge dessen müssen Entscheidungen auf Basis von Einzelfallanalysen erfolgen, was zuletzt Unsicherheit für den Steu- erpflichtigen bedeutet.
Nach § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG liegt eine Funktionsverlagerung vor, wenn „eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken und der mit übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile ver- lagert“ wird. In Ergänzung hierzu wird eine Funktionsverlagerung angenom- men, wenn das verlagernde Unternehmen einem nahe stehenden überneh- menden Unternehmen31 „Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile sowie die da- mit verbundenen Chancen und Risiken überträgt oder zur Nutzung überlässt, damit das übernehmende Unternehmen eine Funktion ausüben kann, die bisher von dem verlagernden Unternehmen ausgeübt worden ist, und da- durch die Ausübung der betreffenden Funktion durch das verlagernde Unter- nehmen eingeschränkt wird“.32
Die Funktionsverlagerung setzt also neben der Übertragung oder Überlas- sung von Wirtschaftsgütern auch die Übertragung von sonstigen Vorteilen sowie den damit verbundenen unternehmerischen Chancen und Risiken vor- aus. Wie bereits o. g., enthält eine Funktion immer unternehmerische Chan- cen und Risiken. Es stellt sich jedoch die Frage, was unter „sonstige Vor- teile“ zu verstehen ist. Nach herrschender Literaturansicht kann der Begriff der „Geschäftschance“ synonym zum Begriff der sonstigen Vorteile verwen- det werden.33 Unter Geschäftschance ist die Möglichkeit zu verstehen, aus einer Funktion zukünftige, konkrete Gewinne zu erzielen, die sich nicht schon aus anderen Wirtschaftsgütern ergeben34 und für die zwei ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter in einer vergleichbaren Situation ein Entgelt vereinbaren würden.35
Der eigentliche Vorgang Funktionsverlagerung kann sich über mehrere Wirt- schaftsjahre hinziehen.36 Einzelne Übertragungen von Wirtschaftsgütern, sonstigen Vorteilen und Chancen und Risiken innerhalb von fünf Wirt- schaftsjahren können eine Funktionsverlagerung hervorrufen, wenn sie im Zusammenhang mit einer Funktion stehen. Dies erfolgt allerdings erst zu dem Zeitpunkt, an dem alle Voraussetzungen erfüllt sind.37
Neben der Übertragung einer Funktion ist auch die befristete Nutzungsüberlassung einer Funktion möglich, wobei die spätere Rückgabe der überlassenen Funktion keine Funktionsverlagerung darstellt.38
Als weiteres Kriterium lässt sich entnehmen, dass nur solche Funktionen verlagert werden können, die vom übertragenden Unternehmen auch tat- sächlich ausgeübt worden sind.39 Ob das übernehmende Unternehmen die Funktion in gleicher Weise wie das übertragende Unternehmen ausübt, spielt dabei keine Rolle.40
Das letzte, aber wichtigste Kriterium, damit eine Funktionsverlagerung vor- liegt, ist, dass die Ausübung der Funktion durch das verlagernde Unterneh- men innerhalb von fünf Jahren nach der Funktionsverlagerung eingestellt oder zumindest eingeschränkt wird.41 Diese Einschränkung muss jedoch kau- sal auf die Funktionsverlagerung und nicht auf sonstige Gründe wie bspw. einen Konjunktureinbruch zurückzuführen sein.42 Kann der Steuerpflichtige durch plausible Darlegung aller tatsächlichen, objektiven Umstände glaubhaft machen,43 dass die Einschränkung nicht im Zusammenhang mit der Funk- tionsverlagerung steht, liegt keine Funktionsverlagerung vor.44 Es stellt sich die Frage, wie die Einschränkung der Funktionsausübung gemessen werden kann. Hierbei ist wichtig, den Umfang der Funktionsausübung zu messen und nicht das daraus resultierende Ergebnis. Daher eignen sich bspw. Stück- zahlen, Mitarbeiteranzahl, Kapitalbindung oder Deckungsbeitrag i. d. R. bes- ser als Kriterien, als der Umsatz oder der Gewinn.45 Geringfügige Einschrän- kungen des Umsatzes aus der Funktion, den das übertragende Unterneh- men im letzten vollen Wirtschaftsjahr vor der Funktionsänderung erzielt hat, sind jedoch unbeachtlich, wenn der Umsatz innerhalb des Fünfjahreszeit- raums in keinem Wirtschaftsjahr um mehr als € 1 Mio. absinkt (sog. Bagatell- regelung).46 Gleiches gilt auch, wenn eine Substituierung innerhalb derselben Funktion erfolgt, ohne dass es zu einer Einschränkung der Funktion im In- land kommt.47
Die Literatur unterscheidet zwischen folgenden Ausprägungen von Funktionsverlagerungen:48
- Funktionsausgliederung: Unter Funktionsausgliederung versteht man die vollständige Verlagerung einer Funktion einschließlich aller Chan- cen und Risiken und des damit verbundenen Gewinnpotenzials auf eine nahe stehende Person ins Ausland.
- Funktionsabschmelzung: In diesem Fall wird nur ein Teil einer Funk- tion einschließlich der damit verbundenen Chancen und Risiken verla- gert. Demnach werden die Funktion und die damit verbundenen Chancen und Risiken und das Gewinnpotenzial beim verlagernden Unternehmen lediglich vermindert.
- Funktionsabspaltung: Hier findet eine Übertragung einer (Teil-) Funk- tion statt, wobei die mit der Funktion verbundenen Chancen und Risi- ken im Wesentlichen beim übertragenden Unternehmen verbleiben.
- Funktionsverdoppelung bzw. -vervielfältigung: Hierbei erfolgt eine Kapazitätsausweitung auf ein anderes verbundenes Unternehmen im Ausland, ohne dass die Kapazitäten im Inland eingeschränkt werden.
Als Funktionsverlagerungen i. S. d. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG gelten allerdings nur die Funktionsausgliederung und Funktionsabschmelzung, da nur in diesen Fällen auch eine Übertragung der dazugehörigen unternehmerischen Chancen und Risiken erfolgt.49 Allerdings ist in allen Fällen der Fünfjahreszeitraum nach § 1 Abs. 2 Satz 3 FVerlV zu beachten.
Bei der Verlagerung von Forschung und Entwicklung ist zu untersuchen, auf welche Art und Weise die Tätigkeit organisiert ist.50 Nutzt das verbundene ausländische Unternehmen die übertragene (Teil-) Funktion ausschließlich für eigene Zwecke (Eigenforschung), liegt eine Funktionsverlagerung vor (Funktionsausgliederung oder -abschmelzung).51 Hat das übernehmende Un- ternehmen durch die Übertragung lediglich den Auftrag zur Forschung und Entwicklung (Auftragsforscher), so ist unter den Voraussetzungen von § 2 Abs. 2 FVerlV davon auszugehen, dass keine wesentlichen52 immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile übergehen und keine Funktionsverlagerung vorliegt (Funktionsabspaltung).53 § 2 Abs. 2 FVerlV setzt voraus, dass der Auftragsforscher die Funktion ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen ausübt und dass das Entgelt für die erbrachte Auftragsfor- schung nach der Kostenaufschlagsmethode54 berechnet wird. Voraussetzung ist auch, dass die Ergebnisse der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit (z. B. Patente) regelmäßig dem Auftraggeber zuzurechnen sind und die Er- träge aus der Verwertung (z. B. Lizenzeinnahmen) grds. der Besteuerung im Inland unterliegen.55 Der Auftragsforscher fungiert also nur als sog. Routine- unternehmen.56 Steueranreize im Land des Auftragsforschers (wie z. B. teil- weise Steuerfreistellungen von Lizenzeinnahmen) können in diesem Fall nicht oder nur eingeschränkt in Anspruch genommen werden.57
Gem. § 1 Abs. 6 und 7 der FVerlV liegt keine Funktionsverlagerung vor:
- wenn innerhalb von fünf Jahren nach Übertragung einer Funktion keine Einschränkung (beachte Bagatellregelung) beim übertragenden Unternehmen festzustellen ist (Funktionsverdoppelung),
- bei ausschließlicher Übertragung oder Überlassung von (materiellen oder immateriellen) Wirtschaftsgütern, ohne dass eine Funktion mit übergeht,
- bei ausschließlicher Erbringung von Dienstleistungen, ohne dass eine Funktion mit übergeht,
- bei reinen Mitarbeiterentsendungen im Konzern, ohne dass eine Funk- tion mit übergeht oder
- wenn der Vorgang zwischen voneinander unabhängigen Dritten nicht als Veräußerung oder Erwerb angesehen werden würde.
Ferner stellt die erstmalige Ausübung einer bisher nicht ausgeübten Funktion in einem bestimmten Staat keine Funktionsverlagerung dar, da bei einer Funktionsverlagerung als Tatbestandsvoraussetzung die entsprechende Funktion bereits vor der Verlagerung durch das überragende Unternehmen ausgeübt worden sein muss.58
Liegt eine Funktionsverlagerung durch Erfüllung aller Tatbestandsvorausset- zungen vor, „hat der Steuerpflichtige den Einigungsbereich auf der Grund- lage einer Verlagerung der Funktion als Ganzes (Transferpaket) unter Be- rücksichtigung funktions- und risikoadäquater Kapitalisierungszinssätze zu bestimmen“.59 Demnach weicht Gesetzgeber fundamental von dem national und international anerkannten und üblichen Grundsatz der Einzelerfassung und -bewertung ab.60 Sogar bei Übertragungen von (Teil-) Betrieben, welche die Bewertung einer Sachgesamtheit rechtfertigen würden, da ein Gesamt- preis dafür bezahlt wurde, werden die Wirtschaftsgüter einzeln bewertet.61 Der Gesetzgeber begründet die Gesamtbewertung der Funktion mit der Be- hauptung, dass aus betriebswirtschaftlichen Gründen der Preis der einzelnen übertragenden Wirtschaftsgüter den Wert der Funktion i. d. R. nicht adäquat widerspiegelt und der Wert des Transferpakets den Wert der einzelnen übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgüter und erbrachten Dienst- leistungen übersteigt.62 Diese Begründung rechtfertigt ein solch ungewöhnli- ches Vorgehen m.E. nicht. Vielmehr offenbart der Gesetzgeber mit dieser Begründung sein eigentliches Anliegen: die Beweislastumkehr hin zum Steu- erpflichtigen.63 Die Vorgehensweise hätte eigentlich genau umgekehrt sein müssen, bedenkt man, dass das Steuerrecht als Eingriffsrecht zu qualifizie- ren ist.64
Die Legaldefinition bezeichnet ein Transferpaket als „Verlagerung der Funk- tion als Ganzes“.65 § 1 Abs. 3 FVerlV konkretisiert den Begriff. Demnach be- steht das Transferpaket aus den mit dieser verlagerten Funktion zusammen- hängenden Chancen und Risiken sowie den Wirtschaftsgütern, Vorteilen und Dienstleistungen, die das verlagernde Unternehmen dem übernehmenden Unternehmen zusammen mit der Funktion überträgt oder zur Nutzung über- lässt. Die wesentlichen Elemente der Wertbestimmung für das Transferpaket als Ganzes sind nach Ansicht des Verordnungsgebers vor allem die mit der Funktion zusammenhängenden und übergehenden Chancen und Risiken.66 Folglich werden neben den Gewinnerwartungen auch die stillen Reserven der übertragenden Wirtschaftsgüter erfasst und bewertet. Im Ergebnis be- zeichnen Baumhoff/Ditz/Greinert zutreffend das Transferpaket als ein Kong- lomerat aus allen denkbaren Liefer- und Leistungsbeziehungen, ohne dass im Hinblick auf die Bewertung des Transferpakets diese einzelnen Kompo- nenten zu isolieren oder zu bewerten wären.67
Hieraus ergeben sich erhebliche Standortnachteile für Deutschland für Forschung und Entwicklung, da aufgrund des Aktivierungsverbots für selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens gem. § 5 Abs. 2 EStG sich gerade in den Forschungsabteilungen signifikante steuerliche stille Reserven und Gewinnpotenziale befinden, die bei einer Funktionsverlagerung ins Ausland bereits im Voraus zu versteuern sind.
Bei der Bewertung des Transferpakets muss der zentrale Grundsatz des Fremdvergleichs gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 AStG für die Bestimmung des Verrechnungspreises eingehalten werden. Hiernach muss der Verrech- nungspreis für Leistungen zwischen verbundenen Unternehmen genau so vereinbart werden, als wenn die Transaktion zwischen zwei unabhängigen Unternehmen stattgefunden hätte. Es ist demnach gem. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG zunächst zu prüfen, ob für das Transferpaket als Ganzes uneinge- schränkt oder eingeschränkt vergleichbare Werte im Rahmen eines tatsäch- lichen Fremdvergleichs festgestellt werden können. Dies ist jedoch allenfalls bei Routinefunktionen der Fall.68
[...]
1 Vgl. G. Rose/V. Treier, DIHK-Studie, (01.06.2012) , S. 3.
2 Vgl. Kapitel 2.1 zum Begriff „Funktion“.
3 Vgl. Kapitel 2.2 zum Begriff „Funktionsverlagerung“.
4 Vgl. F. Eisele, (2003), S. 1.
5 Vgl. G. Rose/V. Treier, DIHK-Studie, (01.06.2012) , S. 13.
6 Vgl. BR-Drs. 220/07, S. 141 (Gesetzentwurf der Bd.-Reg.).
7 Vgl. Brähler, G., (2012), S. 6.
8 Vgl. UntStRefG 2008 v. 14.08.2007 (BGBl. I 2007, S. 1912) mit Wirkung ab 01.01.2008.
9 Vgl. BR-Drs. 107/10 (Beschluss des Bundesrates).
10 Vgl. FVerlV v. 12. 8. 2008 BGBl. 2008 I S. 1680.
11 Vgl. BMF-Schreiben v. 13.10.2010.
12 Vgl. BMF-Schreiben v. 13.10.2010, Tz. 1.1, Rn. 3.
13 BMF-Schreiben v. 13.10.2010, Tz. 2.1.1, Rn. 14.
14 BMF-Schreiben v. 13.10.2010, Tz. 2.1.1, Rn. 14; ebenso § 1 Abs. 1 Satz 2 FVerlV.
15 Vgl. BMF-Schreiben v. 13.10.2010, Tz. 2.1.1, Rn. 15.
16 BMF-Schreiben v. 13.10.2010, Tz. 2.1.1, Rn. 15.
17 Vgl. BMF-Schreiben v. 13.10.2010, Tz. 2.1.1, Rn. 16.
18 Vgl. BMF-Schreiben v. 13.10.2010, Tz. 2.1.1.1, Rn. 17.
19 Vgl. BMF-Schreiben v. 13.10.2010, Tz. 2.1.1, Rn. 18.
20 Vgl. F. Eisele, (2003), S. 23; ebenso vgl. BMF-Schreiben v. 13.10.2010, Tz. 2.1.1, Rn. 14.
21 Ein steuerlicher Teilbetrieb ist “ein organisatorisch geschlossener, mit einer gewissen Selbstständigkeit ausgestatteter Teil eines Gesamtbetriebs, der für sich betrachtet, alle Merkmale eines Gesamtbetriebs i. S. d. EStG aufweist und als solcher lebensfähig ist”. Vgl. EStR2008 R 16 Abs. 3 Satz 1; ebenso vgl. BFH-Urteil v. 04.07.2007 - X R 49/06.
22 Brüninghaus, D./Bodenmüller, R., (2009), DStR, S. 1285, (S. 1285).
23 Vgl. F. Eisele, (2003), S. 22-26, 193.
24 Vgl. BMF-Schreiben v. 13.10.2010, Tz. 2.1.1.2, Rn. 18.
25 Vgl. BMF-Schreiben v. 13.10.2010, Tz. 2.1.1.2, Rn. 18; ebenso vgl. BR-Drs. 352/08, S. 10 (Verordnung des BMF).
26 Vgl. Brüninghaus, D./Bodenmüller, R., (2009), DStR, S. 1285, (S. 1286).
27 § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG.
28 Vgl. Brüninghaus, D./Bodenmüller, R., (2009), DStR, S. 1285, (S. 1287).
29 Vgl. hierzu Kapitel 3.3.1.
30 Vgl. J. Wilmanns, J./Schmitt, M./Wilcke, D./Gerner, I./Habisch, S., pwc, Transfer Pricing Perspective Deutschland, (04.06.2012), S. 49.
31 Gem. § 1 Abs. 2 AStG stehen zwei Unternehmen sich nahe, wenn einer mindestens zu 25 % (wesentlich) unmittelbar oder mittelbar an dem anderen beteiligt ist oder unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann.
32 § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV; ebenso vgl. BMF-Schreiben v. 13.10.2010, Tz. 2.1.2, Rn. 19.
33 Vgl. Brüninghaus, D./Bodenmüller, R., (2009), DStR, S. 1285, (S. 1288).
34 Vgl. Ditz, X., (2006), DStR, S. 1625, (S. 1626-1627).
35 Sog. Theorie des doppelten ordentlichen Geschäftsleiters; vgl. BFH-Urteil v. 17.05.1995 - I R 147/93.
36 Vgl. BMF-Schreiben v. 13.10.2010, Tz. 2.1.2.4, Rn. 26.
37 Vgl. § 1 Abs. 2 Satz 3 FVerlV.
38 Vgl. Brüninghaus, D./Bodenmüller, R., (2009), DStR, S. 1285, (S. 1288).
39 Vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV; ebenso vgl. BMF-Schreiben v. 13.10.2010, Tz. 2.1.2, Rn. 19 .
40 Vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV; ebenso vgl. BMF-Schreiben v. 13.10.2010, Tz. 2.1.2, Rn. 19; ebenso vgl. Tz. 2.1.2.2 Rn. 24.
41 Vgl. § 1 Abs. 6 Satz 1 FVerlV; ebenso vgl. BMF-Schreiben v. 13.10.2010, Tz. 2.1.2.1, Rn. 22.
42 Vgl. Brüninghaus, D./Bodenmüller, R., (2009), DStR, S. 1285, (S. 1288).
43 Vgl. BMF-Schreiben v. 13.10.2010, Tz. 2.1.6.2.2, Rn. 46.
44 Vgl. § 1 Abs. 6 Satz 2 FVerlV.
45 Vgl. Brüninghaus, D./Bodenmüller, R., (2009), DStR, S. 1285, (S. 1288).
46 Vgl. BMF-Schreiben v. 13.10.2010, Tz. 2.1.6.2.4, Rn. 49.
47 Vgl. BMF-Schreiben v. 13.10.2010, Tz. 2.1.2.2, Rn. 23.
48 Vgl. Kraft, G. in Kraft, G., AStG, § 1 AStG Rn. 384-386; ebenso vgl. Zech, T., (2009), S. 210 ff.
49 Vgl. Kraft, G. in Kraft, G., AStG, § 1 AStG Rn. 387.
50 Vgl. BMF-Schreiben v. 13.10.2010, Tz. 4.3, Rn. 216.
51 Vgl. BMF-Schreiben v. 13.10.2010, Tz. 4.3, Rn. 217.
52 Was „wesentlich” ist, siehe Kapitel 3.3.1.
53 Vgl. BMF-Schreiben v. 13.10.2010, Tz. 4.3, Rn. 216-217.
54 Bei der Kostenaufschlagsmethode werden die Kosten des leistenden Unternehmens ermittelt und anschließend um einen angemessenen, branchenüblichen Gewinnaufschlag erhöht. Vgl. hierzu Wilke, K.-M., (2010), Rn. 696-697.
55 Vgl. BMF-Schreiben v. 13.10.2010, Tz. 2.2.2.1, Rn. 66; ebenso vgl. Scheunemann, M. P./Dennisen, A., (2010), DB, S. 408, (S. 412).
56 Vgl. BMF-Schreiben v. 13.10.2010, Tz. 2.2.2.1, Rn. 66.
57 Vgl. Scheunemann, M. P./Dennisen, A., (2010), DB, S. 408, (S. 412).
58 Vgl. BMF-Schreiben v. 13.10.2010, Tz. 2.1.7.3, Rn. 57.
59 § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG.
60 In bestimmten Fällen einer Funktionsverlagerung wird eine Einzelbewertung zugelassen. Vgl. hierzu Escape-Klauseln in Kapitel 3.3.
61 Vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB.
62 Vgl. Baumhoff, H./Ditz, X./Greinert, M., (2007), DStR, S. 1649, (S. 1651); ebenso vgl. BMFSchreiben v. 13.10.2010, Tz. 2.1.3, Rn. 29; ebenso vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 86 (Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD).
63 Vgl. Baumhoff, H./Ditz, X./Greinert, M., (2007), DStR, S. 1649, (S. 1651).
64 Vgl. Lang, J. in Tipke, K./Lang, J., Steuerrecht, Tz. 11 zu §1.
65 § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG.
66 Vgl. BR-Drs. 352/08, S. 11-12 (Verordnung des BMF).
67 Vgl. Baumhoff, H./Ditz, X./Greinert, M., (2008), DStR, S. 1945, (S. 1948).
68 Zu den Methoden der Gewinnung von uneingeschränkt bzw. eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerten für einzelne Wirtschaftsgüter zählen die Preisvergleichsmethode, Wiederverkaufsmethode oder die Kostenaufschlagsmethode. Vgl. hierzu § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG.