Studienarbeit, 2012
27 Seiten
1 Abstract
2 Einleitung
2.1 Ausgangslage der Forschungsidee
2.2 Begründung der Studie
2.3 Gerontologischer Kontext
2.4 Ziel der vorliegenden Arbeit
3 Theoretischer Hintergrund
3.1 Theoretisches Modell der Lebensbereiche
3.2 Theorien des erfolgreichen Alterns
3.3 Training im Kontext zu prozessorientierten Theorien
3.4 Training im Kontext zur Handlungstheorie
4 Definition von Aktivität und Training
4.1 Vom bewegten Alltag zum gezielten Training
4.2 Physisches Training und Alter
4.3 Rahmenkonzept der Bewegungsförderung
5 Explizite Formulierung der Forschungsfrage
6 Methodisches Vorgehen
6.1 Untersuchungsdesign
6.2 Definition der Stichprobe
6.3 Interviewführung
6.4 Leitfaden
6.5 Datenanalyse
7 Ergebnisse
7.1 Bereich Körper
7.2 Bereich Psyche
7.3 Bereich Sozial
7.4 Bereich Ökonomie/Ökologie
7.5 Gesamtinterpretation
7.6 Kritik an der Untersuchung
8 Reflexion, Hypothesenbildung und Schlussfolgerung
8.1 Reflexion in Bezug auf die Zielerreichung und Fragestellung
8.2 Hypothesenbildung
8.3 Schlussfolgerung
9 Quellenverzeichnis
Übersicht über die Grafiken und Tabellen in der Arbeit
Abbildung 1 (Bundesamt für Sport, 2009)
Abbildung 2 (Bundesamt für Sport, 2009)
Abbildung 3 (Kalbermatten, 1998)
Abbildung 4 (Freie Universität Berlin, s.a.)
Abbildung 5 (Bundesamt für Sport, 2009)
Abbildung 6 (Bundesamt für Sport, 2009)
Abbildung 7 (eigene Darstellung)
Grafik 1 (Bundesamt für Sport, 2009)
Grafik 2 (Bereich Körper)
Grafik 3 (Bereich Psyche)
Grafik 4 (Bereich Sozial)
Grafik 5 (Gesamtinterpretation)
Tabelle 1 (Übersicht der Bereiche)
Tabelle 2 (Bereich Körper)
Tabelle 3 (Bereich Psyche)
Tabelle 4 (Bereich Sozial)
Tabelle 5 (Bereich Ökonomie/Ökologie)
Tabelle 6 (Gesamtinterpretation)
Altern muss nicht Abbau von Fähigkeiten und Fertigkeiten bedeuten, dies beweisen Studien immer wieder aufs Neue (Stemper, 2001), (Weisser, Preuss, & Predel, 2009). „Use it or lose it“, so das Zitat einer Teilnehmerin dieser Studie. Was nicht abgebaut werden soll, muss trainiert werden.
Das vielfach zitierte und kritisierte „Aktivitätsmodell“ (Salzmann, 2009) sieht Aktivität als eine der wesentlichen Voraussetzungen für „erfolgreiches Altern“. Neuere Theorien sehen erfolgreiches Altern eher als Ergebnis eines dynamischen Zusammenspiels unterschiedlicher adaptiver Mechanismen (Jopp, 2002). Als einer dieser Mechanismen kann der menschliche Körper und sein (adaptives) biologisches System betrachtet werden. Im Zusammenhang mit Adaption muss auch zwischen Bewegung und Training unterschieden werden. Training im sportwissenschaftlichen Sinn hängt immer mit Intensität zusammen, denn die Intensität bestimmt, ob unser Körper mit seinen biologischen Mechanismen auf Trainingsreize reagiert oder nicht (Haber, 2005).
In Bezug auf Alter und Gesundheit ist der Körper ein viel diskutiertes Thema. Umfangreiche Konzepte wurden entwickelt, um das mehrheitlich inaktive Bewegungsverhalten der Bevölkerung zu verändern (Bundesamt für Sport, 2009). Vor dem Hintergrund verstärkter Forderungen nach mehr Bewegung und Mobilität, untersucht die vorliegende Arbeit in einer qualitativen Querschnittstudie über 70jährige Menschen, die physisch intensiv trainieren. Warum aber trainiert jemand mit 70 Jahren noch so intensiv? Welche Einflussfaktoren können dafür ausschlaggebend sein?
Um mögliche Gründe für ein intensives Training im Alter zu identifizieren, wurden Daten auf der Basis von sechs Interviews gesammelt. Die für die Forschungsfrage inhaltlich relevanten Aussagen wurden den vier Bereichen: Körper, Psyche, Sozial sowie Ökonomie/Ökologie zugeordnet, um eine möglich Tendenz in einen der vier Bereiche zu ermitteln. Die Bereiche sind in Anlehnung an die vier Lebensbereichen nach dem Konzept Lebensgestaltung (Kalbermatten, 1998) gewählt worden, da sich dieses Modell unter anderem gut dazu eignet, verschiedene Wissenschaften miteinander in einen Kontext zu bringen - im Fall dieser Arbeit die Gerontologie und die Sportwissenschaft.
Die Ergebnisse zeigen, dass psychologische und soziale Faktoren ein intensives Training beeinflussen können. Als Hauptfaktoren sind hier Wissen, Selbstverantwortung und die Freude an der Bewegung zu nennen. Wissen ist denn auch ein zentraler Punkt im Rahmenkonzept der europäischen Bewegungsförderung HEPA (Bundesamt für Sport, 2009); dieses Modell wurde zur Bildung weiterführender Hypothesen verwendet.
Über die Beziehung von geistiger Leistungsfähigkeit und körperlicher Kraft wird seit der Antike philosophiert. Die Bedeutung von körperlicher Aktivität für die Gesundheit ist eindrücklich, trotzdem wird infolge der technologischen Entwicklung der Bewegungsmangel bei Jungen und insbesondere bei älteren Menschen mehr und mehr zum Problem (Martin & Marti, 1998). Noch vor wenigen Generationen haben die Menschen wesentlich mehr körperliche Arbeit geleistet als wir es heute tun. Die Mechanisierung der Arbeit, die Motorisierung des Transports oder auch technische Hilfsmittel im Alltag sowie die modernen Kommunikationsmittel haben unser Leben zwar in mancher Hinsicht erleichtert, die Befreiung von körperlicher Anstrengung hat aber auch ihre Kehrseite. Die meisten Menschen beanspruchen ihren Körper kaum mehr, weder am Arbeitsplatz, noch im Haushalt, noch bei der Fortbewegung. Hinzu kommt eine hochkalorische Ernährung, welche zusammen mit dem Bewegungsmangel zu Übergewicht und Stoffwechselerkrankungen führt. Körperliche Aktivität wirkt sich präventiv auf verschiedene Erkrankungen aus; insbesondere im fortgeschrittenen Lebensalter ist der Nutzen von Sport und körperlicher Aktivität bewiesen (Weisser, Preuss, & Predel, 2009). Trotz einer grossen Zahl von Studien, die diesen positiven Effekt belegen, wird paradoxerweise u.a. das Laufen, unsere letzten Endes natürlichste Art der Fortbewegung, auf kürzeste Gehstrecken reduziert. Körperliches Training, welches heute in den industrialisierten Ländern faktisch die einzige Alternative ist, um Muskelmasse zu erhalten und das Herzkreislaufsystem anzuregen, wird lediglich von einer Minderheit der Bevölkerung durchgeführt (Bundesamt für Sport, 2009).
Statistiken zeigen, dass insbesondere mit zunehmenden Alter die körperliche Bewegung reduziert wird (Denk, 2003, S. 69), (Bundesamt für Statistik, 2007). Dem wiederspricht eine vielfach zitierte Aussage: „Es geht nicht darum länger zu leben, sondern gesünder zu sterben“. Dazu passt ein Zitat eines über 90jährigen, intensiv trainierenden Menschen:
"If you take up bodybuilding in old age you will add not only years to your life but also life to your years.”
Eine ganzheitlich Alltagsgestaltung heisst, sich geistig, körperlich, sozial und nicht zuletzt mit der Umwelt auseinander zu setzen, um das Leben im Alter erfolgreich zu gestalten. Unser Verhalten im Alltag kann entscheidend für Gesundheit oder Krankheit sein. In der Altersarbeit müssen präventive Modelle, wie das Modell der Lebensbereiche von Kalbermatten (1998), entwickelt werden, die Abbauprozesse verzögern oder verhindern. Trainierende, (ältere) Menschen scheinen einen Weg dazu gefunden zu haben.
Im Alter entsteht eine Diversifizierung der Lebensstile (Kalbermatten & Müller, 2012), was sich auch in der Form und dem Ausmass körperlicher Aktivität zeigt. Es gibt Menschen, die selbst im Höchstalter eine aussergewöhnliche physische und psychische Fitness aufweisen, und aufgrund intensivem Training das Leistungsniveau eines 35- oder 40jährigen ohne weiteres übertreffen. Intensives körperliches Training ist aber nicht gleichzusetzen mit „einfach“ bewegen, sondern es bedarf einer zielgerichteten Handlung. Umfang und Zeit der Belastung spielen dabei eine wichtige Rolle (im Kapitel 4.1 wird darauf noch näher eingegangen).
In der Trainingslehre wird festgehalten, dass ein grösserer Trainingsumfang und höhere Intensität auch eine günstige Wirkungen auf die Gesundheit erzielen. (Martin & Marti, 1998), (Denk, 2003, S. 143)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 (Bundesamt für Sport, 2009)
Die Steigerung der Trainingsintensität bis zu einem gewissen Grad hat zur Folge, dass unsere Körperstrukturen zusätzlich profitieren. Dies zeigt sich besonders bei Menschen im höheren Alter, die noch ein intensives physisches Training absolvieren. Sie sind denn auch Mittelpunkt und Ausgangslage dieser Studie. Oft stehen nämlich junge erfolgreiche Sportler im Interesse der Öffentlichkeit, während „alte“ Menschen, wenn überhaupt, als die grossen Ausnahmen zitiert werden.
Das Ziel muss es sein, durch gezielte Studien Erkenntnisse zu gewinnen, die dazu verwendet werden können, mehr (ältere) Menschen zu einem physisch aktiveren Lebensstil zu bewegen. Denn die Daten der Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2007 zeigen, dass das Ausmass des Bewegungsmangels im Alter in der Schweiz gravierend ist; 59 Prozent erreichen die Mindestempfehlungen für eine gesundheitserhaltende Lebensweise nicht und gelten somit als inaktiv oder ungenügend aktiv (Bundesamt für Sport, 2009).
Das Bewegungsverhalten wird beeinflusst durch unveränderbare (Alter, Geschlecht, Vererbung) und veränderbare Faktoren, darunter persönlichkeitsspezifische Merkmale wie Motivation und Einstellung, oder das soziale und physische Umfeld.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 (Bundesamt für Sport, 2009)
Die untersuchte Gruppe von Menschen in dieser Arbeit ist nicht nur im Zusammenhang mit Autonomie im Alter von grossem Interesse, sondern auch aus ökonomischen Gründen.
Physische Gesundheit im Alter ermöglicht mehr Freiheit und Unabhängigkeit im Alltag, wodurch soziale Strukturen entlastet werden können. Somit übernehmen diese Menschen –bewusst oder unbewusst – eine Verantwortung einerseits gegenüber dem eigenen Körper, andererseits aber auch gegenüber dem sozialen Netzwerk und der Gesellschaft. Diesen höchstaktiven Menschen sollte vermehrt Aufmerksamkeit entgegengebracht, und ihre Lebensweise und Lebenseinstellung genauer betrachtet werden.
Will der Mensch länger unabhängig bleiben, so muss er auch länger mobil bleiben. Um dies zu erreichen, muss nach möglichen Einflussfaktoren gesucht werden, die das Bewegungs-verhalten (insbesondere im Alter 50+) in Zukunft wesentlich und positiv verändern. Eine Veränderung im Bewegungsverhalten würde auch den enormen finanziellen Auswirkungen unserer Inaktivität entgegen wirken. Bewegungsmangel verursachte im Jahr 2001 in der Schweiz 2.1 Millionen Erkrankungen und direkte Behandlungskosten von 2.4 Milliarden Franken (Bundesamt für Sport, 2008). Im Jahr 2004 lagen die Krankheitskosten in der Schweiz allein für die direkten und indirekten Kosten von Übergewicht bei 2.6 Milliarden, 2009 lagen sie bereits bei 5.7 Milliarden (Schneider, Venetz, & Gallani, 2009).
Ernährung und Übergewicht haben einen wesentlichen Einfluss auf die Aktivität und umgekehrt Aktivität auf die Ernährung und das Übergewicht. Wie viel wir uns aus eigener Kraft fortbewegen, unterliegt unterschiedlichen Einflüssen. Nicht alle davon können wir beeinflussen; die eigene Einstellung und Motivation jedoch können so verändert werden, dass die Mobilität aus eigner Kraft bis ins Höchstalter positiv beeinflusst werden kann. Sich zu bewegen und anderen Menschen zu begegnen, ist auch für das soziale Kapital[1] einer Gesellschaft wichtig. Soziales Kapital wird auch aus einer selbstverantwortlichen Lebensweise gebildet und diese ist in Bezug auf den Körper und dessen Gesundheit von besonderem Interesse für die Gesellschaft. Vorbilder in der Familie, der Verwandtschaft oder dem Freundeskreis können in allen Altersgruppen einen positiven Einfluss auf das Bewegungsverhalten haben (Bundesamt für Sport, 2009).
Physische Gesundheit muss auch im Zusammenhang mit den Perspektiven auf den alternden Körper als soziales Konstrukt und als soziales Konstruierendes betrachtet werden.
„Eine Thematisierung des alternden und an Kräften nachlassenden Körpers hätte womöglich die in der Gerontologie überwunden geglaubten Vorstellungen eines defizitären Alter(n)s neu belebt, was ein Schritt zurück in Richtung biologischer Determinismen[2] bedeutet hätte. Dabei verfolgte die (Soziale) Gerontologie lange Zeit gerade das Ziel, die dominante Sicht auf das höhere Alter als eine Phase des körperlichen Abbaus und Rückzugs aufzubrechen. Vor diesem Hintergrund könnte ein Wiedereinbeziehen des Körpers in den Diskurs die Gefahr eines wissenschaftlichen Rückfalls in überwundene Defizitperspektiven mit sich bringen“ (Backes, 2008, S. 189)
Das Selbstbild eines Menschen spielt eine konkrete Rolle für sein Handeln. Der Mensch richtet sich nach seiner Haltung aus, negative Erwartungen können zu unnötigen Einschränkungen (Barrieren) führen; glaubt er aber an lebenslange qualitative Steigerung oder Konservierung geistiger und körperlicher Ressourcen, erhöht sich die Chance auf ein positives Selbstbild (Thiel, Gomolski, & Huy, 2008) sowie (Schmitt, 2004). Das positive Selbstbild wiederum wird durch körperliche Gesundheit beeinflusst, womit eine Wechselwirkung entsteht.
„Um Menschen zu verstehen warum sie etwas tun was Andere lassen, müssen wir sie besser verstehen.“
Das Kernziel dieser Arbeit ist, herauszufinden, welche Faktoren ausschlaggebend für eine hohe Leistungserbringung im hohen Alter sind. Können diese einer bestimmten Lebenswelt (Bereich) nach Kalbermatten (1998) zugeordnet werden? Sind soziale, bewusst oder unbewusst in Erscheinung tretende, persönliche Faktoren (bezogen auf die eigene Gesundheit), oder aber andere Einflüsse entscheidend, ob jemand intensiv trainiert, sich „normal“ bewegt oder inaktiv ist?
[...]
[1] Mit dem soziologischen Begriff "Soziales Kapital" bezeichnet Pierre Bourdieu (1983) die Gesamtheit der aktuellen und potenziellen Ressourcen, die mit der Teilhabe am Netz sozialer Beziehungen gegenseitigen Kennens und Anerkennens verbunden sein können http://de.wikipedia.org/wiki/Soziales_Kapital
[2] Vorbestimmter Zerfall des Körpers im Alter.
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