Für neue Kunden:
Für bereits registrierte Kunden:
Examensarbeit, 2011
53 Seiten, Note: 2,0
Einleitung
1. Vorüberlegungen und Begriffsklärungen
1.1.Überblick über das Konzept SOL
1.2.Überblick über die Methoden des SOL
1.3.Was ist Selbständigkeit?
1.4.Selbständigkeit steigern
1.5.Der Kompetenzbegriff Selbständigkeit
1.6.Gegenwartsbedeutung
2. Sachdarstellung
3. Vorüberlegungen zur Unterrichtsplanung
3.1.Wichtige SOL-Methoden in der Einheit
3.2.Das Thema „Herstellung eines individuell gestalteten Stoffbeutels“ im Unterricht – eine Aufgabenanalyse
3.3.Lerngruppenanalyse
4.3.1. Allgemeine Unterrichtsvoraussetzungen
4.3.2.Lernstandsanalyse
4.3.3.Methodische Voraussetzungen
4.3.4.Fachliche Voraussetzungen
4.3.5.Evaluationsinstrumente
4.3.6.Begründung der Konzeption
4.4.Angestrebter Kompetenzerwerb und Standards für die Unterrichtseinheit
5. Synopse
6. Darstellung und Analyse der Unterrichtssequenzen
6.1.Erste Sequenz – das Kartenmemory
6.1.1.Konkretisierung des Standards für die Sequenz
6.1.2.Individuelle Kompetenzentwicklung der Lernenden
6.1.3.Didaktisch-methodische Entscheidung
6.1.4.Durchführung
6.1.5.Analyse
6.2.Zweite Sequenz – das Dreiergespräch
6.2.1.Konkretisierung des Standards für die Sequenz
6.2.2.Individuelle Kompetenzentwicklung der Lernenden
6.2.3.Didaktisch-methodische Entscheidungen
6.2.4.Durchführung
6.2.5.Analyse
6.3.Dritte Sequenz – das Partnerpuzzle
6.3.1.Konkretisierung des Standards für die Sequenz
6.3.2.Individuelle Kompetenzentwicklung der Lernenden
6.3.3.Didaktisch-methodische Entscheidungen
6.3.4.Durchführung
6.3.5.Analyse
6.4.Vierte Sequenz – das Gruppenpuzzle
6.4.1.Konkretisierung des Standards für die Sequenz
6.4.2.Individuelle Kompetenzentwicklung der Lernenden
6.4.3.Didaktisch-methodische Entscheidungen
6.4.4.Durchführung
6.4.5.Analyse
7. Auswertung
7.1.Beantwortung der Leitfragen
7.2.Fazit
8. Quellenverzeichnis
Es ist Aufgabe des Lehrers, guten Unterricht zu halten. Während des Fachstudiums erfährt man über praktische Unterrichtsqualität nicht allzu viel. Guter Unterricht soll aktivierend, abwechslungsreich, gut strukturiert, kompetenzorientiert und nachhaltig sein. Er soll Standards erfüllen, jeden einzelnen Schüler optimal fördern und möglichst einen Beitrag dazu leisten, Deutschland im PISA-Ranking auf die vorderen Plätze zu führen. Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Konzept des Selbstorganisierten Lernens, im Folgenden SOL genannt. Selbstorganisiertes und selbstreguliertes Lernen hilft Schülern[1] dabei, sich fachliches Wissen und Können durch Verständnis zu erschließen und nachhaltig anzueignen. Während der Durchführung von SOL übernehmen sie Verantwortung für das eigene Lernen und das ihrer Lernpartner. Zudem erwerben sie überfachliche Kompetenzen wie die Fähigkeit zum Beschaffen und Auswerten von Informationen, die Kooperationsfähigkeit und die Präsentation und Vermittlung von Lernergebnissen. Diese Fähigkeiten sind in der gegenwärtigen Schulrealität unverzichtbar. Konzepte wie SOL helfen uns Lehrern dabei, die Eigenverantwortung unserer Schüler zu steigern..
In dieser Arbeit soll nun mit Hilfe von SOL und der damit einhergehenden Steigerung der Selbständigkeit und Selbsttätigkeit der Schüler vor allem auch die erkenntnisleitende Fragestellung nach der Auswahl sinnvoller Methoden zur Erreichung der Kompetenz der Selbständigkeit beantwortet werden. Folgende Leitfragen kann man sich über den Gliederungspunkten der Arbeit denken:
- Wie lässt sich das Konzept des SOL in der Schulpraxis umsetzen?
- Inwiefern ist die konkrete Auswahl bestimmter Methoden entscheidend um gezielt die Selbständigkeit der Schüler zu fördern?
- An welchen bestimmten Stellen des Projektgangs eignen sich gezielte SOL-Methoden und warum?
- Hat das Konzept die Selbstlernkompetenz durch Selbststeuerung gefördert, bzw. ist das Konzept des SOL für meine Lerngruppe tauglich?
- Eignet sich das Konzept für den projekt- und handlungsorientierten Unterricht in der Arbeitslehre?
Diese Fragen sollen im Folgenden durch die theoretische Einführung in das Konzept des SOL, die Prüfung der Relevanz für den gegenwärtigen Schulalltag und durch die praktische Durchführung des Unterrichts mit anschließender Analyse beantwortet werden.
„Lernen und Lehren in der Sekundarstufe I tragen den besonderen Entwick-lungsabschnitten Rechnung, in denen sich die Kinder und Jugendlichen befinden. Die Lernenden erhalten zunehmend die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen und sich aktiv an der Gestaltung von Unterricht zu beteiligen.“ (RLP Arbeitslehre 2006, S. 6)
Das einleitende Zitat aus dem Rahmenlehrplan Arbeitslehre verdeutlicht, dass zu den Methoden, durch die sich Schüler „ihrer eigenen Lernwege bewusst werden, diese weiterentwickeln sowie unterschiedliche Lösungen reflektieren und selbständig Entscheidungen treffen“ auch das Konzept des SOL geeignet ist. Entsprechend der Themenstellung erprobe ich im Rahmen einer Unterrichtseinheit zur Herstellung eines individuell gefertigten Stoffbeutels ausgewählte Methoden des SOL. Daraus ergibt sich die erste Frage, die in diesem Abschnitt geklärt werden muss: Was ist SOL? Die Unterrichtseinheit zielt darauf ab, die Selbständigkeit der Schüler zu steigern. Daher sollen auch hier zuerst folgende Punkte diskutiert werden: Was ist Selbständigkeit? Und: Wie steigere ich diese?
Das Akronym SOL steht für „ S elbst O rganisiertes L ernen“. Für dieses Konzept gibt es verschiedene Erklärungsansätze. Ich beziehe mich hier auf das SOL-Konzept, wie es Martin Herold und Birgit Landherr in ihrem Buch vorstellen. (Herold/ Landherr 2003, S.5) Sie erklären SOL als einen „systemischen Ansatz für Unterricht“, bei dem es sich nicht um eine Methode, sondern um ein „ganzheitliches, zielorientiertes Lehr-/Lernsystem für individuelles und kooperatives Lernen“ handelt. In der vom Landesinstitut für Schule und Medien (LISUM) herausgegebenen SOL-Broschüre wird betont, dass SOL zwar ein auf pädagogische und psychologische Forschungsergebnisse begründeter Ansatz ist, jedoch nicht als wissenschaftliches Konzept verstanden sein will, sondern als Ansatz, die gegenwärtige Schulrealität zu verändern. (Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport 2003, S. 4) Dabei werden als Ziele genannt:
- „Stärkung der individuellen Selbstständigkeit durch den systematischen Aufbau von Methoden- und Lernkompetenzen;
- Schaffung einer sozialen Lernstruktur durch die Abstimmung von Einzel- und Gruppenarbeit;
- Vertiefung des Wissens und Könnens durch Vernetzung fachlicher und überfachlicher Kompetenzen im Sinne zielorientierter Lernarrangements;
- Erhöhung der (Selbst-)Verantwortung für das eigene Lernen;
- Vermittlung und Beurteilung von Projektkompetenz im Rahmen von Themen- und Lernfeldern.“ (LISUM, Herold/Landherr 2003, S. 5)
Durch gestaltete SOL-Arrangements ergeben sich Spannungsfelder. Lernen als hochgradig individueller Prozess muss gekoppelt werden mit dem Erreichen sozialer Lernziele. Daraus ergibt sich zwangsläufig ein Zusammenhang zwischen selbstorganisiertem Lernen und kooperativen Lernformen, die in der Sandwicharchitektur eine lernorganisatorische Grundstruktur finden. Dieses Sandwichprinzip wird unter Punkt 2.2 näher erläutert.
Das SOL-Konzept wurde ursprünglich zur selbständigen Erarbeitung von Fachinhalten des Geschichts- und Deutschunterrichts der Sekundarstufe II konzipiert. Auch wenn SOL aus seiner Entstehungsgeschichte heraus zunächst in beruflichen Schulen und der Sekundarstufe II Eingang gefunden hat, so hat es doch in den letzten Jahren einen großen Anklang in den allgemein bildenden Schulen gefunden. Im Rahmen dieser Arbeit soll nun geklärt werden, inwiefern die Anwendung von SOL im Bereich der Arbeitslehre in der Sekundarstufe I die Kompetenz selbständigen Lernens fördert und gleichzeitig die Ziele der Arbeitslehre, handlungs- und projektorientiert selbsttätig zu werden, erfüllt.
SOL ist keineswegs eine neue Idee, es „stellt einen didaktisch und methodisch systematisch begründeten Rahmen, welcher sich aus verschiedenen pädagogischen, lern- und sozialpsychologischen sowie didaktischen Quellen speist.“ (Herold/Landherr 2003, S.92) So ist der SOL-Ansatz in der Reformpädagogik begründet. Herold und Landherr nennen namhafte Vertreter der Arbeitsschulidee wie Georg Kerschensteiner, Hugo Gaudig, Peter Petersen und Maria Montessori als geistige Vorbereiter ihrer Ideen. (Herold/Landherr 2003, S.96)
Methoden sind Wege des Lernens (griechisch „methodos“ – „Weg nach“). Sie sind Formen und Verfahren, die eine Begegnung des Schülers mit dem Lerngegenstand ermöglichen. Sie sind also die „Werkzeuge“ zur Gestaltung von Lernsituationen. Das entscheidende Kriterium für die Wahl der jeweiligen Methode ist die bewusste Verknüpfung von Zielen und Inhalten. (vgl. Mattes 2011, S.10 f.)
Eine SOL-Lerneinheit sollte immer aus einem Einführungsteil, einem Mittelteil und dem Abschluss der Einheit bestehen. Der Einführungsteil kann durch den Advance Organizer, der Mittelteil durch das Sandwichprinzip und der Abschluss durch inhaltliche oder prozessorientierte Aspekte umgesetzt werden.
Der Advance Organizer
Zu Beginn der Einführung in eine neue Unterrichtseinheit muss der Lehrer über die Inhalte und Ziele der Lerneinheit informieren, um Transparenz zu schaffen. Das gelingt mit Hilfe eines Advance Organizers. Er ist eine nicht-lineare Organisationshilfe für selbstorganisierte Lernprozesse. Er informiert die Lernenden vorausgehend (advance) über die fachlogischen Zusammenhänge der Lerneinheit und ermöglicht ihnen, das neue Wissen mit eigenem Vorwissen zu verknüpfen. (vgl. Huber 2007, S. 24) Diese vorbereitende Lernhilfe bzw. Lernlandkarte wird durch den Lehrer präsentiert und kurz erläutert oder mit SOL-erprobten Schülern gemeinsam erstellt. Der Advance Organizer dient der Visualisierung von Lerninhalten. Die Elemente des Advance Organizers können Bilder, Grafiken, Begriffe, Strukturen und kurze Texte sein. Mit seiner Hilfe werden neue Stoffgebiete in einen fachwissenschaftlichen Zusammenhang gebracht, wobei die Lernenden zu diesem Zeitpunkt einzelne Details noch nicht verstehen müssen. Im Laufe der Unterrichtseinheit werden die Details schrittweise ergänzt oder auch neue Inhalte in den bestehenden Advance Organizer integriert. Für die Schüler ist die Transparenz gegeben, wenn der Advance Organizer während der ganzen Einheit sichtbar in der Textilwerkstatt aushängt, um so das Gelernte in die vorgegebenen Strukturen einbauen zu können und Verknüpfungen erstellen zu können. Am Ende der Einheit bietet es sich an, den Schülern mit Hilfe des Advance Organizers nochmals den Zusammenhang des Gelernten zu verdeutlichen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1: Advance Organizer zur Unterrichtseinheit: „Herstellung eines individuell gestalteten Stoffbeutels“
Nach Wahl (Wahl 2006, S.4) haben über 400 Studien zur Anwendung des Advance Organizers folgende Ergebnisse erbracht:
- „Größerer Lernerfolg in der sofortigen Leistung, im Behalten und im Transfer,
- Höhere Motivation: Interesse wird geweckt,
- Bessere Orientierung vor allem dann, wenn kooperativ bzw. selbstgesteuert gelernt wird,
- Besonders wichtig, wenn die Vorkenntnisse gering und die Lernkompetenz niedrig ist,
- Besonders wichtig, wenn die Sachverhalte schwer verständlich sind.“
Das Sandwichprinzip
Die Unterrichtsgestaltung nach dem Sandwichprinzip hat das Ziel individuelle und kollektive Lernphasen systematisch zu wechseln. Das Sandwichprinzip ist keine direkte Methode, sondern ein methodisches Arrangement, in das die SOL-Methoden wie z.B. der Advance Organizer eingearbeitet werden, denn Sandwich heißt einschieben, dazwischenklemmen. Das Sandwichprinzip „schreibt vor, zwischen möglichst kurze und informative kollektive Lernphasen möglichst umfangreiche Phasen des aktiven und selbstgesteuerten Lernens einzuschieben.“ (Wahl 2006, S.4) Damit ist nichts anderes gemeint, als dass es bei bestimmten Aufgaben und Tätigkeiten sinnvoll ist, alleine oder gestützt durch die Gruppe zu arbeiten. Während der individuellen Lernphasen kann jeder Schüler eigene Wege in der Auseinandersetzung mit Fachinhalten gehen, in den kollektiven Phasen wird der erreichte Wissensstand in der Auseinandersetzung mit den anderen Ansichten der Lerninhalte konfrontiert und somit weiter vertieft. Für den Wechsel der kollektiven und individuellen Phasen im Sandwichprinzip bieten sich verschiedene Methoden an. Die Auswahl der Methoden richtet sich nach den jeweiligen Lernzielen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.2: Sandwich-Prinzip (www.schule-bw.de/schularten/grundschule/3gsinfos/8well/img/sandwich.gif)
Das Gruppenpuzzle
Das Gruppenpuzzle ist eine Methode, in der die Gruppenarbeit drei unterschiedliche Phasen durchläuft. In der ersten Phase arbeiten die Schüler in ihrer Stammgruppe, dann wechseln sie in die sogenannte Expertengruppe und in der dritten Phase kehren sie in ihre Stammgruppe zurück. Das Gruppenpuzzle dient zur Erarbeitung umfangreicher Informationen durch die Schüler. Voraussetzung ist die Bearbeitung eines Themas, das sich in mehrere Teilthemen untergliedern lässt. Die Zahl der Teilthemen muss der Teilnehmerzahl in den Stammgruppen entsprechen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.4: Gruppenpuzzle, Größe der Stammgruppen entspricht der Zahl der Teilthemen (Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport, 2003, S.9)
Das Partnerpuzzle
Die Partnerpuzzle-Methode findet arbeitsteilig und in zwei
Phasen statt. In der ersten Phase machen sich jeweils zwei
Schüler zu Experten für ihr Teilthema. In der zweiten Phase
werden die Partner gewechselt. In der neuen Partnerschaft
finden sich jeweils zwei Schüler zusammen, von denen einer
Material A und der andere Material B bearbeitet hat. Sie
stellen sich nun gegenseitig ihre Ergebnisse vor.
Weitere Methoden im Bereich der kooperativen Lernformen, die die Selbständigkeit fördern, sind zum Beispiel das Lerntempoduett, die strukturierte Kontroverse und das Placemat. (vgl. weiterführend Mattes, 2011; Huber, 2007; Peterßen, 2009)
Um den Schülern einen sicheren Start in das SOL zu gewährleisten, müssen grundlegende Fähigkeiten und Fertigkeiten erworben werden, die es ihnen später ermöglichen, kooperativ und selbstorganisiert Lernen zu können. Methoden, die die Kooperationsfähigkeit fördern, sind beispielsweise das Kartenmemory und das Dreiergespräch. Methoden zur Wiederholung, Vertiefung, Übung und Erarbeitung von Lerninhalten sind zum Beispiel Sortieraufgaben und Strukturlegen.
Da ich während der Unterrichtseinheit die Methoden Kartenmemory und Dreiergespräch angewendet habe, werde ich sie hier kurz vorstellen. Die anderen Methoden sind bei Herold/ Landherr (SOL) und Huber (WELL) nachzulesen.
Das Kartenmemory
Ziel des Kartenmemorys ist, die Bedeutung von Gruppenarbeit in Bezug auf den Einzelbeitrag und das Gesamtergebnis zu erkennen. Der Lehrer schreibt 30 wichtige Begriffe auf DIN A 5 Karten, die den Schülern auf drei verschiedenen Arten präsentiert werden: zehn Begriffe optisch mit einer Minute Pause zur Speicherung, zehn Begriffe akustisch mit einer Minute Pause zur Speicherung und zehn Begriffe optisch und akustisch mit einer Minute Pause zur Speicherung. Bei dieser Übung sollen sich die Schüler möglichst viele Begriffe merken und anschließend in beliebiger Reihenfolge aufschreiben. Dabei werden sie feststellen, dass ihre Merkfähigkeit in der Einzelarbeit enttäuschend gering ist. In der nachfolgenden Arbeit in Dreiergruppen haben sie nun die Möglichkeit eine gemeinsame Liste zu erstellen. Dabei werden sie fast alle Begriffe zusammenstellen können. Ziel dieser Methode in meiner Unterrichtseinheit soll sein, dass den Schülern bewusst wird, dass der Einzelne nur einen kleinen, jedoch individuellen Beitrag liefern kann, doch, dass dieser Beitrag das Gruppenergebnis verbessert. (vgl. Herold/Landherr 2003, S. 69f)
Das Dreiergespräch
Das Dreiergespräch ist eine Methode, die Kommunikation in der Gruppe ermöglicht. Die Schüler sollen in vorgegebener Zeit in Dreiergruppen über eine der 30 Begriffskarten bis zu zwei Minuten reden. Sie bestimmen eine Rednerreihenfolge (A,B,C). A beginnt und spricht zwei Minuten über seinen Begriff. B und C hören aktiv zu. Aktiv, weil sie im Anschluss den Inhalt des Vortrags kurz mit eigenen Worten wiedergeben sollen. Außerdem müssen sie auf die Zeit achten. Danach bestimmt A einen seiner Zuhören B oder C noch mal in zwei bis drei Sätzen das Gesagte zusammenzufassen. Dann ist B an der Reihe. A und C hören zu, einer fast zusammen usw., bis alle mit allem einmal an der Reihe waren. (vgl. Herold/Landherr 2003, S.71)
selbständig: nicht von außen gesteuert, in seinen Handlungen frei unselbständig: zu sehr auf fremde Hilfe angewiesen, nicht selbständig (Duden)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Forderung nach Selbständigkeit der Schüler ist nichts Neues. Sie tritt bereits in der reformpädagogischen Bewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf. „Pädagogen/innen aller Zeiten haben sich bemüht, Schule zu einer für [Schüler] sinnvollen Lebensstätte zu machen. Dazu gehört auch der Versuch, Elemente von Aktivität, Handeln, Selbständigkeit usw. in der Schule zu realisieren.“ (Gudjons 2008, S. 20) Der Reformer Hugo Gaudig formulierte die Forderung nach Selbständigkeit folgendermaßen: „Es gilt, den Schüler aus den Passivum in das Aktivum zu übersetzen.“ (Gudjons 2008, S. 153) Hugo Gaudig sowie Georg Kerschensteiner greifen damit auf Grundgedanken des Pädagogen John Dewey zurück, der mit learning by doing den Projektgedanken initiiere. Dieser Projektgedanke hat sich im Fach Arbeitslehre durchgesetzt, sodass der Unterricht laut Rahmenlehrplan projektorientiert stattfinden soll. Doch nicht nur die Reformpädagogen haben die Arbeitslehre und den Appell nach Selbständigkeit gefordert, sondern auch Johann Heinrich Pestalozzi. Er lehnt ebenfalls die Eingrenzung auf eine kognitive Bildung ab und präferiert die ganzheitliche Elementarbildung mit Kopf, Herz und Hand.
Für den gegenwärtigen Unterricht lässt sich feststellen: Selbständigkeit steht im direkten Zusammenhang und ist Bestandteil von handlungsorientiertem und projektorientiertem Unterricht. Handlungsorientierter Unterricht ist schüleraktiv, d.h. der Lehrer versucht, den Schülern möglichst wenig Theorieunterricht frontal zu vermitteln und sie möglichst viel selbst erkunden, erproben, entdecken, planen, organisieren, Probleme lösen, Informationen auswerten, Ideen verwerfen, kritisch-konstruktiv argumentieren und begründen zu lassen, denn Selbsttätigkeit ist die unverzichtbare Voraussetzung für Selbständigkeit.
Durch den Einsatz ausgewählter SOL-Methoden in dieser Unterrichtsreihe sollen die Rahmenbedingungen des Unterrichts zugunsten einer höheren Selbständigkeit der Schüler verändert werden. Dass eine komplette Umstellung auf SOL nicht von heute auf morgen zu realisieren ist, bestätigen auch Herold/ Landherr. Sie plädieren für einen Wechsel zwischen innovativen und gewohnten Unterrichtsformen, um Schüler und Lehrer ein Gefühl von Sicherheit zu geben. Daher werde ich bei der Planung der Unterrichtseinheit jene Wechsel berücksichtigen und mich bei der Auswertung auf die folgenden Punkte konzentrieren:
1. Analyse des Einsatzes und der Durchführung der SOL-Methoden
2. Analyse der veränderten Lehrerrolle: vom „einschränken, bevormunden oder besser wissen“ zum „befähigen, helfen, Möglichkeiten aufzeigen und fördern.“ (Herold/Landherr Praxisband 1 2005, S.17)
Die veränderte Lehrerrolle, die mit dem Einsatz von SOL-Methoden einhergeht, gibt mir als Lehrerin den Freiraum, während der Durchführung der Methoden die Lerngruppe hinsichtlich des Aspektes Selbständigkeit zu beobachten.
Welche Fähigkeiten sind für eine Verbesserung des selbständigen und eigenverantwortlichen Lernens förderlich? Sind es Methodenkompetenzen und die Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit? Ist es die Fähigkeit, Probleme zu erkennen und unter Einbeziehen des Vorwissens Lösungen zu entwickeln und somit neues Wissen aufzubauen? Hat die Fähigkeit des Beobachtens und Reflektierens eigener Lernerfahrungen auch etwas damit zu tun, das eigene Lernen zu verstehen und zu steuern? Anhand dieser Fragen wird deutlich, dass der Kompetenzbegriff der Selbständigkeit sehr komplex ist. Autoren wie Herold/Landherr (Herold/Landherr 2003, S.20) ordnen die Selbständigkeit der Sozialkompetenz zu, Mattes (Mattes 2002, S.8) jedoch der Personalkompetenz, wieder andere sprechen von Schlüsselqualifikationen oder dem Oberbegriff der Handlungsfähigkeit/Handlungskompetenz. Die OECD hat drei Kernkompetenzen definiert, die laut Edelstein in allen Bildungssystemen Geltung finden sollten:
- „erfolgreich selbständig handeln können,
- Werkzeuge konstruktiv und reflexiv nutzen können,
- in heterogenen Gruppen erfolgreich miteinander umgehen bzw. gemeinsam handeln können.“ (Edelstein 2009)
Die Kernkompetenz erfolgreich selbständig handeln können, setzt natürlich weitere Fähigkeiten, wie Verantwortung zu übernehmen, eigenständig zu planen, Führungsaufgaben zu übernehmen und die Selbstwirksamkeit durch Eigeneinschätzungen zu stärken, voraus. Anhand dieses kurzen Exkurses sollte aufgezeigt werden, dass die Einteilung persönlicher Merkmale in Kompetenzen nicht einheitlich stattfindet. Ich werde im Folgenden den Oberbegriff der Handlungskompetenz verwenden, da er die Sozial-, Personal-, Methoden- und Fachkompetenzen in sich vereint. Außerdem impliziert das Wort Handeln bereits Selbsttätigkeit und Selbständigkeit und erscheint für mich als sinnvollste Wortwahl.
Im Folgenden werde ich Gedanken und Argumente anführen, warum gerade heute die Förderung der Selbständigkeit so aktuell und notwendig für die Schüler ist.
Die Schüler erwerben im Fach Arbeitslehre Kompetenzen, mit denen sie auf berufliche und private Anforderungen adäquat reagieren und die Herausforderungen in Gegenwart und Zukunft angemessen bewältigen können. (vgl. RLP WAT 2010, S. 9) Im Arbeitslehreunterricht sollen die Schüler zu einem möglichst selbständigen und einsichtsvollen Lernen und Arbeiten geleitet werden.
Die Selbständigkeit und Selbsttätigkeit der Kinder sollen gefördert werden. Dies geschieht im Unterricht durch konkretes Handeln. Konkretes Handeln ist jedoch nicht nur in der Gegenwart von Bedeutung für die Schüler, auch soll es in der Zukunft fortgesetzt werden, sodass die Schüler zu demokratischen Mitmenschen erzogen werden, die fähig sind, selbständig, eigenverantwortlich und kritisch Positionen zu vertreten, sich kreativ sowie kooperativ mit Problemen auseinanderzusetzen und situativ adäquate Lösungen zu entwickeln. (vgl. RLP WAT 2010, S.9) Genau das ist auch das Ziel des SOL. Herold/Landherr (2003, S. 39) beschreiben in ihrem Buch, dass selbstorganisiertes Lernen vor allem für die höheren Jahrgangsstufen zu fordern ist. Die Unterrichtsbeispiele der Praxisbände 1 und 2 finden nur in der Oberstufe statt, sei es am Gymnasium oder an den weiterführenden Berufsfachschulen. Doch meines Erachtens ist die Förderung der Selbständigkeit gerade in den unteren Klassen unabdingbar. Das Fach Arbeitslehre mit seiner Forderung nach Handlungsorientierung und der Arbeit in projektähnlichen Arrangements bietet diese Chance, um die Selbständigkeit der Schüler für die gegenwärtige schulische als auch private Lebenssituation zu fördern und zu stärken.
Die Förderung der Selbständigkeit im Sinne von Maria Montessori „Hilf mir, es selbst zu tun!“ soll in dieser Unterrichtseinheit die Zielsetzung sein, denn diese Kompetenz ist unabdingbar für Gegenwart und Zukunft.
Der Projektgang „Stoffbeutel“:
Die Schüler erstellen in diesem Projektgang einen individuellen Stoffbeutel. Um in der Arbeitslehre von einem guten Projekt zu sprechen, muss es gewisse Kriterien erfüllen. Es soll einen Bezug zur Arbeitswelt oder Hausarbeit haben, einen Beitrag zur Berufsorientierung liefern und den Schülern helfen, anstehende Lebenssituationen zu bewältigen. Daher ist es unbedingt notwendig, sich mit den Schülern für ein Produkt zu entscheiden, welches sich zur Herstellung eignet. Die Eignung eines Produktes kann man durch folgende Leitfragen erfahren:
[...]
[1] Ich werde im Folgenden aus Gründen der besseren Lesbarkeit zur Bezeichnung aller Schülerinnen und Schüler durchgängig die männliche Form wählen, dabei sind stets auch alle Schülerinnen gemeint. Dasselbe gilt auch für alle nachfolgend genannten Personen- und Berufsbezeichnungen. Ausnahmen von dieser Sprachregelung werden im Text ausdrücklich kenntlich gemacht.