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Hausarbeit (Hauptseminar), 2012
19 Seiten, Note: 1,3
1. Einleitung
2. Legasthenie/ Dyslexie - Was ist das?
2.1. Begriffsklärungen und mögliche Ursachen,
2.2. Symptome und deren Therapie
3. Wie können sich Erwachsenenbildner auf Legastheniker/ Dyslektiker einstellen?
4. Fazit
5. Literatur-undQuellenverzeichnis
Unsere Sprache ist das wichtigste Medium unserer Gesellschaft. Mittels dieser können wir mündlich oder schriftlich kommunizieren, uns verständigen und unendlich viele Botschaften mit einer begrenzten Anzahl von Wörtern übermitteln. Der Mensch ist das einzige Lebewesen, welches ein Sprechvermögen besitzt, was ihn von allen anderen unterscheidet. Die Forscherin Sue Savage- Rumbaugh versuchte z.B. sogenannten Bonobos (Zwergschimpansen) Sprache mithilfe von Symbolen beizubringen. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Schimpansen zwar den einzelnen Symbolen Bedeutungen zuordnen konnten, jedoch nicht dazu fähig waren, grammatische Regeln o.Ä. zu erwerben.1 Weltweit gibt es ca. 8000 Sprachen, welche jeweils von den ungefähr 70 existierenden Phonemen2 nur einen bestimmten Anteil verwen- den. So gebraucht die deutsche Sprache etwa 40 dieser Phoneme.3 Ist ein Kind dazu in der Lage, die Laute seiner Muttersprache zu kategorisieren, hat es die Voraussetzungen zum Erlernen einer Sprache erfüllt. Wenn es diese dann auch noch richtig anwendet und vertieft, besitzt es die Grundlagen, welche für den Erwerb des Lesens und Schreibens notwendig sind. Doch mit welchen Problemen sehen sich Personen konfrontiert, welche durch Störungen verschiedener Art in ihrem Sprach- und Schriftspracherwerb beeinträchtigt sind? Worin liegen die Ursachen dieser Störungen, welche typischen Symptome treten bei Legasthenikern oder Dyslektikern auf und wie können sich speziell die Erwachsenenbildner auf die Bedürfnisse der Betroffenen einstellen? Diese Fragen sollen im Laufe der Hausarbeit beantwortet werden. Dabei sollen ausschließlich körperliche und genetische Ursachen im Fokus stehen und Schwierigkeiten aufgrund emotionaler oder sozialer Probleme unberücksichtigt bleiben. Außerdem ist in dieser Hausarbeit mit dem Begriff Sprache nur die gesprochene Sprache und nicht etwa die Gebärdensprache gemeint. Ähnliches gilt für das Schreiben. Auch dabei wird z.B. die Blindenschrift vernachlässigt. Zunächst wird ein Überblick über die Formen von Lese- Rechtschreibschwächen gegeben, wobei insbesondere auf die Legasthenie und Dyslexie eingegangen wird. Des Weiteren, werden sowohl die Ursachen als auch die Symptome der Schwäche näher erläutert und kurz mögliche Therapieformen aufgezeigt. Nachdem an dieser Stelle die Grundlagen für das Verständnis verdeutlicht wurden, soll dann besonderes Augenmerk auf die Erwachsenbildung gelegt werden.
Dabei steht im Mittelpunkt die Frage, welche Möglichkeiten Dozenten, Seminarleiter o.a. haben, um Legastheniker und Dyslektiker einzubeziehen, ohne dass sich entweder diese oder der Rest des Kurses vernachlässigt fühlt. Zur Bearbeitung des Themas wird als Basisliteratur u.a. das Werk von Sarah- Jayne Blakemore „Wie wir lernen - was die Hirnforschung darüber weiß“4 und „Erfolgreiche Seminargestaltung - Strategien und Methoden in der Erwachsenenbildung“ von Eike Quilling und Hans J. Nicolini5 verwendet. Um die Position eines Legasthenikers besser nachvollziehen zu können, wurde das Werk von Nicole Kiefer „Und ich kann es doch!“6 genutzt, in dem sie ihre persönlichen oft negativen Erfahrungen aus Schule, Ausbildung und Beruf niedergeschrieben hat.
Der Begriff „Legasthenie“ ist ein zusammengesetztes lateinisch- griechisches Wort. Der erste Teil kann von dem lateinischen Wort „legere“ abgeleitet werden, was dem Verb „lesen“ entspricht. Der zweite Part ist auf das griechische Wort „astheneia“ zurückzuführen und bedeutet: „die Schwäche“.7 Hierbei ist also die Rede von einer Schwäche beim Lesen. Der Begriff der Legasthenie wurde erstmalig 1916 durch Pál Ranschburg als eine Leseschwäche geprägt. Es handelt sich dabei nicht um eine Lernbehinderung im allgemeinen Sinn, sondern um eine Teilleistungsstörung. Dies bedeutet, dass bei den Betroffenen bestimmte Bereiche des Gehirns ausgefallen sind, sie ansonsten aber ein normales Leistungsniveau besitzen können.8 Legasthenie kann auch bei Kindern mit geringerer Intelligenz oder sogar in Kombination mit anderen Leistungsstörungen auftreten.9 Maria Lindner, eine schweizerische Legasthenieforscherin, definierte den Begriff wie folgt: „Unter Legasthenie verstehen wir demnach eine spezielle und aus dem Rahmen der übrigen Leistungen fallende Schwäche im Erlernen des Lesens (und indirekt auch des selbstständigen orthographischen Schreibens) bei sonst intakter oder [...] relativ guter Intelligenz.“10 Es handelt sich dabei also nicht um eine Lese- Rechtschreibschwäche, deren Ursachen auf Schwachsinn, körperliche Behinderungen, mangelnde Übung, schlechte Schulmethoden oder eine gestörte Schüler- Lehrer- Beziehung zurückzuführen sind. 1951 hob Lindner hervor, dass ein Kind ein Legastheniker sei, wenn es offensichtlich ist, dass es „das Lesen und damit auch das Schreiben nicht oder nur mit größter Mühe erlernen kann, während in anderen Fächern keine entsprechenden Schwierigkeiten bestehen.“11 Die Störungen, welche bei den betroffenen Personen auftreten, können unterschiedliche Ursachen besitzen. So können sie z.B. durch biologische, pädagogische oder psychische Probleme verursacht werden und sich im weiteren Verlauf auch sekundär auf beispielsweise das Selbstwertgefühl oder Selbstbewusstsein auswirken. Die Störungen treten meist auch in den Bereichen des Sehens, Hörens oder der Motorik auf.12
Letzeres kann auch auf einer parallel auftretenden Dyspraxie beruhen, was eine Entwicklungsstörung des Gehirns bedeutet, wodurch diese Personen enorme Probleme bei der Koordination von Bewegungen haben. Ihnen fallt es z.B. schon sehr schwer einen Stift ruhig zu halten und die üblichen Schreibbewegungen auszuführen. Des Weiteren benötigen Legastheniker eine gesteigerte Konzentration, um sprachlich- bildliche Inhalte aufzunehmen, zu speichern und dann auch wieder abzurufen. Treten bei einem Kind Störungen wahrend der Entwicklung von Lernprozessen auf, welche das Sprechen oder den Gebrauch von Sprache voraussetzen, so ist es sehr wahrscheinlich, dass eine Legasthenie darauf zurückgeführt werden kann.13 Ein weiterer Begriff, welcher eng mit dem der Legasthenie in Verbindung steht, ist der der „Dyslexie“. Auch hierbei haben die betroffenen Personen Schwierigkeiten beim Erwerb von Lesen und Schreiben. Der Unterschied bestehtjedoch darin, dass die Leseschwäche auf einer angeborenen Schädigung des gyrus angularis14 im Gehirn beruht. Solch ein Defekt ist auf eine gestörte bzw. unvollständige Reifung des Gehirns zurückzuführen.15 Während der Neurogenese wandern einige Bündel von Nervenzellen in die obersten Schichten des Kortexes16, wo sie als Fehlbildungen verankert bleiben. Meist befinden sie sich in der Region, welche das Zentrum des Lesesystems darstellt und gleichzeitig an der Verarbeitung der gesprochenen Sprache beteiligt ist. 17 Alle Dyslektiker haben daher oft enorme Schwierigkeiten bei der Verarbeitung gesprochener Sprache. Dies stellt wahrscheinlich das größte Problem dar, weil die gesprochene Sprache eine Voraussetzung für das Erlernen der geschriebenen Sprache bildet.18 Des Weiteren fiel den Forschern auf, dass das linke Planum temporale19 im dyslektischen Gehirn ähnlich groß ist wie das rechte. Bei anderen Menschen ist es meist größer. Die Wahrscheinlichkeit, dass Dyslexie vererbt wird, beträgt sogar 20- 30%. Forscher können anhand genetischer oder anderen Lese- und Intelligenztests feststellen, ob es sich um eine Dyslexie handelt.
Menschen mit Dyslexie besitzen eine dünnere „weiße Substanz“,20 wodurch ihre Verbindungen zwischen den für das Lesen notwendigen Regionen sehr viel schwächer sind als bei anderen Menschen. Dyslektiker besitzen eine schwächere Aktivität in den wichtigen Bestandteilen des Lese- und Sprachverarbeitungssystems in der linken Gehirnhälfte. Dies bewirkt, dass es den Betroffenen sehr schwer fällt, ein Wort als Ganzes, quasi als Bild, zu erfassen und anschließend in die gesprochene Sprache umzuwandeln. Auch diese Form der Lese- Rechtschreibschwäche tritt häufig in Kombination mit Problemen im Bereich des Sehens, Hörens oder der Motorik auf.21 Bisher wurde ausschließlich von der entwicklungsbedingten Dyslexie gesprochen. Es sollte jedoch auch beachtet werden, dass es ebenso die Möglichkeit der erworbenen Dyslexie gibt. Dabei weisen vollkommen normale Leser nach einer Hirnschädigung eben diese Leseprobleme auf, die auch bei der gerade beschriebenen Form möglich sind. Dyslexie tritt bei ca. 5% der Bevölkerung auf,22 wohingegen etwa 20% eines Jahrgangs an Legasthenie leiden.23 Oft wird diese Schwäche jedoch erst im Erwachsenenalter oder sogar nie diagnostiziert, was für die Betroffenen meist ein beschwerliches Schul- und Berufsleben bedeutet. Eine dritte Möglichkeit stellt die Alexie dar, welche aber eine Lese- und Schreibunfähigkeit bezeichnet. Diese kommt aufgrund von Hirnschädigungen zustande, weshalb die Betroffenen eine gestörte visuelle Wahrnehmungsfähigkeit besitzen und daher auch keine Zeichen und Symbole erkennen und verarbeiten können.24
Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass es bei Lese- Rechtschreibschwächen keine eindeutig definierten Ursachen gibt, welche bei jedem Betroffenen im gleichen Ausmaß auftreten. Stattdessen sind diese immer individuell und können Seh- oder Hörschädigungen, Be- einträchtigungen im Gehirn oder genetische Ursachen umfassen.23
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1 Zimbardo, Philip G. (u.a. Hrsg.): Psychologie, 18. Auflage, 2008, S.292.
2 Phonologie: Lautsystem. Ein Phonem stellt die kleinste Einheit der Sprache dar. Vgl.: Blakemore, Sarah- Jayne (u.a. Hrsg.): Wie wir lernen - was die Hirnforschung darüber weiß, 2005, S. 59.
3 Spitzer, Mannfred: Lernen - Gehirnforschung und die Schule des Lebens, 2007, S. 69.
4 Blakemore, Sarah- Jayne (u.a. Hrsg.): Wie wir lernen - was die Hirnforschung darüber weiß, 2005.
5 Quilling Eike (u.a. Hrsg.): Erfolgreiche Seminargestaltung - Strategien und Methoden in der Erwachsenenbildung, 2. erw. Auflage, 2009.
6 Kiefer, Nicole: Und ich kann es doch!, 2006.
7 Kowarik, Othmar: Legasthenikerbetreuung in Gruppen und Kursen, 1977, S.9ff.
8 Pál Ranschburg: 03.01. 1870 - 13.01.1945, ungarischer Psychologe und Psychiater.
9 Frostig, Maria (u.a. Hrsg.): Teilleistungsstörungen - Ihre Erkennung und Behandlung bei Kindern, Urban und Schwarzenberg, (u.a.) München 1981, S.162ff.
10 Scheerer- Neumann, Gerheid: Intervention bei Lese- Rechtschreibschwäche, 1979, S.16ff.
11 Frostig, Maria (u.a. Hrsg.): Teilleistungsstörungen - Ihre Erkennung und Behandlung bei Kindern, Urban und Schwarzenberg, (u.a.) München 1981, S.172ff.
12 Blakemore, Sarah- Jayne (u.a. Hrsg.): Wie wir lernen - was die Hirnforschung darüber weiß, 1. Auflage, 2006, S.76.
13 Frostig, Maria (u.a. Hrsg.): Teilleistungsstörungen - Ihre Erkennung und Behandlung bei Kindern, 1981, S.172f.
14 Gyrus angularis: Er gehört zu den höheren Assoziationsarealen der Großhirnrinde und spielt eine entscheidende Rolle in der Vernetzung höherer Seh- und Hörzentren mit höheren sensorischen und motorischen Arealen. Somit ist er an Funktionen wie Schreiben, Lesen und Rechnen entscheid end beteiligt. Frostig, Maria (u.a. Hrsg.): Teilleistungsstörungen - Ihre Erkennung und Behandlung bei Kindern, Urban und Schwarzenberg, (u.a.) München 1981, S.162ff.
15 Kortex = Gehirn.
16 Blakemore, Sarah- Jayne (u.a. Hrsg.): Wie wir lernen - was die Hirnforschung darüber weiß, 1. Auflage, 2006, S.129f
17 Blakemore, Sarah- Jayne (u.a. Hrsg.): Wie wir lernen - was die Hirnforschung darüber weiß, 1. Auflage, 2006, S.126ff
18 Planum temporale: Oberfläche des Schläfenlappens.
19 Weiße Substanz: die Schicht, welche unter der Gehirnoberfläche liegt und alle mit Myelin überzogenen Fasern enthält, über die die Neuronen miteinander verbunden sind.
20 Blakemore, Sarah- Jayne (u.a. Hrsg.): Wie wir lernen - was die Hirnforschung darüber weiß, 1. Auflage, 2006, S.128ff.
21 Blakemore, Sarah- Jayne (u.a. Hrsg.): Wie wir lernen - was die Hirnforschung darüber weiß, 1. Auflage, 2006, S.126.
22 Kiefer, Nicole: Und ich kann es doch!, 2006, S.126ff.
23 Frostig, Maria (u.a. Hrsg.): Teilleistungsstörungen - Ihre Erkennung und Behandlung bei Kindern, 1981, S.162ff.