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Examensarbeit, 2011
49 Seiten, Note: 2,0
1. Einführung Lernen
2. Anatomische und physiologische Grundlagen
2.1. Das Zentralnervensystem
2.2. Zelluläre Grundlagen des Gehirns
2.3. Informationsweiterleitung
3. Was ist Lernen?
3.1. Definition
3.2. Neuronale Repräsentationen
3.3. Die Plastizität des Gehirns oder: Lernen auf zellulärer Ebene
3.3.1. Veränderungen an Neuronen und deren Synapsen
3.3.2. Veränderungen der kortikalen Karte
3.4. Gedächtnis
4. Am Lernen beteiligte Hirnstrukturen
5. Wie oder wodurch Lernen beeinflusst wird
5.1. Aufmerksamkeit 27
5.2. Emotionen
5.3. Motivation
6. Didaktische Rückschlüsse
7. Zwischenfazit
8. Die basale Form des Lernens durch Nachahmung
9. Quellen- und Materialbasis
9.1. Nicht- elektronische Medien
9.2. Internetquellen
9.3. pdf-Dateien
Lernen- ein sagenumwobener Begriff, mit dem jeder etwas verbindet. Meist kreisen die Assoziationen um Stichworte wie Schule, langes Sitzen, auswendig lernen. Lernen wird selten als Zustand gesehen, den wir uns längerfristig für unser Leben vorstellen wollen. Doch da spielt uns unser Gehirn einen Streich. Egal, ob wir es uns vorstellen wollen oder nicht, wir lernen unser gesamtes Leben lang. Denn das, was den Menschen auszeichnet, ist die Fähigkeit des Gehirns, Informationen aus der Umwelt aufzusaugen und wenn möglich abzuspeichern. Spitzer (2002) beschreibt dies sehr bildlich: Der Albatros kann fliegen, der Gepard rennen und wir? Lernen!
Dabei ist Lernen weit mehr als das, was in der Schule passiert. Alles, was wir wissen und können haben wir im Laufe unseres Lebens erst gelernt. Hierzu gehört nicht nur Faktenwissen wie Daten und Zahlen, sondern auch Emotionen, soziale Kompetenzen, motorische Fertigkeiten, Handlungsstrategien und vieles mehr. Dies lässt sich auf die Spitze treiben, denn alles, was wir sind, was uns auszeichnet, was wir als unsere Meinung oder unseren Charakter bezeichnen, haben wir durch Erfahrungen und durch die Auseinandersetzung mit anderen Menschen und Ereignissen in unserer Lebensumwelt erst erlernt. Lernen ist also ein uns immer begleitender Vorgang, der ständig und oft unbewusst abläuft. Er ist für uns enorm wichtig, denn ohne ihn würden wir uns nicht weiterentwickeln.
Das, was uns in so besonderem Maße für das Lernen auszeichnet, ist die hohe Anpassungsbereitschaft unseres Gehirns. Doch was genau spielt sich beim Lernen in unserem Gehirn ab? Wie kann man Lernprozesse auf der Ebene unserer Gehirnzellen erklären? Ein Ziel dieser Arbeit ist es, diese Fragen zu beantworten. Dies wird hauptsächlich im Bereich der Neurobiologie geschehen, da dieser sich mit den Grundlagen unseres Gehirns, und damit des Lernens, beschäftigt. Um zunächst einen Einblick in die Funktionsweise und Struktur des menschlichen Gehirns zu bekommen, werden in einem ersten Schritt zusammengefasst anatomische und physiologische Grundlagen dargestellt. Darauf aufbauend werde ich mich mit der Frage beschäftigen, was Lernen auf neurobiologischer Ebene bedeutet. Wie werden Informationen in unserem Gehirn gespeichert? Im weiteren Verlauf gehe ich auf die Hirnstrukturen ein, welche für das Lernen von besonderer Bedeutung sind und erläutere daran anschließend Faktoren, die unseren Lernprozess negativ oder positiv beeinflussen können. Denn jeder kennt diese eigenartigen Momente, in denen wir um des Lernprozess Willens eigentlich jemandem zuhören oder uns auf einen Text konzentrieren sollten, dies aber einfach nicht gelingt. Warum wir in solche Situationen geraten, erfahren wir in diesem Kapitel.
Nun habe ich in meiner bisherigen Einführung dafür plädiert, dass Lernen ein Prozess ist, der nicht auf die Schule beschränkt ist, sondern vor allem im allgemeinen Leben stattfindet. Trotzdem folgen meinen neurobiologischen Ausführungen didaktische Rückschlüsse, dass heißt Erkenntnisse, die aus Ergebnissen über das Lernen im Bezug auf die Schule gezogen werden können. Diese Verknüpfung ziehe ich deshalb, weil Schule zum allgemeinen Leben und zum Lernprozess nun mal dazu gehört, und weil gerade die gedankliche Kombination Schule und Lernen noch zu vielen Fehlschlüssen führt. Zwar bestreitet niemand, dass die Theorie des Nürnberger Trichters, mit Hilfe dessen man praktischerweise pures Wissen in die Köpfe der Schüler/innen einflößen kann, längst überholt ist. Doch unbewusst „geistert“ diese Annahme noch durch die Köpfe der Gesellschaft und ist ausschlaggebend für so manche Lernprogramme und -tipps (Spitzer, 2002). Wissen kann nicht einfach übertragen werden! Es muss im Gehirn jeden/r Schülers/in neu geschaffen werden (Roth, 2006). Hierfür müssen wir uns dringend von der Vorstellung des Nürnberger Trichters abwenden, welcher Lernen als einen passiven Vorgang begreift, der mit der großen Mühe verbunden ist, Wissen „irgendwie in das Gehirn zu bekommen“. Lernen ist ein höchst aktiver Vorgang und Wissen entsteht, indem sich Schüler/innen aktiv damit auseinandersetzen. Auf diese und weitere Erkenntnisse werde ich in dem Kapitel „Didaktische Rückschlüsse“ weiter eingehen.
Am Ende meiner Ausführungen erfolgt ein erstes Zwischenfazit. Doch möchte ich damit nicht den Abschluss bilden, sondern daran anschließend noch eine sehr basale Form des Lernens hervorheben: Der Prozess des Lernens ist, wie schon kurz angesprochen, in starkem Maße von der Interaktion eines Individuums mit anderen Menschen abhängig. Um diesem Aspekt einen gebührenden Platz einzuräumen, stelle ich die Form des Lernens durch Nachahmung dar, welche ohne die Auseinandersetzung mit anderen Menschen, ohne das Vorhandensein von Bezugspersonen oder Vorbildern nicht machbar wäre.
Viel Spaß beim Lernen!
Lernen findet im Gehirn statt. Diese Aussage ist unumstritten. Wer also etwas über das Lernen lernen möchte, der benötigt vor allem ein gewisses anatomisches und physiologisches Grundlagenwissen über Funktion und Aufbau unseres zentralen Nervensystems, die zellulären Grundlagen des Gehirns und weitere Faktoren, die an Lernprozessen beteiligt sind.
Der Bereich der Neurowissenschaften, der all dieses Grundlagenwissen beinhaltet, ist sehr interessant, aber komplex. Da eine detaillierte Darstellung den Rahmen dieser Arbeit übersteigen würde, werde ich einiges vereinfacht und zusammengefasst darstellen, sowie Grundbegriffe der Thematik als bekannt voraussetzen.
Unser Gehirn ist gemeinsam mit dem Rückenmark und allen Nervenbahnen Teil des „Informationssystems“ unseres Körpers, welches auch als Nervensystem bezeichnet wird. Hierüber kann das Gehirn einerseits „Befehle“ in die Peripherie senden, andererseits aber auch Informationen von außen erlangen, um diese zu verarbeiten und adäquat reagieren zu können. In der Neurophysiologie wird unser Informationssystem in das periphere und zentrale Nervensystem unterteilt.
Das periphere Nervensystem erfüllt die Aufgabe der Informationszu-/ und ableitung, indem es Reize an das zentrale Nervensystem weiterleitet und motorische Befehle aus dem Gehirn und Rückenmark ausführt.
Für uns relevant ist das zentrale Nervensystem (ZNS), da dieses das Rückenmark und Gehirn umfasst. Das Gehirn muss als „Denk- und Schaltzentrale“ unseres Körpers eine hohe Leistungs- und Funktionsfähigkeit erbringen können. Um dies zu ermöglichen haben sich im Laufe der Evolution verschiedene spezialisierte Bereiche des Gehirns entwickelt, die einerseits unterschiedlichen Aufgabenbereichen zugeordnet sind, andererseits stark miteinander kooperieren. Laut Kandel (1995) lässt sich das Zentralnervensystem in einige markante Regionen unterteilen, welche ich im Anschluss der Abbildung näher beschreiben werde.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Kandel, 1995, S. 9)
Das Rückenmark, oder auch Medulla spinalis genannt, empfängt und verarbeitet sensorische Informationen der Haut, sowie der Gelenke und Muskeln der Extremitäten und des Rumpfes. Neben der Informationsverarbeitung kontrolliert es auch Bewegungen der Extremitäten und des Rumpfes.
Der Hirnstamm, bestehend aus den drei Bereichen Medulla oblongata, Pons und Mittelhirn, stellt das Verbindungsglied zwischen Gehirn und Rückenmark dar und ist grob gesagt für die Informationsvermittlung zwischen beidem zuständig. Betrachtet man die Funktion genauer, lassen sich den verschiedenen Bereichen unterschiedliche Aufgaben zuordnen.
Die Medulla oblongata (verlängertes Mark) liegt direkt über dem Rückenmark und umfasst verschiedene Zentren, die lebenswichtige, aber unbewusst ablaufende Funktionen wie Atmung, Verdauung und Herzschlag kontrollieren/steuern.
Die Pons (Brücke) liegt über dem verlängerten Mark und übermittelt Informationen über Bewegung von der Großhirnrinde (Cortex) zum Kleinhirn (Cerebellum).
Die Kontrolle motorischer und sensorischer Funktionen, beispielsweise der Augenbewegung und die Koordination visueller und auditorischer Reflexe übernimmt unter anderem das Mittelhirn (Mesencephalon).
Im Hirnstamm enthalten ist eine Ansammlung neuronaler Zellkörper, in denen die Kerne der Hirnnerven enthalten sind. Hier sind Informationen über die Haut und Muskulatur des Kopfes oder verschiedener Sinnesorgane gespeichert.
Als weiterer Bereich des ZNS, beziehungsweise des Gehirns, kann das schon genannte Cerebellum aufgezählt werden, welches über starke Faserstränge mit dem Hirnstamm verbunden ist. Kurz umfasst reguliert das Kleinhirn gemeinsam mit dem Großhirn die Grundspannung und Koordination der Muskeln und spielt so auch beim Erlernen motorischer Fertigkeiten eine Rolle. Gemeinsam mit dem vestibulären Organ ist es außerdem an der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts beteiligt. Auch reflektorisch ablaufende Bewegungsmuster (Automatismen) haben hier ihren Sitz.
Das Zwischenhirn (Diencephalon) umfasst zwei Strukturen: Den Thalamus, welcher einen Großteil der Informationen verarbeitet, die vom ZNS zur Großhirnrinde gelangen, und den Hypothalamus, welcher autonome, endokrine und viszerale Funktionen reguliert.
Weit über die Hälfte der Gehirnmasse wird vom Großhirn eingenommen, welches sich wiederum in die beiden über Faserstränge (Corpus callosum) verbundenen Großhirnhälften (Hemisphären) unterteilen lässt. Beide Hemisphären werden von der Großhirnrinde (Cortex) überlagert. Grob lässt sich sagen, das hier so genannte „höhere“ Funktionen ihren Sitz haben, das heißt Abläufe wie Denken, Sprechen, Gedächtnis, bewusstes Handeln, und so weiter. Entstanden durch die dem Hirn eigenen Windungen und Furchen lassen sich im Großhirn wiederum vier Lappen voneinander unterscheiden:
Der Frontallappen (Stirnlappen) ist mit dem hier sitzenden motorischen Zentrum für die Bewegung und Kraftentwicklung des Körpers zuständig, dient also der Bewegungskontrolle und zusätzlich der Planung zukünftiger Aktionen, während der Parietallappen (Scheitellappen) das Tastgefühl und die Körperwahrnehmung kontrolliert, also somatosensorische Wahrnehmungen wie stumpf/spitz, heiß/kalt aufnimmt und der Okzipitallappen (Hinterhauptslappen) das Sehzentrum beherbergt. Ein vierter Lappen, der Temporallappen (Schläfenlappen), ist vor allem für das Gedächtnis, und somit für Aspekte des Lernens, wichtig, aber auch für gustatorische, olfaktorische und auditorische Sinneswahrnehmung zuständig.
Zwar arbeiten sowohl die Hirnlappen, als auch die Hemisphären eigenständig, dennoch stehen sie über Nervenzellverbände in Kontakt.
Zum Großhirn dazu zählen kann man außerdem einige tiefer liegende Strukturen. Hierzu gehören die Basalganglien, die daran beteiligt sind eine Bewegungsplanung in ein strukturiertes Bewegungsprogramm umzusetzen, sowie der Hippocampus, welcher für die Speicherung von Informationen und somit dem Gedächtnis zuständig ist. Auch zu nennen ist die Amygdala, welche autonome und endokrine Reaktionen in Verbindung mit emotionalen Zuständen koordiniert. Sowohl Hippocampus als auch Amygdala sind Teil des limbischen Systems, auf welches ich in dem Kapitel „Am Lernen beteiligte Hirnstrukturen“ näher eingehen werde.
Kandel (1995) nennt in seiner Ausführung vier Prinzipien, die die Organisation der wichtigsten funktionellen Systeme betreffen, und welche ich hier für nennenswert halte:
„Jedes System besitzt Schaltzentren“ (Kandel, 1995, S. 87). Die Hauptfunktionssysteme unseres zentralen Nervensystems sind über so genannte Relaiskerne miteinander vernetzt. Diese sind nicht bloß für die reine Koordination der Reizweiterleitung zuständig, sondern erfüllen auch die Aufgabe der Informationsverarbeitung, indem sie neuronale Informationen modifizieren. Synaptische Schaltorte gibt es überall im Gehirn und Rückenmark. Als auffälligste Struktur ist der schon erwähnte Thalamus zu nennen.
„Jedes System setzt sich aus mehreren Bahnen zusammen“ (Kandel, 1995, S. 87). Gemeint sind hier neuronale Bahnen, welche sich anatomisch und funktionell unterscheiden. So lassen sich im somatosensorischen System beispielsweise unterschiedliche Bahnen für die Weiterleitung von Schmerz und Berührung finden.
„Jede Bahn ist topographisch organisiert“ (Kandel, 1995, S. 87). Die topographische Anordnung der Rezeptoren in den Sinnesorganen ist in einem Punkt-zu-Punkt-Verschaltungsmuster organisiert, welche zum Beispiel zu dem bekannten Humunculus, einer Karte des motorischen und sensorischen Systems unseres Körpers auf der Großhirnrinde, führt.
„Die meisten Bahnen kreuzen die Mediosagittalebene des Körpers“ (Kandel, 1995, S. 90). Dieses Prinzip sagt aus, das bestimmte der Willkürmotorik zugeordnete Nervenbahnen in dem Bereich des Hirnstamms die Körpermittellinie kreuzen, so dass die motorischen Nervenfasern der linken Hirnhälfte die rechte Körperseite versorgen und umgekehrt.
Das zentrale Nervensystem beinhaltet zwei verschiedene Zelltypen: Die Nervenzellen (Neuronen) und die Gliazellen. Beide werden im Folgenden näher erklärt.
Nervenzellen sind das Grundelement der Informationsverarbeitung und –übertragung und die Signalübertragungseinheiten der Verhaltensreaktionen. Sie bestehen aus einem Zellkörper (Soma), mehreren kürzeren Fortsätzen (Dendriten) und einem bis zu einem Meter langem Fortsatz (Axon), über den Informationen in Form von elektrischen oder chemischen Signalen weitergeleitet und über die Endköpfchen des Axons (Synapsen) an andere Neurone übertragen werden können. Die Erbsubstanz der Zelle ist im Zellkörper gelagert, welcher auch für die Synthetisierung von Proteinen der Zelle zuständig ist. Je nach Anzahl der Fortsätze lassen sich verschiedene Neuronenarten unterteilen, welche aber für den weiteren Verlauf der Arbeit nicht von Belang sind (Kandel, 1995).
Viele wichtige Signalfunktionen des Gehirns werden von miteinander verknüpften Neuronengruppen, auch Neuronenpopulation genannt, ausgeführt. Neuronale Netzwerke können also als informationsverarbeitende Systeme bezeichnet werden, die aus einer großen Zahl von Schalteinheiten zusammengesetzt sind (Spitzer, 2002). Zu ihren Aufgaben gehören beispielsweise das Verarbeiten sensorischer Informationen, die Programmierung motorischer und emotionaler Reaktionen sowie Lern- und Gedächtnisprozesse. Im menschlichen Gehirn lassen sich, um ein paar eindrucksvolle Zahlen zu liefern, ungefähr Hundertmilliarden Neuronen finden, deren Axone von der Länge ausreichen würden, um fünfzehnmal den Äquator zu umrunden (Scholz und Klein, 2010).
Die zehn- bis fünfzehnmal häufiger als Neuronen auftretenden Gliazellen, welche die Somata und Axone der Neuronen umgeben, erfüllen mehrere Funktionen. Zum einen bilden sie ein wichtiges Stützelement, da sie dem Gehirn Halt und Struktur verleihen und Neuronengruppen voneinander trennen. Je nach Art der Gliazellen werden weitere Aufgaben übernommen. So bilden einige Typen das für die schnelle Reizweiterleitung unerlässliche Myelin. Andere wirken als „Müllabfuhr“, in dem sie Zelltrümmer nach Verletzung oder Absterben eines Neurons beseitigen. Auch wird eine Beteiligung an der Steuerung der Axone während ihres Wachstums vermutet, sowie ein Mitwirken an der Ausbildung der Blut-Hirn-Schranke. Gliazellen helfen außerdem dabei, die Konzentration der Kaliumionen im extrazellulären Raum konstant zu halten (Kandel, 1995).
Eine Nervenzelle und die damit verbundene Reizübertragung, die das Gehirn zum Empfangen, Analysieren und Übermitteln von Informationen nutzt, funktioniert nach dem „Alles- oder- Nichts- Prinzip“. Hieraus folgen zwei verschiedene neuronale Zustände: Das Ruhepotenzial und das Aktionspotenzial.
Charakteristisch für das Ruhepotenzial sind die bereits schon vorhandenen Spannungsunterschiede zwischen dem negativ geladenen Zellinneren und dem positiv geladenen Zelläußeren, welche durch eine unterschiedliche Ionenkonzentration (größtenteils Kalium-, Chlorid- und Natrium- Ionen) entstehen. Die Zellwand (Membran) eines Neurons, eine Lipiddoppelschicht, wirkt als Isolator zwischen der Lösung im Cytoplasma und dem extrazellulären Raum und verhindert so den Ausgleich dieser elektrischen Differenz.
Ein Aktionspotenzial entsteht durch synaptische Anregung einer Nachbarzelle, welche, je nachdem ob eine Verbindung zu chemischen oder elektrischen Synapsen besteht, unterschiedlich ablaufen. Die Reizübertragung bei elektrischen Synapsen kommt grob gesagt durch direkte Ströme von der prä- zur postsynaptischen Membran zustande. Da diese Form der Reizweiterleitung aber eher selten auftritt, möchte ich nicht näher darauf eingehen.
Die chemische Übertragung von Reizen erfolgt laut Kandel (1995) mit Hilfe spezieller Neurotransmitter (Überträgerstoffe). Ein im synaptischen Endköpfchen eintreffender Strom sorgt über mehrere Prozesse für die Ausschüttung der Transmitter aus den gespeicherten Vesikeln. Zusammengefasst beschrieben diffundieren diese Überträgerstoffe durch den synaptischen Spalt (Entfernung ca. 20-40nm) und setzen sich, an der postsynaptischen Membran angekommen, an zugewiesenen Rezeptoren fest. Hierbei öffnen sich in der Membran vorhandene Kanäle, die ein explosionsartiges Einströmen positiv geladener Ionen (in diesem Fall Natrium) in den negativ geladenen Zellinnenraum ermöglichen. In dieser so genannten Depolarisierungsphase überwiegt für kurze Zeit eine positive Ladung im Zellinneren, so dass das Ruhepotenzial schlagartig in ein Aktionspotenzial umgewandelt wird. Diese Spannung kann, wenn sie einen bestimmten kritischen Wert erreicht, nun über das Axon an benachbarte Zellen weitergegeben werden. In der nachfolgenden Repolarisierungsphase kehrt die Zelle durch Schließen der Kanäle und weitere ausgleichende Vorgänge wieder in den Ruhezustand zurück.
Neben erregenden Signalen, gibt es auch hemmende Mechanismen. Werden diese aktiv, benötigt die betroffene Zelle nachfolgend einen stärkeren Impuls, um ein Aktionspotenzial auszulösen. Ob ein Potenzial exzitatorisch oder inhibitorisch ist, hängt von der Beschaffenheit der beteiligten Rezeptoren ab. Durch neuronale Integration (Verrechnung), welche bedeutend von der zeitlichen und räumlichen Summation der im Neuron eingehenden Signale abhängt, „entscheidet“ die Nervenzelle, ob der für ein Aktionspotenzial nötige kritische Wert erreicht wird, oder nicht.
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