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Bachelorarbeit, 2012
57 Seiten, Note: 1,7
Abbildungsverzeichnis
1. Einführung
1.1 Problemstellung
1.2 Ziel der Arbeit
1.3 Aufbau der Arbeit
2. Grundlagen des viralen Marketings
2. 1 Was ist virales Marketing?
2.1.1 Entstehung des Begriffs
2.1.2 Definition
2.2 Stand der Forschung
2.3 Abgrenzungen von viralem Marketing gegenüber Mundpropaganda
2.4 Ausprägungsformen
2.4.1 Hochintegrative Ansätze
2.4.2 Geringintegrative Ansätze
2.5 Virale Werbung vs. klassische Werbung
2.6 Konzeption und Umsetzung einer viralen Kampagne
2.6.1 Konzeption
2.6.2 Seeding
2.6.3 Erfolgsmessung
3. Entwicklung von Kriterien zur Beurteilung von viralen Kampagnen
3.1 Erfolgspotenziale und Gefahren des viralen Marketings
3.1.1 Erfolgspotenziale
3.1.2 Gefahren
3.2 Kriterien für erfolgreiches virales Marketing
3.2.1 Wahl der ersten Träger
3.2.2 Die Botschaft muss einen viralen Charakter aufweisen
3.2.3 Das Kampagnengut muss einen Nutzen bieten
3.2.4 Technische Aspekte berücksichtigen
3.2.5 Kampagnengut kostenlos bereitstellen
3.2.6 Zusammenfassung
4. Virales Marketing am Beispiel Heineken
4.1 Heinkens „Walk-in-Fridge“-Kampagne
4.1.1 Kurze Darstellung des Unternehmens
4.1.2 Aufbau und Ablauf der Kampagne
4.2 Fallanalyse anhand der aufgestellten Erfolgskriterien
4.2.1 Originaler „Walk-in-Fridge“
4.2.2 „Walk-in-Fridge“-Spoof
4.2.3 „Walk-in-Fridge“-Tournee
4.2.4 „Walking Fridge“
4.2.5 Kampagnenabschluss
4.3 Zusammenfassung
5. Fazit
Literaturverzeichnis
Bücher und Zeitschriftenartikel
Internetquellen
Abb. 1: Virales Marketing im Todesstern Stuttgart
Abb. 2: Vergleich von viralem Marketing und Mundpropaganda
Abb. 3: Kundenintegration und Steuerbarkeit viraler Markenkommunikation
Abb. 4: Unterschiede von viraler und klassischer Werbung
Abb. 5: Trendkurve zum Suchbegriff „Bildschirmschoner“ bei Google
Abb. 6: Werbespot „Walk-in-Fridge“ von Heineken
„Virales Marketing ist eine heikle Sache. Wenn es gutgeht, wirbt nicht die Firma, sondern deren Zielgruppe für ein neues Produkt. Doch wenn es schiefgeht, ist der Schaden groß. Denn was dann passiert, ist in den meisten Fällen das Gegenteil von Werbung.“
Marc Felix Serrao, Süddeutsche.de (2010)
Abb. 1: Virales Marketing im Todesstern Stuttgart
Quelle: http://www.youtube.com/watch?v=uF2djJcPO2A, Zugriff: 26.08.2012.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Auch auf dem Todesstern macht man sich Gedanken über das eigene Branding. In der kurzen Parodie einer Sequenz aus „Star Wars Episode IV“ wird darüber diskutiert, mit welchen Marketingmaßnahmen man seine Leadership-Position weiter halten könne. Print- und TV-Kampagnen scheinen dabei längst überholt zu sein. Im Todesstern möchte man fortan seine Energie in das virale Marketing stecken, doch es gibt unterschiedliche Meinungen im Generalstab:
„ Admiral Motti: Jedes Budget, dass man für so‘n Hokuspokus ausgibt, ist doch zum Fenster rausgeschmissen.
Darth Vader: Virales Marketing ist ein absolut machtvolles Werbeinstrument, von dem Sie keine Ahnung haben.“
Nach kurzem Hin und Her entscheidet man sich aber dennoch dafür, den gesamten Werbeetat in das virale Marketing zu investieren.
Dieses kurze Filmchen über virales Marketing (häufig auch „Viral Marketing“ genannt) ist eines der gelungensten viralen Videos und somit auch ein Garant für das Potenzial, welches in viralem Marketing steckt. Wenn Ihre innere Stimme beim Lesen dieses kurzen Dialogs automatisch in das Schwäbische abgleitet, so wurden Sie bereits mit diesem Virus infiziert. Den Wiedererkennungswert dieses Clips wünschen sich Unternehmen für ihre Marketingkampagnen. Aus diesem Grund entdecken immer mehr Unternehmen dieses neuartige Marketinginstrument für sich. Einige schaffen es dabei sogar das Potenzial des Viralen Marketings umzusetzen. Viele schaden damit allerdings auch ihren Marken oder sich selbst.
Mit der Verbreitung der ersten Fernsehgeräte in den privaten Haushalten begann auch die Fernsehwerbung – damals, in den 1950er Jahren, ein revolutionäres neues Marketinginstrument. Auf einmal war es möglich mit wenig Aufwand eine große Masse an Leuten zu erreichen. Heute laufen im Fernsehen Hunderte Werbespots und auch im Radio oder in den Zeitungen ist sie stets präsent. Werbung ist einfach überall und nährt mittlerweile eine riesige Industrie. 2011 wurden weltweit 498 Milliarden US-Dollar in Werbung investiert, davon flossen ca. 65 Prozent in die Fernsehwerbung.[1] Auch die Werbedichte ist mittlerweile so hoch, dass jeder Konsument mit 2500 bis 5000 Werbebotschaften am Tag konfrontiert wird. Dies entspricht etwa einer Zeit von zwölf Stunden pro Woche.[2] Die Folge: die Konsumenten blenden die Werbung aus und nehmen sie in vielen Fällen gar nicht mehr wahr. Dadurch wird die klassische Werbung immer ineffizienter.
Der Werbemarkt wandelt sich und es wird für Unternehmen immer schwieriger, mit den klassischen Marketinginstrumenten auf sich aufmerksam zu machen. Mit der Verbreitung des Internets haben sich neue Instrumente aufgetan, die es Unternehmen ermöglichen neue Wege im Marketing zu beschreiten. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei dem viralen Marketing zuteil. Das Problem mit diesem Marketinginstrument ist allerdings, dass es sich dabei um ein noch sehr junges Phänomen handelt und demzufolge nur wenig theoretische Erkenntnisse vorhanden sind. Viele Unternehmen sind daher weder mit dem genauen Einsatz vertraut, noch wissen sie, wie die Potenziale dieses Instruments genutzt werden. Virales Marketing ist ein komplexes Thema, das bei falscher Nutzung sehr schnell negative Auswirkungen für ein Unternehmen haben kann.
Ziel dieser Arbeit ist es, einen grundlegenden Überblick über das Thema „Virales Marketing“ zu geben. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf den Potenzialen und Gefahren des viralen Marketings. Darauf aufbauend sollen Kriterien entwickelt werden, die es ermöglichen eben diese Potenziale, unter Berücksichtigung der Gefahren, auf eine virale Marketingkampagne zu übertragen. Ziel dieser Vorgehensweise ist es allgemeingültige Kriterien zu erhalten, die nicht auf einzelnen erfolgreichen Kampagnen beruhen, sondern auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, die in den letzten Jahren im Bereich des viralen Marketings gewonnen wurden. Um die Wirksamkeit zu überprüfen, werden die Kriterien exemplarisch auf die „Walk-in-Fridge“-Kampagne des niederländischen Bierproduzenten Heineken angewandt.
Die Arbeit besteht insgesamt aus fünf Kapiteln, welche wiederum in verschiedene Unterkapitel aufgegliedert sind. Im ersten Abschnitt wird kurz in das Thema eingeführt. Zusätzlich werden einige Grundlagen der Arbeit erläutert. Im zweiten Kapitel geht es um die Grundlagen des viralen Marketings. Hier werden zunächst die Entstehung des Begriffs und dessen Definition dargestellt, bevor im Anschluss der aktuelle Forschungsstand zu diesem Themengebiet erörtert wird. Danach beginnt die tiefergehende inhaltliche Auseinandersetzung mit dem viralen Marketing. Zunächst wird der Begriff von der Mundpropaganda abgegrenzt, um ein klares Bild der Unterschiede zu erhalten. In einem weiteren Unterkapitel werden die Formen des viralen Marketings dargestellt. Darauf folgen noch eine Gegenüberstellung von viraler und klassischer Werbung, bevor im letzten Abschnitt erläutert wird, wie eine virale Marketingkampagne idealerweise strukturiert sein sollte. Dieses Grundlagenkapitel ist relativ ausführlich, was allerdings notwendig ist, um die Inhalte in Kapitel 3 nachvollziehen zu können. Im dritten Kapitel werden die Potenziale und Gefahren des viralen Marketings dargestellt sowie die daraus abgeleiteten Kriterien. An die Entwicklung der Kriterien schließt in Kapitel 4 direkt dessen Einsatz am Fallbeispiel der „Walk-in-Fridge“-Kampagne von Heineken an. Im letzten Abschnitt folgen noch ein Fazit aus den Erkenntnissen sowie ein Ausblick auf den weiteren Einsatz dieses Marketinginstruments.
Virales Marketing ist in aller Munde, doch was ist das überhaupt? Weshalb wird es als viral bezeichnet? Wenn man diesen Begriff das erste Mal hört, dann kann man sich nur schwer etwas darunter vorstellen. Seit einigen Jahren ist das virale Marketing regelrecht zum Trend geworden, was innovative Konzepte betrifft. Mittlerweile gibt es eine große Auswahl an Werbeagenturen, die sich auf diese Marketingform spezialisiert haben. In den folgenden Unterkapiteln soll zunächst die Entstehung des Begriffs erläutert werden, bevor er im Anschluss genauer definiert wird.
Das virale Marketing ist ein Begriff, dem man in letzter Zeit immer häufiger begegnet. Man könnte fast sagen, er sei die neue Geheimwaffe vieler Marketingabteilungen und -agenturen. Doch was genau steckt dahinter? Um den Begriff zu verstehen, muss man zunächst seine Entstehungsgeschichte betrachten. Erstmals taucht er in einem Artikel der Zeitschrift PC User von 1989 auf. Dort geht es um den Vergleich von Apple’s Macintosh SE mit Computern des Herstellers Compaq:
„At Ernst & Whinney, when Macgregor initially put Macintosh SEs up against a set of Compaqs, the staff almost unanimously voted with their feet as long waiting lists developed for use of the Macintoshes. The Compaqs were all but idle. John Bownes of City Bank confirmed this. ‘It's viral marketing. You get one or two in and they spread throughout the company.’”[3]
Was hier besonders im letzten Abschnitt deutlich wird, ist die Analogie zur Medizin, ohne dass hier bereits eine genaue Definition des Begriffes vorliegt.[4] Der Terminus „viral“ leitet sich von Virus ab und genau so, wie sich eine Virusinfektion unter Menschen verbreitet, verbreiten sich auch Informationen im viralen Marketing. Im Jahr 2000 stellte Malcolm Gladwell in seinem Buch „The Tipping Point“ drei Regeln für eine Epidemie heraus. Diese gelten sowohl für die medizinische Virusinfektion als auch für das virale Marketing:
1. Die Infizierung mit dem „Virus“ (das Gesetz der Wenigen)
2. Kleine Ursachen können große Auswirkungen haben (der Verankerungsfaktor)
3. Der „tipping point“ an dem die Ausbreitung des „Virus“ exponentiell zunimmt (die Macht der Umstände)[5]
Gladwell beschreibt diese Punkte auch als die „drei Regeln von Epidemien“[6]. Im ersten Punkt geht es nicht darum möglichst viele Menschen mit dem Virus zu infizieren, sondern dass es ausreichend ist, wenn einige Personen mit möglichst vielen Menschen Kontakt haben und sich der Virus bzw. über ein Netzwerk verbreitet. Der zweite Punkt baut auf dem ersten auf. Damit der „Virus“ sich auch vermehren kann, muss er sich verankern. Für die Weiterleitung einer Werbebotschaft bedeutet das, dass die Person sich auch daran erinnern muss. Der ausschlaggebende Grund für die Weiterleitung kann dabei vergleichsweise unwichtig erscheinen. Um schließlich die kritische Masse zu erreichen, spielt die Umwelt eine weitere Rolle. Hier ist nach Gladwell die soziale Vernetzung eine wirksame Möglichkeit den „Informationsvirus“ zu verbreiten. Dieses Prinzip funktioniert auch für das virale Marketing und wird daher in der Literatur oft dazu verwendet dessen Funktionsweise zu erläutern, auch wenn sich Gladwells Regeln nicht direkt auf das virale Marketing beziehen.
Die eigentliche Etablierung des Begriffs erfolgte bereits einige Jahre zuvor in den USA. Steve Juvertson und Tim Draper veröffentlichten 1997 einen Aufsatz, in dem sie die Wirkungsweise von viralem Marketing am Beispiel des Hotmail-Phänomens beschrieben. Dort heißt es:
„The special catalyst for Hotmail's torrid growth is what we at Draper Fisher Jurvetson have come to call "Viral Marketing" – not because any traditional viruses are involved, but because of the pattern of rapid adoption through word-of-mouth networks.”[7]
Hier wird der Begriff erstmals als eine neue Form des Marketings bezeichnet und auch gleichzeitig das Prinzip hinter dem viralem Marketing genannt. Word-of-mouth, oder auf Deutsch die Mundpropaganda sind schon lange ein Bestandteil des Marketings, um Produkte oder Dienstleistungen anzupreisen.[8] Hotmail war sozusagen der Wegbereiter für das virale Marketing. Am Ende jeder Mail fügte Hotmail sogenannte „taglines“ ein, die die Empfänger dazu aufriefen sich ebenfalls einen Hotmail-Account zuzulegen. Innerhalb von 18 Monaten gelang es dem E-Mail Provider aus dem Nichts heraus 12 Millionen Nutzer zu verzeichnen. Von dem Erfolg inspiriert fingen auch andere Unternehmen an erfolgreich virale Formen der Werbung zu nutzen. Der Erfolg lässt sich allerdings mehr als glücklicher Zufall sehen, denn im Gegensatz zu heute handelte es sich dabei nicht um langfristig geplante Kampagnen.[9] Erst in den letzten zehn Jahren hat man damit begonnen, virale Kampagnen langfristig und zielgerichtet zu planen.
Bevor virales Marketing definiert werden kann, sollte an dieser Stelle festgehalten werden, dass der Begriff bereits fünf Jahre nach seiner Entstehung ein fester Bestandteil des Vokabulars vieler Unternehmen war. Allerdings ohne eine klare Vorstellung davon, worum es sich dabei handelt.[10] Nach dem Erfolg von Hotmail wurde der Begriff sehr inflationär ben utzt, indem alles mit einem „Virus“ verglichen wurde, was sich ähnlich selbstständig wie die Werbebotschaften von Hotmail verbreitete.[11] Dies führte zu einer Verwischung des Begriffs. So meint virales Marketing häufig auch nur die Verbreitung von viraler Werbung.[12] Die Bezeichnung Marketing ist hier also ein Stück weit irreführend, da das Marketing sich hier nur auf die Kommunikationspolitik bezieht. Ansätze, die das Virale Marketing als selbstständigen Teil im Marketing-Mix betrachten, gibt es kaum.[13] In dieser Arbeit soll daher das Virale Marketing als Bestandteil der Kommunikationspolitik gesehen werden.
Wie im vorigen Kapitel bereits dargestellt, basiert das virale Marketing auf dem Prinzip der Mundpropaganda. Es ist also grundlegend betrachtet keine neue Idee, sondern profitiert ebenfalls von der „Effektivität der persönlichen Empfehlung zwischen Kunden.“[14] Wo hier im Einzelnen die Unterschiede liegen, wird in Kapitel 2.3 genauer untersucht. Obwohl dieser Themenbereich verhältnismäßig neu ist, gibt es eine Vielzahl von Definitionen zum viralen Marketing.[15] Inhaltlich sind diese allerdings sehr ähnlich. Den Tenor bildet in allen Auslegungen die persönliche Weitergabe zwischen den Konsumenten selbst. Ein weiterer Aspekt, der ebenfalls mehrheitlich als existenziell für das virale Marketing genannt wird, ist das Internet. Nach einer aktuellen Studie der tns-Infratest sind alleine in Deutschland mittlerweile über 53 Millionen Menschen der Über-14-Jährigen im Internet, was ca. 76 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht.[16] Große Zuwachsraten gibt es dabei auch in der Altersgruppe der Über-50-Jährigen. Hier nutzen rund 77 Prozent das Internet. Bei den Über-60-Jährigen sind es immerhin knappe 38 Prozent.[17]
Fast alle Experten sind der Auffassung, dass ein virales Konzept nur funktionieren kann, wenn das Internet als Kommunikationsträger genutzt wird. Das Internet ist der ideale Nährboden für das virale Marketing, da sich die Informationen rasend schnell verbreiten und theoretisch eine unbegrenzte Anzahl an Leuten erreichen können. Scherzhaft wird das Virale Marketing deswegen auch als „Word of Mouth Marketing on Steroids“[18] bezeichnet. Allerdings sind viele der älteren Definitionen vor allem aus den ersten erfolgreichen viralen Kampagnen abgeleitet, wodurch viele Charakteristika übernommen und generalisiert wurden. Es sind also mehr, wenn auch zweifelhafte, Handlungsempfehlungen für den Erfolg viraler Kampagnen. Diese sind zum Teil so speziell, dass die meisten Unternehmen sie nicht auf ihre eigenen Kampagnen übertragen können.[19] Aus diesem Grund ist eine Definition erforderlich, die die wesentlichen Merkmale des viralen Marketings herausstellt, ohne bereits konkrete Beispiele für einen möglichen Erfolg zu nennen. Die vorliegende Arbeit orientiert sich daher an der Definition von Daniel Stenger:
„Virales Marketing beschreibt alle Strategien und Techniken, um Konsumenten zu motivieren, Produkte, Dienstleistungen oder Botschaften freiwillig an Personen in ihrem Onlinenetzwerk zu verbreiten, um auf diese Weise das Potenzial für eine exponentielle Ausbreitung zu schaffen.“[20]
Ein Aspekt, der in dieser Definition noch einmal betont wird, ist der, dass die Konsumenten die Informationen freiwillig weitergeben müssen, um eine Ausbreitung überhaupt erst zu ermöglichen. Als Erklärungsansatz liegen hier Gladwells „Drei Regeln von Epidemien“ zugrunde. Inhalte, wie beispielsweise der Netzwerkgedanke, finden sich ebenfalls in dieser Definition wieder.
Da es sich bei dem viralen Marketing um eine vergleichsweise junge wirtschaftswissenschaftliche Disziplin handelt, gibt es bisher nur sehr wenige kritische Auseinandersetzungen zu diesem Themenkomplex.[21] Aufgrund dieses Mangels an Informationen und der daraus resultierenden Flop-Rate vertreten viele Unternehmen immer noch die Ansicht, dass es sich beim viralen Marketing mehr um Kunst als um eine Wissenschaft handelt.[22] Knapp neun von zehn viralen Kampagnen scheitern[23], weil es sich bei den Kampagnen oftmals um Kopien anderer erfolgreicher Kampagnen handelt oder weil daraus verallgemeinerte Empfehlungen abgeleitet werden. Ebenso fehlt ein Verständnis dafür, welche Effekte die viralen Inhalte auf die Konsumenten haben.[24] Man muss an dieser Stelle allerdings beachten, dass es sich hierbei in erster Linie um ein europäisches Phänomen handelt. Dass das virale Marketing in den USA weiter verbreitet ist als bei uns[25], lässt sich alleine schon an der Vielzahl an Fallstudien ablesen.[26] In Deutschland rückt das Virale Marketing erst seit wenigen Jahren immer mehr in den Fokus von Werbeagenturen. So ist es nicht überraschend, dass immer noch viele Unternehmen in Deutschland alternativen Werbeformen skeptisch gegenüber stehen. In der aktuellen GfK-Studie zum Thema „Alternative Werbeformen“ wurden Marketing-Entscheidungsträger danach gefragt, welche Alternativen sie einsetzen oder noch einsetzen wollen. Rund 19 Prozent der Befragten antworteten „keine“, mit der Begründung bereits schlechte Erfahrungen gemacht zu haben oder sich schlichtweg nicht damit auszukennen.[27] Auf der anderen Seite halten einige virales Marketing durchaus für ein wichtiges Instrument, um die Reichweite bei den Konsumenten zu erhöhen, allerdings nicht um diese langfristig zu binden.[28] Hier wird noch einmal die Skepsis gegenüber dem Viralen Marketing deutlich. Diese können zum großen Teil auch mit den Defiziten in der Forschung begründet werden. Man ist bemüht diese Defizite aufzuarbeiten, doch findet nach wie vor in vielen Standardwerken zum Marketing das Virale Marketing keine Beachtung oder wird lediglich am Rande erwähnt.[29] Auch generelle Aussagen zu Potenzialen oder Gefahren des Viralen Marketings sucht man hier vergebens.
Es wäre allerdings falsch an dieser Stelle zu behaupten, dass sich die Wissenschaft überhaupt nicht mit dem Thema befasst. Auf grund des technischen Fortschritts und der wachsenden Praxisrelevanz für Unternehmen sind in den letzten Jahren mehrere Studien erschienen, die sich mit der gezielten Weitergabe von Informationen befassen.[30] Einen ausführlichen Überblick über diese Studien bietet Daniel Stenger in seinem Buch.[31] Diese sollen an dieser Stelle jedoch nicht weiter erläutert werden, da dies den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Generell lässt sich allerdings festhalten, dass die Studien die Wirksamkeit der Online-Mundpropaganda in Bezug auf Produkt- und Markeneinstellung sowie die realen Verkaufszahlen bestätigen.[32]
Bereits in den vorigen Kapiteln wurde immer wieder vom Zusammenhang zwischen viralem Marketing und der klassischen Mundpropaganda gesprochen. In diesem Kapitel sollen diese Begriffe noch einmal gesondert voneinander abgegrenzt werden, um so die Unterschiede zu verdeutlichen und eine Vermischung der Begrifflichkeiten vorzubeugen.
Oftmals wird für virales Marketing synonym der Begriff Mundpropaganda oder „Word of Mouth“ verwendet. Zwar sind beide Begriffe eng miteinander verbunden, aber dennoch muss hier genauer differenziert werden.
Sowohl beim Viralen Marketing als auch bei der Mundpropaganda steht die Weitergabe von Werbebotschaften im Mittelpunkt.[33] Ein grundlegender Unterschied liegt allerdings schon in dieser Weitergabe selbst. Bei der klassischen Mundpropaganda werden Informationen oder Produktempfehlungen verbal von Mensch zu Mensch weitergetragen – es zählt das gesprochene Wort.[34] Eine Person gibt ihre Empfehlung an fünf bis zehn weitere Personen aus seinem Freundes- oder Bekanntenkreis weiter. Das ist wichtig, denn nur so erlangt eine Empfehlung die notwendige Glaubwürdigkeit. Nach dem Gespräch rückt diese „erste“ Empfehlung ziemlich schnell in den Hintergrund. Man kann das Ganze auch als eine Art Echo betrachten, bei der die anfängliche Empfehlung noch einen relativ hohen Einfluss auf das Konsumentenverhalten hat, dann aber ziemlich schnell im Hintergrund verhallt.[35] Die Unternehmen haben einen geringen Einfluss auf die Empfehlungen, da sie meist auf langjährigen Erfahrungswerten mit dem jeweiligen Empfehlungsobjekt beruhen.[36] Es handelt sich also um einen langfristigen Effekt, der für die Unternehmen kostenlos ist und trotzdem einen erheblichen Einfluss auf das Markenimage haben kann, sowohl positiv als auch negativ.
Anders hingegen verhält es sich beim viralen Marketing. Hier bringt das Unternehmen die Botschaft selbst in Umlauf. Es handelt sich also um eine geplante „Vorgehensweise des Unternehmens mit dem Ziel, ihre Konsumenten zur weiteren Verbreitung zu animieren.“[37] Dadurch können die Unternehmen Empfehlungen besser steuern und so eine höhere Verbreitung erreichen. Zudem lassen sich die Botschaften über das Internet einfach kopieren und so unverändert weiterleiten. Bei der Mundpropaganda hingegen muss ein neues Gespräch begonnen werden, in dem die Empfehlungen gegenüber dem vorigen Gespräch variieren können.[38]
Des Weiteren spielen beim Viralen Marketing die kurzfristigen Gelegenheitsempfehlungen eine Rolle.[39] Auf langjährige „Beziehungen“ zum Unternehmen bzw. zum Empfehlungsobjekt wird verzichtet. Es handelt sich hierbei hauptsächlich um visuelle Medien, die über das Internet verbreitet werden. Dies können Empfehlungen für Webseiten oder auch amüsante Videoclips sein. Diese sollen bei den Internetnutzern Emotionen wecken, da Gestik und Mimik, anders als in einem persönlichen Gespräch, hier nicht eingesetzt werden können.[40]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Vergleich von viralem Marketing und Mundpropaganda
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Langner (2009), S. 33 & Reiter (2008), S. 17.
Die nachfolgende Grafik (Abbildung 2) stellt noch einmal die wesentlichen Unterschiede von viralem Marketing und Mundpropaganda dar.
Damit sich die viralen Inhalte der Marketingkampagnen verbreiten, müssen diese auch von den Konsumenten weitergetragen werden. Hier gibt es verschiedene Ansätze, die sich entsprechend der Integration des Konsumenten in gering- und hochintegrativ[41] unterteilen lassen.[42] In diesem Kapitel sollen diese Ansätze dargestellt und erläutert werden.
Beim hochintegrativen viralen Marketing müssen die Unternehmen die Konsumenten dazu motivieren, sich aktiv an der Weiterleitung einer Werbebotschaft ihrer Marken zu beteiligen.[43] Damit die Konsumenten auch an dem Empfehlungsprozess teilnehmen, muss dieser mit einem bestimmten Nutzen für sie verbunden sein. Man unterscheidet hier zwischen service- und anreizbasiertem Nutzen.[44] Beim servicebasierten Nutzen wird der Konsument dadurch motiviert, dass er selbst von dem angepriesenem Service/Produkt profitiert, je mehr Menschen dieses nutzen (z. B. Chat-Programme).[45]
Bei der anreizbasierten Variante bekommen die Konsumenten kleine Werbegeschenke, Prestige oder sogar finanzielle Vergütungen.[46] Internetgestützte Gewinnspiele oder Wettbewerbe sind ebenfalls ein beliebter Anreiz für die Unternehmen, um die Aktivität der Konsumenten zu steigern.[47] Diese Anreize sind wichtig, da sie, neben der emotionalen Bindung der Konsumenten zur jeweiligen Marke, einen wichtigen Katalysator für den Empfehlungsprozess darstellen. In der Literatur gibt es unterschiedliche Meinungen, ob sich beide Varianten auf das hochintegrative virale Marketing beschränken. Der Einsatz dieser Anreizstrukturen wäre auch für geringintegrative Maßnahmen denkbar.[48]
Das wichtigste Merkmal von hochintegrativen Maßnahmen ist, wie oben bereits angedeutet wurde, dass sich die Konsumenten bewusst und somit aktiv an der Weiterleitung beteiligen. Dies geschieht beispielsweise durch das Hochladen selbst erstellter Videos oder Bilder.[49] Für das Unternehmen stellt dieser Aspekt allerdings gleichzeitig ein gewisses Risiko dar. Da Bilder und Videos von den Konsumenten stammen, hat das Unternehmen keinen Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung der selbigen. Je nachdem wie die Maßnahmen umgesetzt werden sollen, hat das Unternehmen die Möglichkeit die Inhalte zu steuern. Die von den Konsumenten erstellten Inhalte werden zunächst überprüft und dann veröffentlicht. So behält das Unternehmen die Kontrolle über die Inhalte und kann ggf. unangemessene Inhalte aussortieren. Das britische Modelabel „Burberry“ entschied sich 2009 für einen solchen Weg. Für die „The Art of the Trench“-Aktion konnten die Konsumenten Bilder von sich in einem Trenchcoat auf eine eigens hierfür erstellte Internetseite hochladen. Vor der Veröffentlichung wurden die Inhalte überprüft und aufbereitet.[50] Wesentlich höher ist das Risiko bei Aktionen, bei denen die Inhalte nicht überprüft werden. Damit riskieren die Unternehmen, dass irrelevante Inhalte, oder im schlimmsten Fall sogar markenschädliche Inhalte, veröffentlicht werden. Diese risikoreiche Variante nutzte man bei Beiersdorf für den „Schönheit ist“-Fotowettbewerb von Nivea. Negative Auswirkungen dieser Aktion gab es allerdings keine.
[...]
[1] The Nielsen Company (2012), online. Zugriff: 21.08.2012.
[2] Langner (2009), S. 13.
[3] Zit. Calligan, T. (1989): New Apples tempt business, in: PC User, 27. September 1989, zit. nach: Kirby (2006), S. 89.
[4] Vgl. Stenger (2012), S. 27.
[5] Vgl. Gladwell (2000), S. 16.
[6] Ebd., S. 24.
[7] Vgl. Jurvetson/Draper (1998), o.S.
[8] Vgl. Stenger (2012), S. 27.
[9] Vgl. Kirby (2006), S. 89f.
[10] Vgl. Zorbach (2001), S. 16.
[11] Vgl. Zorbach (2001), S. 16.
[12] Vgl. Mayer (2009), S.6.
[13] Vgl. Stenger (2012), S. 34ff.
[14] Zit. Grunder (2003), S. 3.
[15] Vgl. Stenger (2012): S. 29f.
[16] Vgl. Initiative D21 (2012), online-pdf. Zugriff: 25.07.2012, S. 4.
[17] Vgl. ARD/ZDF (2012), online. Zugriff: 25.07.2012.
[18] Vgl. Phlippi (2004), online. Zugriff: 22.08.2012.
[19] Vgl. Bryce (2005), S. 15f.
[20] Zit. Stenger (2012), S. 28.
[21] Ebd., S. 9.
[22] „Viral marketing is perceived as an art rather than a science”, Diorio (2001), online. Zugriff: 22.08.2012.
[23] Vgl. Brand Science Institute (2009), online. Zugriff: 22.08.2012.
[24] Vgl. Esch/Krieger/ Stenger (2009), S. 12.
[25] Vgl. Halt (2004), S. 6.
[26] Vgl. hierzu die Fallstudien bei Langer (2009), S. 101ff.
[27] GfK (2011), online-pdf. Zugriff: 25.07.2012, S. 7.
[28] Ebd., S. 8.
[29] Vgl. u.a. Meffert/Burmann/Kirchgeorg (2011); Kotler/Armstrong/ u. a. (2011); Hermanns/Kiendl/ Overloop (2012).
[30] Vgl. Stenger (2012), S.9.
[31] Ebd., S. 329.
[32] Ebd., S. 10.
[33] Vgl. Reiter (2008), S. 15.
[34] Vgl. Langner (2009), S. 30.
[35] Vgl. Godin, S. (2007), online. Zugriff: 29.7.2012.
[36] Vgl. Langner (2009), S.30.
[37] Vgl. Reiter (2008), S. 15.
[38] Ebd.
[39] Vgl. Langner (2009), S. 30.
[40] Vgl. Reiter (2008), S. 16.
[41] In diesem Zusammenhang spricht Langner (2009, S. 30f.) von passiver und aktiver Konsumentenbeteiligung; Bryce (2005, S. 17ff.) unterscheidet zwischen „frictionless“ und „active customer integration“. Inhaltlich geht es bei allen Ansätzen um die Rolle des Konsumenten im Empfehlungsprozess, weshalb die Begriffe synonym verwendet werden können.
[42] Esch/Stenger/Krieger (2010), S. 114.
[43] Vgl. Bryce (2005), S. 18.
[44] Vgl. Bannan (2000), online. Zugriff: 05.08.2012.
[45] Vgl. Bryce (2005), S. 18.
[46] Vgl. Bannan (2000), online. Zugriff: 05.08.2012.
[47] Vgl. Stenger (2012), S. 43.
[48] Vgl. Grunder (2003), S. 12ff./Stenger (2012), S. 42f./Reiter (2004), S. 26f.
[49] Vgl. Stenger (2012), S. 42.
[50] Vgl. Esch/Stenger/Krieger (2010), S. 115.