Bachelorarbeit, 2012
67 Seiten, Note: 1,7
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Aktualitätsbezug
1.2 Gang der Unters uchung
2 Die ökonomischen Grundlagen des Teamsportwettbewerbs
2.1 Der Wertschöpfungskreislauf und die Besonderheiten des Wettbewerbs
2.2 Organisationsproblem: Hyperaktivität
2.2.1 Definition
2.2.2 Ursachen
2.2.2.1 Positionsabhängige Einnahmen
2.2.2.2 Begrenzte Rationalität
2.2.2.3 Clubverfassung
2.2.3 Folgen
2.2.4 Regulierungsnotwendigkeit
3 Bisherige Regulierungsinstrumente
3.1 UEFA Financial-Fair-Play
3.1.1 Zielsetzung
3.1.2 Umsetzung
3.1.3 Bewertung
3.2 TV-Rechteverm arktung
3.2.1 Vermarktungsformen: Dezentrale Vermarktung vs. Zentrale Verm arktung
3.2.2 Bewertung
4 Alternative Regulierungsinstrumente
4.1 Salary Caps
4.2 Erlösum verteilung
4.2.1 Reform der Prämienverteilung in den Superwettbewerben
4.2.2 UEFA TV-Verteilerschlüssel
5 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildung 1: Wertschöpfungskreislauf und Produktionsprozess im Teamsportwettbewerb
Abbildung 2: Der Fußballsport als Interaktionsplattform verschiedener Marktseiten
Abbildung 3: Auszahlungsmatrix bei Verstärkungen
Abbildung 4: Vergleich der TV-Einnahmen zwischen der Bundesliga und der Primera Division
Tabelle 1: Vergleich der Prämienreformen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Fußballmarkt in Europa boomt. Die Umsätze der europäischen Top-Ligen sind laut der UEFA in den Finanzjahren 2006-2010, trotz einer anhaltenden Euro- und weltweiten Finanzkrise, um mehr als 3,7 Mrd. Euro gestiegen. Dennoch befindet sich der europäische Fußballmarkt in einer wirtschaftlichen Krise, da die europäi- schen Top-Ligen entgegen dieser positiven Umsatzentwicklung Verluste auswei- sen. Im selben Zeitraum, in der so ein starker Umsatzanstieg zu verzeichnen war, haben sich die Nettoverluste der Top-Ligen auf 1,6 Mrd. Euro im Finanzjahr 2010 verachtfacht. Unweigerlich stellt sich hier die Frage, warum die Akteure des euro- päischen Fußballmarktes so unrentabel und verlustträchtig wirtschaften. Der euro- päische Fußballverband hat mit der Einführung des Financial-Fair-Play-Reglements auf diese Frage bereits eine Antwort gegeben. Strikte Finanzrichtlinien sollen das Ausgabeverhalten der Klubs in wirtschaftlich vertretbare Bahnen lenken und damit die Existenz und Nachhaltigkeit des europäischen Klubfußballs langfristig schützen. Im Rahmen dieser Arbeit soll jedoch ein anderer Erklärungsansatz für die Ambiva- lenz zwischen wirtschaftlichen Boom und existenzgefährdender Verschuldung un- tersucht werden. Dieser Erklärungsansatz befasst sich mit dem Problem von Hy- peraktivität in Teamsportwettbewerben am Beispiel der europäischen Fußballligen. Mit Hyperaktivität wird hierbei ein Verhalten der Klubs beschrieben, das durch sys- tembedingte Fehlanreize einen ruinösen Investitionswettlauf in Gang setzt. Daher werden im Folgenden die systembedingten Fehlanreize des europäischen Fußball- systems untersucht, welche ein solches Hyperaktivitätsverhalten auslösen können. Darüber hinaus ist zu klären, ob die bisher eingesetzten Regulierungs instrumente geeignet sind, das Hyperaktivitätsproblem zu lösen oder ob es gegebenenfalls ge- eignetere Regulierungsalternativen gibt. Ziel dieser Arbeit ist es somit, die Ursa- chen und Wirkungen des Hyperaktivitätsproblems zu bestimmen und die Wirksam- keit der bisher eingesetzten Regulierungsinstrumente zu analysieren. Des Weiteren sollen im Hinblick auf die wirtschaftliche Stabilität des europäischen Fußballs alter- native Regulierungsinstrumente untersucht werden. Die Notwendigkeit einer sol- chen Untersuchung ergibt sich aus der prekären finanziellen Schieflage einiger europäischer Klubs. Sowohl die UEFA als auch die nationalen Fußballverbände mit ihren Klubs sollten daran interessiert sein, die existenzgefährdende Verschuldung im europäischen Fußball zu beseitigen. Hierzu ist es auch notwendig, bisher eingesetzte Regulierungsmaßnahmen zu hinterfragen und neue Erklärungsansätze zu diskutieren, um ganzheitliche Regulierungsmaßnahmen einzuleiten, die dem europäischen Fußball nachhaltig zu mehr Stabilität verhelfen.
Um die oben genannten Ziele zu erreichen, ist diese Arbeit in insgesamt fünf Kapi- tel untergliedert. Im ersten Kapitel soll an das Thema dieser wissenschaftlichen Arbeit herangeführt, die Problemstellung erläutert und die Zielsetzung dargestellt werden.
Das zweite Kapitel befasst sich mit den grundlegenden ökonomischen Eigenschaf- ten des Teamsportwettbewerbs. In einem ersten Schritt wird der für den Team- sportwettbewerb charakteristische Wertschöpfungskreislauf erklärt und anhand dessen die Besonderheiten des Wettbewerbs dargestellt. Dieser Schritt dient als Grundlage, um im zweiten Schritt das Hyperaktivitätsproblem zu untersuchen. Hierbei werden die Ursachen und Folgen dieses Organisationsproblems für eine abschließende Bewertung bezüglich des Regulierungsbedarfs herausgearbeitet.
Darauf aufbauend werden im dritten Kapitel dieser Arbeit die bisher angewandten Regulierungsinstrumente dargestellt. Zunächst steht dabei das neu eingeführte UEFA-Financial-Fair-Play-Reglement im Mittelpunkt der Betrachtung. Als erstes werden die wichtigsten Bestandteile und die damit verbundenen Ziele dieses Reg- lements beschrieben. Danach wird eine abschließende Bewertung hinsichtlich der Wirksamkeit gegen das Hyperaktivitätsproblem durchgeführt. Als zweites Regulie- rungsinstrument werden dann die unterschiedlichen TV-Vermarktungsformen un- tersucht und ebenfalls hinsichtlich der Wirksamkeit gegen das Hyperaktivitätsprob- lem bewertet.
Im vierten Kapitel werden dann alternative Regulierungsinstrumente analysiert. Wie in Kapitel drei sollen nun diese Regulierungsalternativen unter dem Gesichtspunkt der Wirksamkeit gegen das Hyperaktivitätsproblem beurteilt werden. Zu Beginn wird hierbei auf ein Regulierungsinstrument der amerikanischen Major Leagues eingegangen und auf das europäische Fußballsystem übertragen. Abschließend werden dann zwei selbst entwickelte Regulierungsalternativen vorgestellt, wobei beide Modelle eine Erlösumverteilung zur Folge haben.
Im fünften und letzten Kapitel wird mit einem abschließenden Fazit der Inhalt der Arbeit reflektiert und auf Grundlage der erarbeiteten Erkenntnisse wird ein Blick auf die Zukunftsfähigkeit des europäischen Fußballsystems geworfen.
Bevor man sich mit Hyperaktivität im europäischen Fußball beschäftigt, ist es not- wendig die grundlegenden ökonomischen Eigenschaften von Teamsportwettbe- werben zu erläutern. Im Folgenden werden daher zuerst der Wertschöpfungskreis- lauf im Teamsportwettbewerb und die Besonderheiten des Wettbewerbs darge- stellt. Daran anknüpfend wird das Organisationsproblem Hyperaktivität ausführlich dargestellt.
Der Wertschöpfungsprozess im professionellen Teamsport lässt sich nicht mit dem für andere Wirtschaftsbranchen allgemein anerkannten Wertschöpfungsprozess nach Porter erklären.1 Dietl bezeichnet den Wertschöpfungsprozess im professio- nellen Teamsport vielmehr als Wertschöpfungskreislauf.2 Am Anfang dieses Wert- schöpfungskreislaufes stehen die Investitionen der Klubs in ihre Teams. Erweitert man diesen Wertschöpfungskreislauf mit dem dreistufigen Produktionsprozess ei- ner Liga, stellen diese Investitionen die Grundlage der Produktion einer sportlichen Teamleistung dar.3 Die klubinterne Produktion einer sportlichen Leistung durch das Zusammenwirken seiner Teammitglieder bildet also die erste Stufe des Produkti- onsprozesses einer Liga. Da aber ein Klub alleine kein marktfähiges Produkt er- zeugen kann, benötigt jedes Team mindestens einen Gegner. Auf dieser zweiten Stufe des Produktionsprozesses treten somit zwei Klubs gegeneinander in einem sportlichen Wettkampf an und erschaffen damit ein marktfähiges, wenn auch noch kein attraktives Produkt. Eine wesentlich höhere Wertschöpfung kann hierbei erzielt werden, wenn sich mehrere Teams zu einer Liga zusammenschließen und einen Meisterschaftswettbewerb erzeugen. Dieser Schritt ist dann die dritte Stufe des Produktionsprozesses einer Liga. Die Austragung eines Meisterschaftswettbewerbs steigert das Zuschauer- und infolgedessen auch das Medieninteresse. Durch die gestiegene Aufmerksamkeit der Liga durch Fans und Medien werden wiederrum Sponsoren angezogen, die die Liga als Werbeplattform nutzen möchten. Fans, Medien und Sponsoren ermöglichen den Klubs Einnahmen zu generieren, die er- neut für Investitionen in die Spielstärke und Attraktivität eines Teams verwendet werden können. Idealerweise funktioniert dieser Wertschöpfungskreislauf nach dem Schneeballsystem, so dass attraktivere Teams mehr Fans, Medien und Sponsoren anziehen, die wiederrum höhere Einnahmen für die Klubs zur Folge haben (Vgl. Abb. 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Wertsch ö pfungskreislauf und Produktionsprozess im Teamsportwettbewerb. Quelle: in Anlehnung an Dietl, H. (2010), S.7 und Daumann, F. (2011) S.134.
Aus dem beschriebenen Wertschöpfungskreislauf und Produktionsprozess geht eine wichtige Erkenntnis hervor, die ein entscheidendes Unterscheidungsmerkmal der Teamsportindustrie zu anderen Wirtschaftsbereichen darstellt: Der Anteil des Einzelnen (einzelne Sportler, Teams oder Spiele) an der Wertschöpfung, d.h. sein Wertgrenzprodukt, ist nicht ermittelbar. Das Wertgrenzprodukt wird als das Grenz- produkt eines Faktoreinsatzes multipliziert mit dem Güterpreis definiert. Wenn also beispielsweise eine Unternehmung Äpfel für 10€ pro Kiste verkauft und eine zu- sätzliche Arbeitskraft 80 Kisten Äpfel produziert, so beträgt das Wertgrenzprodukt dieser Arbeitskraft 800€.4 Während man in anderen Wirtschaftsbereichen sowohl das Grenzprodukt als auch den Güterpreis ermitteln kann, ist dies in der Teamspor- tindustrie nicht möglich. Die Ursache hierfür liegt in den Besonderheiten der Team- sportindustrie, die auf dem beschriebenen Wertschöpfungskreislauf gründen. Hie- raus ergibt sich, dass die individuellen Leistungen eines Spielers als Inputfaktor für die Teamleistung zu betrachten sind, die ihrerseits wieder mit zahlreichen anderen Inputfaktoren anderer Teams in den Produktionsprozess Meisterschaft mit einflie- ßen. Durch diese Vielzahl von Inputfaktoren, die in dem Produktionsprozess einer Meisterschaft einfließen, ist es nicht mehr möglich, das Wertgrenzprodukt eines einzelnen Sportlers oder eines einzelnen Spiels exakt bzw. überhaupt zu ermitteln. Folglich ist die erzielte Wertschöpfung einer Meisterschaft bzw. einer Liga das Ge- samtresultat aller Inputs, in der der Beitrag des Siegers an der Wertschöpfung nicht größer als der des Verlierers ist. Am Wertschöpfungskreislauf sind hierbei aber nicht nur die Klubs und Spieler beteiligt, sondern auch Zuschauer, Medien und Sponsoren. Für ein besseres Verständnis dieses Wertschöpfungskreislaufes ist der Sport, in diesem Fall der Fußball, als eine Plattform zu begreifen, über die mehrere Marktseiten miteinander interagieren (vgl. Abb. 2).5
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Der Fu ß ballsport als Interaktionsplattform verschiedener Marktseiten. Quelle: in Anlehnung an Vöpel, H. (2011), S.7.
Die verschiedenen Marktseiten weisen dabei jeweils spezifische Strukturen, In- strumente und Handlungsmuster auf, mit denen die jeweiligen Akteure versuchen, mit Hilfe von verschiedenen Zielen und Strategien vom Fußballmarkt zu partizipie- ren. Elementar für den wirtschaftlichen Erfolg aller am Fußballmarkt beteiligten Ak- teure ist die Zuschauerresonanz des Spiel- und Ligabetriebes. Für den wirtschaftli- chen Erfolg einer Liga ist es daher maßgeblich entscheidend, inwieweit sich dieser gegen andere konkurrierende Unterhaltungsangebote bei der Zuschauergunst durchsetzen kann. Unter Zuschauern werden in diesem Zusammenhang sowohl die Stadionbesucher als auch die Fernsehzuschauer verstanden, die zusammen die primäre Nachfrage nach dem Produkt Fußball bilden. Der Spiel- und Ligabe- trieb steht damit im Mittelpunkt aller ökonomischen Aktivitäten bzw. der Marktteil- nehmer. Wie Abbildung 2 verdeutlicht, leitet sich unmittelbar aus dem Fußballmarkt der Markt für TV-Rechte, der Werbemarkt und das Merchandising und Ticketing ab.
Durch das enorme Zuschauerinteresse am Fußball ist es für die werbetreibende Wirtschaft besonders attraktiv, sich entweder direkt durch den Kauf von Vermark- tungsrechten von den Vereinen am Sponsoring zu beteiligen oder sich am TV- Markt Sendezeiten im Umfeld von Fußballsendungen zu kaufen. Die Medien bzw. die TV-Sender wiederum fragen genau diese Sendezeiten und Verwertungsrechte rund um den Fußball nach, um möglichst hohe Werbeerlöse generieren zu kön- nen.6 Die Vereine und Verbände als Anbieter des Produkts Fußballs bedienen also viele verschiedene Märkte mit unterschiedlichen Strukturen und Anforderungen, denen sich die Vereine und Verbände anpassen müssen. Dementsprechend wer- den Vereine und Verbände immer wieder mit Konflikten zwischen verschiedenen Marktseiten konfrontiert, bei denen beispielweise ein Sponsor daran interessiert ist, seinen Schriftzug möglichst groß auf dem Trikot zu platzieren, während eine zu große Werbefläche das Trikot für den Fan als Käufer dieser Trikots tendenziell un- attraktiver macht. Die Komplexität der verschiedenen Märkte und das daraus resul- tierende Konfliktpotenzial ist ein erster wichtiger Grund für die Notwendigkeit von Regulatoren, die solche Konflikte lösen oder erst gar nicht entstehen lass en. Für das angeführte Beispiel in Deutschland der DFB in seiner Satzung die maximale Größe der Werbefläche und ihre Positionierung auf dem Trikot klar festgelegt und so möglichen Konflikten zwischen verschiedenen Marktseiten entgegengewirkt.7 In diesem Zusammenhang ist es wichtig festzuhalten, dass der Fußballsport, egal für welche Marktseite, nur interessant ist, wenn dieser in Form einer Meisterschaft ausgetragen wird. Daher ist es notwendig, sich mit den Besonderheiten eines sol- chen Wettbewerbes auseinanderzusetzen, um die Komplexität des Wertschöp- fungskreislaufs verstehen zu können. Die Produktion einer Meisterschaft ist dabei ein Gemeinschaftsprodukt aller beteiligten Ligaklubs. Für die erfolgreiche Durchfüh- rung einer Meisterschaft sind bestimmte Merkmale Grundvoraussetzung :
- Normierung: Eine Vergleichsbasis für die Leistung aller beteiligten Klubs muss gesichert sein. Hierzu wird ein Spielplan bestimmt und eine regelkonforme Durch- führung der Spiele nach einem stabilen, einheitlichen und verbindlichen Regelwerk vereinbart.
- Sportliche Integrität des Wettbewerbs: Der Ausgang eines Spiels muss immer durch einen fairen Wettbewerb entschieden werden. Ein Spiel wird für den Zu- schauer umso interessanter, je größer die Ungewissheit über den Spielausgang ist.
- Markenschutz: Die Aussagefähigkeit des Meisterschaftstitels muss gesichert sein. Sobald mehrere Meisterschaftstitel für einen regional identischen Raum vergeben werden, kommt es zwangsläufig zu einem Wertverlust aller Meisterschaftstitel.8
Aus diesen Merkmalen ergeben sich zwei Konsequenzen. Zum einen bedarf es einen Ligaorganisators, der als Normierungs-, Integritäts- und Markenschutzinstanz zu betrachten ist. Franck stellt in diesem Zusammenhang fest, dass Anreize zur Drückebergerei bestehen, da jeder Klub durch seine Beiträge zum Schutz dieser Merkmale einen positiven externen Effekt für andere erzeugt, wobei die entspre- chenden Opportunitätskosten vollständig privat sind. In Verbindung zum Wert- schöpfungskreislauf ist der Anreiz zur Drückebergerei insbesondere durch die un- mögliche Messbarkeit von individuellen Beiträgen zur Gesamtwertschöpfung er- klärbar. Die Klubs benötigen daher einen übergeordneten Aufpasser, der Drücke- bergerei zum Schutz dieser Teamprodukte verhindert.9 Zum anderen verkörpern Fußballligen ein natürliches Monopol, welches den höchsten Vermarktungswert für das Produkt Liga sicherstellt. Die Liga verfolgt hierbei das Ziel der Gewinnmaximie- rung, da die Wohlfahrtsmaximierung der gesamten Liga im Mittelpunkt steht. Dabei ist irrelevant, ob die Liga durch einen Dachverband oder genossenschaftlich durch die Klubs selbst organisiert wird.10 Denn auch für die Klubs selbst ist die Monopol- stellung der nationalen Fußballligen besonders vorteilhaft, da sie die größtmögli- chen Vermarktungschancen bietet. Diese resultieren aus der Exklusivität der aus- getragenen Meisterschaft, die den Zuschauern einen Zusatznutzen stiftet, da die Zuschauer nicht die Meister mehrerer parallel laufenden Ligen ermittelt haben wol- len, sondern den einen nationalen Meister.11 Die Gründung einer Konkurrenzliga ist deshalb für die Klubs keine vorteilhafte Exit-Option, weil sie zum Wertverlust aller ausgetragenen Meisterschaften führen würde. Aus dem skizzierten Wertschöp- fungskreislauf ergibt sich eine weitere wichtige Besonderheit von Meisterschafts- wettbewerben in den Teamsportwettbewerben. Während sich die Klubs einer Liga
in einer sportlichen und wirtschaftlichen Konkurrenzsituation befinden, unterliegen sie gleichzeitig dem Zwang zur Kooperation. Denn der Meisterschaftswettbewerb stellt ein Teamprodukt dar, das ohne Kooperation der Klubs nicht zustande kom- men würde. Das Absatzprodukt Meisterschaft wird dabei für den Zuschauer umso attraktiver, je spannender sich sowohl einzelne Spiele als auch der gesamte Meis- terschaftswettbewerb gestalten. Da der Spannungsgrad nur von allen Klubs ge- meinsam aufgebaut werden kann und alle von den Vermarktungserträgen einer Liga profitieren, ist er als Kollektivgut zu interpretieren, der insbesondere wirtschaft- liche Kooperationsmaßnahmen erforderlich macht.12 Durch das gemeinsame Inte- resse an einer attraktiven und spannenden Liga sind die Klubs entscheidend auf ihre Wettbewerber angewiesen. Diese Simultanität von Konkurrenz auf der einen und notwendiger Kooperation auf der anderen Seite kennzeichnet ein Kollektivgut- problem von Sportligen und wird als Kooperenz13 oder assoziative Konkurrenz14 bezeichnet.
Der Begriff Hyperaktivität ist auf die Arbeit von Alchian und Demsetz zurückzufüh- ren und beschreibt den ineffizient hohen Ressourceneinsatz durch die Klubs inner- halb eines Meisterschaftswettbewerbs.15 Akerlof gebrauchte hierzu die Metapher des Rattenrennens, um genau solche ökonomischen Prozesse zu erläutern. Hier- bei rennen mehrere Ratten um ein Stück Käse, wobei nur der Sieger den Käse erhält, während alle nachfolgend platzierten Ratten leer ausgehen. Für die einzelne Ratte ist es daher sinnvoll, so schnell wie möglich zu laufen und sich so stark wie möglich anzustrengen. Die Siegerratte verbraucht dabei unter Umständen sogar mehr Ressourcen als sie durch den gewonnenen Käse wieder zugeführt bekommt. Aus ökonomischer Sicht steigern die Ratten ihren Inputeinsatz mit steigender Renngeschwindigkeit, während der Preis (Stück Käse) überhaupt nicht wächst und vergeuden damit Ressourcen: „In the rat race the chances of getting the cheese
Die ökonomischen Grundlagen des Teamsportwettbewerbs 11
increase with the speed of the rat, although no additional cheese is produced.“16 Bemerkenswert bei diesem Phänomen ist die Tatsache, dass bei Summierung aller beteiligten Akteure eine deutliche kollektive Inputverschwendung stattfindet, obwohl der Inputeinsatz in den individuellen Optimierungskalkülen (rational) abgewogen wird. Das Rattenrennen beschreibt damit den Konflikt zwischen der Maximierung des insgesamt verteilbaren Wohlstandes und den individuellen Optimierungskalkü- len der Rennteilnehmer.17
Übertragen auf eine Liga ist dieses Phänomen auf den charakteristischen Rang- gutcharakter und der damit verbundenen Erlösstruktur einer Liga z urückzuführen. Da die Anzahl der Ränge innerhalb einer Liga unteilbar sind, herrscht Ranginterde- pendenz zwischen den Klubs. Das bedeutet, dass kein Klub seinen Rang verbes- sern kann ohne den Rang mindestens einer seiner Konkurrenten zu verschlech- tern. Dadurch ist jede Rangverbesserung eines Klubs mit einem negativen exter- nen Effekt für seine Konkurrenten verbunden, so dass man beim sportlichen Rangwettbewerb von einem Nullsummenspiel sprechen kann. Da sich die Wert- grenzprodukte der einzelnen Ligateilnehmer nicht ermitteln lassen, werden für die Verteilung der Wertschöpfung einer Liga (der Käse), d.h. die Ligaeinnahmen, sport- liche Kriterien herangezogen. Infolgedessen ergeben sich platzierungsabhängige Entlohnungsstrukturen, bei dem der wirtschaftliche Erfolg eines Klubs maßgeblich durch den sportlichen Erfolg bestimmt wird. Beispielsweise werden in England, Italien, Frankreich und Deutschland die Ligaeinnahmen aus dem Verkauf der Über- tragungsrechte positions- also erfolgsabhängig an die Vereine verteilt. Für den ein- zelnen Klub ist dadurch nicht die gesamte Wertschöpfung der Liga entscheidend, sondern lediglich der Anteil der dabei auf sie entfällt.18 Überholt nun ein Klub einen Konkurrenten, sichert dieser sich zwar einen größeren Einnahmeanteil, die Ein- nahmeeinbußen des Konkurrenten werden in dessen privaten Optimierungskalkül aber nicht berücksichtigt. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem positi-
Die ökonomischen Grundlagen des Teamsportwettbewer bs 12 onalen externen Effekt.19 Aus der Existenz großer Erlössprünge zwischen den Rängen resultieren Anreize zu Überinvestitionen in Spielstärke, da bereits eine marginale Verbesserung der sportlichen Leistungsfähigkeit zu erheblichen Er- lössteigerungen bei den Klubs führen kann. Für die Klubs ist es daher rational, in Spielstärke zu investieren, um von den Erlössprüngen zu profitieren.20 Nimmt man hypothetisch an, dass die Rangliste einer Liga die relativen Stärken der einzelnen Mannschaften widerspiegeln, so führt jede Spielstärkeninvestition von Team A zu einer relativen Spielstärkenverschlechterung von Team B. Team B wiederrum sieht sich nun aufgrund drohender Einnahmeeinbußen gezwungen, ebenfalls in Spiel- stärke zu investieren, um nicht überholt zu werden. Team A unterliegt also der Illu- sion, durch höhere Investitionen seinen Anteil an den Ligaeinnahmen zu erhöhen. Da diese Illusion aber alle Klubs betrifft, erhöhen alle ihre Investitionen, ohne ihren Anteil an den Ligaeinnahmen tatsächlich zu erhöhen.21 Durch die Interdependenz von sportlichem und wirtschaftlichem Erfolg sind die Klubs gezwungen, über ihre finanziellen Verhältnisse zu investieren, um sportlich erfolgreich sein zu können. Obwohl also die Erlöse (der Käseanteil) identisch bleiben, kommt es zu einem sich aufschaukelnden Investitionswettlauf, bei dem der Sieger die Investitionen der an- deren Teams praktisch entwerten kann. Hyperaktivität birgt also die Gefahr ruinö- ser Investitionswettläufe, in der sich die Klubs immer weiter verschulden müssen, um sportliche Erfolge erreichen zu können. Die Hauptursache für Hyperaktivität in Teamsportwettbewerben sind also insbesondere die rangabhängigen Erlössprünge innerhalb einer Liga. Solche Erlössprünge werden aber nicht nur durch die rangab- hängige Verteilungsstruktur der Ligaeinnahmen hervorgerufen. Das Problem wird verstärkt, indem sich die Klubs lukrative Zusatzeinnahmen durch die Teilnahme an Superwettbewerben wie der Champions League oder der Europa League sichern können. Beispielsweise konnte der FC Bayern München als Finalteilnehmer der letzten Champions League Saison 2011/2012 Zusatzeinnahmen in Höhe von rund 41,7 Mio. Euro generieren. Der Champions League Sieger FC Chelsea sogar rund 60 Mio. Euro. Aber selbst die Mannschaften, die bereits in der Gruppenphase aus- geschieden sind, kassierten zwischen 8,2 Mio. Euro (Dinamo Zagreb) und 26,5 Mio. Euro (Manchester City) an zusätzlichen Einnahmen.22 Diese potenziellen Ein- Die ökonomischen Grundlagen des Teamsportwettbewerbs 13 nahmen wirken wie ein zusätzlicher Hebel für Hyperaktivität, da die Erlössprünge zwischen den Tabellenplätzen, die zur Teilnahme an einem Superwettbewerb be- rechtigen und den restlichen Tabellenplätzen, um ein vielfaches vergrößert werden. Im europäischen Spitzenfußball steigert die Hoffnung auf die Teilnahme an der Champions League die Investitionsbereitschaft der betreffenden Klubs und verleitet diese dazu, sich zu verschulden, um vom zusätzlichen „Käse“ zu profitieren. Franck und Müller sprechen in diesem Zusammenhang in Anlehnung an empirischen Er- kenntnissen über Glücksspieler, wonach sich die Höhe des Jackpots stärker auf das Nachfrageverhalten von Lottospielern auswirkt als die Gewinnwahrscheinlic h- keit, vom Lockruf des Jackpots. Demzufolge führt der Lockruf des Jackpots zu Überholversuchen von sogenannten Möchtegern-Siegern, die den Investitionswett- lauf weiter verschärfen.23
Zur Erklärung solcher Investitionswettläufe ist der positionale externe Effekt jedoch nicht ausreichend. Im Zusammenhang mit Rattenrennen im Fußball handelt es sich keinesfalls um objektiv rationale Akteure im Sinne der neoklassischen Theorie, sondern vielmehr um begrenzt rationale Akteure. Die Akteure sind deshalb nur be- grenzt rational, weil sie nur über unvollständige Informationen verfügen. Diese Un- vollständigkeit ergibt sich unter anderem aus der Unkenntnis über die Produktions- und Vermarktungstechnologie der Konkurrenten, die eine Beeinträchtigung des Kosten-Nutzen-Kalküls und damit des individuellen Optimierungskalküls zur Folge haben.24 Bezogen auf den Fußball ist damit insbesondere die sportliche, aber auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klubs gemeint. Kein Klub weiß genau, wie leistungsstark die konkurrierenden Mannschaften wirklich sind, nicht einmal die Leistungsstärke der eigenen Mannschaft kann exakt vorhergesagt werden. Klar wird dieser Aspekt wenn man bedenkt, dass selbst das Leistungspotenzial eines Spielers vom eigenen Klub nicht genau bestimmt werden kann. Ein rational han- delnder Klub mit unterlegenen Produktionstechnologien würde nie versuchen, ei- nen überlegenen Konkurrenten zu überholen, da dieser den angestrebten Tabel- lenplatz billiger produzieren kann. Den stärkeren Konkurrenten würde es daher Die ökonomischen Grundlagen des Teamsportwettbewerbs 14 leicht fallen, den Überholversuch des schwächeren Klubs zu kontern und seine Position zu sichern. Für den schwächeren Klub wäre der Überholversuch ein sinn- loses Verlustgeschäft, da er keine Einnahmesteigerungen durch eine Positionsver- besserung generieren könnte und damit die Zusatzkosten des Überholversuchs nicht amortisieren könnte. Die mit der begrenzten Rationalität verbundene Verfäl- schung der individuellen Optimierungskalküle hat zur Folge, dass einige Klubs auch solche Konkurrenten zu überholen versuchen, die produktions- und vermark- tungstechnisch überlegen sind. Als Reaktion hierauf sehen sich die überlegenen Klubs ihrerseits auf Grund der Ranginterdependenz gezwungen, Investitionen zu tätigen, um ihren Tabellenplatz zu verteidigen und damit keine Einnahmeeinbußen hinnehmen zu müssen. Hierbei verdrängen sie ihrerseits andere Klubs, die nun ebenfalls auf den Überholversuch reagieren und den Investitionswettlauf weiter in Gang halten. Dieser Dominoeffekt führt zu einer kollektiven Ressourcenver- schwendung, also einem Wohlfahrtsverlust.
Die Besonderheiten der Clubverfassungen wurden lange Zeit als die Hauptursache für das Hyperaktivitätsproblem angesehen. Demnach bietet die Vereinsverfassung eingetragener Vereine eine Anreizstruktur für ineffizientes wirtschaften, da diese keine Gewinnaneignungs- und Liquidationsrechte für Vereinsvorstände beinhal- ten.25 Die Vereinsvorstände und -präsidenten eingetragener Vereine können damit die erzielten Gewinne nicht in persönlichen Nutzen umwandeln, sodass Nicht- monetäre Ziele und eben nicht die Gewinnmaximierung der Vereine im Vorder- grund stehen. Die Vereinsverantwortlichen profitieren aus dem sportlichen Erfolg nur in Form von Sozialprestige durch persönlichen Ruhm und öffentlichem Anse- hen. Da sie gleichzeitig auch nicht persönlich haften, besteht ein systemimmanen- ter Anreiz durch hohe Investitionsausgaben die Spielstärke der Mannschaft zu ma- ximieren, um sportlich erfolgreich zu sein.26 Diese Erklärung kann jedoch nur auf Vereine angewandt werden, die als eingetragene Vereine organisiert sind.
[...]
1 Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (o.J.).
2 Vgl. Dietl, H. (2010), S.6.
3 Vgl. Daumann, F. (2011), S.133f.
4 Vgl. Mankiw, N.G./ Taylor, M.P. (2008), S.438.
5 Vgl. Dietl, H. (2010), S.7.
6 Vgl. Vöpel, H. (2011), S.8.
7 Vgl. DFB (o.J.), S.41.
8 Vgl. Kipker, I.O./ Parensen, A. (1999), S.139f.
9 Vgl. Franck, E. (1999), S.534.
10 Vgl. Kipker, I.O./ Parensen, A. (1999), S.139.
11 Vgl. Zieschang, K./ Woratschek, H./ Beier, K. (2004), S.25.
12 Vgl. Zieschang, K./ Woratschek, H./ Beier, K. (2004), S.10.
13 Vgl. Zieschang, K./ Woratschek, H./ Beier, K. (2004), S.10.
14 Vgl. Vöpel, H. (2011), S.8.
15 Vgl. Alchian, A.A./ Demsetz, H. (1972), S.791.
16 Vgl. Akerlof, G. (1976), S.603.
17 Vgl. Franck, E./ Müller, J.C. (2000), S.3.
18 Vgl. Dietl, H./ Franck, E. (2006), S.334.
19 Vgl. Franck, E./ Müller, J.C. (2000), S.14.
20 Vgl. Daumann, F. (2011), S.145.
21 Vgl. Dietl, H./ Franck, E./ Roy, P. (2003), S.537.
22 Vgl. UEFA (2012b).
23 Vgl. Franck, E./ Müller, J.C. (2000), S.18.
24 Vgl. Franck, E./ Müller, J.C. (2000), S.14f.
25 Vgl. Müller, J.C. (1999), S.130.
26 Vgl. Dietl, H./ Franck, E./ Roy, P. (2003), S.530.
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