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Bachelorarbeit, 2011
52 Seiten, Note: 1,7
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Anhangsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Matthäus-Effekt
2.1 Der Matthäus-Effekt in der Technologie
2.2 Der Matthäus-Effekt in der Wirtschaft
2.3 Der Matthäus-Effekt in der Politik
2.4 Der Matthäus-Effekt in Organisationen
3. Der Relativalterseffekt
3.1 Allgemeine Grundlagen
3.2 Faktoren und Mechanismen des Relativalterseffekts
3.3 Determinanten des Relativalterseffekts
3.4 Auswirkungen des Relativalterseffekts
4. Karriere in Organisationen
4.1 Relative Leistungsturniere
4.2 Probleme von Leistungsturnieren
4.3 Anreizwirkungen von Leistungsturnieren
5. Selektionskriterien im Sport
5.1 Ausbildungskonzept des Deutschen Fußball-Bundes
5.2 Talentselektion des Deutschen Fußball-Bundes
6. Hypothesen für das Auftreten des Relativalterseffekts
6.1 Der Relativalterseffekt im professionellen Fußball in Deutschland
6.2 Unterschiede des Relativalterseffekts in der 1. und 2. Fußball-Bundesliga
6.3 Unterschiede der Feldspieler in Größe und Gewicht
7. Empirischer Teil
7.1 Beschreibung des Datensatzes
7.2 Beschreibung der Methodik
7.3 Auswertung des Datensatzes
7.3.1 Der Relativalterseffekt in der Bundesliga
7.3.2 Unterschiede zwischen den Bundesligen
7.3.3 Körperliche Unterschiede nach Positionen
7.3.3.1 Anforderungsprofile der Mannschaftsteile
7.3.3.2 Größenunterschiede nach Positionen
7.3.3.3 Gewichtsunterschiede nach Positionen
8. Schlussbetrachtung
Anhang
Literaturverzeichnis
Abbildung 1: Der Matthäus-Effekt in der Wirtschaft
Abbildung 2: Mechanismen des Relativalterseffekts
Abbildung 3: Determinanten des Relativalterseffekts
Abbildung 4: Tests der technisch-motorischen Leistungsdiagnostik an DFB- Stützpunkten
Abbildung 5: Der Relativalterseffekt in der Saison 2000/2010 – deutsche Spieler
Abbildung 6: Der Relativalterseffekt in der Saison 2010/2011 – deutsche Spieler
Abbildung 7: Der Relativalterseffekt in der Saison 2010/2011 – 1. und 2. Bundesliga im Vergleich
Abbildung 8: Größenverteilung der Feldspieler nach Positionen
Abbildung 9: Gewichtsverteilung der Feldspieler nach Positionen
Tabelle 1: Die Aufstellungen der U19-Junioren-Pokalfinalisten 2011
Tabelle 2: Der Relativalterseffekt in der Saison 2000/2001 – deutsche Spieler
Tabelle 3: Der Relativalterseffekt in der Saison 2010/2011 – deutsche Spieler
Tabelle 4: Der Relativalterseffekt in der Saison 2010/2011 – 1. und 2. Bundesliga im Vergleich
Tabelle 5: Ergebnis Einstichproben-t-Test – Größe
Tabelle 6: Ergebnis Einstichproben-t-Test – Gewicht
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anhang I: Weitere grafische und statistische Auswertungen
Anhang II: Studien über den Relativalterseffekt im Sport
Die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland hat das „Sommermärchen“ geschaffen und eine ganze Nation zu Fußball-Fans gemacht. Die deutsche Nationalmannschaft, der seit dem letzten Turniersieg bei der Europameisterschaft 1996 in England und aufgrund schwacher Turnierleistungen lange der Ruf der „grauen Maus“ vorausgeeilt war, wurde durch den damaligen Teamchef Jürgen Klinsmann modernisiert und der Fußball – für viele bis dahin uninteressant – attraktiv gemacht. Nationalspieler wie Lukas Podolski, Bastian Schweinsteiger und Michael Ballack wurden Vorbilder für viele Jugendliche.
Vier Jahre später bei der Weltmeisterschaft in Südafrika 2010 waren es neue WM- Helden, denen die Fans zujubelten. WM-Torschützen-König Thomas Müller, Holger Badstuber und Manuel Neuer wurden die neuen Idole und auch im Vorfeld auf das nächste Großereignis – die Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine – stehen wieder neue Spieler bereit, die den weiten Weg durch die Nachwuchsausbildung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) erfolgreich gemeistert haben. Doch nicht erst seit den letzten Jahren träumt fast jeder kleine Junge davon, einmal Fußball-Profi zu werden. Der Traum davon, das eigene Hobby zum Beruf machen zu können, in ausverkauften Fußball-Arenen zu stehen und „den Adler“ auf der Brust zu tragen, sind in den Augen vieler junger Sportler weit mehr wert, als das damit verbundene Gehalt auf dem Konto.
Doch wie haben all diese Spieler es so weit geschafft und wie haben sie sich gegen an- dere Aspiranten durchsetzen können? Was sind die Faktoren, die einen Aufstieg be- günstigen? Und wie gelingt es den verantwortlichen Trainern der Bundesligavereine und des DFB Jahr für Jahr neue Talente für den professionellen Fußball auszubilden?
In der folgenden Arbeit soll die Frage beantwortet werden, was der Matthäus-Effekt ist, welchen Einfluss dieser auf das tägliche Leben hat und vor allem wie dieser sich auf die sportliche Entwicklung von „Talenten“ und die Nachwuchsförderung auswirkt. Darauf aufbauend wird dargestellt, welchen Anreiz die Aussicht auf Karriere im Profi-Sport, aber auch im sonstigen Berufsleben schafft und welche Faktoren bei der sportlichen und beruflichen Entwicklung eine Rolle spielen.
Die vorliegende Arbeit ist in sechs Kapitel untergliedert und wird mit einer Schlussbe- trachtung abgeschlossen. Im ersten Abschnitt wird der Matthäus-Effekt zunächst allge- mein beschrieben, ehe seine Bedeutung für verschiedene Lebensbereiche vorgestellt wird. Anschließend wird gezeigt, welchen Einfluss dieser Effekt auf den Sport im All-
gemeinen und speziell auf die Talentförderung im Nachwuchsbereich hat. Eine ausführ- liche Diskussion über den Relativalterseffekt im Sport soll ein Grundverständnis für die explizite Fragestellung dieser Arbeit schaffen. Im vierten Kapitel wird dann der Bogen vom Sport zur Personalwirtschaft geschlagen. Karriere- und Anreizmechanismen wer- den ebenso erläutert, wie Beförderungs- und Aufstiegsmöglichkeiten in Organisationen. Daran anknüpfend werden im fünften Abschnitt zunächst Selektionskriterien im Sport vorgestellt, um daraufhin detailliert auf das Ausbildungskonzept und die Talentselektion des DFB eingehen zu können.
Im theoretischen Teil der Arbeit werden anschließend Hypothesen über den Relatival- terseffekt aufgestellt, die im empirischen Teil überprüft werden. Zum tieferen Ver- ständnis über die Vorgehensweise des Verfassers werden sowohl die erhobenen Daten, als auch die Methoden der Auswertung beschrieben. Zusammenfassend wird dann dar- gelegt, ob und in welcher Form der Matthäus-Effekt im deutschen Profi-Fußball auftritt und welche weiteren Ergebnisse sich durch die Auswertungen ergeben haben.
In Anlehnung an einen Satz aus dem Gleichnis von den anvertrauten Zentnern aus dem Evangelium nach Matthäus, nach dem der in der folgenden Arbeit behandelte Effekt benannt ist, heißt es:
„Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, von dem wird auch das genommen, was er hat.“ (Matthäus 13:12/ Matthäus 25:29)
Als Matthäus-Effekt (engl.: Matthew-Effect) wird ein Phänomen bezeichnet, das der amerikanische Soziologe Robert King Merton im Jahre 1968 erstmals beobachtet und analysiert hat. Durch die Auswertung von Tagebüchern, Briefen, Aufzeichnungen, wis- senschaftlichen Schriften und Biographien anderer Wissenschaftler stellte Merton in einer empirischen Studie fest, dass beim Zitieren von wissenschaftlichen Arbeiten eine positive Rückkopplung auftritt. Einerseits bedeutet dies, je häufiger ein Autor zitiert wird, desto mehr steigt sein Ansehen, im Umkehrschluss wird ein Autor mit zunehmen- dem Bekanntheitsgrad häufiger zitiert. Durch eine Spiralwirkung steigt demnach analog zur Bekanntheit auch die Anzahl der Zitationen eines Autors (vgl. „Denn wer da hat, dem wird gegeben [...]“).
Auf der anderen Seite haben nach Siebert (2009) Wissenschaftler, die selten zitiert wur- den, nur eine sehr geringe Chance, jemals in den Fokus anderer Autoren zu gelangen. Dieser gegenteilige Effekt, wird von Rossiter (1993) als Matilda-Effekt bezeichnet, be- nannt nach der amerikanischen Frauenrechtlerin Matilda J. Gage. Rossiter wies in einer Studie nach, dass Frauen in der Wissenschaft sowohl in der Vergangenheit, als auch in der Gegenwart häufig ignoriert oder sogar systematisch geleugnet wurden.
Im Verlauf dieses Kapitels werden nun neben der wissenschaftlichen Zitationsanalyse (Garfield, 1983, S. 148ff.), weitere Gebiete des täglichen Lebens vorgestellt, in denen der Matthäus-Effekt in den verschiedensten Formen auftritt. Zunächst wird gezeigt, welchen Einfluss der Effekt auf technische Entwicklungen, das finanzielle Wohlergehen von Individuen, aber auch ganzer Volkswirtschaften hat. Daran anschließend, wird die Verbindung des Matthäus-Effekts mit den Bereichen Politik, Gesellschaft und Organi- sationen hergestellt (Rigney, 2010), ehe im folgenden dritten Kapitel der Fokus der Ar- beit ausführlich auf das Auftreten des Matthäus-Effekts im Sport gerichtet wird.
Gerade in der heutigen schnelllebigen Welt, in der neue Technologien immer wichtiger werden, lässt sich der Matthäus-Effekt sehr deutlich beobachten. Doch bereits in der frühen Menschheitsgeschichte, lässt sich dieser Effekt in allen Zeitaltern der menschli- chen Entwicklung auf Grundlage historischer Funde nachvollziehen. So gab es z.B. während der Bronzezeit, aber auch im Mittelalter Perioden stürmischer Entwicklungen (Rigney, 2010, S. 31). Neue Technologien sind häufig Weiterentwicklungen bereits be- stehender, sodass nach Diamond (1997, S. 258) „Technologien neue Technologien her- vorbringen.“ Bereits Lenski und Lenski (1970, S. 82f.) stellten fest, dass sich neue Er- findungen oftmals aus Kombinationen anderer existierender Erfindungen ergeben. Durch die immer größer werdende Anzahl bereits bestehender Entwicklungen, steigt folglich auch die Möglichkeit für das Entwickeln neuer Ideen, Prozesse und Technolo- gien.
Besonders sichtbar wird dieser Effekt bei den ständigen Neuerungen und Entwicklun- gen in der Informationstechnologie. Waren mobiles Telefonieren und der Zugang zum Internet vor zwanzig Jahren nur den Wenigsten vorbehalten, so hat heute ein großer Teil der Weltbevölkerung Zugang zu diesen Technologien. Allerdings gilt im Hinblick auf Schwellen- und Entwicklungsländer auch hierbei der gegenteilige Effekt. Nach Leves-
que (2000) haben diejenigen, die bereits mit der neusten Technik ausgestattet sind, de- nen gegenüber einen Vorteil, die von den bisherigen Entwicklungen (noch) nicht profi- tiert haben. Jedoch lassen sich Tendenzen erkennen, dass sich diese Unterschiede in den kommenden Jahrzehnten – auch aufgrund wiederum neuer Technologien – verringern werden (Samuelson, 2002).
Ein gängiges Sprichwort bei amerikanischen Betriebswirtschaftlern lautet: „It takes money to make money.“ Dabei sprechen die wenigsten Ökonomen bei der Betrachtung von unterschiedlichen Verteilungen von Wohlstand verschiedener Volkswirtschaften und Reichtum einzelner Privatpersonen von einem Matthäus-Effekt. Zunächst muss man in der Wirtschaft jedoch zwei verschiedene Arten des Effekts unterscheiden. In der Literatur ist von absoluten und relativen Matthäus-Effekten die Rede (Rigney, 2010, S. 10). Ein absoluter Matthäus-Effekt liegt dann vor, wenn die Reichen wohlhabender werden, während die Armen zeitgleich ärmer werden. Neben einem absoluten Matthä- us-Effekt tritt häufig auch ein relativer Effekt auf. Dieser drückt sich dadurch aus, dass zwar sowohl Reiche, als auch Arme einen Zuwachs an Wohlstand haben, dieser bei den Wohlhabenden aber einen relativ größeren monetären Wert generiert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Der Matthäus-Effekt in der Wirtschaft (Quelle: Eigene Darstellung nach Rigney, 2010, S. 11)
Abbildung 1 veranschaulicht sowohl den absoluten, als auch den relativen Matthäus- Effekt. So zeigt Linie A einen Investor, der 1000 € anlegt, die über einen Zeitraum von zehn Jahren zu einem Zinssatz von 10% p.a. verzinst werden. Der Investor, der durch Linie B dargestellt wird, hat zwar die gleichen Bedingungen, jedoch nur 100€ Startkapi- tal. Betrachtet man den Zusammenhang zwischen den beiden Graphen A und B, so lässt sich ein relativer Matthäus-Effekt nachvollziehen. Während der erste Investor einen Wertzuwachs von 1594 € verzeichnen konnte, sind es im Falle von Investor B im glei- chen Zeitraum nur 159 €. Beide Anleger haben die gleichen Konditionen, doch der an- fängliche Unterschied von 900€ ist innerhalb von zehn Jahren auf 2335 € angestiegen. Linie C zeigt schließlich einen Schuldner, der durch einen Kredit Verbindlichkeiten in Höhe von 1000 € hat. Vergleicht man den Graphen A (oder B) mit C wird ein absoluter Matthäus-Effekt deutlich. Der zu Beginn über mehr Grundkapital verfügende Investor A gewinnt, wohingegen der Verschuldete weitere Schulden aufbaut.
In diesem Beispiel zeigen sich die typischen Ausprägungen des Matthäus-Effekts in der Wirtschaft, wobei die positiven Rückkopplungen verdeutlicht wurden, die durch einen anfänglichen Vorteil in der monetären Ausstattung entstehen können.
Da Politik und Wirtschaft eng miteinander verflochten sind, lassen sich beide Gebiete auch nur schwer getrennt voneinander betrachten. Häufig wird beobachtet, dass sich ein ökonomischer Vorteil in einen politischen verwandelt und auch ein umgekehrter Effekt ist durchaus denkbar. Vermögende Politiker können es sich z.B. erlauben, aufwendige Medienkampagnen und Werbegeschenke (z.B. Kugelschreiber, Buttons oder Kinokar- ten) zu finanzieren, um in der Gunst der Wähler zu steigen. Ein Beispiel um diese Aus- prägung des Matthäus-Effekts zu verdeutlichen, ist der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Durch ein Medienunternehmen zu Wohlstand gekommen und mitt- lerweile durch zahlreiche Affären in den Fokus der Öffentlichkeit geraten, hält sich Ber- lusconi trotz einer umstrittenen Politik und Wahlniederlagen auf kommunaler Ebene in jüngster Zeit, seit bereits drei Jahren an der Macht.
Politikwissenschaftler berufen sich, ähnlich wie die meisten Ökonomen, selten auf ei- nen Matthäus-Effekt, wenn sie Geschehnisse und Mechanismen in der Politik analysie- ren, dennoch existieren einige denkbare Szenarien, in denen sich ein Matthäus-Effekt nachweisen lässt (Rigney, 2010, S. 53).
In der Politik zeigt sich z.B. häufig ein gewisser Amtsbonus. Amtsinhaber versuchen oft Vorteile aus ihrem politischen Amt zu ziehen, um weiter an der Macht zu bleiben, um sich so weitere Vorteile sichern zu können. Kraft ihres Amtes besitzen gewählte Regie- rungsmitglieder, stärker als Oppositionelle, die Möglichkeit ihren eigenen Bekannt- heitsgrad zu steigern. Durch ein gesteigertes Ansehen, steigt die Bereitschaft von Drit- ten zu Spenden, durch die wiederum Wahlkampagnen finanziert werden können.
Eine weitere Ausprägung des Matthäus-Effekts in der Politik ist der von Simon (1954) geprägte Mitläufer-Effekt. Dabei bekommen Politiker, die in Umfragen hoch einge- schätzt werden, häufig die Stimmen derer, die bis zum Zeitpunkt der Umfrage noch un- schlüssig waren. Dieses Verhalten ist dadurch zu erklären, dass die Unentschlossenen nach der Wahl auf der Gewinnerseite stehen wollen. Dieser Effekt beschleunigt sich wiederum selbst, sodass sich ein zu Beginn zunächst geringer zu einem nachhaltigen Vorteil entwickeln kann, was letztlich einen Wahlsieg zur Folge haben kann.
Denkbar sind Matthäus-Effekte auch im Zusammenhang mit Lobbyismus und Korrup- tion. Durch Bestechungen, das Kaufen von Wählerstimmen und das Veruntreuen von Spendengeldern, bereichern sich nicht nur einzelne Politiker. Nach Rigney (2010, S. 56) spekulieren auch diejenigen, welche die Mächtigen unterstützen darauf, durch ihre Lob- byarbeit und Zahlungen zu profitieren. Die zwielichtigen und auch zum Teil kriminellen Praktiken wirken sich, wie schon die Beispiele zuvor, positiv für die Privilegierten aus, für die anderen ist der Weg zur Macht jedoch noch steiniger.
Doch dieser Effekt tritt nicht nur in der Makro-, sondern auch in der Mikroebene auf. Dabei geht es nicht nur, wie in den vorangegangenen Abschnitten um die ungleiche Verteilung von Wohlstand, sondern viel mehr um die Verteilung von Macht und Ver- antwortung innerhalb einer Organisation. Gerade in Organisationen, in denen zahlreiche Beziehungen zwischen einzelnen Mitarbeitern einer Hierarchieebene, ganzen Teams, aber auch zwischen verschiedenen Hierarchieebenen vorhanden sind, lassen sich ver- schiedene soziologische Probleme und Effekte beobachten.
Nach Kanter (1977) sind es gerade die Führungspersönlichkeiten in Organisationen, die aufgrund ihrer Bewegungsfreiheiten und Beziehungen – sowohl innerhalb der Organisa- tion, aber auch durch Zusammenarbeit mit anderen Organisationen – mehr Verantwor-
tung übertragen bekommen und ihren Machteinfluss auf diese Weise erweitern können. Der Einfluss innerhalb einer Organisation, so Kanter (1977, S. 196f.), steigt und fällt zwar stets, doch immer auf dem jeweiligen individuellen Level. Folgt man den bisheri- gen Überlegungen und Wirkungsweisen des Matthäus-Effekts, so ist es nicht weiter verwunderlich, dass man auch in der Personalwirtschaft zu dem Schluss gelangt, dass ein Organisationsmitglied, das mit mehr Macht ausgestattet ist, leichter zusätzliche Macht und Verantwortung erlangen kann, als wenn zu Beginn keinerlei Machtfülle vor- handen ist.
In einer weiteren Studie über Matthäus-Effekte in Organisationen haben Gabris und Mitchell (1988) nachgewiesen, dass durch Pläne über leistungsbezogene Bezahlung ba- sierend auf Evaluationen der Leistung, unbeabsichtigt Matthäus-Effekte im Bezug auf die Arbeitseinstellung entstehen können. Die Angestellten, die eine gute Evaluierung ihrer Arbeit bekommen, sind daraufhin motivierter und leisten dementsprechend mehr, wohingegen die leistungsschwächeren Arbeitnehmer in ihrer Leistung noch mehr nach- lassen (Rigney, 2010, S. 64). Der gewünschte Anreiz-Mechanismus, eine Leistungsstei- gerung aller Angestellten, konnte durch diesen Ansatz demnach nicht seine gewünschte Wirkung entfalten, da der Matthäus-Effekt die Absichten der Organisation überlagert hat.
Im Hinblick auf die Frage, ob Matthäus-Effekte auch im Sport und im Besonderen im deutschen Profi-Fußball auftreten, ist das Kriterium der Motivation von großer Bedeu- tung, was im folgenden Kapitel, welches sich explizit mit dem Matthäus-Effekt im Sport auseinander setzt, noch genauer betrachtet wird.
Neben den bisher betrachteten Bereichen, tritt der Matthäus-Effekt auch im Sport auf. Dabei wird von einem sog. „Geburtsmonatseffekt“, „Relative Age Effect“ oder „Relati- valterseffekt“ (Bäumler, 1998) gesprochen. Da der Fokus dieser Arbeit auf der Beant- wortung der Frage liegt, ob der Matthäus-Effekt auch im deutschen Profi-Fußball auf- tritt, wird der Relativalterseffekt besonders ausführlich erläutert, seine Wirkungsweisen eingehend analysiert und die daraus resultierenden Folgen für die Nachwuchsförderung erklärt.
Als Einführung soll ein Blick auf das diesjährige DFB-Pokalfinale der U19-Junioren dienen, in welchem sich die Mannschaft des SC Freiburg und von Hansa Rostock in Berlin gegenüberstanden. Freiburg war über weite Strecken der Partie die bessere Mannschaft und lag bis zur 90. Minute mit 2:1 in Führung, ehe den Rostockern in der Nachspielzeit der Ausgleichstreffer gelang. Das direkt im Anschluss an die offizielle Spielzeit durchgeführte Elfmeterschießen konnte der SC Freiburg mit 7:5 für sich ent- scheiden und sicherte sich somit den Junioren-Pokal zum dritten Mal innerhalb der letz- ten fünf Jahre. Für beide Teams liefen in diesem Spiel insgesamt 27 Spieler auf, die in Tabelle 1 aufgelistet sind.
Tabelle 1: Die Aufstellungen der U19-Junioren-Pokalfinalisten 2011
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung
Betrachtet man die Aufstellungen der Mannschaften, so ist zunächst die Größe der Spie- ler auffällig. Die Mehrzahl der eingesetzten Akteure weist eine Körpergröße über 180cm auf, bei Rostock sind sogar nur drei Spieler unter 180cm groß. Noch auffälliger jedoch ist, dass nur zwei der 27 Spieler in der zweiten Jahreshälfte (September: 2) gebo- ren sind, dabei sind sogar fast die Hälfte aller Spieler (13 von 27) in den ersten drei Monaten ihres Geburtsjahres (Januar: 5, Februar: 3, März: 5) zur Welt gekommen.
Diese ungewöhnlichen Beobachtungen könnten auf den ersten Blick Zufall sein, die folgenden Ausführungen und Erklärungen werden jedoch aufzeigen, dass diese Feststel- lungen zum einen auf die Auswahlkriterien der Nachwuchsförderung, viel stärker je- doch auf den damit verbundenen Relativalterseffekt zurückzuführen sind.
Nach Lames, Auguste, Dreckmann, Görsdorf und Schimanski (2008a) ist ein Relatival- terseffekt dann vorhanden, wenn die Geburtsdaten einer Stichprobe nicht proportional zu den Geburtsdaten des entsprechenden Ausschnitts der Gesamtpopulation verteilt sind. Liegt ein Relativalterseffekt vor, so kommt es zu Beginn eines Selektionszeitrau- mes zu Häufungen. Relativ Ältere sind demnach häufiger in einer Stichprobe vertreten als relativ Jüngere. Das relative Alter hat somit einen direkten Einfluss auf die Zusam- mensetzung der Stichprobe.
Im Nachwuchsbereich werden Sportler aus Gründen der Chancengleichheit in verschie- dene Altersklassen eingeteilt. Nach Helsen, van Winckel und Williams (2005) ist die Absicht einer solchen Einteilung mittels eines Stichtags das Sicherstellen eines fairen Wettkampfes, da die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen altersabhängig ist. Durch die Einteilung in Jahrgänge bzw. Doppeljahrgänge wird von Seiten des Verban- des ein Selektionszeitraum geschaffen. Seit der Saison 1997/1998 hat die Fédération Internationale de Football Association (FIFA) für alle Verbände, die sich der FIFA an- geschlossen haben, einheitlich den 1. Januar eines jeden Jahres zum Stichtag erklärt.
Als Resultat der Einteilung in Altersklassen, kann demnach innerhalb einer Altersklasse ein Altersunterschied von fast einem ganzen Jahr entstehen. Nach Tanner (1978) und Tanner und Whitehouse (1976) kann dieser relative Altersunterschied große anthropo- metrische Unterschiede zur Folge haben. Somit ergeben sich innerhalb eines Selekti- onszeitraumes nicht zu unterschätzende Unterschiede zwischen den Ältesten und Jüngs- ten eines Jahrgangs.
So haben sowohl Malina (1994), als auch Musch und Grondin (2001) neben physischen, auch Unterschiede bei kognitiven Fähigkeiten und der emotionalen Intelligenz von Kin- dern eines Geburtenjahrgangs festgestellt. Diamond (1983) erklärt diese Unterschiede in einer Studie mit Schulkindern, in der sich gezeigt hat, dass der Grad der psychophysi- schen Reife innerhalb einer Altersstufe deutliche Differenzen aufweisen kann. Auch
Roemmich und Rogol (1995) zeigen, dass signifikante Abweichungen in schulischer und sportlicher Leistung durch die Unterschiede in Wachstum und Entwicklung zwi- schen den Früh- und Spätgeborenen eines Selektionszeitraumes entstehen können.
Im Folgenden wird nun gezeigt, wie sich diese zunächst nur geringen Unterschiede durch verstärkende Mechanismen zu einem immensen Vorteil für diejenigen entwickeln (Sharp, 1995), die früher in einem Selektionszeitraum geboren sind und welchen Ein- fluss der Relativalterseffekt auf die Nachwuchsarbeit und die Talentförderung in Deutschland hat. In einem dynamischen Modell, das von Helsen et al. (2005) aufgestellt wurde und von Lames et al. (2008a) als „Teufelskreis“ (engl.: vicious circle) bezeichnet wird, erkennt man, welche Faktoren innerhalb der Leistungsentwicklung als Katalysato- ren wirken (s. Abb. 2).
Durch ihr Geburtsdatum haben die früher im Selektionszeitraum Geborenen zwei Vor- teile. Auf der einen Seite besitzen sie einen Altersvorsprung von bis zu zwölf Monaten, was bei einem Zehnjährigen bis zu zehn Prozent seines Lebensalters ausmachen kann. Dieser Altersvorsprung führt zu einem erweiterten Erfahrungshorizont (A). Neben le- bensweltlichen Erfahrungen sind hier vor allem Erfahrungen in der sportlichen Ausbil- dung zu berücksichtigen, die schon früh Leistungsvorteile mit sich bringen können (Lames et al., 2008a).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Mechanismen des Relativalterseffekts (Quelle: Eigene Darstellung nach Lames et al., 2008a)
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