Bachelorarbeit, 2008
34 Seiten, Note: 2,7
1. Einleitung
2. Darstellung des Begriffs und der Funktion von Sprache
2.1. Was ist Sprache?
2.2. Die Funktion von Sprache
3. Die Grenzen zwischen Mensch und Menschenaffe
3.1. Verwandtschaftsbeziehungen
3.2. Vergleichende Betrachtung von Mensch und Menschenaffe
3.3. Problematik eines Vergleichs zwischen Mensch und Menschenaffe
4. Ausdrucks- und Verständigungsformen der Schimpansen
4.1. Lautäußerungen
4.2. Ausdrucksbewegungen
5. Primatenforschung
5.1. Ammenaufzucht
5.2. Erste Forschungsansätze zum Erwerb der Lautsprache
6. Verständigung durch die American Sign Language
6.1. Woshoe lernt die American Sign Language
6.2. Loulis
7. Weitere Beispiele für Kommunikationsforschung
7.1. Sarah
7.2. Sherman und Austin
7.3. Kanzi
8. Ergebnisse der Kommunikationsforschung
9. Verwendete Literatur
Sprache umgibt uns in allen Teilen der Welt. Sie begegnet uns in den unterschiedlichsten Ausführungen. Dabei unterscheiden sich auf den verschiedenen Kontinenten, in den jeweiligen Ländern und Regionen nicht nur die Sprachen selbst, sondern auch die zu Grunde liegende Grammatik, sowie der Wortschatz, die Lautbildung und die Gebärden. Die Vielfalt der Sprachen als Ausdruck kulturellen Reichtums, vielfältigen Wissens und eigenständiger Traditionen bleibt vorerst nur den Menschen zuerkannt. Daher stellt sich die Frage, ob Sprache tatsächlich ein den Menschen vorbehaltenes Vermögen ist, oder ob auch andere Lebewesen diese Fähigkeit mit uns teilen. Es ist bekannt, dass auch Tiere über Laute verfügen und in der Lage sind, sich untereinander mitzuteilen.
In der vorliegenden Arbeit werde ich die Kommunikation der Schimpansen thematisieren und mich mit der Fragestellung beschäftigen, ob Schimpansen dazu fähig sind, sich der menschlichen Sprache zu bemächtigen. Was unterscheidet die lautlichen Äußerungen und Gebärden der Schimpansen von der Sprache der Menschen? Inwiefern kann man die Sprachen beider Spezies miteinander vergleichen? Und Inwieweit ist es den Menschen möglich, mit Schimpansen zu kommunizieren?
Mit diesen Fragen haben sich insbesondere seit den sechziger Jahren zahlreiche Forscher und Forscherinnen beschäftigt. Im Verlauf meiner Arbeit werde ich verschiedene Forschungsprojekte vorstellen und die Ergebnisse in die Beantwortung der zuvor gestellten Fragen einfließen lassen.
Der Schimpanse ist der nächste Verwandte des Menschen. Bestehen vielleicht grundlegende Gemeinsamkeiten, die möglicherweise die Bezeichnung Sprache der Tiere rechtfertigen können? Zur Beantwortung dieser Frage soll die Abhandlung folgender Punkte führen. Wie kann menschliche Sprache definiert werden? Welche Funktionen erfüllt sie? Wo liegen grundsätzlich die Grenzen zwischen Mensch und Tier? Welche Ausdrucks- und Verständigungsformen sind bei den Primaten vorherrschend und welche Ergebnisse liefern die Forschungsprojekte mit Schimpansen?
Um untersuchen zu können, ob und welche Unterschiede, beziehungsweise Gemeinsamkeiten zwischen menschlicher und tierischer Sprache bestehen, muss an dieser Stelle der Versuch unternommen werden, Sprache zu definieren. Die Tatsache, dass Sprache alltäglich ist und als selbstverständlich gilt, bedeutet nicht, dass diese Umstände gleichzeitig eine eindeutige Definition mit sich bringen und die Frage nach der Funktion von Sprache automatisch geklärt ist. Es gibt eine Vielzahl an Definitionen, die von dem Standpunkt des jeweiligen Betrachters abhängen.
Es gibt viele Auffassungen von Sprache. Ferdinand de Saussure hat die Sprache als ein System von Zeichen definiert, wonach ein sprachliches Zeichen die Verbindung der Vorstellung mit einem Lautbild ist. Sprache ist ein sozial bedingtes Gefüge, das heißt, dass die einzelnen Zeichen durch Vereinbarungen entstanden sind. Zeichen sind also ursprünglich willkürlich und als Leistung einer Sprachgemeinschaft zu verstehen (vgl. Hoffmann 1996, 40ff.).
Für den Noam Chomsky ist Sprache ein biologisches Organ. Demnach ist den Menschen ein begrenztes Instrumentarium von grammatischen Regeln angeboren. Diese genetisch bedingten Strukturen können während der Sprachentwicklung erst durch Übung heranreifen. Chomsky leitete mit dieser Auffassung einen Paradigmenwechsel in der Linguistik ein. Seine Annahmen basieren jedoch auf Hypothesen, die bisher noch nicht wissenschaftlich belegt werden konnten (vgl. Hoffmann 1996, 83ff.).
Karl Bühler versteht Sprache als ein Zeichensystem und knüpft mit dieser Auffassung an de Saussure an. Karl Bühlers Organon-Modell ist nicht nur ein Zeichenmodell, sondern auch ein Kommunikationsmodell. Neben der Veranschaulichung der Zeichen, wird ebenfalls die Sprache hinsichtlich ihrer kommunikativen Funktion darstellt.
Diese kleine Auswahl verschiedener Auslegungen von Sprache machen deutlich, dass es keine allgemeingültige Definition geben kann. Bei meinem Versuch der Definition von Sprache sollen nicht die lautlichen oder grammatikalischen Merkmale im Vordergrund stehen, vielmehr soll das gemeinschaftliche Wesen der Sprache von Bedeutung sein. Walter Benjamin schreibt: „Jede Mitteilung geistiger Inhalte ist Sprache“ (1989, 140).
Für die Bearbeitung meines Themas möchte ich auf diese übertragene Bedeutung von Sprache zurückgreifen, welche auch das Ausdrucksvermögen mittels anderer Signal- und Zeichensysteme meint. Somit kann jedes Kommunikationssystem, welches der Verständigung nützt, als Sprache bezeichnet werden. Sprache ist demzufolge ein Mittel der Kommunikation. Ohne irgendeine Form von Sprache, wären die Menschen nicht fähig, sich einander mitzuteilen. Es existieren gewiss nicht nur Lautsprachen, sondern auch nonverbale Formen, wie die Gebärdensprache.
Die Funktion von Sprache, beziehungsweise die Funktion von Kommunikation, werde ich im nächsten Abschnitt behandeln.
Sprache ist ein Mittel zur Kommunikation. Sie ermöglicht den Menschen, Raum und Zeit zu überwinden: vergangene, aktuelle sowie zukünftige Erfahrungen, Erlebnisse, Gefühle, Gedanken und Pläne können verbal hervorgerufen und mitgeteilt werden.
Sprache kann dazu dienen untereinander Informationen auszutauschen. Es werden jedoch nicht nur notwendige Informationen mitgeteilt. Ebenso spricht man über Belanglose Themen, um beispielsweise Beziehungen zu pflegen.
Die Frage ist, ob all das nicht nur mittels Lautsprache möglich ist, sondern auch in anderen Kommunikationssystemen, wie der Gebärdensprache. Nach Ansicht von Sprachwissenschaftlern, die sich mit solchen Interaktionen befassen, werden bei einem Gespräch von Angesicht zu Angesicht fünfundsiebzig Prozent der Bedeutung mittels Körpersprache und Tonfall mitgeteilt – also nicht durch die Syntax (vgl. Birdwhistell 1970, 13).
Sprache ist also eine direkte Interaktion zwischen Menschen, bei der nicht nur Worte, sondern auch Betonung und Körpersprache eine Rolle spielen. Die vielfältige visuelle Grammatik der American Sign Language ähnelt sehr der Art und Weise, wie wir tatsächlich miteinander sprechen. Sie ist, wie die gesprochene Sprache, auf verschiedenen Ebenen linguistisch strukturiert.
Der Gebärdensprache liegen lediglich andere Ausdrucksmittel zu Grunde. Das Benutzen der Hände und Arme zählt zu den manuellen Ausdrucksmitteln. Zudem kommen nichtmanuelle Ausdrucksmittel hinzu, womit Kopf, Oberkörper, Gesichtsausdruck, Mundbild und Blick gemeint sind. Dadurch ist auch die Gebärdenkommunikation der Gehörlosen eine komplex strukturierte Sprache mit einer vielfältigen Grammatik.
So kann man in der Lautsprache durch Mimik und Tonfall, sowie in der Gebärdensprache durch die Höhe und Geschwindigkeit seiner Gebärde verschiedene Nuancen in einen Satz legen. Es gibt mehrere nationale Varianten von Gebärdensprache und regionale Dialekte innerhalb einer nationalen Variante (Boyes Braem 1990, 17ff.).
Roger Fouts weist darauf hin, dass Linguisten viele Jahre lang unaufgeschlossen gegenüber der gestischen Kommunikation waren und der Versuch unternommen wurde, die American Sign Language auszurotten, weil sie die Gebärdensprache als unwürdig empfanden. Durch Forschungsarbeiten des Linguisten William Stokoe, der die Kontinuität in den Gebärden von Menschen und Menschenaffen erkannte, wurde die American Sign Language Ende der sechziger Jahre endlich als Sprache anerkannt (vgl. 2000, 123).
Die Frage nach einer Sprache der Tiere zieht somit einen notwendigen Vergleich zwischen Mensch und Tier mit sich, der im Folgenden behandelt wird.
Bereits Aristoteles unterteilte die vernunftbegabten Menschen, die empfindsamen Tiere und die zwar lebenden, aber nicht empfindenden Pflanzen (vgl. Illies 1971, 34) und stellte so eine eindeutige Abstufung dar. Der Mensch steht demnach an der Spitze und ist Allem übergeordnet. Worin aber liegen tatsächlich die Unterschiede zwischen Mensch und Menschenaffe, die uns eine Abgrenzung erlauben, obwohl der Mensch biologisch gesehen auch ein Primat ist? Durch die vielen neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahre über den Menschen ist die Grenze zwischen Mensch und Menschenaffe unscharf geworden. Dennoch existiert diese Grenze aufgrund einiger Unterschiede. Auch die Sprache ist ein Faktor, der die Verschiedenheit von Mensch und Menschenaffe betont. Die Frage ist, ob sie nicht doch eine uns verbindende Gemeinsamkeit ist?
Der Mensch ist ein höheres Säugetier aus der Ordnung der Primaten. Der Mensch und die großen Menschenaffen Afrikas und Südostasiens nehmen zusammen den Platz in der Familie der Menschenaffen ein. Darin werden die heute lebenden Gattungen der Orang-Utans, Gorillas, Schimpansen und Menschen zusammengefasst. Bis in die späten 1980er Jahre nahm der Mensch noch eine gesonderte Stellung ein. Durch genetische Vergleiche sind die Menschenaffen in die Familie der Menschenartigen oder Hominoiden aufgenommen worden; denn die Ergebnisse der genetischen Vergleiche sagten aus, dass Schimpansen und Gorillas näher mit dem Menschen verwandt sind als mit den Orang-Utans.[1]
In der Biochemie und Molekularbiologie werden stetig neue Entdeckungen bezüglich der Verwandtschaftsbeziehung zwischen Mensch und Menschenaffe gemacht. Der DNA-Vergleich von Mensch und Schimpanse lässt vermuten, dass der letzte gemeinsame Vorfahre dieser beiden Taxa vor ca. 6,6 Millionen Jahren gelebt hat. Schimpansen und Bonobos, so genannte Zwergschimpansen, sind nah verwandte Zwillingsarten, deren nächster Verwandter der Mensch ist. Diese Erkenntnis basiert maßgebend auf dem Vergleich der Gesamt-DNA von Mensch und Schimpanse, der einen genetischen Unterschied von 1,6 Prozent aufzeigt. Aufgrund der geringen genetischen Unterschiede wurde mehrfach gefordert, Mensch, Schimpanse und Bonobo in eine gemeinsame Gattung zu stellen (vgl. Storch, Welsch, Wink 2007, 419f.). Trotz der engen genetischen Verwandtschaft, bestehen bedeutende Unterschiede zwischen Mensch und Schimpanse.
Der Mensch ist vor allem durch seinen Bewegungsapparat und im Zusammenhang damit durch den aufrechten Gang, sowie durch die außerordentlichen Leistungen seines Großhirns und seine komplizierte Lautsprache gekennzeichnet.
Aber auch diese Merkmale sind in der Anatomie der Schimpansen verankert. Das Skelett des Menschen ist die aufrechte Version eines Schimpansenskeletts, das menschliche Gehirn eine erweiterte Version des Schimpansengehirns. Der Sprechapparat des Menschen befähigt zum Gebrauch einer vielseitigen Lautsprache und ist dennoch nur eine Abwandlung des Stimmtrakts der Schimpansen.
Durch neuere Erkenntnisse verlieren die biologischen Grenzen zwischen Mensch und Menschenaffe an Gewicht, da immer mehr Gemeinsamkeiten offensichtlich werden. Um diese Grenze dennoch aufrecht zu erhalten, wird der menschliche Verstand in den Vordergrund geschoben. Dieser wird ausschließlich bei den Menschen betont.
Der Intellekt, der die Menschen zum Nachdenken und zu bewussten Handlungen befähigt und die Sprache, die aus diesen geistigen Fähigkeiten resultiert, fehle den Tieren vollständig, so die vorherrschende Meinung noch vor einigen Jahren. Auf biologischer Ebene wurde die aristotelische Einstufung korrigiert, auf der Ebene des geistigen Lebens hat sie allerdings bis heute teilweise ihre Gültigkeit behalten.
Der mittlerweile überkommenen Theorie, Tiere hätten generell kein Bewusstsein, wird durch neueste sprachwissenschaftliche Studien widersprochen. Als Beleg hierfür sind beispielsweise die Spiegelversuche zu nennen, die erstmals von Wolfgang Köhler durchgeführt und später von Gordon G. Gallup näher erforscht wurden. Die spiegelbildliche Identifikation von Schimpansen wurde mit diesen Experimenten nachgewiesen und lassen somit auf ein Selbstbewusstsein der Schimpanse schließen.[2]
Dominik Perler und Markus Wild weisen auf das Bewusstsein als ein Merkmal hin, das wir bei einem Lebewesen feststellen müssen, um ihm einen Geist zuschreiben zu können (vgl. 2005, 68).
Auch Roger Fouts nahm einen ähnlichen Gedanken Darwins in seinem Werk: „Unsere nächsten Verwandten“ auf.
Nach Ansicht Darwins sind die Charakteristika der menschlichen Sprache ihre abstrakten kognitiven Merkmale, unsere Fähigkeit, Gegenstände zu benennen und symbolisch mit der Welt umzugehen. Auch in dieser Hinsicht wich Darwin nicht von seiner Evolutionstheorie ab, sondern war überzeugt, dass unser abstraktes Denkvermögen in den kognitiven Fähigkeiten unserer affenähnlichen Vorfahren fest verankert sei: Sie bereiteten der Lautsprache den Boden. Und er behauptet ferner, wir würden auch bei den modernen Menschenaffen, den Schimpansen beispielsweise, diese kognitiven Fähigkeiten – abstraktes Denken und Werkzeuggebrauch – antreffen, denn sie hätten ihren Geist von demselben affenähnlichen Vorfahren geerbt wie wir. (2000, 91f.)
Jane Goodall bestätigte mit ihren Beobachtungen wilder Schimpansen, dass Menschenaffen Werkzeuge benutzen und abstrakt denken können. Die Frage, ob Sprache auf abstraktem Denken beruht, ist dadurch zwar nicht beantwortet, jedoch resultiert aus diesen Überlegungen, dass Schimpansen, wie auch Menschen, denken können und diese Gedanken mit Hilfsmitteln, wie der Gebärdensprache zum Ausdruck bringen können.
Ein weiterer Faktor, der mit den geistigen Fähigkeiten eines Individuums zusammenhängt, ist das Zusammenleben in einer Gemeinschaft, welches auch bei der Entstehung der Sprache eine Rolle spielte. Unsere menschlichen Vorfahren schlossen sich bereits in der Urzeit zu Gruppen zusammen, um die daraus resultierenden Vorzüge zu nutzen. In diesem verlässlichen System sind eine höhere Sicherheit, komplexe Gruppenaktivitäten wie die gemeinsame Jagd, Arbeitsteilung und Paarungsbereitschaft gewährleistet.
[...]
[1] http://www.das-tierlexikon.de/menschenaffen-photos.htm [16.07.10]
[2] http://haftendorn.uni-lueneburg.de/u1/gym03/expo/jonatur/wissen/biologie/evolutio/rubikon.htm [01.07.2010]
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