Masterarbeit, 2013
82 Seiten, Note: 1,0
Abbildungsverzeichnis
1 Einführung
2.Definition und Abgrenzung der Begriffe IT-Offshoring und IT-Outsourcing
2.1 Offshoring
2.1.1. Der Offshoring Begriff
2.1.1 Offshoring in Abhängigkeit von Funktionen, Technologie und Unternehmensgröße
2.2 Outsourcing
2.2.1 Der Outsourcing Begriff
2.2.2 Externe Leistungserbringung durch IT-Outsourcing
2.3 Abgrenzung der Begriffe Offshoring und Outsourcing
2.4 Entwicklung des Application Service Providings als Form des Outsourcings
2.5 Motive für das IT-Offshoring
2.6 Entwicklung von IT-Offshoring und Business- Process-Outsourcing
2.6.1 Entwicklung des IT-Offshorings
2.6.2 Entwicklung des Business-Process-Outsourcings
3.Chancen und Risiken des IT-Offshorings und des Business-Process-Outsourcings
3.1 Chancen
3.1.1 Finanzielles Einsparpotenzial
3.1.2 Qualitative Chancen
3.1.3 Strategische Vorteile
3.2 Risiken
3.2.1 Finanzielle Mehrbelastungen
3.2.2 Kommunikationsbarrieren durch räumliche und zeitliche Distanz
3.2.3 Kulturelle Unterschiede
3.2.4 Abhängigkeit vom Dienstleister
3.2.5 Know-how-Verlust
3.2.6 Mitarbeitermotivation - Auswirkungen auf das Betriebsklima
3.2.7 Der Sicherheitsaspekt
3.2.8 Bewertung der Chancen und Risiken
4 Entwicklung der Rahmenbedingungen am indischen IT-Offshoring-Markt
5 Reflektion der Erkenntnisse
Literaturverzeichnis
Abbildung 2.1: Differenzierung von Offshoring und Outsourcing. Eigene Abbildung in Anlehnung an Hutzschenreuter (2007), Amberg/Wiener (2006).
Abbildung 2.2: Bindungsintensität des Unternehmens in Abhängigkeit zur Offshoring Variante - Eigene Darstellung in Anlehnung an Bräutigam (2004) und Amberg/Wiener (2006).
Abbildung 2.3: Differenzierung des Onshoring, Nearshoring und Farshoring als mögliche Varianten des Offshorings von Unternehmensprozessen. Eigene Darstellung in Anlehnung an Nicklisch (2008), S. 5 und Hutzschenreuter (2007), S. 25.
Abbildung 2.4: Motive für das IT-Offshoring bzw. IT-Outsourcing nach einer Umfrage des Beratungshauses Steria Mummert im Jahr 2004 . Eigene Darstellung in Anlehnung an Gadatsc.h (2006), S. 55 und Eichelmann, T. - Strategieberatungshaus Roland Berger (2004) und Strassner/Baumann/Daum (2011), S. 4.
Abbildung 3.1: Outsourcing is a Scale Game. Darstellung in Anlehnung an Booz Allen Hamilton (2003) in Business Process Offshoring: Making the Right Decision (2003).
Abbildung 3.2: Hauptsorgen auslagernder Unternehmen - Eigene Darstellung in Anlehnung an Roland Berger, UNCTAD (2004), Amberg/Wiener (2006), S. 49 und Schaaf (2004), S. 10.
Abbildung 3.3: Total Cost of Offshoring - Eigene Darstellung in Anlehnung an Herrmann (2004) und Amberg/Wiener (2006), S. 58.
Abbildung 3.4: Informationsgehalt von Kommunikationskanälen - Eigene Darstellung in Anlehnung an Nicklisch (2008), S. 137.
Abbildung 3.5: Kulturdimensionen für das Modell nationaler Kulturen - Eigene Darstellung in Anlehnung an Nicklisch (2008), S. 84 f. unter Verwendung der Daten aus einer empirischen Studie von Geert Hofstede.
Abbildung 3.6: Risikobewertung in Offshore-Projekten - Ein Beispiel für die Visualisierung der Risikofaktoren.
In den 80er Jahren legten viele Unternehmen besonderen Wert auf eine breite Ausrichtung ihrer Unternehmenstätigkeit. Technologiekonzerne wie Daimler Benz waren bis Anfang der 90er Jahre so breit aufgestellt, dass sie von der Waschmaschine, über Autos bis hin zu modernen Großraumflugzeugen alles liefern konnten.[1] In der heutigen Wirtschaftswelt müssen sich Unternehmen einer stetig weiterentwickelten Marktsituation stellen. Um langfristig konkurrenzfähig zu bleiben, müssen sich Marktteilnehmer ständig mit steigenden Kundenanforderungen und hoher Markttransparenz auseinandersetzen. Insbesondere durch die fortschreitende Globalisierung haben sich Fähigkeiten wie effizientes und unternehmerisches Handeln zu Grundlagen entwickelt. Durch den ständig steigenden Einsatz von Informationstechnologie erhöht sich der Leistungsdruck auf viele Unternehmen so stark, dass sie sich künftig vor allem auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren müssen.[2] Der rasant zunehmende Kostendruck erweist sich zusätzlich als besonders problematisch, so dass viele Unternehmen eine mögliche Lösung in der Auslagerung von Unternehmensprozessen sehen.
Durch den rasanten Fortschritt der Informationstechnologie ist es heute möglich, einzelne Tätigkeiten oder gar ganze Unternehmensprozesse geografisch verteilt oder sogar vollständig im Ausland erbringen zu lassen.[3] Stetig entwickeln sich neue Lösungen, um mit den schnelllebigen Anforderungen des Marktes schrittzuhalten. Neben dem IT-Outsourcing bzw. IT-Offshoring entwickelten sich in den 90er Jahren angrenzende Modelle wie das Application Service Providing, welche ebenfalls Erwähnung finden sollen. Renommierte deutsche Unternehmen wie die Deutsche Bank folgten diesen Trends. Im Jahr 2010 beauftragten sie Tata Consultancy Services, einen großen indischen IT-Dienstleister, mit dem Betrieb ihrer Banking Software. Aber auch mittelständische Unternehmen wie das Unternehmen Kneipp haben den Offshoring-Gedanken in ihrer IT-Strategie verankert und arbeiten mit Calpine Technologies, einem indischen Dienstleister aus Kochi zusammen.[4]
Nachdem einige große, aber auch kleine Unternehmen die Verlagerung ihrer Geschäftsprozesse in den vergangenen Jahren umgesetzt haben, steigt das weltweite Interesse an der Offshore-Verlagerung von Prozessen und Dienstleistungen im IT-Sektor rasant. Es stellt sich deshalb die Frage, ob das Offshoring von IT- Dienstleistungen für Unternehmen eine Möglichkeit darstellt, um durch die Abschöpfung der zu erwartenden Potenziale am Markt langfristig konkurrenzfähig zu bleiben. Deshalb soll in der vorliegenden Arbeit ein genauer Blick auf die Chancen und Risiken durch das Offshoring von IT-basierten Dienstleistungen gelegt werden. Neben verschiedenen Potentialen, wie beispielsweise den Einsparpotentialen, die viele Unternehmen dazu bringen diesem Trend zu folgen, soll auch genauer analysiert werden, welche Problemfelder durch die Verlagerung in das Ausland entstehen. Nicht selten führen in Projekten unerwartete Kostentreiber zu sehr hohen Zusatzkosten, die die zuvor erwarteten Einsparpotentiale teilweise vollständig zunichtemachen.[5]
Viele Mitarbeiter nehmen die Verlagerung von Unternehmensbereichen als eine Bedrohung wahr. Die Verlagerung von Arbeitsplätzen aus Kostengründen ins Ausland wird deshalb seitens der Politik und der Medien häufig scharf kritisiert.[6] Da die Verlagerung ganzer Unternehmensbereiche ein Vorhaben ist, welches langer und genauer Vorbereitung bedarf, richtet sich die vorliegende Arbeit an interessierte Anwenderunternehmen, die sich mit Ideen und Informationen über Chancen und Risiken ausstatten möchten.
Das zweite Kapitel der vorliegenden Arbeit definiert und differenziert die Begriffe IT-Offshoring und IT-Outsourcing, indem neben einem historischen Überblick ebenfalls die Verwendung der Begriffe in der aktuellen Literatur und Praxis betrachtet wird. Zusätzlich wird auf das Application Service Providing eingegangen, welches sich als Form des Outsourcings bereits seit vielen Jahren neben dem klassischen Outsourcing von IT-Dienstleistungen bewährt hat. Im weiteren Verlauf des Kapitels werden die Motive verlagernder Unternehmen betrachtet. Das zweite Kapitel schließt mit der Erarbeitung der Besonderheiten des IT-Offshorings und des Business-Process-Outsourcings und gibt einen aktuellen Überblick über die Verbreitung und Anwendung in der aktuellen globalen Wirtschaft.
In Kapitel drei werden die Chancen und Risiken des IT-Offshorings und des Business-Process-Outsourcings erarbeitet. Auch wenn sich Unternehmen insbesondere finanzielle Einsparpotenziale erhoffen, wird zusätzlich untersucht, welche qualitativen und strategischen Chancen durch die Verlagerung von IT-Geschäfts- bzw. Teilprozessen entstehen. Neben den häußg zitierten Chancen und Potenzialen existieren im Rahmen des IT-Offshorings ebenfalls eine Vielzahl von Risiken, welche von Unternehmen nur allzu leicht übersehen werden. Deshalb beschäftigt sich der zweite Teil des Kapitels mit dem Risiko, aufgrund verdeckter finanzieller Mehraufwände, unerwarteter Kommunikationsbarrieren und einer Vielzahl weiterer Hürden, ein nach bestem Wissen geplantes Offshore-Vorhaben, als Verlustgeschäft verbuchen zu müssen. Das Kapitel schließt mit einem visuellen Modell zur Evaluation der drohenden Risikopotentiale.
Das vierte Kapitel betrachtet die Entwicklung der Rahmenbedingungen des indischen IT-Offshoring-Marktes hinsichtlich seiner Stabilität während der Weltwirtschaftskrise, hinterfragt aber ebenfalls die weitere Entwicklung in Zeiten der rasanten Entwicklung. Dabei werden vor allem die Verfügbarkeit indischer Fachkräfte hinterfragt sowie die Maßnahmen zur Sicherstellung der Qualitätsanforderungen indischer IT-Dienstleister untersucht.
Um die Aktualität und Notwendigkeit der Abwägungen für oder gegen ein Offshoring- Vorhaben zu unterstreichen, sei auf die Abschaltung aller Internet- und Telekommunikationsverbindungen im Januar 2011 in Ägypten verwiesen. Nach Angaben des IT-Beratungsunternehmens Renesys seien durch die bewusste Abschaltung durch das Regime Mubaraks, geschätzt 85 Millionen Menschen vom Informationsaustausch mit dem Rest der Welt abgetrennt. Gleichzeitig wurde die Internetpräsenz des Welthandballverbandes lahmgelegt, die zwar ihren Sitz im schweizerischen Bern hat, ihre IT-Dienstleistungen jedoch über einen Server in Ägypten laufen lässt.[7] Da gerade zu dieser Zeit die Handball Weltmeisterschaft ausgetragen wurde, war es für den Verband der äußerst ungelegenste Zeitpunkt für den Ausfall ihrer Serverinfrastruktur.
Während der Literaturrecherche wurde deutlich, dass sowohl in der Theorie, als auch in der Unternehmenspraxis, die Bedeutung der Begriffe IT-Offshoring und IT-Outsourcing nicht klar genug voneinander getrennt sind. Häufig werden die Begriffe als Synonyme und damit falsch verwendet. Da durch die falsche Verwendung das Risiko entsteht, wichtige Aspekte und Betrachtungsweisen unberücksichtigt zu lassen, beschäftigt sich das folgende Kapitel genauer mit der Entstehung, Bedeutung und Differenzierung der Begriffe. In einem ersten Schritt wird der Offshoring-Begriff näher erläutert, welcher das Kernthema der vorliegenden Arbeit bildet. Anschließend wird die Bedeutung des Outsourcing-Begriffs näher erläutert, um aufzuzeigen, dass beide Formen in der Praxis zwar sehr häufig gemeinsam auftreten, inhaltlich aber deutlich voneinander zu differenzieren sind.
Bevor einem der Begriff des Offshorings in der IT zum ersten Mal begegnet, kennt man ihn möglicherweise aus dem Bereich der Energiegewinnung. Offshore Windparks werden beispielsweise mit erheblichem Abstand vor der deutschen Nord- und Ostseeküste errichtet, um den dort kontinuierlich auftretenden Wind für die Energiegewinnung zu nutzen. Dass die Bedeutung, übertragen auf die Erbringung von IT-Dienstleistungen, diesem Beispiel sehr nah kommt, soll nun im Rahmen der Begriffsklärung verdeutlicht werden.
Der Duden beschreibt die Herkunft des Begriffs “offshore” mit den Begriffen (off—> fort, weg) und (shore—> Ufer, Küste), als in einiger Entfernung zur Küste befindlich.[8] Diese Beschreibung lässt sich im übertragenen Sinne auch mit, außerhalb der Landesgrenzen definieren. Das Oxford Advanced Learner’s Dictionary beschreibt offshore zusätzlich sehr passend mit,‘kept, or located in a country that has more generous tax laws than other places ’[9] und verweist gleichzeitig auf den Begriff “offshore Investments”. Verbindet man beide Definitionen im Kontext des IT-Offshorings, so beschreibt der Begriff die Verlagerung von IT-basierten Dienstleistungen über die Landesgrenzen hinaus, mit dem Ziel, sich in Billiglohnländern wie Indien durch die Kosteneinsparung finanzielle und strategische Vorteile gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen. Anhand der Definitionen wird deutlich, dass sich das Offshoring ganz deutlich und ausschließlich auf die Verlagerung über die Landesgrenzen hinaus bezieht und damit lediglich die “Örtliche” Variable einer Verlagerungsentscheidung definiert.
Die Offshore Verlagerung wird bereits seit Anfang der 60er Jahre im Bereich der Produktion nach Japan durchgeführt. Seit den 90er Jahren ist auch ein verstärkter Verlagerungstrend der Dienstleistungen zu verzeichnen. Unternehmen haben festgestellt, dass grundsätzlich alle Unternehmensprozesse und Leistungen, die keinen persönlichen Kontakt zwischen Unternehmen und Kunden bedürfen, Offshore verlagert werden können.[10] Verfolgt man das Thema Offshoring in der Presse, so erhält man den Eindruck, nahezu jedes große Unternehmen habe in der Vergangenheit schon Offshore-Verlagerungen durchgeführt oder stehe unmittelbar davor. In einer Studie des Beratungshauses Steria Mummert im September 2011 wurden 204 leitende IT-Fachkräfte verschiedener Branchen und Unternehmen nach dem Stellenwert von Offshore-Verlagerungen befragt. Dabei wurde festgestellt, dass 78 % der deutschen Unternehmen die Relevanz von Verlagerungen ins Ausland als sehr hoch einschätzen. Mehr als 50 % der Unternehmen haben sogar bereits konkrete Pläne zur Verlagerung ganzer Geschäftsprozesse (Business- Process-Outsourcing).[11] Im Vergleich zu den bereits in den 90er Jahren vergelagerten, nicht direkt von der IT-Infrastruktur abhängigen, Unternehmensprozessen wie beispielsweise die Beschaffung und Produktion, ist es durch die rasante Entwicklung der Informationstechnologie in den vergangenen Jahren möglich geworden, Funktionen auszugliedern, die ohne eine ausfallsichere Telekommunikationsund Internetanbindung nach Deutschland praktisch nicht realisierbar wären.[12] Diese Funktionen beziehen sich größtenteils auf die Unternehmensbereiche IT, Callcenter, Finanz- und Rechnungswesen, Personalwesen sowie Forschung und Entwicklung. In den meisten Fällen war in den vergangenen Jahren vor allem die erfolgreiche Verlagerung der IT, der Motor für das Offshoring weiterer Unternehmensbereiche.[13] Der Haupttreiber für die Verlagerung von Unternehmensfunktionen ist aber nach wie vor der Kostenaspekt. Mehr als 60 % der Offshoring- Entscheidungen werden aufgrund von Kostenersparnissen zwischen 20 % und 50 % getroffen. Das größte Kosteneinsparpotenzial erhofft sich in diesem Zusammenhang die Telekommunikationsbranche mit 40 % bis 50 %.[14]
Traditionell waren es bis zum Jahr 2000 ausschließlich Großkonzerne, die sich mit dem Offshoring ins Ausland beschäftigten. In den vergangenen 10 Jahren hat sich jedoch in dieser Hinsicht ein deutlicher Wandel vollzogen. Nach einer relativ späten Teilnahme an den Offshoring-Aktivitäten verlagern nun mehr und mehr auch kleinere Unternehmen, mit weniger als 1000 Mitarbeitern, verschiedene Unternehmensfunktionen ins Ausland.[15] Der Anstieg verlagernder klein- und mittelständischer Unternehmen ist ein deutliches Indiz dafür, dass verbesserte Rahmenbedingungen, wie beispielsweise die Entwicklung der IT oder die Standardisierung, neue Möglichkeiten für die Unternehmen geschaffen haben. Es ist deshalb ratsam, dass sich auch kleine Unternehmen, unter 1000 Mitarbeitern, von nun an mit dem Thema Offshoring beschäftigen und als mögliche strategische Handlungsoption in Betracht ziehen.
Nachdem der Begriff Offshoring genauer betrachtet wurde, soll im Folgenden eine genauere Erläuterung des Begriffs Outsourcing erarbeitet werden. Zusätzlich werden die Begriffe IT-Outsourcing sowie das Business-Process-Outsourcing näher betrachtet werden, da sie das Kerngeschäft des indischen IT-Outsourcing Marktes darstellen.
In der Literatur wird der Begriff Outsourcing als ein Kunstwort beschrieben, welches aus den Begriffen “Outside Resourcing” und “Outside Resource Using” abgeleitet wird.[16] Ins Deutsche übersetzt entspricht es dem Begriff Ausgliederung. Im Standardwerk der Wirtschaftsinformatik definieren Laudon und Schoder das IT-Outsourcing als eine IT-Ausgliederung, die die Übertragung von Aufgaben auf ein nicht durch Kapitalverflechtungen verbundenes Unternehmen darstellt.[17] Es handelt sich demzufolge um Unternehmensprozesse, die zuvor im eigenen Unternehmen erbracht wurden und nun an externe Dienstleister übertragen werden. Im Wesentlichen werden beim Outsourcing zwei Ausprägungsformen unterschieden. Entweder konzentriert sich das Unternehmen auf die Fremdvergabe einer bestimmten Unternehmensfunktion, wie beispielsweise die IT-Schulung der Mitarbeiter, während der wesentliche Teil der IT-Abteilung aber im Unternehmen verbleibt (selektives Outsourcing). Andererseits werden beim totalen Outsourcing auch recht häufig alle Unternehmensfunktionen ausgegliedert, die nicht direkt zur Kernkompetenz des Unternehmens gehören.[18] Das Outsourcing von IT- Dienstleistungen ist also in verschiedenen Formen möglich. Grundsätzlich muss bei der Feststellung, ob es sich um IT-Outsourcing handelt, geprüft werden, ob Leistungen lediglich fremdvergeben werden und daher nur von temporärer Fremdvergabe gesprochen werden kann oder ob tatsächlich eine langfristige Ausgliederung einer Unternehmensfunktion angestrebt wird. Beispiele für ein langfristig orientiertes Outsourcing von Dienstleistungen sind die Betreuung des Rechenzentrums, die Fremdvergabe des Facilitymanagements oder die Auslagerung des Personalmanagements. Wichtig ist, dass im Vergleich zur Definition der örtlichen Variable im Rahmen des Offshorings, der Begriff Outsourcing ausschließlich die externe Vergabe von Dienstleistungen definiert.
Um die recht offen formulierte Definition des Outsourcings weiter zu spezifizieren soll im Folgenden nun genauer auf das Outsourcing von IT-Dienstleistungen eingegangen werden. Zu diesem Zweck soll die erarbeitete Definition aufgegriffen und um eine zusätzliche Differenzierung ergänzt werden. Die Wirtschaftswissenschaftler Kreutter und Stadtmann differenzieren die Merkmale des Outsourcings in zwei Kategorien:[19]
1. Merkmale, die als Eigenschaften eines engeren, fokussierten Outsourcing- Verständnisses gesehen werden. Dazu zählt die Übertragung bestehender Aktivitäten an ein externes Unternehmen. Dies vollzieht sich teilweise sogar mit dem Übergang der dazu notwendigen Mitarbeiter.
2. Merkmale, welche allgemein in der Literatur als Kern der Outsourcing-Definitionen zu finden sind. Darunter verstehen die Autoren vor allem die Betonung eines Vertrages als grundlegenden Bestandteil des Outsourcing- Prozesses, durch den eine langfristige Kooperationsbeziehung mit einem externen Dienstleister angestrebt wird.[20]
Wie bereits erwähnt wurde, ist die Auslagerung von Unternehmensprozessen sehr häufig eng mit der Konzentration auf das Kerngeschäft verbunden. Fachkräfte werden entlastet, da sie weniger mit der Bewältigung von Randdienstleistungen beschäftigt sind.[21] Ein Unternehmen, welches Leistungen extern einkauft, anstatt sie intern selbst herzustellen, gewinnt an Flexibilität. Es muss weder eine Infrastruktur, noch das notwendige Know-how im Unternehmen vorhanden sein.[22] Allerdings ist es für Unternehmen sehr wichtig, sich neben ihrem Kerngeschäft ebenfalls auf ihre Alleinstellungsmerkmale am Markt zu besinnen. Deshalb werden beim IT-Outsourcing auch nur Geschäftsprozesse ausgelagert, die die Wettbewerbsfähigkeit und Differenzierbarkeit des Unternehmens am Markt nicht gefährden. Dies sind häufig wiederkehrende Back Office Aufgaben, die zumeist branchenunabhängig auftreten, wie beispielsweise der User Help Desk. Erfahrungen haben gezeigt, dass insbesondere komplexe Schnittstellenfunktionen, welche regelmäßige Rückfragen und großes Vertrauen zwischen dem Unternehmen und dem Dienstleister erfordern, zu Problemen bei Outsourcing-Vorhaben führen. In solchen Situationen bringen sprachliche und kulturelle Unterschiede (siehe 3.2.3) das Geschäftsmodell häuhg zum Scheitern.[23] In der Praxis werden deshalb hauptsächlich IT-Prozesse in bzw. unterhalb der Anwendungsebene ausgelagert. Dies können beispielsweise die ERP-Systeme im Rechenzentrum sein. Bei Bedarf können zusätzlich Betriebssysteme, Netzwerke und Hardwarebeschaffung ausgelagert werden. Allgemein unüblich ist hingegen die Auslagerung auf der Prozessebene. Dadurch soll gewährleistet werden, dass das Unternehmen die Kontrolle über die Weiterentwicklung und Gestaltung der fachlichen Aspekte behält und kein Know-how Verlust zu befürchten ist. Indische Outsourcing-Anbieter haben sich insbesondere auf das Dienstleistungsgeschäft in der Anwendungsebene konzentriert. Dabei setzen sie vor allem auf die geringen Personalkosten des Landes.[24] So ist ein Großteil der indischen IT-Outsourcer mit der Entwicklung und Betreuung von Unternehmenssoftware (ERP-Systeme), der Systemintegration sowie dem Hosting von Diensten für andere Unternehmen beauftragt.
Auch wenn ein Großteil der Unternehmen auf das Outsourcing unterhalb der Anwendungsebene setzt, nutzen einige Unternehmen eine spezielle Form des Outsourcings, das sogenannte Business-Process-Outsourcing. Bei dieser Variante des Outsourcings werden gesamte Unternehmensprozesse, die keine direkte strategische oder alleinstellende Bedeutung haben, ausgelagert. Besonders geeignet sind dafür Prozesse, die eine sehr hohe Standardisierung aufweisen. Dies können beispielsweise User Help Desks zur Betreuung der Mitarbeiter sein oder aber auch sogenannte Straight-Through-Prozesse, also vollautomatische Prozesse wie beispielsweise in der Abwicklung von Finanztransaktionen. Im Gegensatz zum IT-Outsourcing übernimmt der Dienstleister im Rahmen des Business- Process-Outsourcings ebenfalls die Verantwortung in den Ebenen oberhalb der Anwendungsebene und kontrolliert das Prozessmanagement. Für einen reibungslosen Übergang der Prozesse vom Unternehmen zum Dienstleister ist deshalb die Kompatibilität und die Integrierbarkeit des Informationssystems in das des Outsourcing-Dienstleisters vor der Ausgliederung zu prüfen und an dessen Bedürfnisse anzupassen.[25]
Wie bereits im Rahmen der Definitionen erläutert wurde, sind die Begriffe Offshoring und Outsourcing zwei voneinander unabhängige Dimensionen. Neben der Bestimmung des Ortes der Leistungserbringung durch das Offshoring, legt Outsourcing den gewählten Erbringungsmodus fest. Die beiden Dimensionen lassen sich beliebig kombinieren, wodurch vier verschiedene Erbringungsoptionen entstehen (siehe Abbildung 2.1).[26] Häufig wird dem Offshoring in diesem Zusammenhang eine Art Sonderrolle zuteil. Neben der Verlagerung von Unternehmensprozessen, steht beim Offshoring, wie bereits erwähnt, vor allem die Auslagerung in ein Niedriglohnland aus Kostengründen im Vordergrund. Um die Begriffe deutlicher voneinander abzugrenzen, definiert Schaaf die externe Verlagerung ins Ausland als Offshore Outsourcing und stellt diese Form dem Captive Offshoring gegenüber (siehe Abbildung 2.1), welche beispielsweise durch das Auslagern an Tochterunternehmen, Unternehmenseinheiten im Ausland, Joint Ventures oder strategischen Allianzen vollzogen werden kann.[27] Diese Differenzierung ist in der Literatur auch unter den Begriffen des externen und internen Outsourcings zu ünden. Diese Definition deckt sich ebenfalls mit denen im deutschen gebräuchlichen Begriffen der Auslagerung und Ausgliederung. Werden beim Offshore Outsourcing Leistungen an externe Anbieter mit, wie es das Oxford Dictionary ausdrückt, “more generous tax laws” vergeben, so bleiben diese beim Captive Offshoring im Unternehmen erhalten und werden nur geografisch verlagert (siehe Abbildung 2.1). Vorteilhaft ist in diesem Zusammenhang vor allem, dass das Unternehmen weiterhin das vollkommene Eigentum, die Kontrolle sowie das Know-how über die Unternehmensfunktionen behält. Allerdings muss das Unternehmen ebenfalls das gesamte damit einhergehende Risiko tragen, welches mit der Investition im Ausland verbunden ist. Im Vergleich dazu geht beim Offshore Outsourcing das Risiko und damit aber auch der Einfluss vollständig auf den externen Dienstleister über. Auch wenn das Unternehmen alle zuvor genannten Vorteile einbüßt, besteht durch das Offshore Outsourcing die Möglichkeit, die Prozesskosten deutlich zu reduzieren. Durch ein steigendes Auftragsvolumen ist der externe Anbieter in der Lage, seine durch die Fixkostendegression gesunkenen Kosten an das auslagernde Unternehmen weiterzugeben. Bei der Entscheidung für eine der beiden Optionen sei Unternehmen allerdings geraten, gründlich die Vor- und Nachteile abzuwägen. In Abhängigkeit von der ausgewählten Option besteht eine nicht zu unterschätzende Bindungsintensität zwischen dem auslagernden Unternehmen und dem Dienstleister. Während ein Unternehmen durch die Führung eines Tochterunternehmens am Offshoring-Ort oder der Übernahme eines dort ansässigen Dienstleisters (Joint Venture) von einer deutlich stärkeren Bindungsintensität profitiert, besteht bei der Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern im Ausland, wie es im Rahmen des Offshore Outsourcings der Fall wäre, eine wesentlich losere Bindung.[28] (siehe Abbildung 2.2) Während sich einige Unternehmen direkt für eine externe Leistungserbringung im Ausland entscheiden, kann für viele Unternehmen die interne Leistungserbringung im Ausland, durch das Captive Offshoring, den ersten Schritt des Verlagerungsvorhabens erleichtern. Deshalb ist es auch nicht erstaunlich, dass Schätzungen zu Folge zwei Drittel des weltweiten Offshoring-Volumens intern verlagert werden. Aber auch externe Offshorer haben gute Argumente auf ihrer Seite. Durch die zunehmende Standardisierung und die Reduktion der Wertschöpfungstiefe lässt sich eine bessere Konzentration auf das eigentliche Kerngeschäft des Unternehmens Umsetzen.[29] Insbesondere IT-Anwenderunternehmen tendieren dazu, Offshore-Aktivitäten von Fremdunternehmen durchführen zu lassen.[30] Diese Fremdunternehmen sind häufig global agierende IT-Dienstleister wie IBM oder Hewlett-Packard, die ihre IT-Kapazitäten an eigenen Offshore-Standorten in Niedriglohnländern unterhalten und damit selbst ein Captive Offshoring betreiben. Alternativ bieten weltweit tätige indische IT-Dienstleister wie Tata Consultancy Services oder WIPRO ihre Leistungen an. Letztendlich handelt es sich beim Captive Offshoring und dem Offshore Outsourcing um eine klassische “make or buy” Entscheidung mit unterschiedlichen Risiken. Gemeinsam haben beide Varianten jedoch die Herausforderung, dass das Unternehmen in Zukunft mit einer neuen Landeskultur, mit der sich das Unternehmen sowohl im geschäftlichen, als auch im menschlichen Bereich beschäftigen muss, konfrontiert werden wird. Wie stark sich diese Landeskultur von der eigenen unterscheidet ist natürlich immer an verschiedene Faktoren geknüpft. In Abhängigkeit vom Standort des Unternehmens und dem Ort der Leistungserbringung wird zwischen drei Offshoring-Varianten, dem Onshore, Nearshore und Farshore, unterschieden.[31] Während beim Onshoring die Leistungserbringung innerhalb der Landesgrenzen erbracht wird, werden beim Nearshoring Dienstleister gewählt, die sich auf demselben Kontinent befinden. Dies kann hinsichtlich der Kommunikation deutliche Vorteile haben, da beispielsweise nur mit einer geringen Zeitverschiebung zu rechnen ist. Insbesondere Länder der EU-Osterweiterung eignen sich aus deutscher Sicht besonders gut für Nearshore-Vorhaben. In Verbindung mit der Farshore Verlagerung wird häufig einfach von Offshoring gesprochen. Um Missverständnisse zu vermeiden, soll deshalb zur Abgrenzung auch dieser Begriff erläutert werden. Beim Farshoring wird die Verlagerung auf einen anderen Kontinent angestrebt, mit dem Ziel von geringeren Kosten im Ausland zu profitieren. Die folgende Abbildung 2.3 soll die drei Verlagerungsoptionen nochmals verdeutlichen.
Abbildung 2.1: Differenzierung von Offshoring und Outsourcing. Eigene Abbildung in Anlehnung an Hutzschenreuter (2007), Amberg/Wiener (2006).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.2: Bindungsintensität des Unternehmens in Abhängigkeit zur Offshoring Variante - Eigene Darstellung in Anlehnung an Bräutigam (2004) und Amberg/Wiener (2006).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.3: Differenzierung des Onshoring, Nearshoring und Farshoring als mögliche Varianten des Offshorings von Unternehmensprozessen. Eigene Darstellung in Anlehnung an Nicklisch (2008), S. 5 und Hutzschenreuter (2007), S. 25.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die vorangegangen Ausführungen haben verdeutlicht, dass die synonyme Verwendung der Begriffe Offshoring und Outsourcing nicht mit ihrer Bedeutung vereinbar ist. Während das Offshoring den Ort der Leistungserbringung definiert, wird durch das Outsourcing die Art der Leistungserbringung fest gelegt. Demnach kann festgestellt werden, dass es sich um zwei eindeutig unabhängige Dimensionen handelt, die lediglich im Rahmen des Offshore Outsourcings kombiniert auftreten.
Wie bereits zu Beginn des Kapitels beschrieben wurde, wäre die Auslagerung vieler Prozesse ohne den Einsatz von Informations- und Kommunikationssystemen gar nicht möglich gewesen. Deshalb soll an dieser Stelle eine weitere Form des IT-Outsourcings Erwähnung finden, die es ohne den unglaublich rasanten Fortschritt der Informations- und Kommunikationstechnologie gar nicht gegeben hätte, das Application Service Providing. Bei dieser Form des IT-Outsourcings werden seit den späten 1990er Jahren standardisierte IT-Leistungen in Form von Anwendungen und Geschäftsaktivitäten über das Internet, gegen eine Gebühr, dem Unternehmen zur Verfügung gestellt. Durch den hohen Grad der Standardisierung, wie beispielsweise bei Office Anwendungen, der ERP Systeme oder des Personalmanagements kann der Provider die in dieser Outsourcing-Form ganz besonders entstehenden Synergieeffekte an das Unternehmen weitergeben. So können viele Anwendungen bedarfsgerecht, skalierbar und zu geringen Preisen angeboten werden.[32] Dabei unterliegen Service Provider jedoch gleichzeitig einem hohen Druck. Unternehmen erwarten zumeist höhere Qualität zu geringeren Preisen, als es die eigene IT bieten könnte. Warum sollte sonst Outsourcing betrieben werden?[33] In der Literatur wird das Application Service Providing häufig als eine Art Thronfolger des IT-Outsourcings beschrieben. Es stellt sich deshalb die Frage, wo die wirklichen Vorteile und Unterschiede des Outsourcing Modells im Vergleich zum klassischen IT-Outsourcing hegen. Vergleicht man traditionell geführte In-House IT-Services mit dem IT-Outsourcing sowie dem Application Service Providing, stellt sich heraus, dass es die individuell skalierbaren Kosten für Softwarelizenzen, Hardware und IT-Infrastruktur sowie die Bindungszeiten an den Provider sind, die die Modelle voneinander abgrenzen. Während im Rahmen des IT-Outsourcings vor allem langfristige Entscheidungen getroffen werden, da die häufig hoch komplexen Prozesse der Unternehmen nicht ohne weiteres von einem anderen Dienstleister erbracht werden können, ist es durch die hohe Standardisierung der Softwarelösungen im Bereich des Application Service Providing wesentlich leichter möglich, einen vergleichbaren Anbieter am Markt ausfindig zu machen. Während beim IT-Outsourcing die Softwarelizenzen noch größtenteils im Besitz des Unternehmens bleiben, werden sie im Rahmen des Application Service Providing ausschließlich durch den Provider zur Verfügung gestellt.[34] Das Application Service Providing unterscheidet sich offensichtlich vor allem strukturell vom zuvor beschriebenen IT-Outsourcing. Während beim IT-Outsourcing individuelle Kundenlösungen erarbeitet und betreut werden, sind es im Application Service Providing standardisierte Lösungen, die für eine Vielzahl von Kunden angeboten werden.[35]
Bereits im Rahmen der Dehnition und Abgrenzung der Begriffe IT-Offshoring und IT-Outsourcing wurde deutlich, dass es für Unternehmen klare Motive gibt, warum einzelne Prozessteile, ganze Prozesse oder sogar ganze Unternehmensbereiche ins Ausland verlagert werden. Neben dem zentralen Ziel der Kostensenkung kommt vor allem auch immer wieder die Konzentration auf die Kernkompetenzen zur Sprache. Deshalb soll im Folgenden die Motivation der Unternehmen genauer betrachtet werden. Entscheiden sich Unternehmen für die Verlagerung einzelner Dienstleistungen oder ganzer Geschäftsprozesse ins Ausland, müssen sie ihren Stakeholdern eindeutige und nachvollziehbare Argumente liefern, weshalb der zeitliche und zu Beginn finanziell höhere Aufwand für die Reorganisation der bestehenden Prozesse gerechtfertigt ist.
Neben den Kostensenkungspotenzialen, erhoffen sich Unternehmen durch das Offshoring vor allem die Möglichkeit, flexibler auf den Wettbewerbsdruck reagieren zu können und kurzfristig Zugang zu qualifiziertem Personal zu erlangen.[36] Diese Flexibilität kann insbesondere in Zeiten wirtschaftlicher Schwankungen große Vorteile mit sich bringen. Ffäußg spricht man deshalb auch davon, dass sich die Fixkosten durch das Offshoring von IT-Dienstleistungen zu variablen Kosten entwickeln. Diese Aussage erscheint auf den ersten Blick zweifelhaft. Es hat sich jedoch gezeigt, dass viele Offshoring-Anbieter bestrebt sind, ihren Kunden individuelle und flexibel gestaltbare Service Portfolios anzubieten. Insofern hat der Kunde grundsätzlich die Möglichkeit, seine Kosten für einen IT-Service variabel zu bestimmen, auch wenn das Preismodell nicht rein transaktionsbasiert gestaltet ist.[37] Das zentrale Ziel der Unternehmen bleibt dabei, sich sowohl am heimischen, als auch am internationalen Markt einen strategischen Vorteil zu verschaffen.
Nicht zu vernachlässigen ist für viele Unternehmen das Motiv, durch das Offshoring von Dienstleistungen Zugang zu qualifiziertem Personal zu erlangen. Der Fachkräftemangel ist insbesondere in der Informationstechnologie in Deutschland seit Jahren ein großes Problem. Zusätzlich können Unternehmen durch die gewonnene Flexibilität besser auf Leistungsspitzen bzw. Leerlaufzeiten reagieren, sich auf die Kernkompetenzen des Unternehmens konzentrieren und damit die Projektlaufzeiten reduzieren.[38] Im Bezug auf das IT-Outsourcing werden neben den zuvor genannten Motiven häufig Aspekte wie die Komplexitätsreduzierung sowie die Konsolidierung der IT-Landschaft genannt.[39] Im Rahmen der Literaturrecherche hat sich ergeben, dass insbesondere im IT-Sektor nahezu alle Unternehmen das IT-Offshoring bzw. IT-Outsourcing einsetzen oder dessen Potenziale analysieren, um sich finanziell und strategisch von den Konkurrenten am Markt differenzieren zu können.
In einer Online-Umfrage der Unternehmensberatung Steria Mummert im Jahre 2004 gaben 460 Fach- und Führungskräfte verschiedener Unternehmen ihre Motive für das IT-Offshoring bzw. das IT-Outsourcing an. (siehe Abbildung 2.4) Diese Motive haben auch heute noch weiterhin bestand. In einer aktuellen Studie des Beratungshauses im Jahre 2011 bestätigten sich die Ergebnisse unter den 204 befragten Unternehmen erneut und zeigen damit deutlich, dass das Thema IT-Offshoring für Unternehmen ein zentrales Thema darstellt. [40]
Abbildung 2.4: Motive für das IT-Offshoring bzw. IT-Outsourcing nach einer Umfrage des Beratungshauses Steria Mummert im Jahr 2004 . Eigene Darstellung in Anlehnung an Gadatsc.h (2006), S. 55 und Eichelmann, T. - Strategieberatungshaus Roland Berger (2004) und Strassner/Baumann/Daum (2011), S. 4.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wie bereits im Verlauf der Arbeit deutlich wurde, nutzen immer mehr Unternehmen IT-Dienstleistungen von Offshore-Anbietern. In der Literatur wird häufig die Globalisierung als Grund für die rasante Entwicklung genannt. Durch die zunehmend starke Vernetzung der weltweiten Wirtschaft sind Unternehmen gezwungen ihre Ressourcen effizienter zu nutzen. So entwickelt sich aus einem bisher nationalen Wettbewerbsdruck mehr und mehr ein Druck auf internationaler Ebene. Viele Unternehmen sind diesem Druck nicht gewachsen und sind deshalb gezwungen ihre Prozesse durch externes Know-how zu unterstützen. Das IT-Offshoring scheint zwei Probleme gleichzeitig zu lösen. Durch die Verlagerung in Niedriglohnländer stehen den Unternehmen Kostensenkungspotenziale und qualifizierte Fachkräfte zur Verfügung. In welchem Maße diese Aussage der Wirklichkeit entspricht, soll im weiteren Verlauf der Arbeit genauer betrachtet werden.
Die Informationstechnologie ist ein hoch komplexes Fachgebiet, welches zusätzlich einem ständigen Wandel unterliegt. Daher bindet das Management der IT wertvolle Unternehmensressourcen. Es werden unter anderem hochqualifizierte Mitarbeiter, Kapital für die Investition und die Pflege von Hard- und Software sowie Räumlichkeiten benötigt. In den meisten Unternehmen wird die IT jedoch nur aus der Anwendersicht benötigt. Weshalb also sollte sich ein Unternehmen mit der “IT-Produktion” beschäftigen? Schließlich muss niemand der ein Auto fahren möchte, wissen wie man eines selbst baut.[41] Die Branche der IT-Dienstleister hat sich in den letzten 20 Jahren stark etabliert. Nicht zuletzt durch den Dotcom Boom und das “Jahr-2000-Problem” gab es in Deutschland, den USA und in anderen Wirtschaftsnationen zur Jahrtausendwende einen nicht deckbaren Bedarf an IT-Fachkräften. Dies gab den indischen IT-Dienstleistern den entscheidenden Wachstumsschub[42] über die Jahre hinweg entwickelten sich die indischen IT-Dienstleister als kompetente und verlässliche Geschäftspartner mit einem deutlich geringeren Lohnniveau, als in den Wirtschaftsnationen. Es ist davon auszugehen, dass sich auch in Zukunft dieser Trend fortsetzen wird. So zeigte eine A.T. Kearney- Studie bei Unternehmen im deutschsprachigen Raum, dass bereits 50 % der befragten Unternehmen Indien als bevorzugten Standort angeben. Wesentlich deutlicher fällt die Studie unter US Unternehmen aus. In den USA berücksichtigen ca. 90 % der Unternehmen Indien als Standort für ihre Outsourcing-Vorhaben. Darauf folgen weit abgeschlagen mit lediglich 20 % China und die Philippinen.[43] Ebenso gaben in einer Studie des Beratungshauses Steria Mummert im September 2011, 204 teilnehmende IT-Entscheider und Geschäftsführer an, dass das Potenzial des Outsourcings im eigenen Unternehmen nur zu ca. 11 % ausgeschöpft wird.[44] Wurde in den vergangenen Jahren in der Literatur auf dem deutschen Markt noch von Vorsicht und Nachholbedarf gesprochen[45], so hat sich insbesondere in den vergangenen vier Jahren ein deutlicher Trend und ein Bewusstsein in den Unternehmen entwickelt, um im internationalen Wettbewerb langfristig konkurrenzfähig zu bleiben.
Während im Rahmen des IT-Offshorings einzelne Funktionen oder Teilprozesse oberhalb der Anwenderebene ausgelagert werden, bewirkt das Business-ProcessOutsourcing weitaus grundlegendere Veränderungen im Unternehmen. Bedingt durch die deutliche strukturelle Neuausrichtung, ist die Verlagerung gesamter Geschäftsprozesse für Unternehmen in der Regel deutlich langfristiger bzw. endgültiger angedacht. Viele Unternehmen beschäftigen sich bereits seit Jahren mit der Verlagerung ganzer Geschäftsprozesse. In den vergangenen Jahren wurde jedoch hauptsächlich ein Augenmerk auf die Zentralisierung der Unternehmensbereiche gelegt. Durch die zentrale Standardisierung von Geschäftsprozessen in sogenannten Shared Service Centern wurde die Verlagerung ins Ausland für viele Unternehmen deutlich erleichtert.[46] Zu den in den USA vergleichsweise rasanten
Entwicklungen verzeichnet der Business-Process-Outsourcing Markt in Deutschland jedoch nur sehr schleppende Wachstumszahlen, welche vor allem mit strengeren rechtlichen Rahmenbedingungen und einer Angst vor Kontrollverlust zu begründen sind. Zusätzlich stehen deutsche Unternehmen vor höheren Sprachbarrieren, im Vergleich zu englischsprachigen Unternehmen in England und den USA.[47] Nach einer Studie des Global Research Institutes wird das Marktvolumen des Business-Process-Outsourcings allein im Backoffice Bereich auf 31,5 - 33 Milliarden Euro geschätzt. Tatsächlich kontraktiert wurden jedoch lediglich ca. 2 Milliarden Euro, was verdeutlicht, dass in Deutschland ein enormes Wachstumspotential schlummert. Indische IT-Dienstleister sollten sich deshalb besser auf die Anforderungen deutscher Unternehmen einstellen und sich transparenter präsentieren, um die vorhandenen Potenziale abschöpfen zu können. Der Zeitpunkt ist günstig, da aufgrund hoher Verwaltungskosten immer mehr Unternehmen die Potenziale der Auslagerung von Geschäftsprozessen erkennen. Insbesondere in IT-geprägten Unternehmensbereichen, wie dem Rechnungswesen, waren in den vergangenen Jahren deutliche Zuwächse zu verzeichnen.[48] Damit jedoch in allen Unternehmensbereichen die Chancen des Business-Process-Outsourcings genutzt werden können, muss seitens der Unternehmen das klassische Firmenbild neu überdacht werden. Die Übergabe von Aufgabenbereichen muss als eine Erleichterung - eine Konzentration auf die Kernkompetenzen - und nicht als Kontrollverlust angesehen werden. Die Strategie “One-size-hts-all”, wie es in den USA erfolgreich umgesetzt wird, funktioniert in Deutschland derzeit bei weitem noch nicht. Es werden vielmehr intelligente und spezifische Lösungen nachgefragt. Diese Haltung macht es aber auch internationalen Outsourcing Anbietern schwer, da sie nicht wissen, wie sie mit dem deutschen Markt umgehen sollen.[49] Zusätzlich existieren Hürden, wie die Stigmatisierung von Auslandsverlagerungen in der Presse sowie nicht zu unterschätzende sprachliche Hürden zwischen deutschen und internationalen Unternehmen, weshalb weiterhin von einer langsameren Entwicklung im internationalen Vergleich ausgegangen werden muss.
Anhand der vorhergehenden Ausführungen wurde deutlich, dass es sehr gute Motive (siehe Kapitel 2.5) für das Offshoring von IT-Dienstleistungen gibt. Damit die häufig sehr hoch gesteckten Erwartungen auch erfüllt werden, müssen Unternehmen bereit sein, deutliche Neustrukturierungen in ihrem Unternehmen durchzusetzen. Neben dem Personalübergang und veränderten Rollen zwischen IT und Fachbereich gibt es eine Vielzahl an Veränderungen, die dem Unternehmen bei ihrem Offshoring-Vorhaben begegnen werden. Im IT-Offshoring hegen hohe Chancen, aber auch hohe Risiken. Deshalb betrachtet das folgende Kapitel diese genauer, um herauszufinden worauf Unternehmen ein genaues Augenmerk bei ihrem Auslagerungsvorhaben legen müssen. Auch wenn das Business-ProcessOutsourcing, wie bereits in Kapitel 2.6.2 beschrieben, in Deutschland noch in den “Kinderschuhen” steckt, soll es im Rahmen der Chancen- und Risikenanalyse ebenso Beachtung ünden, wie das IT-Offshoring von Teilprozessen. Nachdem in den vorherigen Ausführungen häufig von Motiven zur Konzentration auf das Kerngeschäft und zur Kosteneinsparung gesprochen wurde, erscheint es außerordentlich wichtig, auch auf die bestehenden Risiken hinzuweisen und diese genau zu untersuchen. Erfahrungsgemäß scheitern Unternehmen nicht an der Erreichung ihrer Ziele, sondern an der Vernachlässigung der vorhandenen Risiken, weshalb der Fokus der Betrachtung etwas stärker auf diesen hegen wird.
Die Verlagerung von IT-basierten Funktionsbereichen in Offshore gelegene Länder stellt für das beauftragende Unternehmen eine Vielzahl erschließbarer Nutzenpotenziale dar. Sowohl in der Literatur, als auch in der Praxis reichen die Beweggründe der Unternehmen von der Konzentration auf die Kernkompetenzen, über attraktive Kosteneinsparungen, höhere Flexibilität und Effizienz bis hin zu einer möglichen Reduzierung des Personalbedarfs im eigenen IT-Bereich.[50] Auch wenn in der Öffentlichkeit häufig nur das geringere Lohnniveau in Ländern wie Indien thematisiert wird, existiert eine Vielzahl von Chancen, die Unternehmen dazu bewegen das Thema Offshoring in Erwägung zu ziehen. Die Sichtweise in der Öffentlichkeit ist jedoch nicht vollkommen unbegründet. So zeigte sich im Rahmen einer Umfrage bei einem schweizerischen Versicherungskonzern und einem deutschen mittelständischen Chemieunternehmen, dass nicht die qualitativen Vorteile des nach CMMI Level 5 zertifizierten indischen IT-Service-Providers ausschlaggebend waren, sondern vor allem die finanziellen Chancen der Offshore-Verlagerung die wichtigste Rolle spielten.[51]
Wie bereits in Kapitel 2.5 beschrieben, erhoffen sich Unternehmen im Vergleich zur Onshore Verlagerung ihrer Prozesse, neben den deutlich höheren Einsparpotenzialen, aufgrund des geringen Lohnniveaus, am häufigsten eine höhere Flexibilität bei wirtschaftlichen Schwankungen durch die Verlagerung von Fixkosten in variable Kosten sowie eine Qualitätsverbesserung ihrer Prozesse durch den erleichterten Zugang zu hochqualifiziertem Personal. Neben diesen Kernmotiven für das Offshoring von IT-basierten Dienstleistungen ünden sich in der Literatur eine Vielzahl weiterer Chancen, die zumeist Schnittmengen der genannten Motive darstellen.(siehe Abbildung 2.4) Anhand der in der Literatur und bei Umfragen, unter großen international tätigen Unternehmen, angegebenen Motive lassen sich folgende Kategorien für die Betrachtung der Chancen festlegen:[52]
[...]
[1] Vgl. Söbbing (2006), S. 1.
[2] Vgl. Amberg/Wiener (2006), S. 1.
[3] Vgl. Hutzschenreuter (2007), S. 2.
[4] Vgl. Hoffmann, Daniela (2011).
[5] Vgl. Hoffmann, Daniela (2011).
[6] Vgl. Hutzschenreuter (2007), S. 2.
[7] Vgl. Kremp (2011).
[8] Duden: Das Fremdwörterbuch (2006), S. 722.
[9] Oxford Advanced Learner’s Dictionary (2012).
[10] Vgl. Hutzschenreuter (2007), S. 23.
[11] Vgl. Eckmüller, Forthmann (2012).
[12] Vgl. Hutzschenreuter (2007), S. 40f.
[13] Vgl. Hutzschenreuter (2007), S. 42.
[14] Vgl. Eckmüller, Forthmann (2012), S. 1.
[15] Vgl. Hutzschenreuter (2007), S. 43f.
[16] Vgl. Söbbing (2006), S. 3.
[17] Vgl. Schoder (2010), S. 871.
[18] Vgl. Söbbing (2006), S. 3.
[19] Vgl. Kreutter/Stadtmann (2009), S. 7ff.
[20] Vgl. Kreutter/Stadtmann (2009), S. 10.
[21] Vgl. Söbbing (2006), S. 6.
[22] Vgl. Söbbing (2006), S. 7.
[23] Vgl. Weber/Schaaf (2005), 5f.
[24] Vgl. Gadatsch (2006), S. 80f.
[25] Vgl. Allweyer (2004), S. 13.
[26] Vgl. Hutzschenreuter (2007), S. 26f, Amberg/Wiener (2006), S. 3.
[27] Vgl. Schaaf (2004).
[28] Vgl. Amberg/Wiener (2006), S. 19.
[29] Vgl. Hutzschenreuter (2007), S. 28/Schaaf (2004).
[30] Vgl. Boes/Schwemmle (2004), S. 19f.
[31] Vgl. Hutzschenreuter (2007), S. 24f.
[32] Vgl. Laudon/Schoder (2010), S. 911.
[33] Vgl. Factor (2001), S. 9.
[34] Vgl. Factor (2001), S. 14.
[35] Vgl. Laudon/Schoder (2010), S. 911.
[36] Vgl. Hutzschenreuter (2007), S. 66f.
[37] Vgl. Söbbing (2006), S. 5f.
[38] Vgl. Schaaf/Weber (2005), S. 5.
[39] Vgl. Buchta (2009), S. 188f.
[40] Vgl. Eckmüller/ Forthmann (2012), S. 1.
[41] Vgl. Buchta (2009), S. 186.
[42] Vgl. Stüssel (2010), S. 69.
[43] Vgl. Buchta (2009), S. 218.
[44] Vgl. Schlöhmer/Böttcher (2011), S.8.
[45] Vgl. Schaaf/Weber (2005), S. 7.
[46] Vgl. Hutzschenreuter (2007), S. 11, Abb. 6.
[47] Vgl. Dressier (2010), S. 1.
[48] Vgl. Dressier (2010), S. 2.
[49] Vgl. Dressier (2010), S. 9.
[50] Vgl. BITKOM (2005), S. 7.
[51] Vgl. Amberg/Wiener (2006), S. 38.
[52] Vgl. Gadatsch (2006), S. 54, Amberg/Wiener (2006), S. 38.
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