Masterarbeit, 2013
143 Seiten, Note: 1,5
I Tabellenverzeichnis
II Abbildungsverzeichnis
III Abkürzungsverzeichnis
0 Kurzbeschreibung
1 Einleitung
1.1 Kontext der Untersuchung
1.2 Problematik
1.3 Zielsetzung und Aufbau
2 Äußerer Bezugsrahmen: Gründerqualifizierung an Hochschulen
2.1 Wirtschafts- und hochschulpolitische Bedeutung
2.2 Rahmenbedingungen
2.2.1 Ebenenanalyse
2.2.2 Institutionenebene
2.2.3 Managementebene
2.2.4 Makroebene
2.2.5 Individualebene
2.3 Mikroebene
2.4 Kritische Betrachtung des äußeren Bezugsrahmens
3 Innerer Bezugsrahmen: Die Gründungsidee
3.1 Bedeutung und Definition von Gründungsideen
3.2 Quellen von Gründungsideen
3.3 Informell erworbenes Wissen - begriffliche Abgrenzung
3.4 Generierung von Gründungsideen aus informell erworbenem Wissen
3.5 Grenzen des inneren Bezugsrahmens
4 Zwischenfazit
5 Die Wissenswerkstatt
5.1 Begriffliche, historische und inhaltliche Abgrenzung
5.1.1 Zukunftswerkstatt
5.1.2 Lernstatt
5.1.3 Wissenswerkstatt
5.1.4 Abschließende Betrachtung
5.2 Ablauforganisation
5.2.1 Vorbereitungsphase
5.2.2 Beschwerde- und Kritikphase
5.2.3 Utopie- und Phantasiephase
5.2.4 Realisierungs- und Verwirklichungsphase
5.2.5 Nachbereitungsphase
5.3 Implementierung
5.3.1 Implementierungsphasen
5.3.2 Erfolgskontrolle
6 Abschließende Betrachtung
6.1 Kernpunkte der Konzeption
6.2 Grenzender Konzeption
6.3 Schlussfolgerungen
IV Literaturverzeichnis
V Anhang
Tab. 1: Gegenüberstellung der deklarierten Zielgruppe mit der realen Zusammensetzung der Veranstaltungsteilnehmer... 27
Tab. 2: Analyseergebnis Mikroebene... 33
Tab.3: Werkstattunterschiede.. 75
Tab. 4: Klassifizierung der Kreativitätstechniken.. 86
Tab. 5: Anwendungsbeispiele innerhalb der vier Formen der Wissenskommunikation... 88
Abb. 1 : Dauer der Selbständigkeitsepisode nach Hochschultyp des Gründers
Abb. 2: Erweitertes MMM-Modell einer Entrepreneurship Education an Hochschulen
Abb. 3: Strukturanalyse des Unterrichts
Abb. 4: Demografisches Profil fachhochschulischer Unternehmensgründungen
Abb. 5: Grundschema eines Innovationsprozesses
Abb. 6: Erweitertes allgemeines Verhaltensmodell
Abb. 7: Zusammenhang zwischen Wissen und Lernen
Abb. 8: Formelle, non-formelle und informelle Umgebungsbedingungen sowie explizites und implizites Lernen
Abb. 9: Vier Formen der Wissensumwandlung
Abb. 10: Der Weg zur Gründungsintention
Abb. 11: Der Ideenprozess bei Ausgründungen aus der Hochschule
Abb. 12: Beispiel eines Anforderungsprofils von einem Dozenten
Abb. 13: Didaktische Planungshilfe für die Beschwerde- und Kritikphase
Abb. 14: Didaktische Planungshilfe für die Utopie- und Phantasiephase
Abb. 15: Die Business Modell Canvas
Abb. 16: Didaktische Planungshilfe für die Realisierungs- und Verwirklichungsphase
Abb. 17: Phasen des Implementierungsprozesses
Abb. 18: Implementierungsschritte
Abb. 19: Beispiel-Gesprächsleitfaden
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die geringe Selbständigkeitsquote von Akademikern in Deutschland wird schon seit längerem von unabhängigen Experten diskutiert. Ein Diskussionspunkt ist die Anzahl der Unternehmensgründungen nach dem Besuch von hochschulischen Unterstützungsmaßnahmen für studentische Existenzgründer. Hier besteht eine hohe Diskrepanz zu der Zahl der Studenten, die diese Maßnahmen tatsächlich wahrnehmen. Die Ursache für diese Diskrepanz wird bisher in der Fachliteratur nur andeutungsweise aufgezeigt und führt u.a. zu folgenden Fragestellungen.
Was für Faktoren beeinflussen die an den Hochschulen angebotenen Maßnahmen zur Unterstützung von Existenzgründungen? Wie können bei den Studenten gute Gründungsideen generiert werden? Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang das informelle Wissen? Warum sollte zusätzlich zu den bestehenden Qualifizierungsmaßnahmen eine Wissenswerkstatt angewendet werden?
Eine Antwort auf alle diese Fragen liefert die vorliegende Masterarbeit. Sie enthält sowohl aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse als auch ausgewählte Modelle führender Wissenschaftler in den drei Fachbereichen Gründungsforschung, Wirtschaftspädagogik und Wissensmanagement, die im weiteren Verlauf der Arbeit sukzessiv miteinander verknüpft werden.
Anhand der zahlreichen Verknüpfungen der Fachgebiete untereinander werden derzeit noch bestehende Defizite innerhalb der Existenzgründerausbildung an Hochschulen aufgezeigt und ein theoretisch fundierter Denkansatz offengelegt, der das Potential besitzt, die Nachhaltigkeit der hochschulischen Qualifizierungsmaßnahmen zu unterstützen und perspektivisch die Selbständigkeitsquote von Akademikern in Deutschland anzuheben.
Die seit Ende der 1990er Jahre anhaltende Diskussion hinsichtlich der Notwendigkeit einer qualitativ hochwertigen Existenzgründerausbildung an Hochschulen rückt heute stärker denn je in den Fokus von Wirtschaft, Politik, Hochschule und Wissenschaft (vgl. Isfan & Moog 2003, S. 1/ Halbfas 2005, S. 1). Genauer gesagt nahm diese Entwicklung mit der Auflage von verschiedenen Förderprogrammen des damaligen Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, wie beispielsweise das Förderprogramm „EXIST - Existenzgründer aus Hochschulen“1, im Jahr 1997 ihren Anfang (vgl. Kulicke & Görisch & Stahlecker 2002, S. 1/ Schulte 2006, S. 2/ Halbfas 2005, S. 1). Infolge dessen wurden an vielen deutschen Hochschulen innerhalb kürzester Zeit entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen entwickelt, für deren Konzeptionierung weder auf bestehende Theorien noch auf entsprechende Praxisbeispiele zurückgegriffen werden konnte (vgl. Halbfas 2005, S. 2). Das Ergebnis ist bis heute eine Vielzahl von hochschulspezifischen Ansätzen unterschiedlichster Prägung (vgl. ebd., S. 2). Allgemein verstehen sich alle diese Ansätze derzeit jedoch als die Ausbildung von Individuen im Hinblick auf eine (spätere) Tätigkeit als unternehmerische Entscheidungsträger [...].“ (Schulte 2006, S. 3)
Mit dem Ziel, hohen Qualitätsansprüchen zu genügen, um die Erwartungen der Wirtschaft, Politik, Hochschule und Wissenschaft zu erfüllen, wird in letzter Zeit von einigen Wissenschaftlern (u.a. BRAUKMANN (2005), HALBFAS (2005), SCHULTE (2006)) vermehrt der Versuch unternommen, für eine derartige Qualifizierung ein theoretisches Fundament zu schaffen (vgl. Halbfas 2005, S. 2/ Schulte 2006, S. 5). Neben dem bereits genannten hohen Qualitätsanspruch existiert jedoch noch ein weiterer wesentlicher Grund für die zunehmende wissenschaftliche Betrachtung der Existenzgründerqualifizierung an Hochschulen.
Die Selbständigkeitsquote, insbesondere die von Akademikern) liegt in Deutschland weit unter dem internationalen Durchschnitt (vgl. Schulte 2006, S. 4). Maßgeblich für diese Aussage sind Veröffentlichungen des internationalen Forschungsprojektes „Global Entrepreneurship Monitor“. In ihrem Länderbericht für Deutschland aus dem Jahr 2002 offenbarten sie eine Gründungsaktivität von rund 5,2 Prozent (vgl. Sternberg & Bergmann 2003, S. 13f.). Diese Aktivität ist um etwa ein Siebtel geringer als in vergleichbaren Ländern in West-, Süd- bzw. Nordeuropa (vgl. ebd., S. 13f.). Gemessen wird die Gründungsaktivität (Total Early-Stage Entrepreneurial Activity, kurz: TEA2 ) anhand des prozentualen Anteils der Personen, die zum Erhebungszeitpunkt ein Unternehmen gründen wollen oder innerhalb der vergangenen dreieinhalb Jahre ein Unternehmen gegründet haben, gegenüber allen anderen Personen im erwerbsfähigen Alter (vgl. ebd., S. 10). In Bezug auf deutsche Hochschulen kommen unabhängige Experten gegenwärtig zu dem Schluss, dass die Situation der Existenzgründerqualifizierung für Akademiker eher ungünstig ist (vgl. ebd., S. 29f.). Unter anderen ist ein Grund für diese Einschätzung die bisher geringe Vermittlung von praxisnahen gründungsbezogenen Kenntnissen (vgl. ebd. S. 30). Zudem wird seitens des Bundesministeriums für Bildung und Forschung kritisiert, dass eine große Zahl an Studenten von den entsprechenden Unterstützungsangeboten an der Hochschule noch immer nicht erreicht wird (vgl. BMBF 2008, S. 66). Gründe für diesen Zustand werden vom Ministerium jedoch nicht genannt. Im internationalen Vergleich ist Deutschland aufgrund der vielen verschiedenen Einschätzungen von Experten auf der Rangliste im unteren Drittel zu finden (vgl. Sternberg & Bergmann 2003, S. 29f.). Selbst im Jahr 2010 wurde die ungünstige Situation der gründungsbezogenen Ausbildung an Hochschulen erneut als große Schwäche Deutschlands angeprangert (vgl. Brixy & Hundt & Sternberg & Vorderwülbecke 2011, S. 34). Entsprechend gravierend ist auch der Rückgang der Gründeraktivität von Personen im Alter zwischen 18 und 24 Jahren (vgl. ebd., S 15). Dieser Personenkreis ist deshalb interessant, weil das Durchschnittsalter der deutschen Studentenschaft bei 23,6 Jahren liegt (vgl. Kutsch 2010, S. 228). Ergebnis des Länderberichtes von 2010 ist eine derzeitige Selbständigkeitsquote von 4,5 Prozent bei Personen im Alter zwischen 18 und 24 Jahren gegenüber einer Selbständigkeitsquote von 14 Prozent im Jahr 2002 (vgl. Brixy et. al. 2011, S. 15.). Deutschland liegt damit derzeit vor Südkorea auf dem vorletzten Platz von insgesamt 22 an der Untersuchung teilnehmenden Ländern weltweit (vgl. ebd., S. 14).
SCHULTE (2006) vermutet als Grund für diesen Zustand Defizite bei den Einsatzfaktoren oder im Prozessablauf (vgl. Schulte 2006, S. 4). Da die Ergebnisse des Global Entrepreneurship Monitors im Jahr 2010 zeigen, dass in Deutschland die Qualität der einzelnen z.T. aufeinander aufbauenden Qualifizierungsmaßnahmen mittlerweile international als überdurchschnittlich eingestuft wird (vgl. Brixy et al. 2011, S. 6), ist davon auszugehen, dass die Defizite an einer anderen Stelle und damit vermutlich eher bei den sogenannten „Einsatzfaktoren“ zu verorten sind.
An diesem Punkt setzt die vorliegende Forschungsarbeit an. Sie hat das Ziel, sämtliche Einsatzfaktoren (Rahmenbedingungen) ausfindig zu machen, um die derzeit bestehenden Defizite weiter einzugrenzen. Dabei wird vermutet, dass ein wesentliches Defizit darin besteht, dass der Ideenprozess innerhalb der Existenzgründerqualifizierung an deutschen Hochschulen nicht ausreichend Beachtung findet.
Die Relevanz für die Bearbeitung der Thematik liegt folglich sowohl in ihrer Aktualität als auch in ihrer hohen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung begründet. Dennoch lassen sich nach einer eingehenden Literaturrecherche nur vereinzelte Forschungsarbeiten ausfindig machen. So ist zum einen die betriebswirtschaftliche Literatur zur Existenzgründerausbildung von Studenten äußerst rar und zum anderen finden sich auch in der wirtschaftsdidaktischen bzw. -pädagogischen Literatur kaum Ansatzpunkte. SCHULTE (2006) weist sogar explizit darauf hin, dass beide Wissenschaftszweige (Existenzgründerausbildung und Wirtschaftspädagogik) nahezu unverbunden nebeneinander stehen (vgl. Schulte 2006, S. 5f.).
Diese Situation deutet, in Bezug auf die äußerst geringe Selbständigkeitsquote von Studenten an deutschen Hochschulen, auf ein wissenschaftliches Desiderat hin, welches es anhand einer fächerübergreifenden Betrachtung zu schließen gilt.
Die vorliegende Forschungsarbeit bildet im weiteren Verlauf eine Schnittstelle zwischen den drei Wissenschaftsbereichen Gründungsforschung, Wirtschaftspädagogik und Wissensmanagement. Genauer gesagt wird bei der Gründungsforschung ausschließlich auf die Existenzgründerqualifizierung an Hochschulen eingegangen und sich auf die Zielgruppe „Studenten“ beschränkt. Für den Wissenschaftsbereich Gründungsforschung soll das erweiterte MMM-Modell von HALBFAS (2005) verwendet werden. Es dient als Grundlage für die Verortung der Forschungsarbeit und zur Identifikation der Einflussfaktoren. Im Bereich der Wirtschaftspädagogik wird speziell auf das Berliner Modell von HEIMANN, OTTO und SCHULZ (1965) zur Unterrichtsausgestaltung Bezug genommen und der Innovationsprozess von VAHS und BURMESTER (1999) näher beleuchtet. Die Erläuterung der beiden Ansätze dient dem Verständnis und soll derzeitig bestehende Defizite aufzeigen. Abschließend tangiert die Forschungsarbeit noch den Bereich des Wissensmanagements, da für ein besseres Verständnis der kognitiven Prozesse das SECI-Modell von NONAKA und TAKEUCHI (1997) unterstützend herangezogen wurde.
Die Ausarbeitung einer rein theoretischen Forschungsarbeit ist u.a. darauf zurückzuführen, dass fächerübergreifende Arbeiten in diesem Forschungsfeld dringend für den Aufbau eines theoretischen Fundaments benötigt werden und daher erwünscht sind. Denn gerade die Verschränkung von Theorien unterschiedlicher Fachrichtungen bringt neue Erkenntnisse hervor, die für weitere Forschungsarbeiten genutzt werden können. Der geringe Fachliteraturbestand in diesem Wissenschaftsbereich stellt jedoch eine große Herausforderung für eine tiefgründige Bearbeitung der Thematik dar.
Zudem soll im weiteren Verlauf die „Wissenswerkstatt“ als Lösung für ein vermutetes Defizit vorgestellt werden, welche in diesem Rahmen in Deutschland noch keine Anwendung findet. Folglich existieren derzeit auch keine Erfahrungs- oder Forschungsberichte, auf die bei der Bearbeitung zurückgegriffen werden kann. Bedauerlicherweise ergab sich auch während des Bearbeitungszeitraums aufgrund eines fehlenden Praxispartners nicht die Möglichkeit, die Veranstaltungsform zu testen. Eine rein theoretische Ausarbeitung dieses Bestandteils war daher unumgänglich und konstitutiv.
Problematisch ist in diesem Zusammenhang folglich neben der Verschränkung der einzelnen Fachgebiete auch die Recherche nach eingehender wissenschaftlicher Literatur und die damit verbundene Beantwortung der nachfolgend aufgeführten Forschungsfragen.
Entsprechend der vorangehenden Erläuterungen wurde ersichtlich, dass der derzeitige Forschungsbestand zum Thema Existenzgründerqualifizierung an deutschen Hochschulen fächerübergreifend nur gering ausgeprägt ist. Primäres Ziel der vorliegenden Arbeit ist demnach, den bisherigen Bestand an Forschungsliteratur in den Wissenschaftsbereichen Gründungsforschung, Wirtschaftspädagogik und Wissensmanagement zu erweitern und neue praxisrelevante Erkenntnisse zu generieren. Der Fokus liegt dabei sowohl auf der Analyse der Rahmenbedingungen derartiger Qualifizierungsangebote als auch auf dem Prozess der Ideengenerierung, um ein mögliches Defizit besser zu lokalisieren. Kann das bisher vermutete Defizit lokalisiert werden, soll mithilfe der Veranstaltungsform „Wissenswerkstatt“ ein Beitrag dazu geleistet werden, dieses aufzulösen.
Im weiteren Verlauf der Arbeit gilt es demnach folgende Forschungsfragen im Detail zu klären:
F I: In welcher Form und unter welchen Rahmenbedingungen werden derzeit Studenten an deutschen Hochschulen hinsichtlich einer Existenzgründung qualifiziert?
F II: In welchem Ausmaß wird innerhalb dieser Qualifizierungsangebote die Intention, den Ideenprozess eines Menschen anzuregen, verfolgt?
F III: Inwieweit könnte eine Wissenswerkstatt den Ideenprozess im Rahmen der Existenzgründerqualifizierung an Hochschulen anregen und unterstützen?
Für die Beantwortung der Forschungsfragen wurden mehrere theoretische Ausarbeitungen führender Wissenschaftler (u.a. HEIMANN & OTTO & SCHULZ (1965), NONAKA & TAKEUCHI (1997), VAHS & BURMESTER (1999), HALBFAS (2005)) in dem jeweiligen Fachgebiet herangezogen und kritisch hinterfragt. Eine empirische Überprüfung konnte aus den eingangs genannten Gründen jedoch nicht durchgeführt werden und wird daher für weitere Forschungsvorhaben in Aussicht gestellt.
Die vorliegende Forschungsarbeit wurde daraufhin in zwei Schwerpunkte, einen theoretisch-definitorischen und einen praxisorientierten, untergliedert. Der theoretisch- definitorische Schwerpunkt liegt bei der Erläuterung des äußeren und inneren Bezugsrahmens der Existenzgründerqualifizierung an Hochschulen. Praxisorientiert liegt der Schwerpunkt hingegen bei der theoretischen Konzeption, Implementierung und Erfolgskontrolle einer Wissenswerkstatt. Entsprechend diesen Überlegungen wurde der Aufbau dieser Arbeit folgendermaßen gestaltet.
Eine Einführung in die Thematik der Existenzgründerqualifizierung an deutschen Hochschulen soll das nachfolgende Kapitel (Kapitel 2) darstellen. Dabei wird besonders auf deren Bedeutung und die bestehenden Rahmenbedingungen eingegangen. Erste, derzeit noch bestehende Defizite (kritische Betrachtung) werden in diesem Kapitel anhand der zuvor durchgeführten Analyse der Zielgruppe „Student“ ersichtlich, die auf Veröffentlichungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des Bundesministeriums fürWirtschaft und Technologie beruhen.
Es folgt in Kapitel 3 eine ausführliche Darstellung des Ideenprozesses. Angefangen bei der Bedeutung und Definition von Gründungsideen, wird im weiteren Verlauf besonders auf die Ideenquellen und den Ideenprozess eingegangen. Eine abschließende kritische Betrachtung des Ideenprozesses in Bezug auf die Existenzgründerqualifizierung an deutschen Hochschulen rundet die Thematik inhaltlich ab. Des Weiteren kann in diesem Zusammenhang auf weitere derzeit noch bestehende Defizite verwiesen werden.
Um einen harmonischen Übergang zwischen dem theoretisch-definitorischen und dem praxisorientierten Schwerpunkt zu schaffen, werden die bisher gewonnenen Erkenntnisse in einem Zwischenfazit (Kapitel 4) zur Beantwortung der ersten Forschungsfragen herangezogen und die noch zu klärenden Fragen in Aussicht gestellt.
In Kapitel 5 wird daraufhin die Wissenswerkstatt begrifflich, historisch und inhaltlich von anderen Werkstatttypen abgegrenzt und anschließend explizit für den Einsatz bei der Existenzgründerqualifizierung an deutschen Hochschulen konzipiert. Darüber hinaus finden sich in diesem Kapitel Ansätze für eine erfolgreiche Implementierung von Wissenswerkstätten und deren Erfolgskontrolle.
Im Anschluss an diese Darstellung werden in Kapitel 6 die eingangs formulierten Forschungsfragen beantwortet. Dafür werden die wichtigsten Punkte der Konzeption noch einmal zusammengetragen und kritisch betrachtet. Die daraus resultierenden Schlussfolgerungen beinhalten u.a. Anknüpfungspunkte für weitere wissenschaftliche Untersuchungen.
Existenzgründungen von Akademikern gewinnen seit den 1990er Jahren sowohl in der Fachliteratur der Wirtschaft als auch in der Fachliteratur der Politik zunehmend an Bedeutung (vgl. Isfan & Moog 2003, S. 1/ Halbfas 2005, S. 1). Doch was sind die Gründe dafür, dass ihnen diese Aufmerksamkeit zu Teil wird?
Wirtschaftspolitisch gesehen sind Existenzgründungen vor allem aufgrund ihrer positiven Arbeitsmarktstimulierung und ihrem Beitrag zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum von Interesse (vgl. Stevenson & Lundström 2001, S. 41). So leisten sie einen wesentlichen Beitrag zur Regionalentwicklung, ermöglichen Innovationen und führen zu einer Einkommenssteigerung durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze (vgl. ebd., S. 41). Staatliche Förderprogramme, wie beispielsweise EXIST aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (kurz: ESF) und der Europäischen Union, unterstützen diese Entwicklung, obwohl bisher nur wenige gesicherte Erkenntnisse von Seiten der Gründungsforschung existieren (vgl. Fritsch & Grotz 2004, S. 1).
Das liegt u.a. an der relativ beschränkten Datenlage. So kann zwar eine grobe Abschätzung der Gründungen in Deutschland mittels der Statistik für sozialversicherungspflichtige Beschäftigte, der Umsatzsteuerstatistik und der Gewerbemeldestatistik vorgenommen werden, allerdings neigen sie laut Aussage von ISFAN & MOOG (2003) zu Verzerrungen (vgl. Isfan & Moog 2003, S. 18). In der Statistik für sozialversicherungspflichtige Beschäftigte sind beispielsweise keine Unternehmen enthalten, die ohne Angestellte geführt werden, was gerade bei Neugründungen in der Anfangsphase relativ häufig der Fall ist. Bei der Umsatzsteuerstatistik sieht die Lage ähnlich aus. Auch hier fehlen die Kleinstgründungen sowie einige freie Berufe. Zudem liegen die erhobenen Daten zurZeit der Veröffentlichung meist zwei bis drei Jahre zurück, sodass eine zeitnahe Betrachtung von vornherein ausgeschlossen ist. Eine zeitnahe Wiedergabe findet sich hingegen bei der Gewerbemeldestatistik. Sie enthält allerdings Doppelzählungen, da auch Unternehmensumstrukturierungen oder eine Änderung der Eigentumsverhältnisse in die Statistik aufgenommen werden. Außerdem erfasst die Statistik auch Gewerbeanmeldungen, bei denen im Anschluss keine unternehmerische Tätigkeit aufgenommen wird (sogenannte unechte Gründungen) und berücksichtigt nicht den Bildungsstand der Gründer (vgl. ebd., S. 18ff.).
Trotz der schwierigen Datenlage ist es jedoch mithilfe des KfW/ ZEW-Grünungspanels möglich, einen Einblick in den Qualifikationshintergrund der Gründer zu erhalten. Demnach besitzt der Großteil der Existenzgründer in Deutschland einen Lehrabschluss. Von allen Existenzgründern macht dieser Personenkreis 42,6 Prozent aus. Zweitgrößter Personenkreis, mit 31,4 Prozent, sind Gründer mit einem akademischen Hintergrund, dicht gefolgt von 21,5 Prozent der Gründer mit einem Meisterabschluss bzw. einem Abschluss an einer Berufsakademie. Lediglich 4,5 Prozent aller Gründer besitzen keinen berufsqualifizierenden Abschluss (vgl. KFW/ ZEW-Gründerpanel 2009, S. 82).
Der relativ große Anteil an Existenzgründern mit einem akademischen Hintergrund ist auf einen Paradigmenwechsel an den Hochschulen innerhalb der letzten Jahrzehnte zurückzuführen (vgl. Zanger & Geißler 2010, S. 1). Seit den 1990er Jahren wurden an den meisten deutschen Hochschulen zunehmend Strukturen entwickelt, die das Gründungspotential von Studenten, Absolventen, wissenschaftlichen Mitarbeitern und anderen hochschulnahen Personen aufgreifen und fördern (vgl. Hoppe 2009, S. 3). Hintergrund dieses Bedeutungszuwachses ist die steigende Zahl an Erfolgsgeschichten von Hochschulgründungen.
So belegt beispielsweise eine Studie des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung (kurz: NIW) aus dem Jahr 2007, dass die Beschäftigungsentwicklung bei wissensintensiven Wirtschaftszweigen deutlich positiver ausfällt als bei nicht wissensintensiven Wirtschaftszweigen. Hinter dem Cluster „wissensintensive Wirtschaftszweige“ stehen Unternehmen, bei denen das „Wissen“ des Personals überdurchschnittlich hoch ist. Sie werden anhand der Qualifikation des Personals (z.B. Akademiker) und ihrer Funktion im Unternehmen (z.B. Forschung, Entwicklung, Konstruktion) ermittelt (vgl. NIW 2007, S. 2). Die Studie weist aus, dass seit 1999 die Mitarbeiterzahl in nicht wissensintensiven Wirtschaftszweigen kontinuierlich abnimmt (vgl. ebd., S. 17). Wissensintensive Wirtschaftszweige können hingegen im selben Betrachtungszeitraum einen jährlichen Mitarbeiterzuwachs von durchschnittlich fünf bis sieben Prozent für sich verbuchen (vgl. ebd., S. 17). Eine Befragung von mehr als 1.000 Technologieunternehmen im Jahr 2006 untermauert die Ergebnisse und führt zudem an, dass rund 70 Prozent der Unternehmensgründer dieser Unternehmen einen akademischen Hintergrund besitzen (vgl. Niefert & Metzger & Heger & Licht 2006, S. 23).
Folglich ist davon auszugehen, dass es sich bei den wissensintensiven Wirtschaftszweigen um Unternehmen handelt, bei denen die Gründer mehrheitlich einen akademischen Hintergrund besitzen und die einen kontinuierlichen Beschäftigungszuwachs erzielen.
Eine Unterscheidung der Qualifikation hinsichtlich eines universitären oder fachhochschulischen Abschlusses erfolgte in dieser Studie jedoch nicht.
Anders sieht das bei einer Untersuchung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) aus dem Jahr 2008 aus. Es beschäftigte sich u.a. mit der Nachhaltigkeit von Unternehmensgründungen aus der Hochschule und zeigte eine weitere Erfolgsgeschichte.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Dauer der Selbständigkeitsepisode nach Hochschultyp des Gründers (in Anlehnung an BMWi 2008, S. 14)
Im Rahmen dieser Untersuchung konnte festgestellt werden, dass über einen Zeitraum von 20 Jahren eine deutlich höhere kumulierte Verbleiberate von den Unternehmen existiert, bei denen die Gründer einen Universitäts- bzw. Fachhochschulabschluss besitzen. Die Abbildung 1 verdeutlicht noch einmal die Ergebnisse der Untersuchung. Auf der Ordinate findet sich die kumulierte Verbleiberate in Prozent und die Abszisse zeigt die Jahre, die seit der Existenzgründung vergangen sind und das Unternehmen in den Markt eingetreten ist. Der jeweilige Qualifikationshintergrund der Gründer ist in drei verschiedenen Graustufen dargestellt und in der Legende näher erläutert. Zudem hat der Verfasser diejenigen Zeitpunkte, auf die in diesem Zusammenhang gleich näher eingegangen wird, der besseren Lesbarkeit halber eingekreist.
So zeigt sich der erste deutliche Unterschied zwischen den Existenzgründern mit und ohne Hochschulabschluss bereits nach den ersten drei Jahren. Die Zahl der Unternehmen ohne akademischen Hintergrund hat sich nach diesem Zeitraum bereits mehr als halbiert. Ihre Verbleiberate liegt bei rund 45 Prozent und baut sich im weiteren Verlauf weiter aus (vgl. BMWi 2008, S. 14). Im Vergleich dazu sind nach drei Jahren noch rund 50 bis 55 Prozent der Unternehmen am Markt, die von Akademikern gegründet wurden (vgl. ebd., S. 14). Bis zu zehn Jahre nach der Gründung verlaufen die Verbleiberaten von Gründern mit Fachhochschul- und Universitätsabschluss relativ gleich. Ab da zeigt sich allerdings auch hier ein Unterschied, der sich im weiteren Verlauf immer weiter ausbaut (vgl. ebd., S. 14). Nach 20 Jahren wird das Ausmaß dieser Entwicklungen am deutlichsten (vgl. ebd., S. 14). Von den anfänglichen 100 Prozent Existenzgründungen sind nach 20 Jahren durchschnittlich nur noch rund 21 Prozent am Markt. Rund zehn Prozent der Unternehmen mit Gründern ohne Hochschulabschluss, rund 22 Prozent der Unternehmen mit Gründern, die einen Fachhochschulabschluss besitzen und rund 32 Prozent der Unternehmen mit Gründern, die einen Universitätsabschluss besitzen, haben sich durchsetzen können (vgl. ebd., S. 14). Allerdings bleibt anzumerken, dass die Gründe für die Aufgabe des Unternehmens (z.B. Krankheit, Übernahme, Tod) aus der Untersuchung des BMWi (2008) nicht hervorgehen. Dennoch ist festzuhalten, dass sich Unternehmen mit hochqualifizierten Gründern deutlich länger am Markt behaupten können als Gründer ohne Hochschulabschluss. Es verwundert daher nicht, dass dem Gründungsgeschehen an deutschen Hochschulen zunehmend, auch von politischer Seite, mehr Bedeutung beigemessen wird.
Für den Paradigmenwechsel sind jedoch nicht nur die Erfolgsgeschichten allein ausschlaggebend. HALBFAS (2005) weißt explizit darauf hin, dass auch die Hochschulen einem internationalen Wettbewerbsdruck untereinander ausgesetzt sind und der steigende Finanzbedarf dazu führt, dass verstärkt Drittmittel eingeworben werden müssen (vgl. Halbfas 2005, S.41ff.). Bemessungsgrundlage für diese Drittmittel ist die Gründungsquote der jeweiligen Hochschule (vgl. Braukmann 2000, S. 246). Zudem besteht mit den Ausgründungen aus der Hochschule die Aussicht auf künftige Kooperationen, die wieder einen refinanzierenden Charakter haben könnten (vgl. Halbfas 2005, S. 44).
Denkbar wäre auch, dass entsprechend der Anzahl an erfolgreichen Gründungen von Studenten die Hochschule einen Imagegewinn erfährt. Der damit verbundene gesteigerte Bekanntheitsgrad könnte beispielsweise dazu führen, dass sich mehr Studenten immatrikulieren, sich neue Unternehmen und/ oder Forschungseinrichtungen in der Region niederlassen und die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit anderen Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Netzwerken etc. ausgebaut werden kann.
Wie anhand der Studie des NIW (2007), der Untersuchung des BMWi (2008) und den Ausführungen von HALBFAS (2005) in ihrer Dissertation gezeigt werden konnte, existiert ein ganzes Bündel an Gründen, warum Ausgründungen aus der Hochschule derzeitig eine vergleichsweise hohe Aufmerksamkeit genießen. Doch reichen die bisherigen Ausführungen aus, um die Komplexität der Thematik in seiner Gesamtheit zu erfassen? Existieren nicht noch weitere wichtige Faktoren und Rahmenbedingungen? Was ist noch ausschlaggebend für diese Erfolgsgeschichten?
Die exakte Aufführung der Rahmenbedingungen von unterstützenden Existenzgründungsangeboten an Hochschulen für Studenten stellt für die weitere Analyse ein unverzichtbares Element dar. Nur so kann das vermutete Defizit aufgezeigt und nachgewiesen werden. Zudem dient dieser Abschnitt der Verortung der vorliegenden Forschungsarbeit.
Einen sehr detaillierten wirtschaftspädagogischen und -didaktischen Einblick hinsichtlich der Rahmenbedingungen von Existenzgründungsveranstaltungen an Hochschulen liefert HALBFAS (2005) in ihrer Dissertation „Entrepreneurship Education an Hochschulen“. Sie entwickelte anhand einer mehrjährigen Analyse einen Ansatz für ein Gesamtmodell der Unternehmerausbildung an Hochschulen. Mit ihrem Modellansatz lehnt sich HALBFAS (2005) an das theoretische Referenzmodell MIMMI3 von BRAUKMANN (1993) und der integrierten didaktischen Modellierung von DITTMAR (2001) an (vgl. Halbfas 2005, S. 357ff.). Das Ergebnis ist ein komplexes und zugleich logisches Konstrukt, was die Qualifizierungsangebote für Gründungsinteressierte an der Hochschule anhand von sechs definitorisch abgegrenzten Ebenen sehr gut abbildet. Die Bezeichnung „erweitertes MMM- Modell“ ist auf die drei Ebenen der wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen, die Institutionenebene und die Individualebene bezogen, welche das ursprüngliche MMM-Modell (Akronym für Mirko-, Makro- und Managementebene) vervollständigen (vgl. Halbfas 2005, S. 370f.). Nachfolgend sollen die einzelnen Ebenen dieses Modells von außen nach innen kurz vorgestellt und daraufhin aufbauend später noch einmal im Detail beschrieben werden. Dieser Schritt ist notwendig, um die Komplexität der Forschungsproblematik zu reduzieren und die Thematik wissenschaftlich zu verorten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Erweitertes MMM-Modell einer Entrepreneurship Education an Hochschulen (Halbfas 2005, S. 372)
Laut den Äußerungen von HALBFAS (2005) umfasst die Ebene der wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen alle Gegebenheiten, die für sämtliche Hochschulen gelten und über die einer einzelnen Institution hinaus gehen (vgl. Halbfas 2005, S. 371). Dementsprechend können die Ausführungen aus dem vorherigen Kapitel dieser Ebene zugeschrieben werden.
Die Ebene der Institutionen umfassen die rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen der jeweiligen Institution (vgl. Halbfas 2005, S. 371)
Eine Ebene darunter befindet sich die Managementebene. Sie enthält alle Faktoren, die mittelbar das Lehr-/ Lerngeschehen betreffen und deren Ausgestaltung einer dauerhaften und nachhaltigen Etablierung einer sensibilisierenden und qualifizierenden Entrepreneurship dienen soll.“ (Halbfas 2005, S. 364)
Gemeint sind hier speziell das Akquisitions- und Ersterschließungsmanagement, Begleitmanagement, Bindungsmanagement, Verankerungsmanagement, Netzwerk- und Kooperationsmanagement sowie das Dozentenmanagement (vgl. Halbfas 2005, S. 365ff.).
Noch mehr im Detail betrachtet, finden sich in der makrodidaktischen Ebene die Faktoren,
,,[...] die für die Durchführung einer gründungsbezogenen Veranstaltung im Rahmen der Institution Hochschule notwendig sind (unmittelbare Rahmenbedingungen).“ (Halbfas 2005, S. 362)
Im Detail sind das die Faktorkomplexe Veranstaltungsort und -raum, Veranstaltungszeit und -dauer, Dozent und summative Lehr-/ Lernkontrolle (vgl. Halbfas 2005, S. 362).
Im Kern des Modells hat HALBFAS (2005) die mikrodidaktische Ebene angesiedelt. Sie bezieht sich entsprechend der Abbildung 2 auf die unmittelbare Planung, Durchführung und Kontrolle des Lehr-/ Lerngeschehens (vgl. Halbfas 2005, S. 360). Hier wird die lerntheoretische Didaktik (Berliner Modell) zur Strukturierung von Unterricht, die formative Lehr-/ Lernkontrolle und der Charakter der Lehr-/ Lernsituation näher betrachtet (vgl. ebd., S. 360).
Um das Modell in seiner Konzeption vollständig abzurunden wurde von Halbfas (2005) zusätzlich noch die Individualebene integriert. Sie enthält die individuellen gründungsbezogenen Voraussetzungen der Teilnehmer. Damit sind die individuellen Lernvoraussetzungen, Lebensbiografien, Sozialisationsgeschichten, Persönlichkeitsentwicklung und Identitätsbildung, Gründungsneigung und das Lernverhalten gemeint (vgl. Halbfas 2005, S. 370).
Um ein besseres Verständnis für diese Strukturierung (Ebenenbildung) zu erhalten, werden die einzelnen Ebenen nachfolgend noch einmal detaillierter erläutert.
An dieser Stelle seien zunächst zwei grundlegende Fragen an den Anfang gestellt. Ist „Unternehmertum“ erlernbar? Und ist es überhaupt die Aufgabe einer Hochschule, auf eine unternehmerische Selbständigkeit der Studenten vorzubereiten?
Die erste Frage wird in der Tat in der Wissenschaft sehr heftig diskutiert. Die Auffassungen reichen vom „geborenen Unternehmer“, über eine Komplexität des Kompetenzspektrums, was nicht vollständig gelehrt und gelernt werden kann, bis hin zu der Grundannahme, dass mithilfe didaktischen Handelns alles lehr-/ lernbar ist (vgl. Timmons 1999, S. 47f./ Klandt 1999, S. 245/ Beer 2000, S. 168 ff./ Halbfas 2005, S. 245). Eine Umfrage von Hills aus dem Jahr 1988 lieferte in diesem Fall interessante Erkenntnisse, denn 93 Prozent der Gründungsexperten aus dem Hochschulumfeld gaben an, dass Unternehmertum lehrbar ist (vgl. Hills 1988, S. 114). Demnach war nahezu jeder Proband davon überzeugt, dass Denkstrukturen und Kompetenzen erlernbar sind. Mittlerweile scheint sich auch in der Wissenschaft eine der oben aufgeführten Auffassungen durchzusetzen. Laut der Analyse von HALBFAS (2005) wird in der wissenschaftlichen Literatur derzeit von einer teilweisen Erlernbarkeit des Unternehmertums ausgegangen (vgl. Halbfas 2005, S. 246).
Hinsichtlich der Frage, ob es überhaupt die Aufgabe der Hochschule ist auf eine unternehmerische Selbständigkeit der Studenten vorzubereiten, konnte folgendes aufgezeigt werden:
Im Hochschulrahmengesetz (kurz: HRG) aus dem Jahr 1976, welches im Jahr 2007 bisher letztmalig geändert wurde, finden sich in § 2 HRG insgesamt neun Aufgaben der Hochschule. Der Vollständigkeit halber seien sie an dieser Stelle aufgeführt.
(1) Pflege und Entwicklung der Wissenschaft und der Künste sowie die Vorbereitung auf künftige berufliche Tätigkeiten der Studierenden
(2) Förderung des wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses
(3) Förderung der Personalweiterbildung
(4) Soziale Förderung der Studierenden
(5) Förderung des internationalen Austausches und der Zusammenarbeit im Hochschulbereich
(6) Zusammenarbeit mit anderen staatlichen und staatlich geförderten Forschungs- und Bildungseinrichtungen
(7) Förderung des Wissens- und Technologietransfers
(8) Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Erfüllung ihrer Aufgaben
(9) Einhaltung der landesspezifischen Aufgabenstellungen
Wie gut zu erkennen ist, scheint es auf Bundesebene nicht explizit die Aufgabe der Hochschulen zu sein, auf die Thematik der unternehmerischen Selbständigkeit der Studenten einzugehen. Sie sollen die Studenten lediglich auf berufliche Tätigkeiten [...], die die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und wissenschaftlicher Methoden erfordern. “ (§ 2 Abs. 1 Satz 2 HRG) vorbereiten. Implizit wäre diese Aufgabe jedoch zu vermuten. Ein beispielhafter Blick in ein länderspezifisches Hochschulgesetz (hier das Hochschulgesetz des Landes SachsenAnhalt (kurz: HSG LSA)) soll weitere Erkenntnisse liefern.
Doch auch hier (HSG LSA) finden sich in der aktuellen Fassung von 2010 in § 3 HSG LSA keine eindeutigen Aussagen zu der Aufgabe, Studenten auf die Selbständigkeit vorzubereiten, obwohl die Anzahl der Aufgaben von neun (Bundesebene) auf vierzehn (Landesebene) gestiegen ist (vgl. § 3 HSG LSA). Ferner finden sich in § 6 HSG LSA mit dem Titel Ziel des Studiums lediglich die Aussagen, dass die Studenten zu einem selbständigen Denken und verantwortungsvollen Handeln zu befähigen sind, sodass eine Grundlage für ihre berufliche Entwicklung und eigenverantwortliche Weiterbildung geschaffen wird (vgl. § 6 Satz 1 und 2 HSG LSA).
Doch selbständiges Denken und verantwortungsvolles Handeln implizieren noch keine unternehmerische Selbständigkeit. Vielmehr handelt es sich hier um Eigenschaften einer Person, die im Berufsalltag Grundvoraussetzung für eine Einstellung sind, als um Führungs- und Managementeigenschaften, die durch Unterstützungsangebote gefördert werden können. Selbst in § 34 Abs. 2 HSG LSA, bei dem es um die Aufgaben der Professorinnen und Professoren geht, finden sich keine expliziten Angaben. Folglich ist davon auszugehen, dass die bereits bestehenden und sich ständig weiterentwickelnden Qualifizierungs- und Unterstützungsangebote der Hochschulen eine wirtschaftlich bedeutende Zusatzleistung an die Studenten darstellen. Die Entscheidung für oder gegen diese Zusatzleistung sowie ihre Ausgestaltung liegt demnach im Ermessen der jeweiligen Hochschule.
Diese Thematik hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (kurz: BMBF) in einer Studie im Jahr 2006 aufgegriffen und befragte über 15.000 Studenten an 37 deutschen Hochschulen. Es stellte sich heraus, dass rund % der Studenten an einer Fachhochschule der Meinung sind, dass es sich hierbei um eine Aufgabe aller Hochschulen handelt. Nur % geht vom Gegenteil aus. Nahezu der gleichen Auffassung sind Studenten an einer Universität. Rund % vertreten die Ansicht, dass die Ausbildung zur unternehmerischen Selbständigkeit eine Aufgabe aller Hochschulen ist. Lediglich V3 sieht das anders (vgl. BMBF 2008, S. 65).
Doch nicht nur die Studenten sind der Auffassung, dass es eine Aufgabe der Hochschule sein sollte, auf die unternehmerische Selbständigkeit vorzubereiten. Auch in der Wissenschaft stößt diese Thematik auf positive Resonanz. JAHNKE und HAERTEL (2010) argumentieren in ihrer Publikation:
„So reicht es nicht aus zu lernen, wie man Fachwissen erwirbt, reproduziert, anwendet oder ggf. reflektiert. Vielmehr müssen Studierende auch lernen über das Spektrum vorhandener Optionen hinauszudenken und hinauszugehen, um Bestehendes neu miteinander zu kombinieren und völlig neue Konzepte oder bisher unberücksichtigte Querverbindungen entdecken zu können.“ (Jahnke & Haertel 2010, S. 88) und „Universitäten [...] sollen Menschen ausbilden, die die Entwicklung kreativer und innovativer Ideen vorantreiben.“ (Jahnke & Haertel 2010, S. 88)
Finanzielle Unterstützung für diese „Zusatzleistung“ (Fördermaßnahmen für Ausgründungen aus der Hochschule) erfährt jede deutsche Hochschule durch Mittel aus dem Bundeshaushalt und dem Europäischen Sozialfond (kurz: ESF) (vgl. Veiling 2007, S. 1). Grundlage für die Förderung aus dem ESF sind die geschaffenen Richtlinien Nr. 1083/2006 und 1828/2006 der Europäischen Gemeinschaft, die veranschaulichen, dass auch auf europäischer Ebene ein großes Interesse besteht, Ausgründungen aus der Hochschule voranzutreiben (vgl. BMWi 2007, S. 4).
Folglich ist die Ausbildung von Unternehmern nur teilweise lehr-/ lernbar und nicht explizit die Aufgabe einer Hochschule. Jede Hochschule entscheidet für sich, ob sie eine derartige „Zusatzleistung“ anbieten will. Auf die unternehmerische Selbständigkeit vorzubereiten ist aber aus europäischer, wissenschaftlicher, Hochschul- und Studentensicht äußerst sinnvoll und nutzbringend. Was wahrscheinlich auch dazu geführt hat, dass seit den 90er Jahren die Zahl der Fördermaßnahmen kontinuierlich gestiegen ist. So existieren beispielsweise derzeit, laut Angaben des Förderkreises Gründungsforschung e.V. (2012), 91 Gründungs-Professuren in Deutschland (vgl. Förderkreis Gründungsforschung e.V. 2012). Dennoch ist dieser Stand vergleichsweise niedrig im Hinblick auf die insgesamt 24.356 Professuren der 421 Hochschulen, die die deutsche Hochschullandschaft prägen (vgl. Grigat 2011, S. 4 und Statistisches Bundesamt 2012).
Bei der Managementebene handelt es sich um eine „funktional ausgerichtete Zwischenebene“, deren Hauptaufgabe die Gestaltung förderlicher Rahmenbedingungen für eine „Unternehmerausbildung an Hochschulen“ ist (vgl. Halbfas 2005, S. 363). Entsprechend ihrer Definition konnten bisher insgesamt sechs Tätigkeitsfelder (Akquisitions- und Erschließungsmanagement, Begleitmanagement, Bindungsmanagement, Verankerungsmanagement, Netzwerk- und Kooperationsmanagement, Dozentenmanagement) identifiziert werden, die nachfolgend noch einmal eine nähere Erläuterung finden.
Als erstes Tätigkeitsfeld soll hier das Akquisitions- und Erschließungsmanagement aufgeführt werden, dessen Hauptaufgabe die Gewinnung von bisher unerschlossenen Gründungspotentialen ist. Dass bisher noch von einem unerschlossenen Gründungspotential gesprochen werden kann, zeigt u.a. eine Untersuchung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Anhand einer Studentenbefragung an 37 deutschen Hochschulen konnte eine hohe Diskrepanz zwischen der Anzahl der Teilnehmer an Gründungsveranstaltungen und der Anzahl der tatsächlichen Gründungen festgestellt werden. So stehen rund 75 Prozent der Studenten einer Existenzgründung offen bis positiv gegenüber (vgl. BMBF 2008, S. 16), aber lediglich 50 Prozent dieser Studenten würden die Förderungs- und Qualifizierungsmaßnahmen an einer Hochschule wahrnehmen (vgl. ebd., S. 61). Dies kommt einer ersten Minderung um 25 Prozent gleich. Von den teilnehmenden Studenten gründen tatsächlich nur rund 13 Prozent während dem Studium und rund 20 Prozent nach dem Studium ein Unternehmen (vgl. ebd., S. 34).
Was einer zweiten Minderung von 17 Prozent entspricht. Von anfänglich 75 Prozent potentiellen Gründern ergibt dies eine Reduktion von insgesamt 42 Prozent. Demnach ist es eine Aufgabe des Akquisitions- und Erschließungsmanagements, besonders die Studenten ohne feste Gründungsabsicht für die Thematik zu sensibilisieren. Wichtige Punkte sind in diesem Zusammenhang u.a. die richtige Impulsgebung sowie die Beschaffung und Bereitstellung der benötigten Ressourcen.
Vereinzelte konzeptionelle Ansätze existieren bereits. So empfiehlt beispielsweise PINKWART (2001) in seiner „Gesamtstruktur ganzheitlicher Gründungsqualifizierung an Hochschulen“ für die Sensibilisierung/ Gründungsmotivation die Etablierung von Ideenwettbewerben und Kreativitätsworkshops (vgl. Pinkwart 2001, S. 475). BEER (2000) hingegen gibt in seinem „Gesamtmodell der Entrepreneurship Education“ an, dass die Motivation für eine Existenzgründung mithilfe von Vorträgen, Gruppenarbeiten oder Workshops geschaffen werden kann (vgl. Beer 2000, S. 185). Eine andere Aufgabe ist die aktive Vermarktung des bestehenden Angebots, um eine entsprechende Nachfrage zu generieren und die Veranstaltungen für jeden bekannt zu machen. Hier kommen alle Tätigkeiten der vier Marketinginstrumente (Produkt-, Preis-/ Finanzierungs-, Distributionsund Kommunikationspolitik) zum Einsatz (vgl. Halbfas 2005, S. 365f.). Konkrete Beispiele finden sich zu diesem Punkt jedoch noch nicht in der wissenschaftlichen Literatur.
Unter dem Begriff Begleitmanagement kann ein breites Tätigkeitsbündel, bestehend aus Beratung, Begleitung, Betreuung und Coaching der (potentiellen) Veranstaltungsteilnehmer, verstanden werden, welches über die Zeit des Studiums hinausreicht und das Ziel verfolgt, die Teilnehmer langfristig an die Gründungsinstitution der jeweiligen Hochschule zu binden (vgl. Halbfas 2005, S. 366f.). Darunter fallen Aufgaben, wie beispielsweise die regelmäßige Kontaktpflege, die Einladung zu (Informations-)Veranstaltungen, Einrichtung von Sprechstunden, Problemanalyse der Konzepte und Entwicklung von Lösungsstrategien, Vereinbarung und Wahrnehmung gemeinsamer Treffen und die Kooperationspartnersuche (vgl. ebd., S. 366f.). Auch BRAUCKMANN (2002) betont noch einmal nachdrücklich in seinen Ausführungen, dass diese Aufgaben für die Gründerqualifizierung unerlässlich sind (vgl. Braukmann 2002, S. 85f.).
Exakt von dem Begleitmanagement abzugrenzen ist das Bindungsmanagement. Es beinhaltet ausschließlich die Ein- und Anbindung der ehemaligen Veranstaltungsteilnehmer (Alumni). Mithilfe dieser Bindung kann beispielsweise die systematische Begleitung des individuellen Karriereweges ermöglicht, Paten- und/ oder Partnerschaften entstehen sowie Mentoring-Programme initiiert werden. Zudem ist es in diesem Zusammenhang möglich, Rückschlüsse auf die durchlaufenen Curricula der „Ehemaligen“ (Vitalisierungs- und Aktualisierungsfunktion) zu ziehen, was wiederum Erkenntnisse für das Verankerungsmanagement liefert (vgl. Halbfas 2005, S. 367f.).
Das Verankerungsmanagement befasst sich, entsprechend der Namensgebung, ausschließlich mit der nachhaltigen organisatorischen Implementierung der Veranstaltungsangebote innerhalb der Hochschule. Darunter fallen u.a. Aufgaben, wie Absprachen zur curricularen Integration (z.B. in den Studien- und Prüfungsordnungen), Absprachen hinsichtlich des Grades der Verbindlichkeit für die Studenten, an der Veranstaltung teilzunehmen oder die Entscheidung über eine zentrale oder dezentrale Organisation der Veranstaltungen.
Die Umsetzung verlangt hingegen ein hohes Maß an kommunikativer Kompetenz, da nur mithilfe der Unterstützung von mehreren Fachpromotoren4 einer Hochschule ein verstärkt unternehmerisches Denken und Handeln bei den potenziellen Veranstaltungsteilnehmern etabliert werden kann (vgl. Halbfas 2005, S. 368).
Damit die individuellen Entwicklungsmöglichkeiten der Veranstaltungsteilnehmer gefördert werden können, ist es laut HALBFAS (2005) ratsam ein Netzwerk- und Kooperationsmanagement zu initiieren und zu etablieren, dessen Funktion hauptsächlich didaktischer Natur ist. Aufgaben innerhalb dieses Tätigkeitsfeldes wären beispielsweise die kontinuierliche Kommunikation mit Fachpromotoren verschiedener Fachbereiche, die Schaffung curricularer Kooperationen für Lehr-/ Lernarrangements sowie deren Koordination und die Gestaltung der Rahmenbedingungen (z.B. interdisziplinäre Qualifizierung) für fortgeschrittene Gründungsvorhaben. Erklärtes Ziel des Netzwerk- und Kooperationsmanagements ist demnach die interdisziplinäre Kommunikation zwischen den Veranstaltungsteilnehmern durch gemeinsame Kleinprojekte oder didaktisch begleitete praktische Erfahrungen außerhalb der Hochschule (vgl. Halbfas 2005, S. 368f.).
Für die Gewährleistung einer hohen Qualität der Veranstaltungen bedarf es der Etablierung eines gewissenhaften Dozentenmanagements. Schließlich ist der Dozent nicht nur mit der Gestaltung, Durchführung und Evaluation der Veranstaltung beschäftigt, was eine fachliche und didaktische Qualifizierung voraussetzt, sondern gegebenenfalls auch mit Coaching- und Mentoring-Aufgaben. Dieses Anforderungs- bzw. Kompetenzprofil macht deutlich, dass nicht jeder für die Tätigkeit geeignet ist. Zumal es das Ziel der Hochschulen sein sollte, das Qualitätsniveau über einen längeren Zeitraum zu halten, bzw. kontinuierlich zu steigern, was nur mit einer niedrigen Fluktuationsrate möglich ist. Das Dozentenmanagement umfasst daher hauptsächlich Aufgaben aus der Personal(entwicklungs)planung (vgl. Halbfas 2005, S. 369).
Wie bereits oben angesprochen, finden sich in der Makroebene die unmittelbaren Rahmenfaktoren für die Durchführung der Gründerqualifizierung. Dabei handelt es sich speziell um den Dozenten, die Veranstaltungszeit und -dauer, den Veranstaltungsort und -raum, und die summative Lehr-/ Lernkontrolle (vgl. Halbfas 2005, S. 362).
In diesem Modellansatz wird vor allem die besondere Bedeutung des Dozenten hervorgehoben. Seine didaktisch-methodischen, organisatorisch-planerischen und teilweise auch Managementaufgaben bilden ein komplexes Anforderungs- bzw. Kompetenzprofil, welches nach der Analyse von HALBFAS (2005) bisher weder in Deutschland noch in den wirtschafts- und gründungsaffinen Vereinigten Staaten von Amerika ausreichend analysiert und thematisiert wurde (vgl. Halbfas 2005, S. 185 und 362). Zwar existieren bereits Rollenzuweisungen für Dozenten, wie beispielsweise (Fach-)Berater, Coach, Mentor, Vorbild, Ansprechpartner oder Vermittler (vgl. Garavan & O’Cinneide 1994, S. 17/ Klandt 1999, S. 252/ Beer 2000, S. 171/ Weihe 2000, S. 143), oder die Forderung nach einem vermehrten Einsatz von Praktikern aufgrund der meist fehlenden praktischen bzw. unternehmerischen Erfahrung der akademischen Hochschullehrer (vgl. Olbert & Schweizer & Sturm 1998, S. 147), aber die theoretisch fundierte Auseinandersetzung mit der notwendigen Qualifikation der Dozenten bleibt in den meisten Fällen unberücksichtigt (vgl. Halbfas 2005, S. 313). KULICKE, GÖRISCH und STAHLECKER (2002) berichten zudem im Rahmen einer Querschau der einzelnen Projekte der Förderinitiative EXIST, dass der ausschließliche Einsatz von Praktikern in den entsprechenden Lehrveranstaltungen aufgrund der gering ausgeprägten didaktischen Struktur auch von Nachteil sein kann (vgl. Kulicke & Görisch & Stahlecker 2002, S. 20). Demnach würde eine partielle Einbindung von Praktikern dem Ideal einer qualitativ hochwertigen Ausbildung am nächsten kommen. Offen bleibt dennoch die Frage nach den notwendigen Qualifikationen und Kompetenzen der Dozenten, die aufgrund der derzeit geringen Datenlage nicht beantwortet werden kann.
Neben dem Dozenten der Veranstaltung spielt auch die Veranstaltungszeit und -dauer für die qualitativ hochwertige Ausbildung eine wesentliche Rolle. Lernpsychologisch gesehen bedarf es einer längeren Zeitspanne, bis sich eine Werthaltung (in diesem Fall die Werthaltung gegenüber einer Existenzgründung) von Menschen aufbaut und festigt (vgl. Halbfas 2005, S. 268/ Winkel & Petermann & Petermann 2006, S. 107). Die Realisierung von Gründungsveranstaltungen an Hochschulen findet allerdings überwiegend in Vorlesungseinheiten im Umfang von zwei Semesterwochenstunden5 oder Block- bzw. Wochenendseminaren6 statt und ist aufgrund der bisher fehlenden Einbindung in ein Gesamtcurriculum meist nur von kurzer Dauer (vgl. Halbfas 2005, S. 187 und 268). Das bestätigen auch die Erhebungsdaten aus einer Umfrage des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (kurz: BMBF) aus dem Jahr 2008 (vgl. BMBF 2008, S. 69). Der Grund für diese kurzfristige Gestaltung liegt laut HALBFAS (2005) bei den Veranstaltungsakteuren selbst, weil sie die organisatorischen und zeitlichen Rahmenbedingungen der Hochschule über kurz oder lang als irreversibel interpretieren (vgl. Halbfas 2005, S. 287). Zudem erklärt das BMBF (2008), dass mehr als jeder zweite Student die Alternativangebote gar nicht kennt (vgl. BMBF 2008, S. 66).
Ähnlich sieht das Ergebnis bei dem Faktorkomplex Veranstaltungsort und -raum aus. Auch die unmittelbare Lernumgebung hat Einfluss auf die Werthaltung der Teilnehmer. So beschreiben STAHLECKER und LO (2004) den Vorteil des „unternehmerischen Klimas“ in Gründerzentren gegenüber dem wissenschaftlich-akademischen Umfeld innerhalb der Gebäude einer Universität (vgl. Stahlecker & Lo 2004, S. 26). Dennoch finden die Veranstaltungen hauptsächlich in den Räumen der jeweiligen Hochschule und nur vereinzelt in deren Nähe, wie beispielsweise in einem Gründer- oder/ und Technologiezentrum statt (vgl. Kulicke & Görisch & Stahlecker 2002, S. 52f./ Stahlecker & Lo 2004, S. 1), was der Ausbildung einer gründungsbezogenen Handlungskompetenz der Teilnehmer streng genommen entgegensteht (vgl. Halbfas 2005, S. 187). Selbst eine Analyse der zwingend notwendigen Lehr-/ Lern-Ausstattung der Veranstaltungsräume (z.B. Schreibtisch, Stühle, Lampe(n), Tafel, Flip-Chart, Beamer) wurde in der Literatur bisher noch nicht vorgenommen (vgl. ebd., S. 314). Gründe für diesen Zustand sind die bereits oben genannte irreversible Interpretation der Rahmenbedingungen einer Hochschule durch die Veranstaltungsakteure selbst und die kostenlose Nutzung der Hochschulräumlichkeiten (vgl. Stahlecker & Lo 2004, S. 24). Hinzu kommt noch die bestehende Möglichkeit zur Nutzung von Synergien aus interdisziplinären Diskursen (vgl. ebd., S. 30).
Die summative Lehr-/ Lernkontrolle stellt die abschließende Leistungsbewertung (Zusammensetzung der Gesamtnote) der Teilnehmer dar. Sie ist vor allem dann gefordert, sobald die gründungsbezogenen Veranstaltungen in die Studien- und Prüfungsordnung eines Studiengangs integriert wurden. Ausführungen zur Realisierung an den jeweiligen Hochschulen finden sich allerdings nur in Ausnahmefällen und sind damit für eine weitere Darstellung nicht repräsentativ (vgl. Halbfas 2005, S. 183 und 314).
Auf der Makroebene besteht demnach bei allen Faktorkomplexen noch erheblicher Optimierungsbedarf. Die fehlende theoretisch fundierte Auseinandersetzung basiert, wie aufgezeigt werden konnte, auf vielschichtigen Problemfeldern, die sich an dieser Stelle nur in Ansätzen beschreiben ließen, da sie sonst den Rahmen dieser Arbeit gesprengt hätten.
Um ein genaueres Bild über die Personen aus der Hochschule zu erhalten, die eine Existenzgründung in Betracht ziehen und anschließend gründen, ist eine detaillierte Analyse erforderlich. Zunächst soll daher die deklarierte Zielgruppe für Existenzgründungsveranstaltungen an Hochschulen vorgestellt und die Individualebene ausführlich erläutert werden. Abschließend erfolgt eine Gegenüberstellung mit den konkreten Ergebnissen aus einer Umfrage des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
Der Begriff „Zielgruppe“ stammt im Grunde aus dem betriebswirtschaftlichen Bereich des Marketings. Er beschreibt eine Gruppe von Menschen, die bestimmte Merkmale (z.B. Alter, Geschlecht, Beruf) besitzen und bei denen der Bedarf für das eigene Vorhaben (Produkt oder Dienstleistung) geweckt werden soll (vgl. Mast 2006, S. 124).
Zu der Zielgruppe von Existenzgründungsveranstaltungen zählen laut der Analyse von HALBFAS (2005) deutschlandweit vorwiegend Studenten aus wirtschaftswissenschaftlichen und technischen Studiengängen, die bereits einem höheren Semester angehören und sich in ihrer Grundeinstellung schon für eine Existenzgründung entschieden haben. Der Fokus auf wirtschaftswissenschaftliche und technische Studiengänge kommt dabei den wirtschaftspolitischen Erwartungen bzw. Idealvorstellungen sehr nahe. Auch wird von einer höheren Gründungsneigung im weiteren Studienverlauf ausgegangen (vgl. Halbfas 2005, S. 305).
Zudem nennt HALBFAS (2005) noch einige anthropogene und sozialkulturelle Voraussetzungen (Individualebene) der Zielgruppe (vgl. Halbfas 2005, S. 370).
Anthropogene Voraussetzungen sind angeboren und damit nahezu unveränderbar (vgl. Jank & Meyer 2002, S. 264). Eine vereinfachte Systematik dieser Voraussetzungen entwickelte MEMMERT (1995). Er unterschied in anthropogene Voraussetzungen der Schüler und der Lehrer (vgl. Memmert 1995, S. 28). Auf beiden Seiten kann erneut zwischen der Lern- bzw. Lehrfähigkeit und Lernbereitschaft unterschieden werden, wobei die Lernbereitschaft nicht noch einmal genauer spezifiziert wird (vgl. ebd., S. 28). Die Lernfähigkeit bei den Schülern setzt sich aus dem Lernstand, aufgeschlüsselt in Wissen, Können und Haltung, dem Lernstil, unterteilt in bedingt durch physisch-psychische Konstitution oder durch Unterricht erworben, und dem Lerntempo zusammen (vgl. ebd., S. 28). Auf der Seite der Lehrer wird unter der Lernfähigkeit hingegen der Lehrstand, eingeteilt in Wissen, Können und Haltung, und der Lehrstil, abgegrenzt in durch physischpsychische Konstitution bedingt oder durch die Ausbildung erworben, verstanden (vgl. ebd., S. 28). Sozialkulturelle Voraussetzungen sind im Gegensatz zu den anthropogenen Voraussetzungen eher veränderbar, da sie einem gesellschaftlichen und kulturellem Wandel unterliegen (vgl. Jank & Meyer 2002, S. 264). SCHULZ (1965) betont besonders die gesellschaftlichen Traditionen, die Einfluss nehmen auf die Schulordnung, Lehrpläne, Kollegen und Kolleginnen, die Formen der Schülerauslese oder die Klassenfrequenz (vgl. Schulz 1965, S. 37).
Zu den individuellen Voraussetzungen (anthropogene und sozialkulturelle) der Zielgruppe werden von HALBFAS (2005) als Ergebnis ihrer Analyse neben den klassischen Lernvoraussetzungen auch die Lebensbiografie, die Sozialisationsgeschichte, der Stand der Persönlichkeitsentwicklung sowie der Identitätsbildung, das Ausmaß der Gründungsneigung und das Lernverhalten aufgeführt (vgl. Halbfas 2005, S. 370).
Wie bereits schon angekündigt, sollen diese Analyseergebnisse jetzt mit der tatsächlichen Zusammensetzung in den Gründungsveranstaltungen abgeglichen werden. Grundlage für diese Gegenüberstellung bildet eine Studentenbefragung an 37 deutschen Hochschulen vom BMBF aus dem Jahr 2006. Anhand einer bundesweiten Onlinebefragung, an der insgesamt 15.061 Studenten teilnahmen, konnte ermittelt werden, wie viele Studenten einer Gründung durchaus zugeneigt sind (vgl. BMBF 2008, S. 6).
Die Gründungsneigung wurde dabei definiert als der Wunsch oder die Absicht eines Individuums, unternehmerisch selbständig zu werden [...].“ (BMBF 2008, S. 12)
Weiterhin fand eine Abstufung der Gründungsneigung mittels Filterfragen in vier Kategorien (Ablehnende, Gründungsoffene, Gründungsentschlossene und Gründungsaktive) statt. Alle Studenten, die der Kategorie „Ablehnende“ zugeordnet wurden, haben angegeben, sich nicht selbständig zu machen. Der Kategorie „Gründungsoffene“ wurden hingegen die Studenten zugeordnet, die angaben, eine Selbständigkeit nicht auszuschließen. In die Kategorie „Gründungsentschlossene“ finden sich alle Studenten, die bereits (erste) Schritte für eine Selbständigkeit eingeleitet haben. „Gründungsaktive“ sind demnach diejenigen, die bereits während ihres Studiums unternehmerisch tätig sind (vgl. BMBF 2008, S. 7).
Die Ergebnisse des BMBF (2008) zeigen, dass 78 Prozent der Studenten an einer Fachhochschule eine zukünftige unternehmerische Tätigkeit nicht ausschließen bzw. schon erste Schritte eingeleitet haben oder bereits selbständig sind. Das sind vier Prozent mehr als bei Studenten an einer Universität. Zudem stehen bei einem Vergleich der Geschlechter stets Männer einer möglichen Existenzgründung aufgeschlossener gegenüber als Frauen. An der Fachhochschule finden sich prozentual bei den Frauen 62,1 Prozent Gründungsoffene, 7,1 Prozent Gründungsentschlossene und 4,6 Prozent Gründungsaktive. Bei den Männern sind es hingegen 63,1 Prozent Gründungsoffene, 10,6 Prozent Gründungsentschlossene und 8,5 Prozent Gründungsaktive. Speziell in der Kategorie Gründungsaktive ist die Zahl der männlichen Studenten an einer Fachhochschule fast doppelt so hoch als bei den Weiblichen. Etwas anders sieht das bei Studenten an Universitäten aus. Hier zählen 61,1 Prozent der Frauen zu den Gründungsoffenen, 5,0 Prozent zu den Gründungsentschlossenen und 4,0 Prozent zu den Gründungsaktiven. Dem gegenüber stehen 62,0 Prozent gründungsoffene, 8,4 Prozent gründungsentschlossene und 7,4 Prozent gründungsaktive Männer (vgl. BMBF 2008, S. 16).
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Gründungsneigung in Verbindung mit der Anzahl der Fachsemester und dem tatsächlichen Gründungszeitpunkt. Demnach ist die Zahl der Gründungsinteressenten im zweiten bis zum siebten Fachsemester am größten und nimmt im weiteren Verlauf des Studiums ab (vgl. BMBF 2008, S. 17). Ausgenommen sind hier Studenten, die sich im dreizehnten oder einem höheren Semester befinden. Hingegen steigt die Zahl der Gründungsaktiven mit zunehmender Semesterzahl (vgl. ebd., S. 17). Ein Blick auf den tatsächlichen Gründungszeitpunkt innerhalb der jeweiligen Neigungskategorien erklärt dieses Verhalten der Studenten. Rund sechs Prozent der Studenten, die bereits in den ersten Semestern konkrete Schritte in Richtung Selbständigkeit unternommen haben, haben auch während des Studiums gegründet (vgl. ebd., S. 34f.). Andere besaßen bereits einen Gewerbeschein (vgl. ebd., S. 34f.). Weiterhin konnte festgestellt werden, dass die gründungsoffenen und gründungsentschlossenen Studenten überwiegend erst nach mehrjähriger Berufserfahrung eine Existenzgründung in Angriff nehmen wollen (vgl. ebd., S. 34f.).
Wohingegen die Gruppe der Gründungsaktiven zu 31 Prozent schon während des Studiums, zu 35 Prozent direkt im Anschluss des Studiums und nur 27 Prozent nach bis zu fünf Jahren Berufserfahrung gründen wollen (vgl. ebd., S.34f.).
Zudem wies das BMBF (2008) die Gründungsneigung der Studenten in Abhängigkeit mit dem Studiengang aus. Demnach herrscht ein großes Interesse zu dieser Thematik in der Medizin (68,2 Prozent Gründungsoffene, 19,6 Prozent Gründungsentschlossene und 2,4 Prozent Gründungsaktive), den Ingenieurwissenschaften (66,3 Prozent Gründungsoffene, 7,8 Prozent Gründungsentschlossene und 5 Prozent Gründungsaktive) und den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften (64,9 Prozent Gründungsoffene, 10 Prozent Gründungsentschlossene und 6,8 Prozent Gründungsaktive) (vgl. BMBF 2008, S. 14). Eine eher ablehnende Haltung zu einer Existenzgründung weisen hingegen Studenten der Gesellschafts- und Sozialwissenschaften (27,1 Prozent Ablehnende) der Mathematik und Naturwissenschaften (29,7 Prozent Ablehnende) und der Sprach- und Kulturwissenschaften (32,7 Prozent) auf (vgl. ebd., S. 14).
Wobei anzumerken ist, dass diese Zahlen absolut zu betrachten sind und teilweise innerhalb des Studienfaches geschlechtsspezifische Unterschiede in der Gründungsneigung existieren.
Weiterhin fand das BMBF (2008) heraus, dass die Gründungsneigung bei Studenten, die bereits vor dem Studium selbständig tätig waren, mit insgesamt 93,9 Prozent überdurchschnittlich hoch ausgeprägt ist. Lediglich 6,1 Prozent dieser Personengruppe lehnt eine erneute Gründung ab. Ein anderes Bild zeigt sich indessen bei den übrigen Studenten. Diejenigen, die bereits vor dem Studium Berufserfahrung gesammelt haben, sind mit insgesamt 77,5 Prozent eher geneigt, unternehmerisch tätig zu werden, als die Studenten, die direkt mit dem Studium begonnen haben. Die Gründungsneigung der Direkteinsteiger liegt insgesamt bei 74,9 Prozent (vgl. BMBF 2008, S. 18).
Demnach scheinen die jeweiligen Vorerfahrungen bzw. das jeweilige Vorwissen eine sehr gewichtige Rolle für den Entscheidungsprozess hin zu einer Existenzgründung zu spielen.
Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse des BMBF (2008), dass eher die Studenten eine Existenzgründung anstreben, die in ihrem familiären Umfeld mindestens eine unternehmerisch tätige Person ausweisen (vgl. BMBF 2008 S. 19). Was ebenfalls wieder auf einen bestimmten Grundstock an gründungsspezifischem Vorwissen hindeuten könnte.
Ebenfalls interessant sind die Motive der Gründungsinteressierten, an einer Existenzgründungsveranstaltung teilzunehmen. So ergab die Umfrage des BMBF (2008), dass Gründungsentschlossene und Gründungsaktive die Veranstaltungen hauptsächlich aufgrund
- des Spaßfaktors am Umgang mit Chancen und Risiken,
- der momentanen Arbeitssituation,
- dem Umstand, sein eigener Chef zu sein und
- der Chance auf ein höheres Einkommen besuchen (vgl. BMBF 2008, S. 21 ).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es sich bei den Ausgründungen aus der Hochschule überwiegend um männliche Studenten aus dem Bereich Medizin, Ingenieur-, Rechts- oder Wirtschaftswissenschaften handelt, die bereits vor dem Studium Berufserfahrung gesammelt haben bzw. schon einen Gewerbeschein besaßen und von denen meist mindestens ein Elternteil selbständig ist. Davon abgesehen steigt die Anzahl der Gründungsaktiven mit zunehmender Semesterzahl, wobei das Interesse, sich mit dem Thema Existenzgründung auseinanderzusetzen, vom zweiten bis zum siebten Fachsemester am größten ist. Weiterhin ist festzuhalten, dass der überwiegende Teil der Studenten in ihrer Grundeinstellung gründungsoffen bis gründungsentschlossen ist und hauptsächlich erst nach ein paar Jahren Berufserfahrung unternehmerisch tätig werden will. Was wiederum bedeutet, dass die Sensibilisierung für die Thematik zwar in der Hochschule erfolgreich durchgeführt wurde, der Auslöser für die Gründung allerdings erst im Berufsleben kommt und damit die statistische Erfassung erheblich erschwert. Diese Erkenntnisse decken sich somit nur annähernd mit der Anfangs aufgeführten Beschreibung der Zielgruppe. Um die angesprochenen Differenzen noch etwas deutlicher werden zu lassen, seien an dieser Stelle noch einmal alle genannten Merkmale der deklarierten und der realen Zielgruppe tabellarisch gegenüber gestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Gegenüberstellung der deklarierten Zielgruppe mit der realen Zusammensetzung der Veranstaltungsteilnehmer (eigene Darstellung)
Bezugnehmend auf das erweiterte MMM-Modell von HALBFAS (2005) in Abbildung 2 befindet sich eine Ebene tiefer, im Kern, die Mikroebene. Rein konzeptionell findet sich an dieser Stelle zu einem Großteil die Elementarstruktur des Berliner Modells (lerntheoretische Didaktik) von HEIMANN, OTTO und SCHULZ (1965) wieder zuzüglich einer Erweiterung um die formative Lehr-/ Lernkontrolle und den Charakter der Lehr-/ Lernsituation (vgl. Halbfas 2005, S. 247). Aber was ist der Grund für diese Strukturierung?
HALBFAS (2005) hat sich in ihren Ausführungen u.a. auch mit der Frage beschäftigt, welcher grundsätzliche Didaktik-Ansatz bei den Veranstaltungen zum Thema Existenzgründung in Hochschulen zur Anwendung kommt (vgl. Halbfas 2005, S. 245). Dabei entdeckte sie im Laufe ihrer Analyse eine breite Vielfalt an didaktischen Situationen, die sich zwischen zwei Extrempunkten bewegt. Einerseits finden sich Angaben zu einer dozentenzentrierten, andererseits zu einer eher teilnehmerzentrierten Vorgehensweise (vgl. ebd., S. 361f.). In der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion in Deutschland wird hingegen zunehmend eine handlungsorientierte/ teilnehmerzentrierte Grundausrichtung der Veranstaltungen gefordert (vgl. Klandt 1999, S. 252/ Braukmann 2001, S. 85). Schließlich ist das Ziel der Veranstaltungen, bei den Teilnehmern eine gründungsbezogene Handlungskompetenz zu entwickeln (vgl. Halbfas 2005, S. 183). Um diese Bandbreite an Vorgehensweisen darzustellen, wurde folglich der Punkt „Charakter der Lehr-/ Lernsituation“ in die Mikroebene ergänzend aufgeführt (vgl. ebd., S. 362).
Doch unabhängig davon, welche Vorgehensweise (dozentenzentriert, eine Mischform oder teilnehmerzentriert) von den Akteuren gewählt wird, unterliegt jede Veranstaltung einer bestimmten unterrichtsplanerischen Struktur. Ein Modell, das bis heute hauptsächlich von Lehrern für die Analyse und Planung von Unterricht verwendet wird und daher fachlich einen hohen Stellenwert genießt, ist das Berliner Modell (vgl. Jank & Meyer 2002, S. 262). Es wurde in den 1960er Jahren von einer Dozenten-Kooperation, bestehend aus HEIMANN, OTTO und SCHULZ (1965), innerhalb der Pädagogischen Hochschule Berlin entwickelt und begründete die lerntheoretische Didaktik (vgl. Jank & Meyer 2002, S. 261f.). Kern der lerntheoretischen Didaktik ist die Strukturanalyse, welche sich im vollem Umfang im Kern des Modellansatzes von HALBFAS (2005) wiederfindet und aus diesem Grund nachfolgend näher betrachtet wird.
Die „Strukturanalyse des Unterrichts“ beschreibt insgesamt sechs Konstanten (Intentionalität, Thematik, Methodik, Medienwahl, anthropogene und sozialkulturelle Voraussetzungen) in der Vielfalt unterrichtlicher Gestaltungsweisen (vgl. Jank & Meyer 2002, S. 263). Die nachfolgende Grafik zeigt diese schematische Struktur des Unterrichts.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die vier Konstanten Intentionalität, Thematik, Methodik und Medienwahl werden in der Theorie auch oft „Entscheidungsfelder“ genannt (vgl. Jank & Meyer 2002, S. 264). Der Grund für diese Bezeichnung zeigt sich nach der Darbietung der folgenden Gedankengänge.
Die Intentionalität beschreibt die Lernziele einer Lehrveranstaltung (vgl. Jank & Meyer 2002, S. 264). Bevor der Unterricht inhaltlich, methodisch und medial geplant werden kann, sollte zunächst geklärt werden, welche Absicht der Lehrer in Bezug zu seinen Schülern verfolgt. Häufig werden diese Lernziele entsprechend der Ausführungen von MÖLLER (1974) in Richtziele, Grobziele und Feinziele unterschieden (vgl. Möller 1974, S. 28). Demnach sind Richtziele eher abstrakt, beispielsweise die Ziele einer Hochschule (vgl. ebd., S. 28). Grobziele sind schon konkreter und beziehen sich auf eine spezifische Lehrveranstaltung, wo hingegen Feinziele nur einen Lernschritt der Schüler bezeichnen (vgl. ebd., S. 28). Die Zielformulierungen von Existenzgründungsveranstaltungen an deutschen Hochschulen bleiben nach dieser Systematik eher abstrakt. Deklarierte Ziele sind lediglich die unmittelbare Ausbildung von Unternehmern (gründungsbezogene Handlungskompetenz) sowie die Veränderung der Werthaltung (vgl. Halbfas 2005, S. 302f.).
[...]
1 Förderprogramm zur Unterstützung regionaler Netzwerke, in denen Studenten, Absolventen und Hochschulmitarbeiter zur Gründung eines eigenen Unternehmens motiviert werden und die nötige Ausbildung und Beratung dafür erhalten. Die Hochschulen arbeiten in diesen Netzwerken zusammen mit externen Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik.
2 Maßzahl der Gründungsaktivität im Global Entrepreneurship Monitor. Sie bildet sich aus der Summe der werdenden und jungen (Unternehmensgründung liegt nicht länger als 3,5 Jahre zurück) Gründer, gemessen als Prozentanteil gegenüberallen 18-64-Jährigen.
3 MIMMI ist ein Akronym für Megaebene, Institutionenebene, Makroebene, Mikroebene und Individualebene (vgl. Braukmann (1993), S. 103 zitiert in Halbfas (2005), S. 357)
4 Experten im Bereich Innovation, die eventuell bestehende Barrieren beseitigen.
5 Zur Erläuterung: Eine Semesterwochenstunde ist die hochschulinterne Angabe für eine wöchentliche Lehrveranstaltung im Zeitrahmen von 45 Minuten ohne Pause über die Dauer eines Semesters.
6 Zur Erläuterung: Block- bzw. Wochenendseminare sind Lehrveranstaltungen, die in konzentrierter Form und in einem zusammenhängenden Zeitraum (z.B. an zwei bis drei Wochenenden) durchgeführt werden. Sie sind gleichwertig gegenüber den sonst üblichen Lehrveranstaltungen, die sich wöchentlich über ein Semester erstrecken. Für den Zeitrahmen und den Zeitraum existiert jedoch keine einheitliche und allgemeingültige Normierung, sodass sie für jede Lehrveranstaltung an einer Hochschule individuell festgesetzt werden kann. Auch das BMBF (2008) hält sich an dieser Stelle bedeckt, sodass keine weiteren Ausführungen hinsichtlich des Detailgrades zu finden sind.
Der GRIN Verlag hat sich seit 1998 auf die Veröffentlichung akademischer eBooks und Bücher spezialisiert. Der GRIN Verlag steht damit als erstes Unternehmen für User Generated Quality Content. Die Verlagsseiten GRIN.com, Hausarbeiten.de und Diplomarbeiten24 bieten für Hochschullehrer, Absolventen und Studenten die ideale Plattform, wissenschaftliche Texte wie Hausarbeiten, Referate, Bachelorarbeiten, Masterarbeiten, Diplomarbeiten, Dissertationen und wissenschaftliche Aufsätze einem breiten Publikum zu präsentieren.
Kostenfreie Veröffentlichung: Hausarbeit, Bachelorarbeit, Diplomarbeit, Dissertation, Masterarbeit, Interpretation oder Referat jetzt veröffentlichen!
Kommentare