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Masterarbeit, 2013
49 Seiten, Note: 1,7
Abkürzungsverzeichnis
Tabellen und Abbildungsverzeichnis
1. Gegenstand der Arbeit – Einführung und Überblick
1.1 Erschöpfungssymptome bei Mitarbeitern als Quelle von Störungen in Organisationen
1.2 Systemischer Blick auf Organisationen
1.3 Fragestellung und Zielsetzung der Arbeit
1.4 Aufbau der Arbeit
2. Mitarbeiterausfall durch Erschöpfungssymptome
2.1 Das Burnout-Syndrom: Diagnostische und definitorische Schwierigkeiten
2.2 Burnout – Ein Phänomen zwischen Tabu, Faktum oder Modeerscheinung?
2.2.1 Burnout: Korrelation von Arbeit und Erschöpfung
2.2.2 Burnout: Prävention als Führungsaufgabe
2.2.3 Akzeptanz durch die Betroffenen und die Führungskräfte
2.2.4 Gefährdete Berufsgruppen?
2.3 Burnout: Eine Herausforderung in der lernenden Organisation
2.3.1 Anforderungen und erwünschte Mitarbeiterkompetenzen
2.3.2 Reale Arbeitsbedingungen
2.3.3 Verdeckte Erschöpfungspotentiale
2.3.4 Mentale Konstrukte
3. Vorgehensweise und methodische Grundlagen
3.1 Die Ausgangshypothese mit systemischem Ansatz
3.1.1 Interviews mit Führungskräften in Unternehmen
3.1.2 Zur Auswahl der Interviewpartner
3.1.3 Entwicklung der Leitfragen
3.1.4 Formale Kriterien
3.2 Theoretische und methodische Grundlagen
3.2.1 Die zusammenfassende qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring
3.2.2 Theoriegeleitete Differenzierung der Fragestellung
3.2.3 Ablaufmodell der zusammenfassenden Inhaltsanalyse
4. Darstellung und Interpretation der Ergebnisse
4.1 Kategorienliste und Ergebnisse im Überblick
4.2 Methodendiskussion
4.3 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse
5. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis:
Anhang I: Anmerkungen
Anhang II: Leitfragenkatalog mit zehn Leitfragen
Anhang III: Ergebnis der Kategorien im Überblick
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Burnout bei Fachkräften der IT-Industrie
Tabelle 2: Ergebnisdarstellung Kategorien A1, B1,C1
Tabelle 3: Ergebnisdarstellung Kategorien A2, B2,C2
Abbildung 1: Haus der „Arbeitsfähigkeit“
Abbildung 2: Burnout zwischen Fakten – Modetrend und Tabu
Abbildung 3: Transkriptionsregeln
Abbildung 4: Lineare und zirkuläre Forschungsstrategien
Der Mensch als Human Ressource ist ein grundlegender Faktor zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und Organisationen im kontinuierlichen Wandel der globalisierten Weltwirtschaft. Um die Unternehmens- oder Organisationsziele zu erreichen, sind der zielgerichtete Einsatz und der verantwortungsvolle Umgang mit den Ressourcen im Rahmen einer nachhaltigen Unternehmensstrategie von entscheidender Bedeutung. Dies ist eine der zentralen Aufgaben des Managements und der Leitung auf allen Organisationsebenen.
Um Aufgaben erledigen zu können, benötigt der Mensch bestimmte Fähigkeiten. Dies gilt insbesondere für den Arbeitsplatz und die berufliche Tätigkeit. Die physischen, psychischen, emotionalen, mentalen, kommunikativen und sozialen Fähigkeiten einer Person und die arbeitsorganisatorischen Rahmenbedingungen, um seine Arbeit ausüben und erfüllen zu können, sind Bestandteile der Arbeitsfähigkeit (vgl. Tempel/Ilmarinen 2013: 15-16). Die individuelle Arbeitsfähigkeit eines Mitarbeiters ist eingebettet in das konkrete Setting des Arbeitsfeldes und die familiären und gesellschaftlichen Kontexte. Tempel und Ilmarinen haben dies im Modell des „Hauses der Arbeitsfähigkeit“ zusammengefasst.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1 Das Haus der „Arbeitsfähigkeit“ (Quelle: Tempel/Ilmarinen 2013: 41)
Der Begriff Employability als Beschäftigungsfähigkeit eines Mitarbeiters erweitert den Begriff der Arbeitsfähigkeit um die Komponente der lebenslang prozessualen Weiterentwicklung. Beschäftigungsfähigkeit ist definiert als „die Fähigkeit, fachliche, soziale und methodische Kompetenzen unter sich wandelnden Rahmenbedingungen zielgerichtet und eigenverantwortlich anzupassen und einzusetzen, um eine Beschäftigung zu erlangen oder zu erhalten“ (Rump/Eilers 2005: 21). Die Arbeitsfähigkeit bei sich ändernden Anforderungen und Bedingungen des Arbeitsprozesses als Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten und weiterzuentwickeln ist Aufgabe des einzelnen Mitarbeiters und der Organisation (vgl. ebd.: 17).
Die Grundlage für die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit eines Mitarbeiters unabhängig seiner Funktion im Arbeitsprozess ist dessen Gesundheit. Verändert sich der Gesundheitszustand, wirkt sich dies auf die Leistung und Produktivität am Arbeitsplatz aus. Belastete oder kranke Mitarbeiter stehen dem Unternehmen nicht in voller Arbeitsleistung zur Verfügung. Die Folgen sind ökonomisch messbar, wie die Gesundheitsbefragung und betriebsinterne Auswertung des Hamburger Konsumgüterkonzerns Unilever aus dem Jahr 2008 exemplarisch belegt: Pro Mitarbeiter kam es zu 21 Tagen Arbeitsausfall, was bei einem Kostenansatz von 250 Euro pro Tag ein Minus von sieben Millionen Euro im Jahr ergibt (vgl. Brenner 2012: 233).
Wie im zweiten Kapitel dieser Arbeit darzustellen ist, gibt es Krankheitsbilder, die als Erschöpfungssymptome zu Fehlzeiten und Arbeitsausfällen führen und dem Bereich der psychosomatischen Erkrankungen zuzuordnen sind. Die Minderung der Arbeitsleistung und der zunehmende Arbeitsausfall infolge psychischer Belastungen und psychosomatischer Erkrankungen haben Folgen für die betroffenen Unternehmen. In einer repräsentativen Analyse der DAK-Gesundheit wurden die Daten von 2,7 Millionen Beschäftigten ausgewertet:
„Depressionen und Co. weiter auf dem Vormarsch: Psychische Erkrankungen sind 2012 erneut gestiegen und werden damit für die Arbeitswelt zunehmend zum Problem. Die DAK-Gesundheit legt als erste Kasse neueste Analysen zum Krankenstand für das vergangene Jahr vor. Psychische Erkrankungen rückten erstmals auf Platz zwei der Krankschreibungen. Sie sind 2012 um vier Prozent gestiegen. Nur Muskel und Skeletterkrankungen verursachten noch mehr Ausfalltage“ (Pressemitteilung der DAK zum DAK Gesundheitsreport 2012).
Ein erstes Fazit lautet: Ist die Beschäftigungsfähigkeit von Mitarbeitern aufgrund psychosomatischer Erkrankungen eingeschränkt oder dauerhaft gemindert führt dies zu Leistungsminderung oder Arbeitsausfall. Das Unternehmen wird dadurch in seiner Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt. Dies bezeichnen wir als Störung im System Unternehmen.
Das Hauptziel jedes Unternehmens ist der Selbsterhalt durch Gewinnschöpfung mittels Produktion oder Dienstleistung. Die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts haben die Arbeitswelt eines globalisierten Marktes maßgeblich verändert. Modernste Informations- und Kommunikationstechnik, internationale Vernetzungen und Interdependenzen bedingen neben der zunehmenden Komplexität eine Akzeleration von Veränderungen und Halbwertzeiten von Wissen und Technologie. Dies erzeugt Unsicherheiten und Orientierungsschwierigkeiten. Der Umgang mit Komplexität und dem kontinuierlichen Prozess des Wandels durch die Wandlungsfähigkeit von Unternehmen wird zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor (vgl. Wimmer 2012: 212-213).
Die Bewältigung von Komplexität und die Strategien zur ständigen Veränderung stehen im Fokus systemischer Lern- und Organisationstheorien. Systemische Ansätze, die in verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen des 20. Jahrhunderts entstanden sind, wurden weiterentwickelt und bilden die Grundlage gegenwärtiger Systemtheorien. (Vgl. Darstellung und Überblick in Königswieser/Hillenbrand 2011: 22-31). Die vorliegende Untersuchung ist dem Ansatz der systemischen Organisationsentwicklung verpflichtet und wird methodisch geleitet vom systemischen Blick auf Unternehmen. Dabei gilt das Interesse „den Strukturen, den Funktionen und dem Verhältnis der Bestandteile innerhalb des Gesamtgefüges, den Mustern und Regeln der Transaktionen und den Veränderungen von Systemzuständen“ (Ellebracht/Lenz/Osterhold 2011: 14).
Die Darstellung der systemtheoretischen Grundlagen zum Verständnis von Organisationen kann hier nicht im Detail erfolgen (vgl. Königswieser/Hillebrand 2011: 31-36 und Ellebracht/Lenz/Osterhold 2011: 13-21), da sie den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde und nicht Gegenstand der Untersuchung ist. Sofern einzelne Aspekte relevant sind, werden sie im Zusammenhang erläutert. Für den Fokus der vorliegenden Untersuchung müssen folgende Hypothesen indes skizziert werden:
Das systemtheoretische Organisationsverständnis definiert Organisationen nicht anhand ihrer organisationalen Verfasstheit, sondern nimmt die Differenz des Systems und seiner Umwelt in den Blick (vgl. Jung/Wimmer 2009: 102-104). Organisationen werden als soziale Systeme bezeichnet, insofern Personen und deren Handlungen konstitutive Elemente sind (vgl. Ellebracht/Lenz/Osterhold 2011: 17 und Jung/Wimmer 2009: 101-104). Systeme stehen in der Spannung zwischen dem Selbsterhalt (Employability der Mitarbeiter und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens) und der kontinuierlichen Veränderung der Außenwelt. Dabei kommt es zu Wechselwirkungen und Beeinflussungen einerseits innerhalb eines Systems als komplexem Gebilde in seinen Elementen und Subsystemen und andererseits zu Interaktionen mit anderen Systemen (vgl. Ellebracht/Lenz/Osterhold 2011: 14). Diese Kommunikationsereignisse sind Gegenstand für den systemischen Blick auf Organisationen (vgl. Jung/Wimmer 2009: 106-107). Jedes System konstruiert sich seine Wirklichkeit selbst durch seine Strukturen, Werte, Deutungs- und Handlungsmuster (vgl. Ellebracht/Lenz/Osterhold 2011: 17). Der systemische Ansatz verzichtet auf die Annahme allgemein gültiger Objektivitäten oder absoluter Wahrheiten (ebd.: 15) ebenso wie auf vereinfachende „Entweder-Oder “ Kategorisierungen (vgl. Königswieser/Hillebrand 2011: 28). Entscheidend ist für ein System, was dem Selbsterhalt nützt:
„Die Frage, welche Wahrnehmung richtig oder falsch ist, spielt dabei überhaupt keine Rolle, weil Menschen grundsätzlich nur das erkennen können, was sie mit Hilfe ihrer Schemata oder Deutungsmuster ‚sehen‘ können. Das einzige was zählt ist deshalb – wie die Konstruktivisten sagen – die ‚Viabilität‘ der Deutung, d.h. die Frage, ob damit eine ‚gangbare‘ oder ‚brauchbare‘ Sicht der Dinge entsteht oder nicht. (Arnold 2009: 39).
Systeme organisieren und steuern sich selbst in Abgrenzung zu ihrer Umwelt (vgl. Jung/Wimmer 2009: 104-106) und entscheiden in Transformationsprozessen (vgl. Kö nigswieser/Hillebrand 2011: 33) darüber, welche Informationen systemrelevant sind. Als Informationen gelten dabei nicht nur Wissensinhalte. Jede Form der Beeinflussung, Veränderung und Interaktion ist potentiell Quelle für Veränderungen innerhalb des Systems. Dies gilt für alle Ebenen der Wirklichkeitskonstruktion eines Systems: die Strukturen, Werte, Regeln, die Deutungs- und Handlungsmuster. Durch die Transformation und die Auswahl an Informationen wird Komplexität reduziert (vgl. ebd.: 32) und die Anschlussfähigkeit an Veränderungen im Rahmen des Selbsterhalts gesichert (vgl. ebd.: 33-34).
Dem systemischen Ansatz folgend liegt der Schwerpunkt dieser Arbeit im Zusammenhang mit Erschöpfungssymptomen in Unternehmen auf beobachtbaren Verhaltens- und Deutungsmustern zur Erkenntnis vorhandener Lösungspotentiale.
Erschöpfungssyndrome sind Teil der psychosomatischen und psychischen Erkrankungen, die mittlerweile mit zu den häufigsten Krankheitsbildern gehören, die in Unternehmen zu Leistungsminderungen und Fehlzeiten führen (vgl. Pressemitteilung der DAK zum DAK Gesundheitsreport 2012 und WIdO Pressemitteilung zum Fehlzeiten-Report 2012 der AOK). In der öffentlichen Diskussion hat sich für eine Form von Erschöpfungssyndromen der Begriff „Burnout“ allgemein etabliert. Die Diagnose und Ein-ordnung ist allerdings unter Fachleuten umstritten und bislang fehlt eine einheitliche Definition und Terminologie (vgl. dazu Kap. 2.1 und 2.2 dieser Arbeit). Systemisch interessiert ungeachtet der begrifflichen Unschärfe und der noch zu leistenden diagnostischen Differenzierungen, wenn allgemein gesagt „Arbeiten krank macht“, was nützt um gesund zu werden und gesund zu bleiben. Zukunftsfähige Unternehmensführung und -gestaltung fordert auch in diesem Bereich organisationales Lernen.
„Organisationales Lernen findet statt, wenn einzelne in einer Organisation eine problematische Situation erleben und sie im Namen der Organisation untersuchen. Sie erleben eine überraschende Nichtübereinstimmung zwischen erwarteten tatsächlichen Aktionsergebnissen und reagieren darauf mit einem Prozess von Gedanken und weiteren Handlungen“ (Argyris/Schön 2002: 31).
Das führt zu den beiden Leitfragen vorliegender Untersuchung:
1. Welche Erfahrungen mit Erschöpfungssymptomen haben Führungskräfte in ihren Unternehmen?
2. Wie werden diese Erfahrungen bewertet und wie wird damit organisational umgegangen?
Sollen Verbesserungen (Veränderungen) erreicht werden, genügt es nicht Maßnahmen zu planen und singulär umzusetzen nach Art eines monokausalen Ursache-Wirkungsschemas (vgl. Senge 2011: 80). Aus der Erfahrung hat sich gezeigt, „dass viele Probleme durch grundsätzliche Denk- und Interaktionsweisen verursacht werden und nicht durch Besonderheiten der Organisationsstruktur und –politik“ (Senge 2011: 40).
Folgende Teilfragen ergeben sich daraus:
- Welche Verhaltens- und Arbeitsweisen von Mitarbeitern bezeichnen Führungskräfte als Grundlage zur Bewältigung der Herausforderungen in der gegenwärtigen Arbeitssituation in ihrem Unternehmen?
- Sehen Führungskräfte Erschöpfungspotentiale im geforderten Mitarbeiterverhalten und gibt es Übereinstimmungen?
- Welche inneren Konstrukte über den Mitarbeiter haben Führungskräfte bei ihren Bewertungen?
Es gilt im Zusammenhang mit Erschöpfungszuständen die damit verbundenen Annahmen und Interpretationen als Konstruktionen innerhalb des einzelnen Unternehmens zu erkennen und zu benennen wie Menschen in Situationen (ihr) Verhalten deuten. Daraus ergeben sich Präventionsstrategien und Lösungsansätze zum besseren Selbsterhalt, d.h. zur Verbesserung der Situation von Betroffenen.
Hintergrund des Forschungsgegenstandes dieser Arbeit ist die steigende Zahl an emotionalen Erschöpfungsdepressionen von Arbeitnehmern wie bereits dargestellt. Im Fokus dieser Untersuchung steht die Frage nach einer nachhaltigen Prävention, die an den Stress auslösenden und psychisch belastenden Arbeitsanforderungen ansetzt. Die Hypothese dabei ist, dass im geforderten Mitarbeiterverhalten Potential vorhanden ist, das Burnout auslösen kann. Hier interessieren die Wahrnehmung, die Einschätzung und Beurteilung von Führungskräften. Das Burnout-Syndrom ist komplex. Auslöser, Ursachen und Entwicklungsverläufe sind alles andere als eindeutig und allgemein feststellbar. Wichtige Erkenntnisse und Erklärungsansätze aus Forschung, Arbeits- und Betreuungspraxis und die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte sind dabei zu beachten. Das kann im Rahmen dieser Untersuchungen weder dargestellt noch erörtert werden. Hier ist zu verweisen auf das Standardwerk von Burischs Theorie der inneren Erschöpfung, das in vierter aktualisierter Auflage vorliegt. Neben den Erkenntnissen der Stressforschung und des betrieblichen Gesundheitsmanagements sind die Ansätze von Modellen zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit und der Beschäftigungsfähigkeit als wichtige Beiträge in der Auseinandersetzung mit Burnout anzusehen.
Im zweiten Kapitel werden zur sachgerechten Einordnung und zum Verständnis die Schwierigkeiten einer klaren Diagnose von Burnout, die Abgrenzung zu Depressionen und verwandten Symptomen, der Terminologie und des Umganges mit dem Phänomen erörtert. Aus dem Zusammenhang von Arbeit und Erschöpfungszuständen ergibt sich die Frage nach der Prävention als organisationale Anforderungen an Führungskräfte. Gesamtstrategische Rahmenbedingungen müssen durch das Management geschaffen und verantwortet werden. Burnout wird zur Herausforderung einer lernenden Organisation. Die Korrelation von Arbeitsanforderungen im Arbeitsalltag, Erwartungen und subjektiven Belastungs- und Erschöpfungspotentialen sind Vorbereitung auf die Expertenbefragungen. Mentale Modelle prägen dabei die Arbeits- und Unternehmenskultur, das Berufs-, Rollen- und Selbstverständnis aller Beteiligten.
Im dritten Kapitel werden die Untersuchung und deren Auswertung vorgestellt. Nach der Begründung der Methoden und der Auswahl der Interviewpartner erfolgt die Begründung der Erhebung, Auswahl und Auswertung der Daten. Die Ergebnisse der Untersuchung werden im vierten Kapitel dargestellt und interpretiert. Im fünften Kapitel werden die Ergebnisse zusammengefasst und Lösungsansätze für die Praxis mit einem abschließenden Ausblick skizziert.
Chronische Erschöpfungszustände bei Mitarbeitern sind seit Jahren zunehmend Ursache von Fehlzeiten und Arbeitsunfähigkeit von Mitarbeitern (vgl. Pressemitteilung der WIdO zum Fehlzeiten-Report 2012: 7). Nach einer Hochrechnung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK führten infolge von Burnout im Jahr 2011 die Krankschreibungen von mehr als 130.000 Personen der 34 Millionen gesetzlich krankenversicherten Beschäftigten zu 2,7 Millionen Fehltagen (ebd.: 2). Diese Zahlen veranschaulichen Fakten von gesundheitspolitischer und gesundheitsökonomischer Tragweite (vgl. Korczak/Kister/Huber 2010: 5). Es wird „Burnout“ diagnostiziert, obwohl es für diese Form des Erschöpfungssyndroms weder eine einheitliche Definition noch eine eigene Diagnose gibt (vgl. Kaschka/Korczak/Broich 2010).
Eine international anerkannte und allgemeingültige Definition von Burnout gibt es bisher noch nicht. Fachliche Termini wie emotionale Erschöpfung, chronische Erschöpfung, Erschöpfungsdepression, Erschöpfungssyndrom, Anpassungs- oder Belastungsstörung werden teilweise synonym verwendet. Die wichtigsten Zwischenergebnisse, Fragen und Probleme bei der wissenschaftlichen Ergründung von Burnout wurden im Health Technology Assessment (folgend: HTA) Bericht 2010 ‚Differenzialdiagnostik des Burnout-Syndroms‘ im Auftrag des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) veröffentlicht.
Burnout wird nicht als eigenständige Diagnose in den internationalen Klassifikationssystemen ICD-10 (Internationale Klassifikation der Krankheiten, 10. Revision) und DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders IV) gelistet. Nach ICD-10 werden Zusatzdiagnosen (Z 00-99) geführt als “Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen“. Ausgebrannt-sein (Burnout) ist eingruppiert unter den Problemen mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung (Z 73.0).
Man ist auf Arbeitsdefinitionen, -hypothesen und -theorien angewiesen. Dabei korrelieren Erklärungsversuche und Lösungsansätze mit den diversen Arbeitshypothesen und Definitionen. Eine ausführliche Darstellung und Diskussion der Burnout-Forschung, der Theorien und neueren Entwicklungen wurde in der vierten, aktualisierten Auflage der Theorie der inneren Erschöpfung vom anerkannten Fachmann Matthias Burisch vorgelegt (Burisch 2010: Das Burnout-Syndrom. Theorie der inneren Erschöpfung. Zahlreiche Fallbeispiele. Hilfen zur Selbsthilfe).
Die verschiedenen Erklärungsmodelle für die Ursachen von Burnout lassen sich je nach Perspektiven in drei Kategorien einteilen (vgl. HTA 2010: 18-19):
- Im Fokus differenzialpsychologischer oder individuenzentrierter Ansätze stehen persönlichkeitsspezifische Aspekte
- Arbeits- und organisationspsychologische Ansätze gehen von unterschiedlichen Ursachen in der Arbeitswelt aus
- Soziologisch-sozialwissenschaftliche Ansätze nehmen gesellschaftliche Aspekte und Veränderungen in den Blick
Ein wesentliches Merkmal für Burnout ist der Verlauf als schleichender und langwieriger Prozess. Dazu wurden verschiedene Phasenmodelle entwickelt, deren wissenschaftliche Fundierung durch Längsschnitt- oder Verlaufsstudien noch aussteht (vgl. HTA 2010: 17 und Stressreport 2012: 181).
Die seit dem Beginn der Burnout-Forschung zusammengestellten und ergänzten Symptomenkataloge enthalten mehr als 130 mögliche Symptome (vgl. die Listen von Burisch und Schaufeli/Enzmann, in: HTA 2010: 111-116). Schaufeli und Enzmann haben mögliche Symptome einer individuellen, einer interpersonellen oder einer institutionellen Ebene zugeordnet und diese wiederum in affektive, kognitive, physische, verhaltens- oder motivationsbezogene Symptome differenziert (ebd.: 114-116).
Als Grundlage für die Erfassung von Burnout-Symptomen dienen im Wesentlichen Selbstbeurteilungsbögen. Das Maslach Burnout Inventar (MBI), das Tedium Measure (TM) und das Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebnismuster (AVEM) kommen derzeit zur Anwendung (vgl. HTA 2010: 20-23). Sie sind subjektiv beschreibender Art und keine krankheitsdiagnostischen Verfahren (ebd.: 23).
Die hohe Zahl an möglichen und unspezifischen Symptomen relativiert deren Zuordnung und erschwert die Abgrenzung zu anderen Krankheitsbildern. Ein Vergleich möglicher Symptome von Burnout und Depressionen verdeutlicht dieses Ausgangsproblem der Randunschärfe (vgl. die Symptomenliste und Einschätzung in: Burisch 2010: 25-26 und 296-297 mit den Tabellen affektiver und depressiver Störungen nach ICD-10 in: Beblo/Lautenbacher 2006: 2). Von Fachkreisen wird u.a. kritisiert, dass bei Auflistungen zu Burnout nicht eindeutig zwischen Symptomen, Auslösern, Ursachen und möglichen Folgen unterschieden wird (vgl. HTA 2010: 16). Der Ausschluss somatischer Auslöser und Ursachen und die Abgrenzung von Depressionserkrankungen ist die Hauptaufgabe einer sorgfältigen Differentialdiagnostik (vgl. HTA 2010: 24,97).
Als methodisches und inhaltliches Fazit ergibt sich: Was vom wissenschaftlichen Standpunkt aus als mangelnde Objektivierbarkeit kritisiert wird, ist für die Fragestellung aus systemischem Ansatz für den Umgang mit Burnout ein wichtiger und methodischer Ausgangspunkt: Phänomenologische Beobachtungen, deren Deutungen und mögliche Alternativen. Oder anders ausgedrückt: Was erleben die betroffenen Personen und wie beschreiben sie ihre Situation? Welche Ressourcen gibt es in ihrem Verhalten und den Systemen in ihren sozialen Interaktionen? Was hilft zur Vorbeugung und Entlastung?
Der Begriff „Burnout“ steht
- für das sehr komplexe Phänomen bestimmter Formen von körperlichen, mentalen und v.a. emotionalen Erschöpfungszuständen mit einer Vielzahl an damit verbundenen Symptomen, Ursachen, Auslösern und Folgen
- für einen Prozessverlauf in Entwicklungsphasen und Graden der Erkrankung
Ob man von der „Berufskrankheit des 21. Jahrhunderts“ (Gembris-Nübel 2008: 39), einer „neuen Volkskrankheit“ (vgl. Le Ker 2012: 43) dem „Arbeitsunfall der Moderne“ (vgl. Kleinschmidt in: Brenner 2012: 238), der „Stress- und Leistungskrankheit dieses Jahrhunderts“ (Pilz-Kusch 2012: 15) oder einer „Modediagnose“ (Kaschka/Korczak/Broich 2010: 781) spricht: subjektives Leiden und damit verbundene gesundheitliche Probleme vieler Menschen erhalten durch den Begriff „Burnout“ (aus dem Englischen to burn out = ausbrennen) einen Namen. Die Metapher vom Ausbrennen oder „ausgebrannt-sein“ verleiht dem subjektiven Erleben und objektiven Zustand Betroffener einen intuitiven Ausdruck (vgl. Korczak/Kister/Huber 2010: 13-14) und hat zu einer Sensibilisierung für das komplexe Erschöpfungssyndrom beigetragen.
Der Umgang und die Einschätzung des Burnout-Syndroms stehen in einem Spannungsfeld von Faktizität, Tabuisierung und populärer Diagnose, wie Abbildung 2 veranschaulicht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
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