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Hausarbeit (Hauptseminar), 2008
56 Seiten, Note: 1,3
1 Einleitung: Ziel und Aufbau der Arbeit
2 Methodische Vorüberlegungen
2.1 Die eschatologische Einzelthematik: „Auferstehung der Toten“
2.2 Zur Hermeneutik eschatologischer Aussagen
3 Die Auferstehung der Toten in bibeltheologischer Sicht
3.1 Die Auferstehungshoffnung im Alten Testament
3.1.1 Hinführung
3.1.2 „Bilder des Auferstehungsglaubens“ im Alten Testament
3.2 Die Auferstehung der Toten im Neuen Testament
3.2.1 Hinführung
3.2.2 Die Auferstehung der Toten in der paulinischen Briefliteratur (1 Thess 4, 13-17 und 1 Kor 15, 1-58)
3.2.3 Das Streitgespräch Jesu mit den Sadduzäern (Mk 12,18-27)
4 Theologiegeschichtliche und systematische Untersuchung zum Verständnis der „Auferstehung der Toten“
4.1 Was heißt ‚Auferstehung der Toten’?
4.2 Problemgeschichtliche und dogmatische Annäherung zum Verständnis „Auferstehung des Leibes (Fleisches)“ und „Unsterblichkeit der Seele“
4.2.1 Hinführung
4.2.2 Leben nach dem Tod bei Platon und in der Gnosis
4.2.3 Die Ausbildung der Lehre von der „Auferstehung des Fleisches“ in den ersten drei Jahrhunderten
4.2.4 Augustinus am Anfang der mittelalterlichen Anschauungen
4.2.5 Zwischenergebnis
4.2.6 Die philosophisch und theologische Reflexion zur Zeit der Scholastik
4.2.7 Das Verhältnis von Unsterblichkeit der Seele und Auferstehung der Toten in der Neuzeit
4.2.8 Entwicklungen in der gegenwärtigen katholischen Theologie
4.3 Systematisches Fazit
5 Die Auferstehung der Toten in kirchlichen Lehrentscheidungen
5.1 Hinführung
5.2 Die kirchlichen Lehrdokumente bis zur dogmatischen Bulle „Benedictus Deus“ (1336)
5.3 Die dogmatische Bulle „Benedictus Deus (1336) von Papst Benedikt XII
5.4 Die weiteren ehramtliche Entwicklungen bis zum II. Vatikanum
5.5 Zum römischen Lehrschreiben über die Eschatologie (17. Mai 1979)
5.6 Zusammenfassung
6 Schlusswort
Abkürzungsverzeichnis
Verzeichnis der benutzten Hilfsmittel
Quellen- und Literaturverzeichnis
› Ich bin die Auferstehung und das Leben.
Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt,…‹ (Joh 11, 25)
Diese von Jesus Christus ausgesprochene Offenbarungswahrheit der Lebensverheißung über den Tod hinaus, prägt zu allen christlichen Zeiten die Theologie und die christliche Hoffnung.[1] Die Verkündigung wird mit der Botschaft von der Auferstehung Jesu verbunden, denn das eine kann ohne das andere nicht sein: „Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ist auch Christus nicht auferweckt worden. Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos.“ (1 Kor 15,13f). So gehört der Glaubenssatz von der ‚Auferstehung der Toten’ zum Kern des christlichen Glaubens.[2]
Gegenstand und Ziel des vorliegenden Beitrags ist, dem Thema „Unsterblichkeit der Seele und Auferstehung der Toten in kirchlichen Lehrdokumenten“ eine Darstellung mit ihrer spezifischen Perspektive in die oben skizzierten vier Hauptkapitel zu geben.
Im ersten Teil werden Methodische Vorüberlegungen (Kapitel 2) geleistet, die zunächst eine allgemeine Grundlegung zum eschatologischen Einzeltraktat „Auferstehung der Toten“ aufzeigt. Die sich daraus ergebenen Aufgaben werden vor allem für die Erarbeitung einer ‚Hermeneutik der eschatologischen Aussagen’ angegangen werden. In diesem Rahmen unseres Themas ist es unumstößlich im zweiten Teil (Kapitel 3) zunächst einen Überblick über die biblischen Aussagen zur Auferstehung der Toten im Alten und Neuen Testament zu geben, das zu einer weiterführenden Reflexion des speziellen Traktats der Eschatologie vermittelt. Anschließend wird in einem dritten Schritt (4. Kapitel) in einem kurzem theologiegeschichtlichen und systematischen Überblick die Grundlagenreflexion zum Thema der „Auferstehung der Toten“ geleistet, um eine Annäherung des Verständnisses „Auferstehung der Toten“ und/oder „Unsterblichkeit der Seele“ zu reflektieren. Methodisch schien es richtig, die Entfaltung dieses Themas in einem eigenen Kapitel dazustellen, denn sie bildet die Grundlage der anschließenden Darstellung des 5. Kapitels „Die Auferstehung der Toten in kirchlichen Lehrdokumenten“. Hier sollen dann die historischen Entwicklungslinien aufgezeigt werden, das die gegenseitige Abhängigkeit und Bedeutungszusammenhänge mitberücksichtigt. Im Schlusswort (Kapitel 6) wird schließlich eine Bilanz gezogen, die meine Überlegungen abschließen.
Die ‚Lehre von der Auferstehung der Toten’ hat unbestreitbar in der Theologie eine besondere Bedeutung, doch genauso muss gesehen werden, dass sie ihren theologischen Ort im dogmatischen Traktat der Eschatologie[3] hat.
Im Laufe der Theologiegeschichte wird die Eschatologie unter verschiedenen Gesichtspunkten eingeteilt und gleichzeitig mit anderen Traktaten der Dogmatik in Verbindung gebracht, dabei hat jedoch die Unterscheidung zwischen der allgemeinen und individuellen Eschatologie die größte Bedeutung erlangt.[4] Die Entfaltung einer speziellen Eschatologie, in unserem Fall die ‚Auferstehung der Toten’, erfordert zunächst eine Reflexion über ihr Verhältnis zur „Allgemeinen Grundlegung“[5].
In der Geschichte der christlichen Eschatologie begann schon früh der individuelle Aspekt über den universalen (kollektiven) zu dominieren und theologiegeschichtlich gesehen gab es kaum eine allgemeine Grundlegung, denn es ist nicht zu übersehen, wie ungleichgewichtig die eschatologischen Themen behandelt wurden.[6] Nach der heute anwendbaren eschatologischen Hermeneutik, müssen Einzelaussagen wie Gericht und Auferstehung als Versuch gesehen werden, durch bestimmte Qualifizierungen jeweils das Ganze zum Ausdruck zu bringen.[7]
Unsere Untersuchung von den „Auferstehung der Toten in kirchlichen Lehrdokumenten“ umfasst viele eschatologische Aussagen und hat viele Voraussetzungen im theologischen - systematischen Bereich und in der Philosophie. Der folgende Versuch eschatologische Aussagen zu umfassen fußt vor allem auf den im folgenden Kapitel darzulegenden hermeneutischen Grundsatz.[8]
So sehr die Eschatologie als Traktat der gesamten Dogmatik grundsätzlich an die übliche wissenschaftliche Methode gebunden ist, so ergeben sich dennoch zusätzliche Schwierigkeiten, die hier kurz angesprochen werden sollen. Die Heilige Schrift ist die wichtigste Quelle der christlichen Eschatologie[9], doch muss bei der Interpretation der einzelnen Texte gefragt werden, unter welchen Voraussetzungen die (eschatologischen) Aussagen zustande gekommen sind.[10]
Eschatologische Aussagen erscheinen fast ausschließlich in Bildern[11], so z.B. der Himmel als Hochzeitsmahl, die Hölle als Feuerhölle, das Gericht als Scheiden der Böcke von den Schafen u.a. Die einzelnen Bilder können nicht zu einem Gesamtbild komponiert werden, sie können nur hinsichtlich ihres Aussageninhaltes befragt werden.[12] Dieser Ansatz gilt für biblische Texte überhaupt, nicht nur für eschatologische Aussagen.[13]
Bahnbrechend war und ist der Beitrag Karl Rahners über „Theologische Prinzipen zur Hermeneutik eschatologischer Aussagen“. [14] Der Theologe hat darauf hingewiesen, dass das Wissen, „über die christliche Eschatologie, was wir über den jetzigen heilsgeschichtlichen Zustand des Menschen wissen“, „nicht von einer Zukunft etwas in die Gegenwart hinein“ projizieren, „sondern wir projizieren unsere christliche Gegenwart in der Erfahrung des Menschen mit sich, mit Gott in der Gnade und in Christus auf seine Zukunft hin, weil der Mensch eben seine Gegenwart gar nicht anders verstehen kann, denn als das Entstehen, das Werden, als die Dynamik auf eine Zukunft“.[15]
Diese Formulierungen enthalten das grundlegende hermeneutische Prinzip zum Verständnis der Glaubensaussagen über die Vollendung: „Die eigentlich ursprüngliche Quelle der eschatologischen Aussagen ist also die Erfahrung von dem Heilhandeln Gottes an uns selbst in Christus.“ Die religiöse Erfahrung, die hier gemeint ist, ist nicht jene allgemeine Gotteserfahrung, die ein Mensch in seiner Selbsterfahrung machen kann; es ist die durch Menschen vermittelte Erfahrung Jesu. Von ihr aus lässt sich auf die Vollendung schließen: „Der Christ, der die Offenbarung Christi annimmt, weiß, um Christus zu kennen und weil er ihn kennt, dass die Vollendung eben die Christi ist, und sonst weiß er von ihr eigentlich nichts. Anders ausgedrückt: Der Mensch als Christi weiß von seiner Zukunft weil und indem und darin, dass er durch die Offenbarung Gottes von sich selbst und seiner Erlösung in Christus weiß. Sein Wissen um die Eschata ist nicht eine zusätzliche Mitteilung zu der dogmatischen Anthropologie und Christologie, sondern nichts anderes als eben deren Transposition in den Modus der Vollendung“[16]. Aus dieser Erkenntnis, dass die Eschatologie keine Enthüllungen über die Zukunft anbieten kann, die nicht in den Erfahrungen mit Jesus grundgelegt sind, hat Rahner die hermeneutischen Grundsätze formuliert.
Das Problem des Verstehens und der sprachlichen Wiedergabe eschatologischer Aussagen läßt sich auch durch einen Blick auf das Schreiben der Vatikanischen Kongregation für die Glaubenslehre vom 17.5.1979 „über einige Fragen der Eschatologie“ verdeutlichen. Das Schreiben äußert sich zur eschatologischen Bilderwelt folgendermaßen: „Jene Bilder hingegen, welche wir in der Heiligen Schrift verwandt finden, verdienen eine besondere Ehrfurcht. Man muß ihren tieferen Sinn verstehen und die Gefahr vermeiden, sie allzu sehr abzuschwächen, weil das oft die Wirklichkeit selbst verflüchtigt, die in diesen Bildern angedeutet wird.“[17]
Zusammengefasst lässt sich also sagen, Die eigentliche Quelle eschatologischer Aussagen stellt die Heilige Schrift dar und an der Richtigkeit dieser Aussage lässt sich nicht rütteln. Entscheidend aber dürften die Verstehensvoraussetzungen sein, die mit ihr verbunden sind, denn eine reflektierende Beschreibung der verschiedenen Zukunftsaussagen führt zu dem Resultat, dass ein unkritisches Reproduzieren der tradierten eschatologischen Aussagen nicht mehr vertretbar ist. Stattdessen muss die Situation solcher Äußerungen überhaupt reflektiert und gefragt werden, wie sie zustande kommen und welcher Basis aus sie gewonnen werden und zielt auf eine Klärung der Frage, wie die Schrift selber dazu kommt, eschatologische Feststellungen zu treffen. Man kann sich die Rechenschaft darüber vereinfachen, indem man sich auf den Tatestand der Überlieferung eschatologischer Aussagen beruft.[18]
Es wird heute in der Theologie kaum mehr bestritten, dass sichere Zeugnisse über die Auferstehung der Toten im Alten Testament[19] jüngeren Datums sind und erst in eher späten Passagen des Alten Testaments und in der außerkanonischen frühjüdischen Literatur auftauchen.[20] Dennoch ist dieser Glaube an die Auferstehung letzten Endes eine Entfaltung bestimmter Elemente der Gottesvorstellung im Volk Israel, die sie mit ihrer Erfahrung mit seinem Gott Jahwe[21] machte.[22] Hierzu seien nun einzelne biblische Zeugnisse zu betrachten.
„(Vor) – Bilder des Auferstehungsglaubens“[23] finden sich bei zwei Zeugnissen: Ezechiel 37, 1-14[24] und Hosea 6,1-2[25], doch ein wesentlich anderes Hoffnungsbild bietet die Apokalyptik,[26] denn sie hat erst klar von der Auferstehung der Toten gesprochen und sie sicher in Aussicht gestellt. Nun geht es auch nicht mehr um die Zukunft Israels, sondern um die Zukunft der Gerechten.[27]
Das einzige eindeutige Zeugnis für den Glauben an individuelle Auferstehung bietet das Danielbuch (12,1-3) , für das wir die Entstehungszeit (des Gesamtwerkes) recht genau erfassen können.[28] Der verfasste Text sagt die Drangsal der Endzeit an, die schließlich die Rettung der Gerechten, die allgemeine Vergeltung und in diesem Zusammenhang die Auferstehung aufgezeigt (siehe Dan 12, 2-3).[29] Sicher ist an dieser Stelle die Auferstehung aus dem Totenreich[30] (Land des Staubes) verheißen.[31] Die Auferstehung wird also als Offenbarung des Heilswillens Gottes verkündet, der die Freiheit und die Macht hat, seine Herrschaft in der Geschichte, und wenn es auch erst ganz am Ende ist (Dan 12,4-13), zur Vollendung zur bringen. Auferstehung besagt in diesem Zusammenhang auch, dass der ganze Mensch in dieses endgültige Heil Gottes zum immerwährenden Leben eingehen wird.[32]
Eine ganz andere Haltung offenbart 2 Makk 7 (vgl. auch 12,43 f.; 14,46), das ebenfalls ein unumstrittenes Zeugnis für die Auferstehung der Toten ist, sich von den religiösen Unsterblichkeitsvorstellungen der hellenistischen Umwelt jedoch klar absetzt. Das (nach 160 v. Chr. griechisch verfasste) zweite Makkabäerbuch erzählt im siebten Kapitel vom Martyrium einer Mutter und ihrer sieben Söhne, die sich lieber zu Tode foltern ließen, als das jüdische Gesetz zu übertreten. In der Situation äußerster Unterdrückung und Verfolgung wird der Glaube an Gottes Treue und Macht zur Hoffnung auf Auferweckung und neues, ewiges Leben.[33]
Im Buch der Weisheit [34] findet sich nochmals ein anderes Hoffnungsbild[35], allerdings wird nicht ausdrücklich die Hoffnung auf die Auferstehung herausgestellt, stattdessen ist von „Unvergänglichkeit“ (Weish 2,23) und „Unsterblichkeit“ (Weish 3,4) die Rede.[36] Die Verweise auf das Leben nach dem Tode, wo „die Seelen der Gerechten … keine Qual berühren“ kann (3,1) , wo sie – im Gegensatz zu den Leiden in dieser Welt – „in Frieden“ (3,3), „in Sicherheit“ (4,17) sind, „enteilte sie aus der Mitte des Bösen“ (4,14), begünstigten eine Verlagerung des Gesamtinteresses auf das Jenseits (schlägt sich aber in der Wirkungsgeschichte im Christentum wieder durch), wird aber durch den Kontext des gesamten Weisheitsbuches korrigiert.[37]
Die Frage, ob das AT eine Weiterlebensvorstellung im Sinne einer „Unsterblichkeit der Seele“ kennt, oder aber im Sinne einer „Auferstehung der Toten“, ist – so gestellt – verfehlt, denn „der Glaube an die Auferstehung der Toten erweist sich…als ein ausschließlich innerbiblisch zu verstehendes Phänomen, das…in Jahwes heilgeschichtlicher Offenbarung verwurzelt ist“[38]. Eindeutige Zeugnisse zur Auferstehung der Toten finden wir - wie bereits angedeutet – erst in jüngeren Schriften.[39]
Das Neue Testament enthält zahlreiche eschatologische Texte, wobei das Neue Testament in hohem Maße durch die Überlieferung aus dem Alten Testament bestimmt ist. Im Anschluss an die alttestamentliche Eschatologie soll im Folgenden zunächst die zentralen Zeugnisse innerhalb des Neuen Testaments um die Auferstehung der Toten in der paulinischen Literatur (1 Thess 4, 13-17 und 1 Kor 15,1-58) und das Streitgespräch mit den Sadduzäer nach dem Markusevangelium (12, 18-27) erörtert und beschrieben werden.[40]
(1 Thess 4, 13-17 und 1 Kor 15, 1-58)
Der Apostel spricht nicht nur an verschiedenen Stellen seiner Briefe von der Auferstehung der Toten, er entwickelt auch eine ausführliche Theologie der Auferstehung, die eine eingehende christologische Begründung einschließt[41] und vor allem das Problem des Auferstehungsleibes zu lösen versucht.[42] In der Entwicklung von eschatologischen Anschauungen des Apostels erscheinen für unsere Fragestellung v.a. 1 Thess 4,13-18 und 1 Kor 15 von besonderer Wichtigkeit.
Der erste Hinweis auf eine Vorstellung der Auferstehung von den Toten findet sich in 1 Thess 4,13 – 18 und ist vor dem Hintergrund der Naherwartung zu sehen.[43] Die junge Christengemeinde hofft auf das baldige Kommen des Herrn und trauerte offensichtlich darüber, dass die ersten Gemeindemitglieder gestorben waren. Nun entstand die Frage, ob und in welcher Weise diese am zu erwarteten Heil der Parusie teilhaben können. Paulus antwortet darauf in den Versen 13 – 18, bringt nun die Vorstellung des Heilsereignisses der Parusie mit dem Problem der gestorbenen Gemeindemitgliedern in Kontakt und kommt dabei zu seiner Lösung: Vor der Parusie vom Himmel her werden erst die Toten auferstehen und dann zusammen mit den Lebenden dem Herrn entgegen gehen. Paulus interessiert sich hier also nicht für die Art und das Wie der Auferweckung, für ihre Ursache oder ihre Möglichkeit, sondern er verweist auf den Gauben an Jesu Tod.[44] Weil die Hoffnung darauf, die Parusie Christi zu erleben und dem Herrn zu begegnen, nicht nur für die Übriggebliebenen, sondern für alle gilt, wird nun die Auferstehung der Toten wichtig.[45]
Paulus hat die neutestamentliche Lehre von der Totenauferstehung in eindringlicher Reflexion – v.a. im bekannten Text 1 Kor 15 – herausgestellt, wo auch das älteste christliche Credo über den Tod und die Auferstehung Christi niedergelegt ist (V. 3-5).[46] Verschärft wird das Problem um die ‚Auferstehung der Toten’ dadurch, dass die Gemeinde in Korinth eigenständig eine eigene Auferstehungsvorstellung herausgebildet oder von anderen Missionaren mitgeteilt bekommen hatte, die Paulus für nicht verantwortbar hält.[47] In 1 Kor 15,12 erwähnt Paulus, dass es korinthische Gemeindemitglieder gibt, die von der Auferstehung der Toten nichts halten, obwohl sie sich offenbar zur Auferstehung Jesu bekennen. Paulus hält aber streng an der Leiblichkeit des Heils fest und liefert uns nur in 1 Kor 15 eine entfaltete Auferstehungstheologie. Der Grund der Auferstehung der Toten ist die Auferstehung Jesu Christi, dessen Schicksal auch unser Schicksal sein wird; aber für ihn gehören zum Heil unbedingt auch die Vollendung der Geschichte und die Rettung des ganzen, leibhaftigen Menschen.[48] Tod und Auferstehung Christi sind dabei in wechselseitiger Relation mit Tod und Auferstehung der Christen verbunden. Wenn man eines leugnet, gleich welches, muss man auch das andere leugnen. Leugnet man aber die Auferstehung Christi, so wäre die Sache Jesu gescheitert und das ganze christliche Wirklichkeitsverständnis dahin (1 Kor 15,13 – 19).[49] Die Auferstehung Jesu eröffnet somit eine Geschichte, die erst an ihr Ziel kommt, wenn alle gottfeindlichen Mächte besiegt sind: „Der letzte Feind, der entmachtet wird, ist der Tod“ (1 Kor 15, 26). Wer diese geschichtliche Hoffnung ausklammert, der weiß „nichts von Gott“ (34).
Im Gegensatz zu 1 Thess 4,13 – 18 stellt Paulus nun aber nicht nur Überlegungen zu einer christologischen Begründung der Auferstehung der Toten an, sondern er befasst sich in 1 Kor 15, 35 – 58 ausführlich mit dem Problem, sich die Gestalt, die Leibhaftigkeit der Auferstandenen vorzustellen.[50] Die entscheidende Frage der korinthischen Gegner an Paulus lautet: „Wie werden die Toten auferweckt, was für einen Leib werden sie haben?“ (1 Kor 15,35) Paulus geht es bei seiner Argumentation nicht so sehr um den Nachweis, dass eine Auferstehung der Toten überhaupt möglich ist, sondern um die Erklärung, wie diese leibliche Auferstehung geschehen kann, wie die Auferstehung den begrabenen und vielleicht schon verwesten Leib umgreifen kann und muss.
Durch verschiedene Bilder und Vergleiche versucht er, die Verschiedenheit des irdischen Leibes und des Auferstehungsleibes und die völlige Andersartigkeit des Auferstehungsleibes zu erklären,[51] die ganz anders ist als die gegenwärtige und doch mit dieser identisch ist.[52] Es handelt sich bei der Totenauferstehung somit nicht mehr um eine Widerbelebung und damit um eine Anpassung der Toten an die Lebenden. Vielmehr handelt es sich um eine Verwandlung des fleischlichen Leibes (σωμα ψυχικόν) in einen „überirdischen Leib“ [ σωμα πνευματικόν (1 Kor 15,44)], die auch von den Lebenden vollzogen werden wird: „Wir werden nicht alle entschlafen, aber wir werden alle verwandelt werden.“ (1 Kor 15,51).
Interessant ist auch die Entwicklung der ‚Auferstehung der Toten’ in der weiteren Geschichte der Alten Kirche, in der das Spektrum gewissermaßen erweitert wird: hier bildet sich nämlich sehr schnell die Rede von der „Auferstehung des Fleisches“ heraus.[53]
[...]
[1] Vgl. Weber, Auferstehung der Toten, 9. Vgl. zudem den Kommentar zum Johannesevangelium bei Bultmann, Evangelium des Johannes, hier 307f.
[2] Vgl. Greshake, Auferstehung der Toten, 13.
[3] Vgl. zum Begriff „Eschatologie“: Mahlmann, Artikel ‚Eschatologie’, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hrsg. v. Joachim Ritter, Bd. 2, Sp. 740 – 743; Finkenzeller, Eschatologie, 527f.; Christian Schütz, Allgemeine Grundlegung der Eschatologie , 560-626 ; Sauter, Eschatologie, 1 – 26; Vorgrimmler, Hoffnung auf Vollendung, 11 – 16; Wanke, „Eschatologie“, 342 – 360; Mühling, Eschatologie, 15 – 48. Bei dem Versuch ‚Eschatologie’ zu bestimmen, bedarf der Traktat der Dogmatik noch grundsätzlicher Klärungen hinsichtlich des Terminus „Eschatologie“, denn seit längerem besteht kein Einverständnis über den Begriff „Eschatologie“. Horacio E. Lona hat richtig erkannt, dass „die kritische Reserve gegenüber dem Terminus „Eschatologie“… so schillernd geworden [scheint], daß er ohne eine klare Eingrenzung schwerlich zur Bestimmung eines genauen Forschungsgebietes verwendet werden kann. Die Schwierigkeiten sind nicht primär lexikalisch bedingt, sondern hängen mit dem Inhalt des christlichen Bekenntnisses und mit dem daraus resultierenden Zeitverständnis zusammen“ (Vgl. Lona, Eschatologie im Neuen Testament, 44f.). Trotzdem wollen wir uns der Bedeutung annähern: Dieser Begriff wird meist übersetzt als Lehre von den „letzten Dingen“ (von griech. tά έscata [ta eschata]). Die Herkunft dieses Wortes begegnet uns in der Theologie erstmals beim lutherischen Theologen Abraham Calov (†1686) im zwölften Band seines Werkes „Systema locorum theologicorum“ als „Eschtologia sacra“ als Oberkapitel, fand aber erst seit F.D.E. Schleiermacher (†1834) weitere Verbreitung (Vgl. Vorgrimler, Hoffnung auf Vollendung, 11). In der zeitgenössischen Theologie ist die Unterscheidung zwischen der präsentischen und der futurischen Eschatologie bedeutsam, denn dadurch wird der eigentliche Sinn der Eschatologie zur Geltung gebracht. Es wäre verfehlt, Eschatologie nur zu bestimmen als die Rede oder Lehre von dem, was danach kommt. Vielmehr gilt ihr Interesse der Gegenwart – v.a. die neuere Theologie betont diesen Sachverhalt – „es geht nicht um irgendwelche Dinge, sondern um die Zukunft der Schöpfung, nicht um etwas, was nur von außen über Mensch und Welt hereinbricht, sondern um Vollendung schon begonnenen Lebens, nicht um rein Zukünftiges, sondern auch um die Gegenwart, insofern sie von der Ausrichtung auf die Zukunft geprägt ist. Demgemäß könnte man formulieren: Eschatologie reflektiert die Hoffnung auf Vollendung“ (Nocke, Eschatologie, 378).
[4] Die allgemeine (universale, kollektive) Eschatologie handelt über die Ereignisse am Ende der Geschichte, als über die Parusie (Wiederkunft) Christi, die Auferstehung der Toten, das allgemeine (Jüngste) Gericht, die Neugestaltung des Kosmos und über Himmel und Hölle als die endgültigen Existenzweisen des eigenen Heiles oder Unheiles nach der Auferstehung der Toten. Zur individuellen Eschatologie gehören der Tod des Menschen, das persönliche Gericht und das Fortleben des Menschen nach dem Tod, vor allem der Zwischenzustand und die damit verbundene jenseitige Läuterung im Purgatorium und Himmel und Hölle vor der Auferstehung der Toten stehen im Mittelpunkt (Vgl. Finkenzeller, Eschatologie, 527).
[5] Bezüglich der Bibliographie verweisen wir auf das ausführliche Literaturverzeichnis im 6. Kapitel der Reihe Mysterium Salutis, Bd. V von Christian Schütz, Allgemeine Grundlegung der Eschatologie, auf den Seiten 693 – 700. Eine zuverlässige Erstinformation bietet Christian Schütz, Allgemeine Grundlegung der Eschatologie, 565-616. Vgl. ebenso die Bibliographie im Lehrbuch der Katholischen Dogmatik, hrsg. v. W. Beinert, im Teil über die Eschatologie von Josef Finkenzeller, 665 – 671.
[6] Das Geschick des einzelnen Menschen nach seinem Tod, Räumlichkeiten und Zuständigkeiten im „Jenseits“ beanspruchten die größte Aufmerksamkeit für sich. Wenn das ‚Reich Gottes’ als Zentralmotiv der Eschatologie thematisiert wurde, trat umgekehrt die individuelle Eschatologie zurück. Zu diesem Ungleichgewicht als Charakteristik der Eschatologie kommt es v.a. wegen der Problematik eine Einzelthematik in ein einheitliches, inneres, alle Einzelthemen umfassenden Gesamtschau darzustellen. Vgl. Vorgrimler, Hoffnung auf Vollendung, 131.
[7] Vgl. Breuning, Systematische Entfaltung der eschatologischen Aussagen, 779f.
[8] In der Hermeneutik (von griechisch hermeneuein: deuten, interpretieren) ist der Bedeutungszusammenhang des zu Deutenden als vergangene Wirklichkeit dem Rezipienten nie wirklich zugänglich. Der Interpret und das zu Interpretierende stehen vielmehr in einem gegenseitigen Bedingungsgefüge. „Hermeneutisch“ nennen wir in unserem Zusammenhang also die Frage: Wie kommt es zum Verstehen? Wie entsteht Verstehen, wie kommt es zustande? Und dann – daran anschließend – die Frage: Wie muss – natürlich jeweils in einer bestimmten geschichtlichen Situation und Konstellation – geredet werden, damit Verstehen entsteht? Welches ist die verstehbare Redeweise in einem Zeitalter? Uns muss über die Kriterien des Verstehens und des eschatologischen Redens und Verkündens klar werden, d.h. über das Verstehen eschatologischer Aussagen. Vgl. Buri/Lochmann/Ott, Kirche und die Letzten Dinge, 230.
[9] Auf dem Fundament eines offenbarungspositivistischen, fundamentalistischen und biblizistischen Vorverständnisses wird die Schrift als Offenbarungsquelle eschatologischer Aussagen im Sinne einer Sammlung von Wahrheit gedeutet, deren Erhebung in den Aufgabenbereich der Eschatologie fällt. Damit ist gesagt, dass die Quelle eschatologischer Aussagen als das Ereignis von Offenbarung überhaupt zu gelten hat.
[10] Vgl. Finkenzeller, Eschatologie, 534f. Die eschatologischen Aussagen der Bibel lassen sich nicht zu einem geschlossenen System zusammenfügen, denn sie entstammen mehreren Kulturkreisen mit unterschiedlicher Vorstellungswelt, sie sind über einen längeren Zeitraum gestreut (Vgl. Vorgrimmler, Hoffnung auf Vollendung, 83).
[11] Man wird hier die begriffliche Unterscheidung von „eschatologisch“ und „apokalyptisch“ einführen können. Diese Unterscheidung benutzte Karl Rahner in seinem Aufsatz „Theologische Prinzipen der Hermeneutik eschatologischer Aussagen“, in: ders., Schriften zur Theologie IV, Einsiedeln 1960, 401 – 428; Vgl. auch Rahner, Grundkurs des Glaubens, 414 – 417.
[12] Vgl. Finkenzeller, Eschatologie, 534f.
[13] In katholischer Sicht wurde vom II. Vatikanum folgendermaßen formuliert: Von den Büchern der Schrift ist zu sagen, „daß sie sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit lehren, die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte“ (II. Vatikanum: DV, Art. 11). Die ganze Bilderwelt hat also gegenüber der Heilswahrheit eine Hilfsfunktion. Vgl. Vorgrimmler, Hoffnung auf Vollendung, 84.
[14] Mitte des 20. Jahrhundertes setzte in der katholischen Eschatologie eine „Erneuerung“ in den Lehrstücken der Systematik „Über die letzten Dinge“, denn sie waren in den wesentlichen Aussagen durch die Jahrhunderte unverändert geblieben. Über die Willkür mit der Theologen mit der biblischen Bilderwelt umgingen, gab man sich nicht Rechenschaft. In die Erneuerung der Eschatologie griff Karl Rahner mit seiner bahnbrechenden und bis heute aktuellen Studie von 1960 (vgl. Anm. 11) ein.
[15] Rahner, Grundkurs des Glaubens, 415. „Ausgesagt also kann von dieser Zukunft eigentlich nur werden, dass sie sein kann und sein soll die Vollendung des ganzen Menschen durch den unbegreiflichen Gott im Heil, das uns verborgen in Christus schon gegeben ist…Eschatologie ist also nicht die antizipierende Reportage später erfolgender Ereignisse .. aus den künftigen Ereignissen heraus… und von ihnen her …, sondern der für den Menschen in seiner geistigen Freiheits- und Glaubensentscheidung notwendige Vorblick aus seiner durch das Ereignis Christi bestimmten heilgeschichtlichen Situation heraus…auf die endgültige Vollendung dieser seiner eigenen, schon eschatologischen Daseinssituation“ (Rahner, Theologische Prinzipien der Hermeneutik eschatologischer Aussagen, 413ff.). Rahner liegt sehr viel daran, dass die jetzt gegebene heilsgeschichtliche Situation genauer erkannt wird als eine durch Jesus Christus bestimmte Heilssituation.
[16] Ebd. 414f. Dieser Satz ist der Schlüsselsatz der Rahner’schen Eschatologie.
[17] Textzitate nach der Ausgabe des Sekretariats der Dt. Bischofskonferenz (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 11, Bonn 1979), hier: VAS 11, 6. Vgl. auch DH 4650 – 4659. Die Glaubenskongregation zeigt dann weiter, wie sie selber versucht, diesen hermeneutischen Weisungen gerecht zu werden. Zur Frage der ‚Auferstehung der Toten’ in der Schrift von der Glaubenskongregation vgl. dazu weiter Kap. 5.5: Zum römischen Lehrschreiben über Eschatologie (17. Mai 1979).
[18] Vgl. Schütz, Allgemeine Grundlegung der Eschatologie, 637 – 641.
[19] Vgl. hierzu Schreiner, Eschatologie im Alten Testament, 1 – 31; Finkenzeller, Eschatologie, 619 – 623; Groß, Grundzüge alttestamentlicher und frühjüdischer Eschatologie, 701 – 722; Nocke, Eschatologie, 422 – 428.
[20] Erst die beginnende Apokalyptik hat klar von der Auferstehung gesprochen und sie sicher in Aussicht gestellt. Sie hat dabei sicherlich die Vorstellung von einer über den Tod hinauswährenden Gottesgemeinschaft in einem weiter von Gott geschenkten glücklichen Leben, das dem Gerechten zuteil wird, aufgenommen, sie aber in eigener Weise interpretiert. Vgl. Mühling, Eschatologie, 243.
[21] Vgl. die Namensdeutung in Ex 3,4.
[22] Vgl. Finkenzeller, Eschatologie, 620.
[23] Nocke, Eschatologie, 424.
[24] Ezechiel formuliert in der Vision von den ausgetrockneten und von der beschriebenen Wiederbelebung der Totengebeine, von der Öffnung der Gräber und der Einhauchung des lebendig machenden Geistes als die Hoffnung auf die Wiederherstellung Israels nach dem babylonischen Exil. Es ist ein Bild für die Heimkehr des Volkes aus der Gefangenschaft und für die auch im Tod erhalten gebliebene Identität des Volkes (V. 4ff.). Das geschlagene, ins Exil verschleppte und in Hoffnungslosigkeit erstarrende Israel soll durch den Geist Gottes zu neuem Leben kommen. Da der Text sich nicht auf den physischen Tod des einzelnen Menschen, sondern auf das darniederliegende Volk Israels bezieht, kann er nicht als frühes Zeugnis für den Glauben an die individuelle Auferstehung gewertet werden. Doch macht sie die sehr weitgehende Glaubensaussage, dass der lebendige Gott eine uneingeschränkte Macht über Leben und Tod hat, deutlich. Vgl. Finkenzeller, Eschatologie, 621.
[25] In Hosea 6,2 geht es um die Hoffnung des Volkes, aus seiner moralischen Verderbtheit und dem dadurch entstandenen Elend umzukehren und mit Gottes Hilfe einen neuen Anfang machen zu können. Diese Stelle wird von der kritischen Exegese allgemein nicht als frühes Zeugnis für den alttestamentlichen Glauben an die Auferstehung der Toten anerkannt, denn es handelt sich um die Genesung und das Auferstehen eines Kranken. Der Text will nur sagen, dass das Volk nach kurzer Zeit wieder hergestellt wird. Ebd., S. 620f.
[26] Diese gehört einer Zeit an (etwa 200 v. Chr. bis 100. n. Chr.), die für das Judentum – politisch und religiös – zum äußerstem Pessimismus Anlass bot. Da bekommt in einigen Kreisen treuer Juden die Hoffnung eine andere Gestalt, denn man setzt nun darauf, dass auch die offenbar nur noch negativ verlaufende Geschichte von Gott gelenkt wird: Gott lässt sie in den Untergang treiben, um danach die neue, bessere Welt (den „neuen Äon“) heraufführen zu können. Ein wichtiges Merkmal der apokalyptischen Literatur (griechisch άποκάλυψις [apokálypsis]: Enthüllung, Offenbarung) sind Visionen und Träume, sowie die Zuschreibung eines apokalyptischen Werkes einer früher verehrten Persönlichkeit (z. B. einem Propheten oder Heiligen). Themen der apokalyptischen Schriften sind miteinander kämpfende Hierarchien von Engeln und Teufeln; das Vertrauen auf einen Gott, der die Verheißungen der Bibel erfüllen wird; ein Glauben an eine himmlische Stadt und ein himmlisches Paradies nur für die Gerechten des kommenden Zeitalters, das da kommen wird; sowie das Erwarten des Messias. Man erzählt von „Sehern“, denen Gott den Lauf der Geschichte „offenbart“ hat und die dann der verfolgten Gemeinde mitteilen, was sie geschaut haben. Die Hörer der Botschaft sehen sich auf diese Weise ihrer schrecklichen Zeit nicht mehr hoffnungslos ausgeliefert. Sie können die Gegenwart als Teil eines Geschichtsverlaufs begreifen, der allem gegenteiligen Anschien zum Trotz nicht Gott aus den Händen geraten ist, sondern von ihm vorangetrieben wird, damit der ‚neue Äon’ bald beginnen kann. Vgl. Nocke, Eschatologie, 382f.
[27] Ein weiteres wichtiges Zeugnis bietet die so genannte Jesaja-Apokalypse (24 – 27). So nennt man die Sammlung „eschatologischer Lieder“ (Jes 24-27), die wahrscheinlich in spätexilischer oder frühhellenistischer Zeit zwischen dem 4. und dem Ende des 3. Jahrhundert v. Chr. entstanden sein dürften. Obwohl es in Jes 26,14 heißt „die Toten werden nicht leben, die Verstorbenen stehen nie wieder auf; denn Du hast sie bestraft und vernichtet, jede Erinnerung an sie hast Du getilgt“, wird einige Verse weiter gesagt: „Seine Toten werden leben, die Leichen stehen wieder auf; wer in der Erde liegt, wird erwachen und jubeln“ (26,19). Dies könnte ein sehr frühes Zeugnis apokalyptischer Auferstehungsglaubens sein. Dafür spricht die Verbindung des (nahen) Gerichts mit der Auferstehung der Toten. Allerdings ist exegetisch umstritten, ob V.19 die individuelle Auferstehung der Toten meint, oder, ähnlich wie Ez 37, 1 – 14, bildhaft von der Wideraufrichtung Israels handelt. Vgl. Nocke, Eschatologie, 425.
[28] Es ist, gewiss um 165 v. Chr. geschrieben, zur Zeit der Verfolgung, die unter der Schreckensherrschaft Antiochos IV. Epiphanes (175 – 164 v. Chr.) über die jüdische Gemeinschaft in Palästina hereinbrach. „Daniel“, der Held des Buches, der von Gott erleuchtete Weise, erhält in einer Vision (10,1-12,13) eine Offenbarung (10,1), in der ihm nach einer Geschichtsdeutung gesagt wird.
[29] Äonenwende, Auferstehung und Gericht sind miteinander verbunden. Wer die „vielen“ sind (alle Israeliten, auch Teile aus den Heiden?), ist nicht auszumachen. Vgl. Nocke, Eschatologie, 426.
[30] Der Ort, an dem die Verstorbenen nach alttestamentlicher Anschauung weiterexistieren, ist die Unterwelt (Scheol). An dieser Auffassung hält Israel fest, bis die eschatologische Hoffnung apokalyptischen Gepräges eine Änderung bringt.
[31] Das Ergebnis diese Auferstehung wird unterschiedlich sein: ewiges Leben oder Schmach, ewiger Abscheu. Bemerkenswert ist, dass Gerechte und Sünder aufwachen. Vgl. Nocke, Eschatologie, 426.
[32] Vgl. Schreiner, Eschatologie im Alten Testament, 29. Nicht alle in Israel haben die Auferstehungshoffnung geteilt. Ob manche Gruppen nur zurückhaltend waren oder die Erwartung einer leiblichen Auferstehung wie die Sadduzäer (Apg 23,7) ablehnten, ist schwer zu sagen.
[33] Die Auferstehung zum Leben wird sicher erwartet und zugleich als gerechte Vergeltung verstanden (vgl. 2 Makk 7, 9.11.29). An ihr haben auch solche Anteil, die zwar in ihren Leben gesündigt haben, aber für die Sache Gottes eingetreten sind (12,43f). Für den Verbrecher gibt es keine Auferstehung, sondern nur das Gericht (14.35-37). In diesen Versen ist auf jeden Fall die Auferstehung der Martyrer und aller Gerechten ausgesagt, während das Los des Tyrannen und damit aller Verfolger der Gerechten hingegen doppeldeutig bleibt. Es lässt sich nicht entscheiden, ob sie der völligen Vernichtung entgegengehen, oder ob sie die ewige Qual im Hades leiden, oder ob sie zum Gericht auferstehen werden. Sicher wird ihnen das ewige Leben nicht zuteil werden. Vgl. Finkenzeller, Eschatologie, 622f. Wenn dies auch den jeweils einzelnen trifft, sollte doch nicht übersehen werden, dass es das Anliegen der alttestamentlichen Autoren ist, das ganze Volk Gottes für die Auerstehung durch ein Leben nach dem Gesetz Gottes zu gewinnen. Auferstehung ist keine private Sache; sie zielt auf die ewige vollendete Gemeinschaft des Volkes mit seinem Gott hin (Vgl. Schreiner, Eschatologie im Alten Testament, 31).
[34] Diese in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. in der griechischen Diaspora (Alexandria / Ägypten) entstandene Schrift ist stark von hellenistischen Vorstellungen geprägt; manche Formulierungen erinnern an die platonische Leib – Seele – Anthropologie (z.B. Weish 9,15). Das Problem, dem sich der Verfasser stellt, ist aber der alte, zum Beispiel auch die Beter der Psalmen 49 und 73 quälende Widerspruch zwischen der Macht der Frevler und der Ohnmacht der Gerechten. Vgl. Nocke, Eschatologie, 427.
[35] Die Frage, ob in Spätisrael die erwachte Hoffnung auf die Auferstehung der Toten im Bereich der Weisheitsliteratur inhaltlich vertreten wurde, wird verschieden beantwortet. Sicher ist, dass an einer Stelle die Auferstehung der Toten erwähnt wird, eine Tatsache die verständlich ist, wenn man den Einfluss der griechischen Seelenlehre und der damit verbundenen Jenseitshoffnung beachtet.
[36] Andere Exegeten meinen, im Buch der Weisheit erscheine die Hoffnung Israels unter den griechischen Kategorien der Unsterblichkeit und Unverweslichkeit. „Doch ist es nicht sicher zu erkennen, ob diese griechischen Begriffe die Auferstehung des Leibes implizieren oder nicht“ (Mussner, Die Auferstehung Jesu, 44).
[37] Vgl. Nocke, Eschatologie, 427.
[38] Haag, Ernst, Art.: Auferstehung der Toten. II: Im AT, Sp. 1193.
[39] Klassische Texte für einen erfolgten Wandel sind, wie erwähnt, die sog. Jesaja-Apokalypse (Jes 26,19; vgl. 25,8) und das Buch Daniel (12,1-3). Hier ist die alte Vorstellung von der Unaufhebbarkeit des Todes grundsätzlich überwunden.
[40] Hier sei zu erwähnen, dass wir nur die oben erwähnten Zeugnisse beachten. Eine ausführliche Darlegung der neutestamentlichen Eschatologie ist in unserem Rahmen nicht zu erbringen, sie würde den Rahmen der Arbeit sprengen, vgl. zu den bibischen Grundlagen v.a. Hoffmann, Die Toten in Christus, v.a. 207 - 320; Kremer, Auferstehung der Toten, S. 7 – 161; Lona, Eschatologie im Neuen Testament, 44 – 83; Schelkle, Neutestamentliche Eschatologie. Zugleich muss beachtet werden, dass die Unterscheidung zwischen sterblichen Leib und unsterblicher Seele im NT niemals herangezogen wird, um die Überwindung des Todes oder die Distanz zwischen Tod und endzeitlicher Auferstehung der Toten zu erklären (Vgl. Kremer, Auferstehung der Toten im Neuen Testament, Sp. 1197).
[41] Vgl. dazu vor allem die folgenden Textstellen: Röm 5,12-21; 1 Kor 15,14-19.20-22.45-49; 2 Kor 1,20; 5,21; Gal 3,13.16.
[42] Vgl. Finkenzeller, Eschatologie, 626.
[43] Auch die erste urchristliche Verkündigung, die immerhin die Auferstehung Jesu voraussetzt, spricht nicht von der Auferstehung. Sie erwartet vielmehr das Heil in der Parusie Christi, einschließlich des Gerichts. So kann auch Paulus sich dieser Verkündigung anschließen und sie spezifisch verändern, allerdings wie wir in 1 Thess 1,9f. sehen, ohne auf die Auferstehung der Toten zurückzugreifen. Vgl. Mühling, Eschatologie, 243.
[44] Vgl. Mühling, Eschatologie, 243f.
[45] Vgl. Nocke, Eschatologie, 430f.
[46] Aufgrund des begrenzten Rahmens unserer Arbeit können wir zu dieser doch ausführlichen Textstelle nur spezifische Aspekte zur Auferstehung der Toten Bezug nehmen. Vgl. hierzu u.a. Kremer, Auferstehung der Toten, 23 – 40.
[47] Vgl. Finkenzeller, Eschatologie, 626. Es kann nicht mehr mit Sicherheit gesagt werden, welche Irrlehre die Gemeinde zu Korinth im Einzelnen bedrohte. Die Auferstehungsvorstellung der Auferstehungsleugner liegt uns nur indirekt vor und im Laufe der Geschichte neutestamentlichen Forschung wurden unterschiedliche Konzeptionen rekonstruiert. Ein Teil der Exegeten vermutete, dass die Korinther in orphisch - hellenistischer Tradition dachten, dass der Leib (soma) „eine lästige Fessel der (pneumatischen) Seele“ sei; der Tod wäre „nichts als ein Abstoßen des lästigen Leibes von der seit der Erlösung unsterblichen Seele“ (Sellin, Auferstehung der Toten, 290).
[48] Ebd., 627. Eine deutliche Beziehung zwischen Christi Auferstehung und unserer Auferstehung ist allein dadurch gegeben, dass Christi Auferstehung grundsätzlich in den Bereich der allgemeinen Auferstehung gehört. „Wenn Jesus – und das ist unser Glaube – gestorben und auferstanden ist, dann wird Gott durch Jesus auch die Verstorbenen zusammen mit ihm zur Herrlichkeit führen“ (1 Thess 4,14). Vgl. auch 1 Kor 15,21-22. Paulus stellt nicht nur allgemein eine Verbindung zwischen Christi Auferstehung und unserer Auferstehung her; er versteht zudem die Auferstehung Christi als Ursache unserer künftigen Auferstehung. Dieser Zusammenhang wird in verschiedene Wendungen ausgedrückt, wie etwa: „Wir werden durch sein Leben gerettet“ (Röm 5,10); „wir werden mit ihm leben“ (Röm 6,8); „wir werden mit ihm verherrlicht werden“ (Röm 8,17).
[49] Vgl. Mühling, Eschatologie, 244f.
[50] Vgl. Nocke, Eschatologie, 431f.
[51] Dabei setzt er als selbstverständlich voraus, dass die neue Leiblichkeit ihren Grund in der Schöpfungsmacht Gottes hat, deren Wirken für uns ein Geheimnis bliebt und damit eigentlich auch nicht mehr erklärt werden kann. Das erste Bild ist das Säen des „nackten Samenkorns“ und das Ernten der aus dem Samenkorn hervorgegangenen Pflanze: „Was Du säst, wird nicht lebendig, wenn es nicht stirbt. Und was Du säst, hat noch nicht die Gestalt, die entstehen wird; es ist nur ein nacktes Samenkorn, zum Beispiel ein Weizenkorn oder ein anderes. Gott gibt ihm die Gestalt, die er vorgesehen hat, jedem Samen eine andere“ (1 Kor 15,36-38). „Was gesät wird, ist verweslich, was auferweckt wird, ist herrlich. Was gesät wird, ist schwach, was auferweckt wird, ist stark. Gesät wird ein irdischer Leib, auferweckt ein überirdischer Leib. Wenn es einen irdischen Leib gibt, es gibt es auch einen überirdischen“ (1 Kor 15,42-44). So wie Gott in seiner Macht aus dem unscheinbaren Samenkorn eine herrliche Pflanze hervorbringen kann und diese Pflanze eine bestimmte Gestalt gibt, so kann Gottes Macht auch aus dem Leib, der ins Grab gelegt wird und der Verwesung anheim fällt, einen neuen Herrlichkeitsleib hervorbringen.
[52] Paulus versteht diesen Vorgang nicht als völlige Vernichtung (annihilatio) und totale Neuschöpfung (creatio es nihilo), aber auch nicht als einfache Wiederbelebung des Leichnams, sondern als „Erlösung des Leibes“ (Röm 8,23), nämlich als Befreiung von der „Knechtschaft der Vergänglichkeit“ (Röm 8,21). Vgl. Finkenzeller, Eschatologie, 628.
[53] Vgl. Mühling, Eschatologie, S. 245ff.