Masterarbeit, 2011
115 Seiten, Note: 1,0
II ABBILDUNGSVERZEICHNIS
1 EINLEITUNG: FRANKREICH ALS WICHTIGSTER HANDELSPARTNER DEUTSCHLANDS - GEOGRAPHISCHE UND KULTURELLE NÄHE ZÄHLT
1.1 Problemstellung der Arbeit
1.2 Ziele und Strukturierung der Arbeit
2 BEGRIFFSERKLÄRUNGEN
2.1 Due Diligence - Cultural Due Diligence
2.2 Mergers & Acquisitions - Fusionen & Unternehmensübernahmen
3 DIE UNTERNEHMENSKULTURANALYSE
3.1 Kultur in der Wirtschaftskommunikation
3.2 Die Unternehmenskultur
3.3 Die Kulturanalyse
4 INTERKULTURELLE KOMMUNIKATION UND INTERKULTURELLE KOMPETENZ ALS ERFOLGSFAKTOR
4.1 Interkulturelle Kompetenz
4.2 Interkulturelle Kommunikation
5 INTERKULTURELLES PERSONALMANAGEMENT
5.1 EXKURS: Globalisierung
5.2 Interkulturelle Personalorganisation und -Entwicklung
5.3 VORBEREITUNGSMAßNAHMEN
5.4 Probleme der Auslandsentsendung und Lösungsansätze zur Reintegration
6 VERSCHIEDENE FRANZÖSISCHE KULTURSTANDARDS AUS DEUTSCHER SICHT
6.1 « Der unpünktliche Franzose »: zum Zeitverständnis der Franzosen
6.2 « Se débrouiller »: Der französische Arbeitsstil
6.3 « C’est le patron qui décide » : Zur Hierarchie in Frankreich
6.4 « Parlez-vous français ? »: Zur französischen Sprache als Erfolgsfaktor
6.5 « Blumige Diplomatie »: Die französische Kommunikation
6.6 « Der Patriot »: Französische Kultur als Identifikation
6.7 Zusammenfassung Kulturstandards
7 AUSGEWÄHLTE BEISPIELE DEUTSCH-FRANZÖSISCHER UNTERNEHMUNGEN
7.1 Der Luft- und Raumfahrtkonzern EADS
7.2 Der deutsch-französische Fernseh- und Kulturkanal arte
7.3 Die deutsch-französische Zeitschrift Parisberlin
7.4 Die Fusion von Hoechst-AG und Rhône-Poulenc zu dem Pharmakonzern Aventis
7.5 ArevaNP - ein Joint Venture in der Kerntechnik durch Framatome und Siemens AG
7.6 Die Mobilfunkkooperation der Deutschen Telekom und der France Télécom-Orange
7.7 Commerzbank und Crédit Lyonnais in der Europartner-Gruppe
8 HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
9 AUSBLICK
10 LITERATURVERZEICHNIS
Abb. 1: Deutschlands wichtigste Handelspartner
Abb. 2: Ablauf eines Unternehmenskaufs
Abb. 3: Die sechs Übernahmewellen
Abb. 4: Bedeutung von Acquisitionsmotiven
Abb. 5: Bedeutungskontexte von Kultur
Abb. 6: Varianten des Kulturbegriffs
Abb. 7: Das Phasenmodell von Sackmann - Organisationskultur in der Entwicklungsperspektive
Abb. 8: Die Ebenen der Unternehmenskultur nach dem Grad ihrer Sichtbarkeit
Abb. 9 Umweltfaktoren im Schichtenmodell von Dülfer
Abb. 10: Gegenüberstellung zwei zu mergender Unternehmen aus der Beratungspraxis AT Kearny
Abb. 11: Dimensionen interkultureller Kompetenz
Abb. 12: Strukturmodell interkultureller Kompetenz
Abb. 13: Idealtypischer kultureller Anpassungsprozess eines Stammhausdelegierten an die Gastlandbedingungen
Abb. 14: Erweitertes Modell der Funktionen des Personalmanagements
Abb. 15: VORBEREITUNGSMAßNAHMEN AUF DEN AUSLANDSEINSATZ
Abb. 16: Bestimmung interkultureller Kompetenzprofile
Abb. 17: Indexwerte Machtdistanz
Abb.18: Idealtypische Karrieremuster im internationalen Vergleich
Abb. 19: Indexwerte Maskulinität
Abb. 20: Die Unternehmensgeschichte von Sanofi
<< Si tu diffères de moi, loin de me léser, tu m’enrichis. >>[1] (Antoine de Saint-Exupéry, 1900-1944)
„Bis zum Jahre 2010 mindestens ist Frankreich nun schon wichtigstes Abnehmerland für Waren "Made in Germany" [...] wie schon seit 1961."[2] Der ,Motor‘ der europäischen Einigung, wie das Duo Deutschland und Frankreich häufig in den Medien bezeichnet wird, glänzt mit Kontinuität und Stärke, was der ehemaliger Bundeskanzler Gerhard Schröder 1999 eindrucksvoll zur Sprache bringt:
Europa zählt auf Deutschland und Frankreich. Keine der großen europäischen Aufgaben ist je gelöst worden, wenn Deutschland und Frankreich sich nicht einig waren. Keines der großen europäischen Integrationsprojekte wäre jemals verwirklicht worden, hätten nicht Frankreich und Deutschland den Anstoß gegeben.[3]
,Le couple Michel et Marianne4 ist bei weitem kein ‘altes Ehepaar[4], wie es aufgrund der langjährigen Beziehungen gerne unterstellt wird. Wahrlich pflegen Deutschland und Frankreich gemessen an einem Menschenleben schon etliche Jahre ihre Beziehungen, gemessen am Alter einer Nation allerdings, und davon ist hier die Rede, ist ,le couple franco-allemand‘ ein durchaus junges Paar. Die Dynamik der deutsch-französischen Freundschaft wird verstärkt durch ein jüngst veröffentlichtes neues Projekt: BMW Group und PSA Peugeot Citroën gründen ein Joint Venture zum Ausbau der Zusammenarbeit bei Hybrid-Technologien.[5] Deutschland und Frankreich liegen nicht nur geographisch, sondern auch politisch und kulturell nah aneinander, ebenso arbeiten beide Länder mit und in der gleichen Währung, was eine wirtschaftliche Zusammenarbeit erleichtert. Dennoch verbergen sich hinter den deutsch-französischen Beziehungen Unterschiede, die über die verschiedenen Landessprachen hinausgehen, welche aufgrund der zahlreichen und offensichtlichen Gemeinsamkeiten oft übersehen oder unterschätzt werden. Die Herausforderung der Globalisierung besteht darin, trotz teilweiser Differenzen die Vorteile in den Gemeinsamkeiten verschiedener Länder zu erkennen und damit zu arbeiten.
Die zunehmende Globalisierung und die Verflechtung verschiedener Länder tragen zur Entstehung immer weiterer Tochtergesellschaften im Ausland bei. Dabei baut sich der Druck auf, eine starke Präsenz auf ausländischen Märkten zu schaffen. Damit verbunden ist eine ansteigende Zahl von Mitarbeitern, die landesgrenzenüberschreitend eingesetzt werden - im Ausland oder in internationalen Teams. Dadurch steigen kulturelle Einflüsse und interkulturelle Kompetenz wird eine immer gefragtere Fähigkeit neben Fach- und Sprachkompetenz. Auch französische Unternehmen bewegen sich in einem sich wandelnden Umfeld, was die Unternehmen selbst ebenso zu Veränderungen zwingt, um sich dem wachsenden Wettbewerbsdruck in den sich immer weiter öffnenden Märkten zu stellen.
Viele Unternehmensakquisitionen haben zu enttäuschenden Ergebnissen geführt. Laut einer Studie von Scott (2001), bei der 230 Fusionen untersucht wurden, konnte bei weniger als einem Drittel der fusionierten Unternehmen eine Gewinnsteigerung erzielt werden. Bei 57% erfolgte eine Verschlechterung der Ertragshöhe und im Durchschnitt musste sogar eine Minderung der Profitabilität um bis zu 10% akzeptiert werden. Einer der eminenten Gründe für diese hohe Misserfolgsrate sind kulturelle Diskrepanzen: oft wird den angekauften Unternehmen die Übernahme einer Firmenkultur ,verordnet‘. Dadurch wird der Integrationsprozess durch Blockadehaltungen erschwert oder unmöglich gemacht.[6]
Abbildung 1 zeigt, dass Frankreich wichtigstes Zielland für deutsche Exporte ist und mit 15% an deutschen Importen beteiligt ist[7]. Dies ermöglicht einen Handelsgewinn von rund 70 Mrd. € durch Exporte und rund 52 Mrd. € durch Importe.[8]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Deutschlands wichtigste Handelspartner[9]
Die FAZ schreibt zu diesem Thema:
Allein der französische Anteil am deutschen Export ist so groß wie der von China, Indien, Russland und Brasilien zusammen. [] Seit 1961 schon ist Frankreich der wichtigste Importeur der deutschen Wirtschaft. [...] Seit 2009 ist Deutschland zudem der größte Auslandsinvestor in Frankreich - mit mehr als 400.000 Arbeitsplätzen.[10]
Besonders nach der Wiedervereinigung lässt sich ein enormer Anstieg der französischen Direktinvestitionen[11] in Deutschland erkennen.[12] Die deutschen Vermögensanlagen in Frankreich sind in der Zeit von 1991 bis 1999 von 23.769 Mio. DM [12.153 Mio. €] auf 45.111 Mio. DM [23.065 Mio. €], also um 89,9%, gestiegen. 2003 lagen die deutschen Direktinvestitionen in Frankreich bereits bei 41.090 Mio. €.[13]
Damit ist Frankreich Deutschlands wichtigster Handelspartner. Trotz dieser wirtschaftlichen und einer starken kulturellen Nähe kommt es durch Unkenntnis über oder Unsensibilität gegenüber kulturell bedingten Mentalitätsunterschieden immer wieder zu Konflikten, persönlichen Enttäuschungen bis hin zum Misserfolg geschäftlicher Zusammenarbeit.
Zur deutsch-französischen Kooperationsbereitschaft berichtet Jensen anlässlich einer Studie:
Die Anfangseuphorie vieler Partnerschaften ist häufig dem Frust gewichen. Kulturell bedingte Missverständnisse führen nicht selten zu totalen Blockaden. [...] Der Misserfolg gipfelt nicht selten in der Erkenntnis: ,Mit Franzosen (mit Deutschen) kann man einfach nicht zusammenarbeiten‘. Auslandsfilialen werden wieder geschlossen, Töchter verkauft, Allianzen aufgekündigt. [...] Doch die Zahl der Firmen, die aufgeben, taucht in keiner Statistik auf. Patentrezepte für die Lösung dieser Probleme gibt es nicht [...], die tieferen Ursachen der Divergenzen liegen meist auf der menschlichen Ebene.[14]
Die oben beschriebene Problemstellung bietet in Verbindung mit politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und nicht zuletzt persönlichen Motiven den Anlass zu dieser Arbeit, welche kulturelle Faktoren bei länderübergreifenden Unternehmenskooperationen untersucht. Die Problematik stellen interkulturelle Spannungen dar, die zu einem Scheitern der Zusammenarbeit führen können. Die Konzentration auf die Länder Deutschland und Frankreich lässt die Thematik zum einen weniger abstrakt erscheinen, zum anderen kann die Verfasserin durch Aufenthalte in beiden Ländern persönliche Erfahrungen mit einfließen lassen. Außerdem stellte Alfred Grosser bereits in seinem jüngst erschienenen Buch „Die Freude und der Tod: eine Lebensbilanz“ fest: „Für mich ist die Grundlage der Wissenschaftlichkeit der Vergleich. Nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch im allgemeinen Denken.“[15]
Da sich die Grenzen innerhalb Europas in den vergangenen Jahren rasant geöffnet haben, stellt für viele Unternehmen eine Entsendung von Mitarbeitern in ein anderes europäisches Land keine nennenswerte kulturelle Veränderung dar, was dazu führt, dass kaum interkulturelle Vorbereitungsmaßnahmen getroffen werden. Dass diese Einsparung nicht vorteilhaft ist, sondern, ganz im Gegenteil, dass kulturelle Differenzen bei einer falschen oder fehlenden interkulturellen Basis - durch unzureichende Vorbereitungsmaßnahmen - zu immensen Schäden führen[16], soll diese Arbeit durch die Analyse unterschiedlicher Kulturstandards und am Beispiel deutsch-französischer Unternehmenskooperationen demonstrieren.
Es sollen Fragen untersucht werden, wie: ,Sind deutsch-französische Unternehmenskooperationen überhaupt lohnenswert?4, ,Ist das Scheitern einer internationalen Kooperationen generell vermeidbar, indem eine Unternehmenskulturanalyse durchgeführt wird?‘ und ,Sind Unterschiede in der interkulturellen Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Branchen erkennbar?'.
Der erste Teil der Arbeit basiert auf den wirtschaftlichen und kulturellen Grundlagen der kulturellen Wirtschaftsprüfung sowie von Mitarbeiterentsendungen ins Ausland.
Dazu wird aufbauend auf begrifflichen Erläuterungen zur Thematik der Hergang einer Untemehmenskooperation (Kapitel 2), einer Unternehmenskulturanalyse und deren Bedeutung für Unternehmen erklärt (Kapitel 3). Die beiden darauf folgenden Kapitel 4 und 5 bilden ebenso wichtige Bestandteile internationaler Unternehmenstätigkeiten: Interkulturelle Kompetenz und interkulturelles Personalmanagement mit Möglichkeiten zu einer optimalen interkulturellen Integration bei Unternehmenszusammenschlüssen.
Der zweite Teil dieser Arbeit projiziert in Kapitel 6 die eingangs gewonnene Theorie durch Analysen in die Praxis. So werden durch eine Umfrage französische Kulturstandards analysiert und erklärt. Die Grundlage für die Analyse dieser Kulturstandards aus deutscher Sicht stellte eine Studie von Judith Jahn dar, in der deutsche Manager befragt wurden, die in französischen Unternehmen tätig waren. Die Daten für die Analyse der deutsch-französischen Unternehmenskooperationen basieren hauptsächlich auf Zeitungsartikeln über die jeweilige Kooperation. Es sollen somit französische Verhaltensweisen und kulturell bedingte Herangehensweisen aus deutscher Sicht betrachtet werden. Diese Ergebnisse wiederum dienen zum grundlegenden Verständnis der in Kapitel 7 folgenden Analyse deutsch-französischer Unternehmenskooperationen an ausgewählten Beispielen. Durch die gewonnenen Erkenntnisse der Untersuchung werden letztendlich Handlungsempfehlungen vorgeschlagen (Kapitel 8).
Die Besonderheit dieser Arbeit liegt in der Herangehensweise der Untersuchung. Zum einen sollen hier speziell deutsch-französische Kooperationen aus deutscher Sicht untersucht werden, zum anderen wird zu der Analyse der Unternehmenskooperationen eine kulturelle Grundlage durch die Aufarbeitung kultureller Differenzen aufgebaut. Es existieren bereits zahlreiche Werke, die wirtschaftliche Faktoren bei internationalen Unternehmenskooperationen untersuchen, ebenso wie zahlreiche Werke über kulturelle Faktoren in deutsch-französischen Beziehungen. Diese Arbeit vereint zwei wichtige Fachbereiche miteinander, die in Wechselwirkung zueinander stehen und ebnet so den Weg für weitere Untersuchungen im interkulturellen Feld der Wirtschaftsbeziehungen.
Die ,Due Diligence4, zu Deutsch ,Kaufprüfung‘ oder auch ,Sorgfältigkeitsprüfung4, beschreibt eine detaillierte Untemehmensanalyse bzw. „die systematische Analyse und Bewertung eines Unternehmens im Zusammenhang mit einem Vertragswerk zum Kauf oder Verkauf dieses Unternehmens.“[17] Die Analyse wird dabei dem Auftrag und den Gegebenheiten des zu untersuchenden Unternehmens angepasst. Daraus resultiert eine Analyse der verschiedenen Funktionsbereiche des Zielunternehmens auf Stärken und Schwächen ebenso wie auf Chancen und Risiken. Man nennt diese Analysen auch Stärken-Schwächen-Analyse und Chancen-Risiken-Analyse, welche angewendet werden, um einen passenden Preis für die Transaktion zu finden. Eine Due Diligence wird immer vor einer Transaktion durchgeführt, um auf die wesentlichen Einflussfaktoren während dieser hinzuweisen. Aus folgender Abbildung geht der Zeitpunkt der Durchführung im Gesamtverlauf eines Unternehmenskaufs einer Due Diligence hervor:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Ablauf eines Unternehmenskaufs[18]
Die Due-Diligence-Prüfung ist also eine sorgfältige und detaillierte Analyse und Bewertung eines Unternehmens vor einer geplanten Fusion oder Übernahme. Welche der betroffenen Seiten die Prüfung durchführt, die Käuferseite oder die Verkäuferseite, ist dabei nicht vorgeschrieben, da eine Prüfung der Gegebenheiten für beide Seiten von Vorteil ist. Dabei werden für beide Seiten die Erfolgschancen optimiert sowie die langfristige Entwicklung des Unternehmens eingeschätzt und kalkuliert.[19] Eine solche Wirtschaftsprüfung kann aus verschiedenen Gesichtspunkten durchgeführt werden. Viele Unternehmensführer entscheiden sich freiwillig für eine komplette oder einen Teil der Wirtschaftsprüfung, wenn der Kauf oder Verkauf eines Unternehmens geplant ist, wenn der Börsengang eines Unternehmens kritische Züge annimmt oder wenn eine Sanierung, Umstrukturierung oder eine Privatisierung ansteht. Allerdings ist einer der häufigsten Gründe für eine Due Diligence der Kauf bzw. Verkauf eines Unternehmens mit dem Ziel als Käufer kaufpreismindernde Argumente anbringen zu können und als Verkäufer kaufpreissteigernde Fakten vorzuweisen.[20]
Die Due Diligence (DD) unterteilt sich weiter in sechs Bereiche der Wirtschaftsprüfung: in die Commercial/Market Due Diligence, die Financial Due Diligence, die Tax DD, die Legal DD, die Environmental DD und die Cultural Due Diligence. Die Commercial Due Diligence untersucht alle marktnahen Funktionen und die Struktur des Unternehmens, die Financial Due Diligence untersucht die finanzielle Situation wie die Vermögens-, die Finanz- und die Ertragslage. Es werden Antworten gegeben zur finanziellen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Diese beiden Arten der Wirtschaftsprüfung zählen zu den wichtigsten und grundlegendsten Untersuchungen in Bezug auf eine Unternehmenstransaktion. Des Weiteren zählen zur vollständigen Wirtschaftsprüfung spezielle Analysen wie die Legal Due Diligence, welche die rechtliche Lage der Unternehmen untersucht. Die Tax Due Diligence analysiert die steuerlichen Aspekte der Unternehmen, während die Environmental Due Diligence die umweltlichen Fragen beantwortet. Die Cultural Due Diligence analysiert die kulturellen Schwerpunkte der Unternehmen und stellt in dieser Arbeit den Schwerpunkt der Wirtschaftsprüfung dar und soll im Folgenden genauer untersucht werden.
Cultural Due Diligence
Der Erfolg einer Fusion oder von Übernahmen von Unternehmen hängt von mehreren Faktoren ab, eine wichtige Komponente, die dabei zu beachten ist, ist die Kultur. Es kann allerdings nicht pauschalisiert werden, dass der Erfolg eines Untemehmenszusammenschlusses nur bei ähnlichen oder gleichen Kulturen von Erfolg gekrönt und bei unterschiedlichen Grundkulturen zum Scheitern verurteilt ist. Das Erfolgswort lautet vielmehr Integration. Dennoch gibt es auch bei einer guten Integration immer Risikofaktoren, die vor einer Unternehmensfusion geklärt und bestenfalls beseitigt werden sollten. Dies ist durch eine , Cultural Due Diligence4, einer ,kulturellen Wirtschaftsprüfung4, möglich. Dabei sollen mögliche Risiken, die sich aus unterschiedlichen Unternehmenskulturen des Käufers und des Verkäufers ergeben, erkannt und auf Konsequenzen hin untersucht werden.[21]
Besonders bei internationalen Firmenübernahmen oder -zusammenschlüssen können unterschiedliche Werte und Normen große Probleme hervorrufen. In den letzten Jahren ist die Zahl der internationalen Unternehmensfusionen angestiegen und damit auch die Zahl der gescheiterten Übernahmen. Dies ist oft die Folge eines ,Culture Clash[22], dem Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen, die aufgrund ihrer starken Unterschiedlichkeit nicht kompatibel sind. Wird die Cultural Due Diligence rechtzeitig durchgeführt, kann in speziellen Fällen auch schon vor einer Transaktion erkannt werden, dass die kulturellen Unterschiede zu groß für einen Erfolg sind und somit können durch die Beendigung des Vorhabens erhebliche Kosten gespart werden. Allerdings versichern auch nur geringe Unterschiede in den beiden
Unternehmenskulturen keine reibungslose Fusion, gerade auch dann kann es zu Komplikationen kommen, wenn geringfügige Unterschiede überbetont werden und es so zu Kulturkonflikten kommt.
Bei der Cultural Due Diligence stehen überwiegend Information und Kommunikation im Vordergrund, um Gerüchte, Unsicherheit und Ängste unter den Mitarbeitern zu vermeiden. Wichtig für einen reibungslosen Ablauf einer Übernahme ist es, Beteiligte, wie Kunden, Lieferanten, Bewerber, Führungskräfte und Mitarbeiter über alle wichtigen Schritte der geplanten Fusion zu informieren. Werden zwei Unternehmen zusammengeführt, sollten auch die Mitarbeiter zusammengeführt werden. So sind gemischte Teams oder Standorte, die von Mitarbeitern beider Unternehmen besucht werden, von Vorteil[23].
Begriffserklärung
,M&A‘ steht für ,Mergers and Acquisitions4 und etablierte sich ursprünglich im nordamerikanischen Raum und hielt sich auch dort einige Zeit, bis der Begriff in den anglo-europäischen Raum und schließlich nach Deutschland übertragen wurde. Durch diese amerikanische Dominanz hielt sich der englische Begriff in Deutschland sehr lange und wird auch heute noch tendenziell häufiger verwendet. Dennoch kann man ,Mergers and Acquisitions' mit ,Unternehmenszusammenschlüssen' und ,Unternehmensübernahmen' treffend übersetzen. Zu einem Zusammenschluss zählen „zeitlich geregelte Beziehungen zwischen mindestens zwei Unternehmen Dabei wird „durch die unternehmerische Zusammenarbeit die Verwirklichung von teilfunktions-, funktions- und/oder gesamtunternehmensbezogenen Zielen verbessert oder erleichtert.“[24] Es können dabei zwei komplette Unternehmen zu einem neuen Unternehmen fusionieren, es kann ein Unternehmen von einem zweiten gekauft werden, um es in den Konzern zu integrieren oder zu übernehmen und es gibt die Möglichkeit eines Zusammenschlusses zweier Tochtergesellschaften unterschiedlicher Unternehmen zu einem gemeinsamen Joint Venture.
Im Folgenden werden die Begriffe ,Unternehmenszusammenschluss' und ,Unternehmensübernahme' genauer distanziert.
Geschichte
Der Begriff ,Mergers & Acquisitions4 (M&A) wurde erstmals in der ersten so genannten ,Merger-Welle' in den Jahren 1895 -1904 eingeführt.[25] In Deutschland allerdings spricht man von M&A in verschiedenen Zyklen erst ab den 1980er Jahren. Man kann dabei nicht von einer Modeerscheinung sprechen, da die Zyklen, in denen M&A mehr oder weniger auftreten, von technologischen Fortschritten, politischen Veränderungen oder Managementtrends abhängen. Jeder der bisher aufgetretenen Trends wurde mit einem Börsencrash beendet:[26]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[27]
Die jüngste Merger-Welle begann 1993 und verzeichnete im Jahre 2000 ihren Höhepunkt und gilt mit 36.700 Unternehmenszusammenschlüssen als der Zyklus mit den meisten Fusionen und Übernahmen.[28] Die bis jetzt stärkste Phase der Unternehmensübernahmen zeichnete sich besonders durch enorme Fusionen aus wie der Zusammenschluss von Daimler-Benz und Chrysler. Kennzeichnend für die Fusionen ab Anfang der 1990er Jahre sind so genannte ,Cross-border-M&A‘, auf internationale Ebene ausgeweitete Fusionen. Diese entscheidende Veränderung verdanken wir hauptsächlich der Globalisierung und den ökonomischen, soziokulturellen, technologischen und politisch-rechtlichen Veränderung im Güter-, Personen- und Kapitalverkehr.
Ziele und Motive
Die Ziele und Motive von M&A-Transaktionen unterscheiden sich von Transaktion zu Transaktion und variieren zwischen den Unternehmen, jedoch ist das Hauptziel jeder Transaktion, die Ergebnisse der beiden einzelnen Unternehmen durch eine Fusion oder eine Übernahme zu steigern indem die Geschäftsaktivitäten zusammengelegt werden.
Weiter können die Ziele in strategische, persönliche und finanzielle Motive unterteilt werden. Durch eine Synergie soll eine langfristige Gewinnmaximierung, also ein Wertzuwachs, erzielt werden. Finanzielle Motive beziehen sich häufig auf kurze und mittelfristige Sicht und zielen generell auf eine höhere Rentabilität ab. Persönliche Motive vollziehen sich häufig auf der Unternehmensführungsebene.[29] Folgende Abbildung veranschaulicht die Ergebnisse einer Umfrage von M&A-Experten aus internationalen Unternehmen zu ihren Zielvorstellungen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Bedeutung von Akquisitionsmotiven[30]
Daraus ist zu erkennen, dass besonders wichtige Motive die Erzielung von Synergien, ein Wachstum des Unternehmens, eine Verbesserung der Marktmacht und eine Wertsteigerung sind. Die Wachstumsmotive teilen sich auf in strategische und eigennützige Motive. Ist ein Wachstum für das gesamte Unternehmen nützlich, spricht man von einem strategischen Motiv. Dabei ist das Ziel, den Umsatz des Unternehmens zu steigern oder den Tätigkeitsbereich zu erweitern und damit den Wert des Unternehmens zu erhöhen. Bei einer Maximierung des Nutzens für den Manager spricht man von egoistischen oder eigennützigen Motiven des Managements.[31] Marktmacht ist die Fähigkeit eines Marktteilnehmers, den Preis, die Menge oder die Natur der Produkte und Dienstleistungen zu kontrollieren und damit zusätzliche Rendite zu erwirtschaften.[32]
Die Ziele einer Fusion überschneiden sich oft mit den Zielen der Unternehmen an sich. Dazu gehören Gewinnmaximierung, soziale Verantwortung gegenüber der Belegschaft, Unabhängigkeit, Marktanteil, Sicherheit, Wachstum, Prestige und Kundenpflege.[33]
Merger
Bei einem ,Merger‘, zu deutsch ,Fusion, Verschmelzung und Vereinigung'[34], handelt es sich um einen sehr engen Zusammenschluss, denn dabei geben beide Unternehmen ihre eigene rechtliche und wirtschaftliche Selbstständigkeit auf, um darauf eine neue, eigenständige Einheit zu bilden. Zwischen beiden Unternehmen kann ein gleich- oder ein übergeordnetes Verhältnis entstehen, denn ein Unternehmen wird entweder in ein weiteres integriert oder es wird ein neues Unternehmen gegründet.[35]
Acquisition
Bei einer ,Acquisition4, zu deutsch ,Erwerb und Errungenschaft'[36], also einem Unternehmenskauf bzw. einer Unternehmensübernahme, behält das übernommene Unternehmen zwar seine rechtliche Selbstständigkeit, seine wirtschaftliche Leitung wird allerdings auf das Erwerberunternehmen übertragen. Das erworbene Unternehmen wird also in den Unternehmensverbund eingegliedert.[37]
Abschließend sollen noch zwei grundlegende Begriffe geklärt werden, um optimal in die Arbeit einsteigen zu können. Der Begriff der ,Unternehmenskooperationen' wird in verschiedenen Kulturen unterschiedlich definiert bezüglichen deren Zweck, Dauer und
Wert. Im Zusammenhang der internationalen Unternehmenskooperationen sind diese Differenzen von interessanter Relevanz, da unterschiedliche Auslegungen des Begriffs zu missglückten Kooperationen führen können.[38] Strübing definiert ,intemationale Untemehmenskooperationen‘ als eine ..freiwillige Zusammenarbeit zwischen rechtlich selbstständigen, aber wirtschaftlich (potenziell) interdependenten Unternehmen verschiedener Länder‘[39].
Fayerweather versteht unter .international business, also dem Auslandsgeschäft, .business involving two or more nations'[40]. Dülfer[41] spricht von .Internationaler Unternehmenstätigkeit' bzw. .Internationalem Management' bei grenzüberschreitenden Interaktionen und nach Dichtl ist die Internationalisierung „[...] eine Ausweitung des Aktionsfeldes einer Unternehmung über die nationalen Grenzen hinweg [...]“[42]. Interkulturelle Zusammenarbeit umfasst alle Formen der Interaktion zwischen Mitarbeitern unterschiedlicher Kulturen in einer Arbeitsbeziehung, beim Frankreichgeschäft handelt es sich um jegliche Art der grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Tätigkeit mit Frankreich. Im Frankreichgeschäft bezieht sich die interkulturelle Herausforderung auf unterschiedliche Formen der internationalen Tätigkeit.[43]
Ein wichtiger Begriff, der in dieser Arbeit immer wieder auftreten wird und eine zentrale Rolle spielt ist die Kultur. Doch was ist Kultur und wie kann sie erfasst werden? Nach E.B. Tyler (1967) ist Kultur im weiteren Sinne „[...] ein Komplex von unseren Sozialtraditionen und Voraussetzung für uns, ein Mitglied der Gesellschaft zu sein.“ Im engeren Sinn umfasst Kultur Normen und Wertvorstellungen, die mit der Kulturellen Identität (.Cultural Identity') verbunden sind und stark von dieser beeinflusst werden. Kultur ist ganzheitlich, da sie in mehrere Subsysteme unterteilt werden kann. Sie ist erlernbar, denn jeder Einzelne muss einen Lernprozess vollziehen, um in eine Kulturgemeinschaft integriert und darin akzeptiert zu werden. Die Dynamik der Kultur wird durch technologische Erfahrungen, Katastrophen, Kulturkontakt und Umweltfaktoren beeinflusst. Außerdem ist Kultur beherrschend, denn sie beeinflusst jeden Teil unseres Lebens.[44]
Eine allgemein gültige, präzise Definition für Kultur zu finden ist aufgrund der Fülle und Vielfalt der vorhandenen Erklärungen nicht möglich. Begonnen bei der Etymologie des Wortes stoßen wir auf das lateinische Verb ,colere‘, woraus später das französische Wort ,cultiver‘ abgeleitet wurde. Bei der Einführung des Wortes in das Deutsche bildeten sich mehrere Bedeutungen, die in Abb.5 in vier Gruppen unterteilt werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5: Bedeutungskontexte von Kultur[45]
Zu erkennen ist Gruppe 1: (be)wohnen, ansässig sein, Gruppe 2: pflegen, schmücken, ausbilden, wahren, veredeln, Gruppe 3: bebauen, Ackerbau treiben und Gruppe 4: verehren, anbeten, feiern.
Diese Unterteilung von ,Kultur‘ in vier Gruppen wurde bereits in der Spätantike eingeführt. Die Einteilung in mehrere bedeutungsunterschiedliche Gruppen zeigt, dass es sich bei dem Begriff ,Kultur‘ um ein Polysem handelt und nicht um ein Homonym.[46] Die erste Gruppe beschreibt die Pflege von (zwischen)menschlichen Beziehungen (civilitas, urbanitas), die zweite Gruppe bezieht sich auf die Pflege von Seele, Geist und Körper (cultura animi), die dritte Gruppe beschreibt die Pflege der Erde und des Bodens (Agrikultur), welcher die vierte Gruppe mit der Pflege transzendenter Beziehungen folgt (cultura Dei).[47] In der Gegenwart ist für den Kulturbegriff bzw. dessen Definition wichtig, auf die Flexibilisierung der Märkte und der verschwindenden nationalen Grenzen zu achten. Eine Tendenz ist, dass Beziehungen zeitlich und räumlich immer weniger determiniert werden, was die Vielfalt eines Unternehmens begünstigt. So ist z. Bsp. DaimlerChrysler weder der deutschen noch der amerikanischen Kultur zuzuordnen.
Der enge und der erweiterte Kulturbegriff Kultur wird oft in einen ,engen‘ und einen ,erweiterten‘ Kulturbegriff unterteilt. Bei dem engen Kulturbegriff werden Kultur und Zivilisation getrennt und Hierarchien eingeteilt. Diese Form ist allerdings außerhalb Deutschlands kaum vorzufinden.
Zu dem erweiterten Kulturbegriff zählen alltägliche Lebensbereiche wie Religion, Ethik, Recht, Technik, Bildungssysteme, materielle und immaterielle Produkte.[48] Dies sind Bereiche, die jeden Menschen betreffen, um sich sozial und individuell einzuordnen. Die Wichtigkeit des erweiterten Kulturbegriffs erkannte 1970 bereits Walter Scheel mit folgender Aussage:
Kultur ist kein Privileg mehr für wenige, sondern ein Angebot an alle. Wir dürfen nicht in Ehrfurcht vor Dürer, Bach und Beethoven sitzen bleiben; wir müssen Interesse aufbringen für brennende Fragen der Gegenwart, darunter Erwachsenenbildung, Bildungshilfe, Schulreformen, Unweltprobleme.[49]
Der erweiterte Kulturbegriff hat gegenüber dem engen Kulturbegriff den Vorteil, nicht zeitlos zu sein, sondern historisch und dynamisch veränderbar und interaktiv zu sein. Er ist an die Lebenswelt angepasst und steht in Wechselwirkung mit der Umwelt. Der erweiterte Kulturbegriff bezieht sich auch auf die restlichen drei Gruppen des Kulturbegriffs (siehe Abb.6), mit denen er in Wechselwirkung steht. Es sollen vor allem interkulturelle Prozesse wie Migration und Kommunikation einbezogen werden. Jürgen Bolten schlussfolgert, dass „Eine Gesellschaft ... keine Kultur [hat], sondern ... Kultur[ist][50]
Der erweiterte Kulturbegriff lässt sich weiterhin differenzieren in den geschlossenen (räumlichen) und den offenen (sozialen) Kulturbegriff:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 6: Varianten des Kulturbegriffs[51]
Das Geschlossene bzw. Räumliche bezieht sich auf politische, geographische, sprachliche und geistesgeschichtliche Begrenzungen. Exemplarisch ist auf der politischen Ebene die Kultur auf eine Nation eingegrenzt, zum Beispiel Frankreich. Dabei wird die Kultur synchronisch betrachtet. Geographisch bezieht sich die Kultur auf eine Länderregion, wie Europa. Dabei ist allerdings die Sichtweise problematisch, da es unterschiedliche Perspektiven gibt. Deutschland wird beispielsweise aus deutscher Sicht zu Westeuropa gezählt, aus dem französischen Blickwinkel hingegen zu Zentraleuropa. Sprachlich wird die Kultur in eine Sprachgemeinschaft eingegrenzt, wie zum Beispiel die frankophone Sprachgemeinschaft. Aus geistesgeschichtlicher Sicht wird Kultur in ideen- und religionsgeschichtlich kompatible Gemeinschaften mit lokalem Bezug eingeteilt. Dazu zählt die romanische Gemeinschaft.[52] Allgemein ist allerdings festzuhalten, dass es äußerst problematisch ist, Kulturen ein- bzw. abzugrenzen. Kulturen sind keine geschlossenen Schubladen, die sich perfekt voneinander abgrenzen lassen, sondern sie zeichnen sich gerade durch ihre Heterogenität ab. Gerade an den Anschlusspunkten und den Grenzen einer Kultur ist diese eben nicht abgeschlossen, sondern kann sich genau dort mit anderen Kulturen vernetzen und ineinander übergehen.
Ein Unternehmen ist eine Wirtschaftseinheit, die der Untergruppe der Betriebe entspringt und nach drei Maximen arbeitet: Gewinnmaximierung, Privateigentum und Autonomie.[53]
Eine Unternehmenskultur, auch Organisationskultur genannt, ist eine neu entstandene Kultur, die sich von bereits bestehenden Kulturen in einem Unternehmen, durch Mitarbeiter unterschiedlicher Kulturkreise, abgrenzt. Diese Kultur definiert allgemein akzeptierte und aktuelle Bedeutungen für die Zusammenarbeit in einer Organisation.[54] Eine Unternehmenskultur entwickelt sich im Laufe vieler Jahre und ist nach ungefähr zehn Jahren vollständig ausgeprägt. Schein beschreibt Unternehmenskultur als ein „Muster von Grundvoraussetzungen“[55]. Die Unternehmenskultur entspringt aus der gemeinsamen Zusammenarbeit in einem Unternehmen und beinhaltet die Werte, Grundlagen und Maßnahmen, die dem Unternehmen zum Erfolg verholfen haben. Sie ist also erst nach der Zusammenarbeit greifbar und nicht bereits zuvor. Allerdings ist die Bildung einer Unternehmenskultur kein losgelöster Prozess in der Entwicklung eines Unternehmens. Sie entsteht aus der gesammelten Erfahrung in einem Unternehmen und ist kontinuierlich an die Entwicklung der Gesellschaft gebunden. Zur Untemehmenskultur zählen sichtbare Elemente, Unternehmensziele wie Gewinnmaximierung und Erhöhung der Marktanteile, aber auch Imageverbesserungen und Zufriedenheit der Belegschaft[56].
Unternehmenskultur ist ein Erfolgsfaktor, der in jedem Falle berücksichtigt werden sollte. Besonderes Augenmerk sollte auf die Bildung der Unternehmenskultur gelegt werden, wenn Erfolgshindernisse der internationalen Wettbewerbsfähigkeit im Wege stehen und somit strategische Änderungen, Fusionen oder Restrukturierungen nötig sind. Durch die Bildung einer guten Unternehmenskultur können interne Konflikte minimiert und verdeckte Konflikte aufgeklärt werden. Eine Verbesserung in den Abläufen ist in den Bereichen Geschwindigkeit, Qualitätsbewusstsein, Flexibilität, Produktivität, Beschwerde- und Konfliktmanagement und Problemlösungsstrategien möglich. Eine neue Unternehmenskultur ist auch dann nötig, wenn alte Schemata infolge äußerer Änderungen nicht mehr vollständig oder richtig sind. Mit einer Anpassung oder Verbesserung des Systems besteht die Möglichkeit, das gesamte Potenzial auszuschöpfen. Die Veränderung der Unternehmenskultur kann die Attraktivität eines Unternehmens steigern, das Betriebsklima verbessern und die Kooperationsbereitschaft erhöhen, was für eine reibungslose Zusammenarbeit unumgänglich ist.[57]
Möglichkeiten für eine Attraktivitätssteigerung eines Unternehmens sind:
- eine gute Mitarbeiterbindung
- eine größere Bekanntheit
- eine bessere Arbeitsleistung
- die Senkung von Beschaffungskosten
- ein positives Image[58]
Sind in einem Unternehmen grundlegende Veränderungen oder Strategiewechsel nötig, ist eine optimale Unternehmenskultur von Nutzen. Schon oft sind Fusionen oder Umstrukturierungen von Unternehmen gescheitert, weil ungenügend oder gar nicht auf die Kultur des Unternehmens eingegangen wurde. Ein Grund dafür ist, dass die Kultur als isoliertes Gebilde betrachtet wird, sich jedoch im Laufe der menschlichen Interaktion kontinuierlich bildet und verändert. In diesem Sinne ist die Unternehmenskultur auch situations-, menschen- und organisationsgebunden. Sie besteht aus Regeln und Methoden, die ein Unternehmen durch Auftreten von Problemen entwickelt. Die Komplexität einer Unternehmenskultur erschwert es vielen Organisationen, eine tiefgründige Analyse zu erstellen, um zu einem optimalen Ergebnis zu gelangen.[59]
Bei Fusionen und Übernahmen spielt Unternehmenskultur eine entscheidende Rolle. Durch die Globalisierung ist das Volumen der Fusionen aktuell auf 2 Billionen US- Dollar pro Jahr gestiegen (Stand: 2004)[60]. Allerdings sind trotz des hohen Volumens bei weitem nicht alle Geschäfte erfolgsbringend, zwei Drittel aller Fusionen und Übernahmen scheitern, bringen keinen Gewinn oder nicht den gewünschten Nutzen. Der gewünschte Effekt ist meist vielseitig, es werden zum Teil innere Werte, wie die Zusammenlegung von Lieferketten oder strategische Werte, wie die Übernahme eines kompletten Kundenstammes, um Marktführer zu werden, zur Übernahme angestrebt.[61] Daran lässt sich erkennen, dass nicht mehr zwingend ein Unternehmen komplett übernommen und in ein weiteres integriert wird, sondern, dass Tendenzen zur Übernahme einzelner Werte laufen. Ein Grund für das häufige Misslingen von Fusionen ist zum einen, dass vor einer Fusion kein ganzheitliches System erstellt wird, nach dem die Übernahme durchgeführt werden kann. So kommt es zu Verschiebungen der Prioritäten durch Unwissenheit, was ein zweites Problem mit sich führt: die Vernachlässigung der kulturellen Unterschiede zwischen zwei Unternehmen. Trompenaars & Woolliams sehen kulturelle Unterschiede und daraus resultierendes mangelndes Vertrauen in 70 Prozent der Fälle als Ursachen für das Scheitern einer Fusion an.[62]
Im Bereich der Unternehmenskultur wurden zum besseren Verständnis drei Kulturbegriffe geprägt: Der funktionalistische Ansatz beschreibt ein Unternehmen, welches bereits eine Kultur hat und somit auch organisatorische Komponenten, die vom Management steuer- und veränderbar sind. Hierbei kann ein direkter Rückschluss auf Werte und Normen durch klare Ausprägungen vorgenommen werden. Der deterministische Ansatz beschreibt ein Unternehmen, welches eine Kultur ist. Das heißt, die organisatorischen Komponenten beruhen auf sozialen Konstruktionen und für die Darstellung der Normen und Werte besteht Interpretationsspielraum. Wenn ein Unternehmen zeitgleich eine Kultur hat und eine Kultur ist, spricht man von einer Synthese. In diesem integrativen Ansatz sind materielle und ideelle Ebenen vereint, welche beide veränderbar sind und keinen Anspruch auf Wirklichkeit haben.[63]
Im Folgenden sollen Modelle für eine Unternehmenskultur vorgestellt werden. Dazu hat Sonja Sackmann das Phasenmodell entwickelt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 7: Das Phasenmodell von Sackmann - Organisationskultur in der Entwicklungsperspektive[64]
Hierbei wird die Unternehmenskultur in vier Phasen unterteilt. In der Gründungsphase werden bereits erste Problemlösungsstrategien der Gründer, die auch externen Faktoren unterliegen können, anvisiert. In der Entwicklungsphase ist bereits die Tendenz der Verschmelzung von Verhaltensmustern in Handlungsrepertoire zu erkennen. Darauf werden in der Reifephase Normen, Werte, Riten und Symbolsysteme verankert, die den Verhaltensspielraum der Mitglieder bestimmen. Wenn Handlungen, die anfangs erfolgsversprechend waren, zu einem Misserfolg führen, spricht man von der Krisenphase. Hier muss das Unternehmen seine Kultur anpassen und gegebenenfalls ändern.
Edgar Schein entwarf das Drei-Ebenen-Modell mit den Ebenen ,Artefakte‘, ,bekundete Werte und Normen' und ,Grundprämissen‘, in welche die Elemente der Kultur je nach ihrer Sichtbarkeit eingeteilt werden können:
Sichtbare Strukturen und Precesse im Unternehmen (leicht zu bäöbachlen, aber schwer zu entschlüsseln) Slraïegieiij Ziele; Philosophie (bekundete Reehtferiigungen)
Unbewusste Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle (Ausgangspunkt für Werte und Handlungen)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 8: Die Ebenen der Unternehmenskultur nach dem Grad ihrer Sichtbarkeit[65]
In der obersten Ebene sind die sichtbaren Elemente, die Artefakte, eingeordnet. Auf dieser Ebene der Wahrnehmung zählt alles, was der Mensch sehen, fühlen und hören kann, wie Gebäude, Produkte, Einrichtungen, Dokumente, Riten, Mythen, die Sprache, Verhaltensweisen, Führungsstile, Firmenpräsentationen oder Mitarbeiter-Kompetenzen. Diese Artefakte sind allerdings schwer zu interpretieren.[66]
Die bekundeten Werte auf der Ebene der Evaluation sind Werte, Normen und Regeln, an denen sich die Mitarbeiter in Bezug auf ihr tägliches Verhalten wie Führungsverständnis, Spielregeln, Meetingkultur, Strategien, Philosophien und Kommunikation orientieren. Sind die Leitfäden explizit verankert, führen diese Vorgehensweisen zum Erfolg.[67]
Grundannahmen, auch Grundprämissen, bilden die unterste, unbewusste Ebene des Unternehmens, die Ebene der Kognition. Auf dieser identitären Basis findet man unbewusste und unreflektierte Verhaltensweisen und Ideale, Einstellungen, Grundwerte, Know-how und Wissen, also die Wahrnehmung und Gefühle der Mitarbeiter.[68]
Diese drei vorgestellten Ebenen stehen in enger Wechselwirkung zueinander und bilden die Basis für die Bildung einer Unternehmenskultur aus der viel angewendeten Kombination von Unternehmensphilosophie, -identität und -Ethik.[69]
Ein weiteres bekanntes Model zur Fassung der Unternehmenskultur ist das Schichtenmodell von Eberhard Dülfer (Abb.9), welches ursprünglich zur Umweltberücksichtigung bei Internationalisierungsstrategien entwickelt wurde. Hier soll es mit vorgestellt werden, da dieses Modell sehr gut den Aufbau und die Entstehung einer Kultur beschreibt. Für eine Kulturanalyse bietet es den Vorteil der prozessorientierten und multikausalen Betrachtung.
Dülfer differenziert dabei die Interaktionen der Kultur zwischen Unternehmen und deren Umwelt. Zu den Umwelteinflüssen zählen Institutionen und Behörden, die in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen stehen. Das sind Lieferanten, Kunden, Banken, Gewerkschaften, Wettbewerber, Netzwerkpartner, die Öffentlichkeit, religiöse Autoritäten, ethnische Mobilitäten und Behörden. Das Unternehmen wird als selbstständiges Subjekt anerkannt, in dem es Verantwortliche wie Manager, Kapitalgeber, Partner, Mitarbeiter und Kooperationspartner gibt. Je nach Kultur weichen die Verantwortlichkeiten und die Einflüsse der einzelnen Interaktionspartner voneinander ab, so dass unterschiedliche Zielsetzungen gesteckt werden. Dabei kann die Unternehmenskultur durch die Umwelt beeinflusst werden. Aufgrund der hohen Kombinationsmöglichkeiten der Umwelteinflüsse resultiert eine Einzigartigkeit der Kultur eines jeden Unternehmens.[70]
[...]
[1] Zu Deutsch: "Bist Du anders als ich, bist Du mir nicht abträglich, sondern vielmehr eine Bereicherung."
[2] Handelsblatt vom 08.03.2011 online:
[3] Bizeul & Schulz 2000: 4
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[7] Cnop 2011: 10 in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (18.07.2011)
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[9] Cnop 2011: 10 in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (18.07.2011)
[10] Frankfurter Allgemeine 04.04.2011, Wirtschaftsteil: 14
[11] Ausländische Direktinvestitionen sind Vermögensanlagen im Ausland durch einen inländischen Investor. Es handelt sich dabei um Kapital, Wissen oder Technologie.
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[15] Kolboom 2011: 4
[16] Nach einer Studie des Instituts für Interkulturelles Management brechen 12% aller Entsendeten ihren Auslandsaufenthalt frühzeitig ab. (o. V. 2001:3)
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[51] Eigene Darstellung in Anlehnung an Bolten 2007: 47
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[63] Strähle 2003
[64] Jacobsen 1996: 76
[65]Schein 1995: 30
[66]Studt 2008: 99
[67] Studt 2008: 99
[68] Studt 2008: 99
[69] Wächter 2009: 8
[70] Strähle in ,Personalmagazin 01/08‘: 32
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