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Bachelorarbeit, 2013
60 Seiten, Note: 2,0
Medien / Kommunikation - Public Relations, Werbung, Marketing, Social Media
1. Einleitung
2. Begriffsdefinitionen
3. Uses-and-gratifications approach
4. Theorien der Mediennutzung
4.1 Erregungstheorie
4.2 Identitätstheorie
4.3 Einstellungstheorie
4.4 Eskapismustheorie
4.5 Spieltheorie
5. Social Media und seine Bedeutung
6. Facebook
7. Vergleichbare Forschungen
8. Motivtheorie nach McQuail
9. Motive Mediennutzung bei McQuail
10. Bedürfnishierarchie nach Maslow
11. Motive Mediennutzung bei Maslow
12. Neuere Motive
13. Konzeption Fragen und Zuordnung
14. Methodische Vorgehensweise
15. Auswertung
15.1 Allgemeine Auswertung
15.2 Auswertung Theorien
15.2.1 Theorie McQuail
15.2.2 Theorie Maslow
15.3 Analyse Faktorenabhängigkeit
15.3.1 Geschlecht
15.3.2 Alter
15.3.3 Partnerbeziehung
15.4 Test auf soziale Erwünschtheit
16. Vergleich Ergebnisse mit Langzeitstudie Massenkommunikation
17. Fazit
18. Literaturverzeichnis
19.Anhang
19.1 Abbildungsverzeichnis
19.2 Auswertung
19.3 Fragebogen
Social Media sind in der heutigen Gesellschaft ein omnipräsentes Phänomen. Egal ob beim Fernsehen, beim Einkaufen oder beim Arbeiten, die sozialen Medien sind stets mit dabei. Nur ein kurzer Blick, ein schneller Kommentar oder ein Like: Social Media sind einfach, effektiv und für viele Menschen bereits Teil des Alltags. Jeder dritte Deutsche hat bereits einen Facebookaccount (vgl. allfacebook 2013). Zwei Drittel der Nutzer sind mehr als eine Stunde pro Tag auf Facebook online (vgl. Kirch 2013). Bei jüngeren Personen unter 30 Jahren ist das Internet das meistgenutzte Medium, wobei die meiste Zeit für Social Media verwendet wird (vgl. Ridder/Engel 2011, S.4f). Hierbei stellt sich die Frage, warum wir Social Media eigentlich nutzen. „The idea that media use depends on the perceived satisfactions, needs, wishes, or motives of the prospective audience member is as old as media research itself“ (McQuail 1997, S.69). Um die Frage zu untersuchen, orientiert sich die Arbeit an McQuails Aussage und verfolgt einen eher behavioristischen Ansatz, der Startpunkt der Arbeit sind demnach die Bedürfnisse und Motive der Nutzer (vgl. McQuail 2010, S.420). Die Rolle und Funktion der Medien ändert sich mit der Zeit, so werden manche Motive unwichtiger und andere bedeutsamer (vgl. McQuail 2010, S.89). Insofern ist es interessant zu untersuchen, inwiefern ältere Theorien ihre Relevanz bei neueren Anwendungen verloren oder noch behalten haben. Dazu werden zwei klassische Theorien untersucht: Maslows Bedürfnispyramide und McQuails Motiveinteilung. Zusätzlich wird eine selbstentwickelte Aufstellung neuerer Motivdimensionen analysiert, um festzustellen, ob Social Media Nutzung eher durch „klassische“ Motive oder neuere Phänomene bedingt wird.
Folgende Forschungsfragen sollen im weiteren Verlauf der Arbeit geklärt werden:
1. Inwiefern sind die Motivtheorien von Maslow und McQuail bei Social Media Anwendungen noch gültig?
2. Welche neueren Motive sind bei Social Media Anwendungen relevant?
3. Welche Motive und Motivkategorien sind für die Nutzer von Bedeutung?
4. Spielen Faktoren wie Alter, Bildung, Geschlecht oder Partnerbeziehung eine Rolle für die Motive der Nutzung bei Social Media Anwendungen?
Frage eins testet die Motivtheorien von Maslow und McQuail auf ihre Anwendbarkeit im Social Media Bereich. Mit der zweiten Frage wird analysiert, inwiefern sich „klassische“ Mediennutzung durch Social Media Anwendungen verändert hat. Die dritte Frage soll mit einem Ranking der wichtigsten Motive und Motivkategorien beantwortet werden. Die vierte Forschungsfrage klärt den Einfluss verschiedener Faktoren auf die Motive der Nutzer. So sollen verschiedene Thesen bezüglich Alters-, Geschlechts-, Bildungs- und Partnerbeziehungsabhängigkeit getestet werden. Die verschiedenen Motivkategorien und Motivdimensionen werden mithilfe einer quantitativen Befragung untersucht.
Zunächst müssen einige, für die Untersuchung relevante, Begrifflichkeiten geklärt werden. Zentrale Begriffe der Arbeit sind Bedürfnisse und Motive. In den Motivtheorien von Abraham Maslow und Denis McQuail sind beide Begriffe von Bedeutung, daher müssen sie definiert und erläutert werden. Ein Motiv ist ein Beweggrund für ein Verhalten (vgl. Siedau 2008, S.5). Es setzt den Denkprozess und das anschließende Handeln in Gang (vgl. ebd.). Dabei ist es der richtunggebende und leitende Bestimmungsgrad des Handelns (vgl. ebd.). Motivation kann laut Myers in zwei Bereiche unterteilt werden: Die extrinsische und die intrinsische Motivation (vgl. Myers 2004, S.330). Extrinsisch ist zielorientierte Motivation, sie ist der Wunsch, Leistung zu erbringen, um einen Vorteil (eine Belohnung) zu erhalten oder einen Nachteil (eine Bestrafung) zu vermeiden. Die extrinsische Motivation orientiert sich am Leistungsprinzip (vgl. ebd.). Intrinsisch ist dagegen das Bestreben, etwas um seiner selbst willen zu tun (vgl. ebd.). Man macht etwas, weil es Spaß macht, eine Herausforderung darstellt oder ein Interesse befriedigt (vgl. Myers 2004, S.331). Die Orientierung erfolgt hierbei an einer Idealvorstellung, Leistung ist nicht relevant (vgl. ebd.). Allgemein kann hier formuliert werden, dass Motive „zielgerichtete Antriebe des Konsumverhaltens“ (Sieglerschmidt 2008, S.37) sind. Bedürfnisse sind dagegen „empfundene Mangelzustände“ (Sieglerschmidt 2008, S.37), die noch ungerichtet, also ohne Ziel, sind. Nach Siedau ist ein Bedürfnis ein innerer Zustand, der ein Ergebnis erstrebenswert erscheinen lässt (vgl. Siedau 2008, S.5). Wenn ein Bedürfnis unbefriedigt bleibt, baut es eine Art Spannung auf, die bei ausreichender Intensität in einen Trieb umgewandelt wird, welcher wiederum zur Handlung anregt (vgl. ebd.). Dörner hat eine Unterscheidung in zwei Kategorien eingeführt: Existenzielle und informationelle Bedürfnisse (vgl. Schneider 2009, S.90). Erstere sind dabei materieller Natur und dienen der Regulation von Energie, wie zum Beispiel Hunger oder Durst, was als Grundbedürfnisse bezeichnet werden kann. Informationelle Bedürfnisse haben drei Dimensionen: Affiliation, Bestimmtheit und Kompetenz (vgl. Schneider 2009, S.92). Affiliation ist „Legitimität in sozialen Normen“ (Schneider 2009, S.89), Bestimmtheit ist die Voraussagbarkeit der Umwelt und des eigenen Handelns und Kompetenz ist das Bedürfnis nach Neuem (vgl. Schneider 2009, S.89ff). Bedürfnisse und Motive haben einen unmittelbaren Einfluss aufeinander (vgl. Sieglerschmidt 2008, S.37). Ein Bedarf (ein Körperwert, der nicht im Soll-Bereich liegt) führt zu einem Bedürfnis (ein Wert, der zurück in den Soll-Bereich soll) (vgl. Schneider 2009, S.89). Das Bedürfnis wird mit einer Zielvorstellung, wie es befriedigt werden kann, verknüpft (vgl. ebd.). Durch die Verknüpfung wird das Bedürfnis zielgerichtet, was es zu einem Motiv macht (vgl. ebd.). Ein anschauliches Beispiel ist die Körpertemperatur des Menschen (vgl. Schneider 2009, S.89). Verliert der Körper Temperatur, hat er einen Bedarf nach Mangelausgleich. Der Wunsch nach Ausgleich wird zum Bedürfnis nach Wärme. Der Körper will nun das Ungleichgewicht ausräumen und durch die Zielvorstellung wird das Bedürfnis zu einem Motiv (vgl. ebd.).
Ein weiterer, im Zusammenhang mit Motiven der Mediennutzung relevanter, Begriff ist der Effekt der sozialen Erwünschtheit. Soziale Erwünschtheit ist eine „bewusst irreleitende Aussage, die Lüge des Befragten gegenüber dem Interviewer“ (Scholl 2009, S. 219). Dabei vermeidet der Proband die Preisgabe sozial unerwünschter Verhaltensweisen und täuscht erwünschte vor (vgl. ebd.). In der Eigendarstellung werden sozial akzeptierte Vorstellungen normativ abweichenden Verhaltensweisen vorgezogen (vgl. ebd). In der Auswertung der Befragung wird auch ein Test auf soziale Erwünschtheit durchgeführt.
Für diese Studie wurde ein behavioristischer Ansatz gewählt, der Startpunkt der Arbeit sind demnach die Bedürfnisse und Motive der Nutzer (vgl. McQuail 2010, S.420). Der Uses-and-gratifications approach widerspricht dem Wirkungsansatz, der Nutzen, also die Bedürfnisse und Motive, spielen für den Rezipienten die entscheidende Rolle (vgl. Maletzke 1998, S.118). Dementsprechend ist der Ansatz für die behandelte Thematik, Motive der Mediennutzung, relevant.
Der Uses-and-gratifications approach geht zurück auf Elihu Katz und David Foulkes, die ihn 1962 mit ihrem Werk „On the use of the mass media as ,escape' – Clarification of a concept“ begründet haben (vgl. Katz/Foulkes 1962, S.377ff). Der Ansatz wurde ursprünglich für das Medium Fernsehen konzipiert (vgl. Katz/Foulkes 1962, S.378). Sie wollten damit herausfinden, welchen Nutzen die Rezipienten aus dem Fernsehen ziehen (vgl. Katz/Foulkes 1962, S. 377). Das Fernsehen an sich wurde dabei als „soziales Handeln“ (Teichert 1973, S.356) gesehen. Für den Ansatz gelten einige Grundannahmen: Das Publikum ist aktiv und stellt Erwartungen an das Medium (vgl. Meyen 2004, S.11). Die aktive Rolle des Zuschauers wird durch vier Perspektiven beschrieben (vgl. Teichert 1973, S.382). Er ist passiv, ohnmächtig gegenüber dem Medium und kann die Bedingungen nicht ändern (vgl. ebd.). Gleichzeitig ist er aber auch aktiv, da er aus dem Angebot des Mediums wählen und sich eigene Ziele setzen kann (vgl. ebd.). Zudem hat der Nutzer eine reflektive Perspektive, in der er seine eigenen Handlungsentwürfe hinterfragt. Die vierte Perspektive ist die Situationsspezifische, bei der der Zuschauer die Empfangssituation definieren kann (vgl. ebd.). Eine weitere Grundannahme ist, dass die Nutzung der Medien über Bedürfnisse und Motive erklärt werden kann (vgl. Meyen 2004, S.12). Dabei konkurrieren die Medien untereinander um die Gunst der Zuschauer (vgl. ebd.). Der Rezipient ist die zentrale Figur, die entscheidet, ob ein Kommunikationsprozess stattfindet oder nicht (vgl. ebd.). Zudem ist er fähig, über die eigenen Bedürfnisse Auskunft zu geben (vgl. ebd.).
Der Uses-and-gratifications Ansatz hat mehrere Aspekte. Die Rezipienten versprechen sich von der Medienrezeption einen Nutzen, und zwar Bedürfnisbefriedigung (vgl. Maletzke 1998, S.119). Die Gratifikationen, also die Belohnungen, für die Nutzung sind befriedigte Bedürfnisse (vgl. ebd.). Zuwendung zu Medien wird durch eine Kosten-Nutzen-Kalkulation gesteuert (vgl. Maletzke 1998, S.122). Der Uses-and-gratifications Ansatz heißt nicht umsonst „Ansatz“, da er auch einige Schwächen aufweist. „Im Allgemeinen wisse der Mensch nicht, warum er über einen Witz lache“ (Meyen 2004, S.14). Genauso ist es bei der Mediennutzung. Menschen handeln nicht immer rational, die Gründe für ihr Handeln können ebenso impulsiv, habituell oder unbewusst sein (vgl. Meyen 2004, S.13). Zudem ist der Ansatz sehr einseitig, er beschränkt sich auf die Rezipienten und vernachlässigt die Medieninhalte und ihr Umfeld (vgl. ebd.). Ein weiterer Kritikpunkt ist die Theorieschwäche des Ansatzes. Der Uses-and-gratifications approach verbindet die Bedürfnisse nicht mit den zugrunde liegenden sozialen und psychologischen Ursprüngen, was die Gefahr der Beliebigkeit mit sich bringt (vgl. ebd.).
In den Motivtheorien von Abraham Maslow und Denis McQuail werden auch Aspekte anderer Theorien behandelt. Einige, in diesem Zusammenhang besonders relevante, Theorien werden nun kurz vorgestellt.
Bei der Erregungstheorie sind die Rezipienten bestrebt, ein optimales Erregungsniveau zu erreichen und zu halten (vgl. Batinic/Appel 2008, S.116). Das optimale Niveau ist nach Wilhelm-Fischer ein „angenehmes Gefühl“ (Wilhelm-Fischer 2008, S.50). Es wird durch Hinwendung zu Medienangeboten und intensiven Medienkonsum erreicht (vgl. Batinic/Appel 2008, S.116). Verhalten, das sich an der Erregung orientiert, läuft unbewusst und automatisiert ab (vgl. ebd.). Es steht damit im Gegensatz zur Theorie des homo oeconomicus, welche besagt, dass der Mensch rational und auf den eigenen Nutzen bedacht handelt (vgl. Wilhelm-Fischer 2008, S.48). Aus Erregung wird Emotion, was durch die Zweifaktoren-Theorie von Schachter und Singer erklärt wird (vgl. Schachter/Singer 1962, S.379ff): Reize lösen Erregung aus, was einen Anstieg physiologischer Energie zur Folge hat (vgl. Wilhelm-Fischer 2008, S.49). Durch kognitive Bewertungsprozesse wird Erregung zu Emotion (vgl. ebd.). Emotionen können idealtypisch beschrieben werden, wie zum Beispiel Liebe, Angst und Hoffnung. In der Regel liegen aber eher Mischgefühle vor (vgl. Wilhelm-Fischer 2008, S.50). Je nach Situation hat der Medienkonsum die Aufgabe, die Erregung zu erhöhen oder zu senken, was Meyen als „mood-management“ (Meyen 2004, S.18) bezeichnet. Vor allem junge Männer geben sich dem „sensation-seeking“ (Meyen 2004, S.18), also der Suche nach starken Reizen wie in Action- oder Gewaltfilmen, hin. Das Medienangebot spricht die Rezipienten über vier Kriterien an: Komplexität, Neuartigkeit, Überraschungswert und Mehrdeutigkeit (vgl. Meyen 2004, S.20). Je mehr der Nutzer davon bekommt, desto größer ist seine Erregung. Zu viel von einem Faktor führt zur Abnahme der Erregung (vgl. ebd.).
Unter dem Begriff Identitätstheorie versteht Meyen die Auseinandersetzung mit den eigenen Lebensumständen und der eigenen Identität (vgl. Meyen 2004, S.18). Menschen neigen dazu, sich mit anderen zu vergleichen und sich selbst zu bewerten (vgl. ebd.). Die Interaktion hierbei ist parasozial. Das bedeutet, dass der Rezipient mit einem Medienakteur nicht interagieren, sondern ihn nur beobachten kann (vgl. ebd.). Er ist dabei auf der Suche nach Verhaltensmodellen und Vorbildern (vgl. ebd.). So kann der Rezipient Verhaltensunsicherheiten abbauen, Gesprächsstoff sammeln und Menschenkenntnis erwerben (vgl. Meyen 2004, S.19). Er identifiziert sich hierbei mit einer anderen Person, was bedeutet, dass er sich mit der anderen Person emotional gleichsetzt, deren Eigenschaften übernimmt und ins eigene Ich integriert (vgl. Greiser 2005, S.19). Gleichzeitig versucht der Nutzer, Bezug zu seinem eigenen Leben herzustellen (vgl ebd.).
Bei der Einstellungstheorie versucht der Nutzer Dissonanzen[1] mit seinem eigenen Wissen zu vermeiden (vgl. Meyen 2004, S.18). Menschen wollen ihr kognitives System, also ihre Erfahrungen, ihr Wissen und ihre Überzeugungen, im Gleichgewichtszustand halten (vgl. Meyen 2004, S.19). Wenn sich Überzeugungen widersprechen, führt das zu Dissonanz und einer Gleichgewichtsstörung (vgl. ebd.). Eine Strategie der Dissonanzauflösung ist die Änderung von hinderlichen Einstellungen und die Annahme der besser passenden Meinung (vgl. ebd.). Das Streben nach Dissonanzvermeidung kennzeichnet die Selektion von Medienangeboten (vgl. Hohenadl 2004, S.25). Bei Unterhaltungssendungen ist das kaum relevant, bei Talk- oder Politiksendungen hingegen schon (vgl. ebd). Die Selektion ist auch an die Erwartungen von Mitmenschen gekoppelt und dem Wunsch, diesen zu entsprechen (vgl. Hohenadl 2004, S.26).
Eskapismus ist die Flucht vor der Realität (vgl. Meyen 2004, S.18). Das Ziel dabei ist es, den Alltag zu vergessen, sich von Arbeit abzulenken, von Stress zu erholen oder sich von seinen Pflichten zurückzuziehen (vgl. Meyen 2004, S.16). Fast jeder gibt sich zumindest vorübergehend Realitätsfluchten hin (vgl. ebd.). Meyen vermutet in diesem Zusammenhang, dass Eskapismus ein menschliches Grundbedürfnis ist (vgl. Meyen 2004, S.16). Typische Fluchten sind Tagträume oder Medienkonsum, beispielsweise in Form von Kinofilmen (vgl. Huber/Meyen 2006, S.18). Dabei hat der Rezipient die Kontrolle über die Situation und kann die Flucht jederzeit beenden (vgl. Meyen 2004, S.16). Medien können eine kompensatorische oder reinigende Wirkung haben (vgl. Batinic/Appel 2008, S.115). Dabei erzeugen die Medien Emotionen und lenken von geltenden Normen und Regeln ab (vgl. ebd.). Sie bieten eine „stellvertretende Erfüllung von Sehnsüchten“ (Batinic/Appel 2008, S.115). Eskapismus tritt als Nutzungsmotiv selten alleine auf, in der Regel ist es ein Motiv von vielen (vgl. Huber/Meyen 2006, S.19). Problematisch wird es, wenn die Realitätsflucht für den Nutzer eine höhere Bedeutung bekommt als der Alltag, was zu einer Vernachlässigung von Rollenverpflichtungen führen kann (vgl. Huber/Meyen 2006, S.18). Diesbezüglich galt in der Forschung bis vor einigen Jahren, dass Eskapismus vor allem ein Phänomen der Unterschicht ist, was inzwischen relativiert wurde (vgl. Huber/Meyen 2006, S.18f).
Charakteristisch für die Spieltheorie ist das kommunikative Vergnügen der Nutzer (vgl. Meyen 2004, S.17). Nach Stephenson nutzen Menschen Medien, weil sie dabei Freude empfinden (vgl. ebd.). Bei der Mediennutzung aufgrund von Vergnügen ist es möglich „Quasi-Erfahrungen“ (Meyen 2004, S. 17) zu machen. Die Mediennutzung kann hierbei als Spiel mit besonderen Regeln gesehen werden, einem Reich voller Freiheit, in dem man gefahrlos Dinge ausprobieren kann (vgl. ebd.). Mediennutzung wird so zur hochentwickelten Form des Spielens (vgl. Müller 2006, S.20). Der Anreiz für die Nutzer ist die vorübergehende Außerkraftsetzung von Regeln und Normen (vgl. Huber/Meyen 2006, S.19).
Verschiedene Motivkategorien werden im Rahmen dieser Arbeit an der Social Media Anwendung Facebook getestet, daher wird zunächst der Begriff und die Bedeutung von Social Media erläutert. „Technology is shifting the power away from the editors, the publishers, the establishment, the media elite.“[2] (Rupert Murdoch, Pleil 2010). In den letzten Monaten spielte Technologie bei den Revolutionen im arabischen Raum eine wichtige Rolle. Vor allem die Vernetzung und Mobilisierung über soziale Netzwerke machte die Massenproteste überhaupt erst möglich (vgl. Rutz 2011). In Bezug auf Social Media wird das Zitat Murdochs durch die Realität bestätigt: Technologie wie Social Media kann dabei helfen, Machtverhältnisse zu verändern (vgl. Rutz 2011). Übersetzt bedeutet Social Media soziale oder gesellschaftliche Medien (vgl. Luecke 2011, S.2). Es ist ein Sammelbegriff für sämtliche Medien, Plattformen und Module, die Nutzer zur Kommunikation im Internet verwenden (vgl. ebd.). Social Media nutzt interpersonale Kommunikationskanäle, welche die Nutzer befähigen, wechselseitige, soziale Interaktionen und Beziehungen einzugehen (vgl. Mallek 2010, S.6). Eine der wichtigsten Funktionen ist dabei der Informationsaustausch (vgl. ebd.). Informationen können Texte, Bilder, Audio-, Videodateien oder Kombinationen mehrerer sein, die selbsterstellt, kopiert oder verändert sein können (vgl. ebd.). Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Publikum und Medium (vgl. ebd.). Social Media entwickelt sich auf drei Ebenen: Der individuellen, der technologischen und der sozio-ökonomischen Ebene (vgl. Michelis/Schildhauer 2012, S.19). Entwicklung auf der individuellen Ebene geschieht durch die Beteiligung der Nutzer an der Gestaltung von Internetangeboten und dem Ausmaß der Beteiligung (vgl. Michelis/Schildhauer 2012, S.21). Beteiligung kann, von einem Like auf Facebook bis zu einer eigenen Webseite, vieles sein. Das Ausmaß der Beteiligung hat noch viel Entwicklungspotenzial: Nur 1 Prozent der Nutzer sind aktiv, 9 Prozent sind reaktiv und die große Mehrheit mit 90 Prozent sind Passivnutzer (vgl. ebd.). Entwicklungen auf der technologischen Ebene sind Internetangebote, die aus inhaltlichen und technischen Modulen bestehen, wie zum Beispiel Facebook oder Twitter, und offene Schnittstellen, die es Nutzern ermöglichen, eigene Inhalte ins Netz zu stellen (vgl. Michelis/Schildhauer 2012, S.23). Eine Entwicklung der sozio-ökonomischen Ebene sind Beziehungen zwischen Akteuren aus Wirtschaft und Gesellschaft, wobei die Basis für die Beziehungen das Informations- und Kommunikationsverhalten der Akteure darstellt (vgl. Michelis/Schildhauer 2012, S.24). Eine weitere Entwicklung dieser Ebene ist die Auflösung der traditionellen Hierarchien (vgl. ebd.). Die Rollenaufteilung in Anbieter und Nachfrager oder in Produzent und Konsument wird zunehmend aufgebrochen (vgl. ebd.).
Das Social Web schafft neue Öffentlichkeiten (vgl. Pleil 2010). Durch Publizieren, Teilen von Informationen, Zusammenarbeit oder Bewertungen können schnell viele Menschen erreicht werden (vgl. ebd.). Die Austauschformen sind hierbei vielfältig, wie zum Beispiel soziale Netzwerke, Foto- und Videoportale, Blogs oder Webseiten mit Kommentarfunktion (vgl. Bernet 2010, S.9). Der Umfang des Austausches ist sehr groß, alleine über Facebook werden täglich 3,5 Milliarden Nachrichten versendet (vgl. ebd.). Dabei steht Social Media noch am Anfang seiner Entwicklung, so wie das Radio 1912, das Fernsehen in den Fünfzigern oder das Internet in den Neunzigern (vgl. ebd.). Clay Shirky, ein Autor und Professor, der sich mit der Thematik Neue Medien befasst, hat dazu gesagt: „Mitten in einer Revolution weiß niemand, wohin die Reise geht.“ (Clay Shirky, übersetzt von Bernet 2010, S.10). Die Zukunft von Social Media ist noch ungewiss und wird von den Nutzern bestimmt (vgl. Bernet 2010, S.9). Schon jetzt ändert Social Media die Kommunikation grundlegend. Der Einzelne kann leichter mitwirken und sich an Diskursen beteiligen (vgl. Bernet 2010, S.10). Die digitale und vor allem billige Verbreitung jeglicher Art von Kommunikation bringt andere Geschäftsmodelle in Gefahr (vgl. Bernet 2010, S.11). Andere Medienbranchen, wie das Fernsehen oder die Zeitungen, werden durch Social Media gefährdet (vgl. ebd.). Beispielsweise im Bereich der Werbung wird Social Media zunehmend wichtiger (vgl. Qualman 2010, S.10). Produktempfehlungen über Facebook können effektiver als Fernsehwerbung sein und andere Arten von Werbung ersetzen (vgl. ebd.). In den sozialen Medien läuft das „größte Empfehlungsprogramm der Geschichte“ (Qualman 2010, S.10). Informationszeitungen und Broschüren werden zunehmend durch effektiveren und billigeren Online-Content ersetzt (vgl. ebd.). Mittlerweile ist Social Media die beliebteste Aktivität im Netz und hat die Pornografie auf Platz zwei verdrängt (vgl. Qualman 2010, S.19).
In der Befragung wird die Social Media Anwendung Facebook untersucht. Der Name der Webseite bezieht sich auf die sogenannten „Facebooks“, die Studenten am Campus der Harvard Universität zur Orientierung bekommen (vgl. Schlüter/Münz 2010, S.59). Facebook wurde 2004 von Mark Zuckerberg gegründet (vgl. Schilliger 2010, S.79). Anfangs war das Netzwerk nur für Harvard Studenten freigegeben, mit dem raschen Erfolg wurden nach und nach weitere Universitäten in den USA und dann weltweit zugelassen (vgl. ebd.). Nachdem Facebook sich unter Studenten schnell weit verbreiten konnte, wurde es 2006 für alle frei zugänglich (vgl. ebd.). 2009 hatte Facebook bereits 200 Millionen Nutzer, 2013 mehr als eine Milliarde (vgl. Facebook 2013). Es ist damit das beliebteste soziale Netzwerk der Welt (vgl. Schlüter/Münz 2010, S.59). Von 82 Millionen Deutschen sind 25 Millionen auf Facebook angemeldet, also über 30 Prozent (vgl. allfacebook 2013). Über 80 Prozent der Nutzer wohnen außerhalb der USA, das Netzwerk ist demnach ein globales Phänomen (vgl. Facebook 2013). Die Anwendung ist eine offene Web 2.0 Plattform, die beliebig veränderbar ist (vgl. Schilliger 2010, S.37). Das gibt Facebook die Möglichkeit, ihr Geschäftsmodell im Nachhinein anzupassen, momentan ist das Netzwerk weitestgehend werbefinanziert (vgl. ebd.). Die Anwendung hat fließende Grenzen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit oder Beruf und Privatleben (vgl. ebd.). Die Webseite wird oft aktualisiert und verbessert, um die Wünsche der Nutzer zu erfüllen und den Nutzen für das Unternehmen zu erhöhen (vgl. ebd.). Facebook ist ein soziales Werkzeug, das Kommunikation mit Freunden ermöglicht (vgl. Schilliger 2010, S.29). Jeder kann sich auf Facebook anmelden und auf der Webseite mit anderen Personen interagieren (vgl. ebd.). Die Grundfunktionen der Anwendung sind unter anderem eine Statusfunktion, eine Bild- und Videofunktion, Profile, Events, Links und eine interne Suchfunktion (vgl. Facebook 2013). Der hohe Wert der Plattform erklärt sich durch die Anzahl der registrierten Nutzer und die von ihnen erzeugten Seitenabrufe (vgl. Schoop 2011, S.8). Das Netzwerk wird nicht nur von Privatpersonen verwendet, sondern auch von Unternehmen, Künstlern, Sportlern oder Stadtverwaltungen (vgl. Lemmer 2011, S.8). Von verschiedenen Gruppierungen wird die Webseite für Marketingaktivitäten und Kontaktpflege genutzt (vgl. ebd.).
Zur Thematik Motive der Mediennutzung gibt es vergleichbare Studien. Die Arbeit „Facebook - Eine Nutzertypologie“ von Julia Haider beschäftigt sich mit den Persönlichkeitseigenschaften von Facebook-Nutzern und deren Motiven für aktive Partizipation (vgl. Haider 2012, S.31). Die Methode der Studie ist eine Online-Erhebung per Fragebogen, die aufgrund der geringen Kosten und der guten Erreichbarkeit von Probanden ausgewählt wurde (vgl. Haider 2012, S.37). Die Stichprobe besteht aus 728 Teilnehmern (vgl. Haider 2012, S.42). Relevante Ergebnisse dieser Arbeit für die vorliegende Studie sind die ausgewerteten Motivdimensionen. Die am häufigsten genannten Motive sind „soziale Kontaktpflege“, „Information über die soziale Umwelt“ und „Zeitvertreib“ (vgl. Haider 2012, S.58f). Für die Probanden war es besonders wichtig, mit alten Freunden in Kontakt zu bleiben (90 Prozent) und herauszufinden, was im Bekanntenkreis passiert (81 Prozent). Kaum relevant war dagegen das Kennenlernen neuer Leute (10 Prozent) und Information über aktuelle Trends (10 Prozent) (vgl. Haider 2012, S. 60). Haider kam zu dem Schluss, dass Facebook für die Probanden einen hohen Stellenwert im Alltag hat (vgl. Haider 2012 S.65). Der Fokus der Studie liegt insgesamt eher auf psychologischen Aspekten, die Motive waren nur ein Teilaspekt. Bei der vorliegenden Studie werden medienwissenschaftliche Fragen untersucht.
Eine weitere Studie zu der Thematik ist „veränderte Mediennutzung durch Communities“ von Beate Frees und Martin Fisch. Das Ziel der Arbeit sind vertiefende Erkenntnisse über die Nutzung privater Communities (vgl. Frees/Fisch 2011). Die Methode der Studie ist eine Online-Panel Befragung mit 2200 Probanden (vgl. Frees/Fisch 2011). Eines der Ergebnisse ist, dass Facebook das wichtigste soziale Netzwerk vor Wer-kennt-wen und Stayfriends ist (vgl. ebd.). Die wichtigsten Motive der Social Media Nutzung sind der Kontakt mit Freunden, das Wiederfinden von alten Freunden und das Kennenlernen von neuen Leuten (vgl. ebd.). Der Fokus der Arbeit lag aber nicht auf den Motiven der Mediennutzung, sie waren nur ein Nebenaspekt (vgl. ebd.).
Eine der größten medienwissenschaftlichen Studien beschäftigt sich auch mit Motiven der Mediennutzung: Die Langzeitstudie Massenkommunikation. Sie ist die weltweit einzige Repräsentativstudie zum Thema Mediennutzungsgewohnheiten im Intermediavergleich (vgl. Engel/Ridder 2010). Sie wurde erstmals 1966 durchgeführt und seit 1970 alle fünf Jahre wiederholt (vgl. ebd.). Ein Teil der Untersuchung ist eine Zeitbudgetstudie mit der Erfassung aller relevanten Aktivitäten (vgl. ebd.). Die Methode der Studie ist ein computergestütztes Telefoninterview (vgl. Engel/Ridder 2010). An der Forschungsarbeit sind die Institute Enigma GFK Medienforschung und Media Markt Analysen beteiligt (vgl. ebd.). In der Studie werden die Medien Fernsehen, Radio, Print und seit dem Jahr 2000 das Internet untersucht (vgl. ebd.). Ein zentraler Aspekt der Forschung sind die subjektiven Einstellungen der Nutzer zu den Medien (vgl. ebd.). Relevant sind für die Untersuchung alle Probanden ab 14 Jahren, wobei die Altersgruppe von 14-29, die „digital natives“ (Engel/Ridder 2010), von besonderer Bedeutung sind (vgl. ebd.). Die Stichprobe bestand 2010 aus 4500 zufällig ausgewählten Haushalten (vgl. ebd.). Für die vorliegende Arbeit ist der Aspekt der Nutzungsmotive beim Medium Internet relevant. Die Zustimmung zu den einzelnen Fragen ist in Abbildung 1 zu sehen.
Abbildung 1: Nutzungsmotive bei der Internetnutzung in der Langzeitstudie Massenkommunikation:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Engel/Ridder 2010
Die vorliegende Arbeit setzt andere Schwerpunkte als die vorgestellten Studien und es wird explizit die Social Media Anwendung Facebook untersucht.
Eine der untersuchten Theorien dieser Studie ist die Motivtheorie von Denis McQuail. McQuail hat die Motive der Mediennutzung in vier Kategorien aufgeteilt: Information, Unterhaltung, persönliche Identität und Integration und soziale Interaktion (vgl. McQuail 1983, S.82f). Die Grundlage der Einteilung sind, in den achtziger Jahren durchgeführte, quantitative Befragungen über Motive der Mediennutzung (vgl. Huber/Meyen 2006, S.54). Jede der vier Dimensionen hat weitere Subfacetten (vgl. Batinic/Appel 2008, S.114). Die untersuchte Motiveinteilung geht auf den Ansatz von 1983 zurück. Die vorliegende Studie folgt einem behavioristischen Ansatz, sie nimmt also die Bedürfnisse, Motive und Umstände als Startpunkt (vgl. McQuail 2010, S.420). McQuail hat in einer späteren Fassung seines Werkes „Mass Communication Theory“ seinen ursprünglichen Ansatz relativiert und erweitert (vgl. McQuail 2010, S.420ff). Die Rolle und Funktion der Medien ändert sich mit der Zeit, manche Motive werden wichtiger, andere unwichtiger (vgl. McQuail 2010, S.89). Gerade in diesem Zusammenhang ist es interessant zu untersuchen, inwiefern die älteren Ansätze von McQuail und Maslow ihre Relevanz behalten haben und welche Teile der Theorien ihre Gültigkeit verloren haben. Es gibt viele zufällige und nicht berechenbare Einflüsse auf die Motive (vgl. McQuail 2010, S.420). Zudem ist Mediennutzung nicht immer motivgeleitet, sie kann auch nebensächlich oder ritualisiert sein (vgl. McQuail 2010, S.425). Motive treten selten einzeln auf, häufig leitet ein Motivbündel die Rezeption (vgl. McQuail 2010, S.426). Daher hat McQuail in einer späteren Auflage seiner Arbeit den Ansatz um die Angebotsseite und die Charakteristiken des Mediums erweitert (vgl. McQuail 2010, S.420ff). Ziel der Untersuchung ist es herauszufinden, inwiefern die älteren Theorien noch gültig sind und welche Motive und Motivkategorien ihre Relevanz verloren haben.
Die Motiveinteilung von McQuail hat vier grundlegende Kategorien: Informationsbedürfnis, Unterhaltungsbedürfnis, Bedürfnis nach Integration und sozialer Interaktion und Bedürfnis nach persönlicher Identität (vgl. McQuail 1983, S.82f)[3]. In den folgenden Abbildungen werden die Subfacetten der jeweiligen Dimensionen gezeigt. In jeder Zeile und Spalte steht eine Motivdimension der Kategorie. Alle Motivdimensionen der Einteilung sind auf Mediennutzung anwendbar und sind somit für die Studie relevant.
Abbildung 2: Informationsbedürfnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Unterhaltungsbedürfnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Bedürfnis nach Integration und sozialer Interaktion
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Bedürfnis nach persönlicher Identität
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
[1] Dissonanzen sind hierbei Unstimmigkeiten oder Differenzen von erlebtem und eigenem Wissen (vgl. Duden 2013)
[2] Übersetzung: Technologie verschiebt die Macht weg von Redaktionen, Verlegern, dem Establishment, der Medien Elite.
[3] die deutsche Übersetzung der Motiveinteilung findet sich unter anderem in Meyen S.23