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Hausarbeit, 2012
18 Seiten, Note: 1,3
1. Einleitung
2. Theorie und Konzepte
2.1 Empirische Wahlforschung
2.2 Wahlbeteiligung/Wahlpartizipation
3. Empirie
3.1 Politikwissenschaftliche Erklärungstheorien
3.2 Forschungsstand
4. Diskussion und Analyse
5. Fazit und Ausblick
6. Literaturverzeichnis
7. Quellenverzeichnis
„Wir riefen Arbeitskräfte und es kamen Menschen.“ (Max Frisch 1911-1991).
Vor etwa 50 Jahren kamen die ersten Migrantinnen und Migranten, damals noch „Gastarbeiter“ tituliert, nach Deutschland. Die meisten von ihnen ließen ihre Familien in der Heimat zurück. Sie kamen, um ursprünglich ein paar Jahre in Deutschland zu arbeiten, Geld zu sparen, um dann wieder zu ihren Familien zurück zu kehren und sich in ihren jeweiligen Heimatländern eine Existenz aufzubauen. Das im Ausland meist als Hilfsarbeiter verdiente Geld sollte zur Verbesserung ihres Lebensstandards dienen. Doch aus „ein paar Jahren“ wurden Jahrzehnte und der Großteil der Migranten fand in Deutschland eine neue Heimat, nachdem sie größtenteils ihre Familien oder Partner im Rahmen der Familienzusammenführung nachgeholt hatten. Auch viele Spätaussiedler aus der ehemaligen UDSSR, dem ehemaligen Jugoslawien und Polen wanderten nach Deutschland ein. Ein anderer Teil von Zuwanderern kam als Asylbewerber (Statistisches Bundesamt, Fachserie 1 Reihe 2, 2010: 10ff. „Ausländische Bevölkerung am 31.12.2010“). Mittlerweile haben viele zugewanderte Bürgerinnen und Bürger die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen und sich in unsere Gesellschaft integriert.
Die Frage, die sich stellt, lautet daher:
Inwieweit nehmen Bürgerinnen und Bürger mit Mitgrationshintergrund ihre Rechte als deutsche Bürger auch in Bezug auf gesellschaftliche oder politische Partizipation wahr? Machen sie von ihrem Wahlrecht beispielsweise bei den Bundestags-, Landtags- oder Kommunalwahlen Gebrauch?
Anhand der vorliegenden Hausarbeit soll untersucht werden, ob bestimmte Ereignisse dazu führen, dass eingebürgerte Migrantinnen und Migranten ihr Wahlrecht vermehrt in Anspruch nehmen (mit dem Begriff mit Migrationshintergrund soll in der vorliegenden Hausarbeit ein unmittelbarer familiärer Bezug zu einem anderen Herkunftsland als Deutschland verstanden werden).
Eine Teilnahme an Wahlen setzt eine Identifikation mit dem jeweiligen Staatengebilde voraus und könnte daher als ein Indikator für die Integration gesehen werden.
Ein bestimmtes Ereignis könnten Kandidaten mit Migrationshintergrund sein.
Deshalb lautet die Hypothese dieser Hausarbeit:
Je mehr Politikerinnen und Politiker mit Migrationshintergrund als Kandidaten zur Wahl stehen, desto höher ist die Wahlbeteiligung von Migrantinnen und Migranten, die durch die Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft das Wahlrecht erworben haben.
Zunächst sollen in Kapitel 2 politikwissenschaftliche Erklärungstheorien vorgestellt und bisherige Forschungsergebnisse im Hinblick auf das Wahlverhalten von Migrantinnen und Migranten näher beleuchtet werden (Abschnitt 3). Unter Berücksichtigung der Kommunal- und Landtagswahlen 2005 und 2009 in verschiedenen Bundesländern wird die Frage, ob die Kandidatur deutscher Politikerinnen und Politiker mit Migrationshintergrund eine signifikante Veränderung des Wahlverhaltens von Migrantinnen und Migranten zur Folge gehabt hat, in Augenschein genommen (Kapitel 4). Daraufhin wird in Kapitel 5 überprüft, ob die eingangs gestellte Hypothese verifiziert oder falsifiziert werden kann.
Täglich werden wir in den Medien mit Zahlen und Fakten aus Forschungsergebnissen konfrontiert. Insbesondere vor Wahlen wird durch Umfragen das Meinungsbild der Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf Parteien und Politikerinnen und Politiker z.B. mit der „Sonntagsfrage“ „Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre […]“ (ZDF Mainz, Politbarometer) ermittelt. Doch womit befasst sich dieser Teil der Forschung genau? Durch systematische Untersuchungen (z.B. Umfragen oder Hochrechnungen) analysieren Forscher die Meinung oder das Wahlverhalten der Bürger vor und nach Wahlen.
„Die empirische Wahlforschung beschäftigt sich mit der Frage, „Wer wählt wen warum?“(Acar 2011: 12 zitiert nach Wehling 1991: 7). Schmitt-Beck beschreibt dies wie folgt:
„[...] Die empirische Wahlforschung liefert Erkenntnisse des demokratischen politischen Systems, seine Funktionsmechanismen und Leistungen sowie letztlich seine Qualität. […] Sie stützt sich auf
ein kausalwissenschaftliches Theorieverständnis und ist einer erfahrungswissenschaftlichen Grundorientierung verpflichtet. Sie versucht, aus Theorien mittlerer Reichweite abgeleitete Fragestellungen im Zusammenhang mit der Beteiligung von Bürgern an Wahlen und ihren dabei getroffenen Entscheidungen durch quantitative Auswertung kontrolliert und systematisch erhobener Daten intersubjektiv nachvollziehbaren Antworten zuzuführen. [...]“ (Schmitt-Beck 2012: 4 ff.)
In den letzten Jahren wurde die empirische Forschung bei der Erhebung von Daten insofern ergänzt, dass mit neuen Abfragevariablen nun auch deutsche Bürger mit Migrationshintergrund aus den Umfrageergebnissen herausgefiltert werden können. Ihre Meinung ist gefragt, denn durch das Zerbröseln des Parteimilieus sind insbesondere die Volksparteien auf Wechselwähler und neue Wählerschichten angewiesen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass ihr Potential zwischenzeitlich von Politikern und Wissenschaftlern erkannt wurde. Was versteht man unter Wahlbeteiligung?
"Wahlbeteiligung gilt als wichtiger Gradmesser von Demokratien. [...] Das Niveau der Wahlbeteiligung allein lässt keine klaren Aussagen zu. Unstrittig ist hingegen die Beurteilung sich ändernder Wahlbeteiligung. […]." (Aarts/Weßels 2005: 595 zitiert nach Falter 2005: 49)
Nachdem im letzten Absatz Begriffe zur Wahlforschung definiert wurden, soll nun in diesem Kapitel erläutert werden, mit welchen Methoden Wissenschaftlern fundierte Ergebnisse erzielen. Es gibt verschiedene klassische Ansätze bzw. Theorien, um das Verhalten der Bürgerinnen und Bürger im Zusammenhang mit Wahlen zu erforschen:
Im Zentrum der „Cleavage-Theorie“, die 1967 von Seymour Martin Lipset und Stein Rokkan entwickelt worden ist, stehen die Wahlergebnisse nationaler, europäischer Parteien.
Das „Michigan-Modell“, auch „Ann-Arbor-Theorie“ genannt, geht zurück auf Angus Campbell, Gerald Gurrin und Warren E. Miller, die dieses Modell ca. 1960 an der Universität zu Michigan entwickelten. Im Fokus dieses Analysemodells steht, wie gut sich die Wähler von den Parteien, deren einzelnen Kandidaten und Parteiprogrammen vertreten sehen.
Ein weiteres der bekanntesten Wahlforschungstheorien ist das „Columbia-Modell“, das auf
die Forscher Paul F. Lazarsfeld, Bernard Berelson und Hazel Gaudet zurückgeht. Sie erkannten, welchen immensen Einfluss Beruf, sozialer Status, privates Umfeld und auch Religionszugehörigkeit des Einzelnen auf seine Wahl ausübt.
In ihrem 1944 veröffentlichten Buch „The People´s Choice“ schreiben sie:
„[...] Now we find that the reverse of the adage is true: a person thinks, politically, as he is, socially. Social characteristics determine political preference.“ (Lazarsfeld et al. 1944: 27)
In diesem Absatz wird die Veränderung der empirischen Wahlforschung zum Thema Wahlbeteiligung in Deutschland thematisiert. Dies ist zu analysieren, da gerade das Vorhanden- oder Nichtvorhandensein von Interesse an Erhebungen zu der Thematik Wahlpartizipation eingebürgerter Migrantinnen und Migranten deutlich wird.
Bisherige Analysen und Umfragen haben sich damit beschäftigt, ob sich das Wahlverhalten von Frauen und Männern unterscheidet, welche Partei von welcher Altersklasse bevorzugt gewählt wird usw. In dem Artikel „Wählerverhalten und Wahlergebnis“ haben sich die Autoren Jung, Schroth und Wolf mit Daten und Analysen der „Forschungsgruppe Wahlen“ mit der Bundestagswahl 2009 auseinandergesetzt. Sie kamen in ihrer Studie zu der Erkenntnis:
„[...] Neben Alter, Geschlecht und Bildungsabschluss spielen weitere sozialstrukturelle Merkmale wie die berufliche Stellung eine bedeutende Rolle für die Erklärung von Wahlverhalten. […].“ (Jung et al. 2010: 43)
Ihrer Meinung nach wirke sich insbesondere die berufliche Stellung der Wähler entscheidend auf ihr Wahlverhalten aus.
„[...] Die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen in ähnlichen sozialen Lagen fördert das Durchlaufen spezifischer politischer Sozialisationsprozesse, welche Auswirkungen auf die Wahrnehmung und Deutung sozialer Wirklichkeiten sowie auf soziales und politisches Verhalten haben. [...]“ (Ebd. 43)
Um die Migrantinnen und Migranten zur Wahlbeteiligung aufzufordern, gibt es einige Informationsseiten im Internet, wie beispielsweise die von der Initiative „Runder Tisch Türkischer Migranten“[1] mit Sitz in Hannover, die in deutscher und türkischer Sprache für das Wahljahr
2011 in Niedersachsen, Hamburg und Bremen auf ihrer Webseite über Werte der deutschen
Verfassung, die zur Wahl stehenden Parteien und ihre türkischstämmigen Kandidatinnen und Kandidaten informiert. Darüber hinaus formulieren sie mehr oder weniger repräsentativ die Erwartungen der türkischen Mitbürger an die einzelnen Parteien. Aber auch Kommunen, wie hier beispielhaft aufgeführt die Pressestelle des Senats der Stadt Bremen. Sie forderten ihre Bürger mit Migrationshintergrund mit einer Pressemitteilung (04.04.2011) und einem Foto, auf dem u.a. eine Mitarbeiterin mit offensichtlichem Migrationshintergrund und Kopftuch abgelichtet ist, zur Teilnahme an den bevorstehenden Wahlen auf.[2]
[...]
[1] Quelle: “Runder Tisch türkischer Migranten“
http://haydi-secime.de/2011-niedersachsen-kommunalwahl.html Zugriff am 19.01.2012.
[2] Quelle: Freie Hansestadt Bremen, Pressestelle des Senats. Zugriff am 19.01.2012, 16.57 h. http://www.senatspressestelle.bremen.de/detail.php?id=40966