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Bachelorarbeit, 2010
38 Seiten, Note: 1,0
1. Einleitung
2. Entwicklung des Rundfunks
2.1. Anfänge des Rundfunks
2.2. Rundfunk im Nachkriegsdeutschland
2.3. Duales Rundfunksystem
2.4. Radiolandschaft heute
3. Musik als Programmelement
3.1. Erstellung und Aufbau von Musikprogrammen
3.2. Verpackungselemente
3.3. Formatradio
4. Funktion von Musik im Radio
4.1. Dezentrierte Wahrnehmung beim Radiohören
4.2. Informations-, Ablenkungs- und Entspannungsfunktion
4.3. Vermittler von Unterhaltung und Bildung
5. Analyse der Sendepläne von SWR 1 Rheinland-Pfalz
5.1. Programmprofil
5.2. Stichtag 13.04.2010
5.3. Stichtag 15.06.2010
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
„Der Hörfunk trägt Gesang und Instrumentalklang in den entlegensten Winkel, ins Heim, ins Dorf, sogar ins fahrende Auto. Er begleitet den Tagesablauf, bietet Musik aus alter und neuer Zeit, wirkt pädagogisch, regt die Haus- und Volksmusik an und öffnet den Blick für das Verständnis anderer Völker. Er beschäftigt Musiker und Musikforscher, Komponisten und Bearbeiter, er bietet dem Hörer tönende Information und klingende Kurzweil.“[1]
Diese vielzitierte Aussage von Kurt Blaukopf aus dem Jahr 1973 fasst die Bedeutung des Rundfunks nach 50-jähriger Entwicklung zusammen und stellt insbesondere die Funktion der Musik in den Vordergrund. Während die Möglichkeit der allgegenwärtigen Beschallung in der heutigen Zeit nicht mehr so außergewöhnlich erscheint, gehören die tagesbegleitende Funktion, der Bildungsauftrag, die Aufgabe des Musikprogramms, der Hörfunk als Arbeitgeber und das Verhältnis von Information und Unterhaltung immer noch zu den vieldiskutierten Themen der medien- und musikwissenschaftlichen Forschung und prägen die Gespräche in den Rundfunkstationen selbst.
Das Publikationsaufkommen zu den verschiedenen Bereichen ist umfangreich, jedoch werden oftmals allgemeine Aussagen getroffen und auf das gesamte Rundfunksystem bezogen, ohne die derweil ausgeprägte Differenziertheit der einzelnen Programme, Formate und Sender zu beachten. Grundsätzliche Unterschiede in der Haltung von Musikwissenschaftlern, von Musikredakteuren privater Rundfunksender und von Redakteuren öffentlich-rechtlicher Stationen sind zwar verständlich, dennoch wäre eine explizitere Einschränkung des Untersuchungsgegenstands wünschenswert und würde die unterschiedlichen Ergebnisse der Beiträge verständlicher machen. Am Ende dieser Arbeit soll die Auswertung aktueller Sendepläne von zwei Stichtagen des ersten Hörfunkprogramms des Südwestrundfunks in Rheinland-Pfalz (im Folgenden SWR1 RP) stehen. Um die ausgewählten Kriterien der Untersuchung verständlich zu machen, werden im ersten Teil hinführend die wichtigsten Stationen in der Entwicklung des Rundfunks dargestellt. Technische Neuerungen, politische Interessen und juristische Entscheidungen hatten Bedeutung für die Entstehung des heutigen dualen Rundfunksystems. In Bezug auf die derzeitige Radiolandschaft wird es daran anknüpfend eine kurze Abgrenzung der Senderformen des dualen Systems geben. Die weiteren Schwerpunkte der Arbeit beziehen sich primär auf die Organisation der öffentlich- rechtlichen Rundfunkanstalten, da der Erstellung und der Umsetzung des Musikprogramms im Rahmen des Grundversorgungsauftrags eine andere Bedeutung zukommt.
Im darauf folgenden Schritt werden die Programme von öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern der heutigen Zeit in den Fokus genommen. Es soll erläutert werden, wie diese zusammengestellt werden, auf welche Methoden und Einflüsse Redakteure dabei vertrauen, inwiefern sich die Musik bei Sendern unterscheidet und wovon dies abhängig ist. Weiterhin werden die Verpackungselemente erläutert, die nicht der klassischen Playlist zuzuordnen sind, aber einen bedeutenden Beitrag für die Funktion von Musik im Rundfunk leisten.
Anschließend wird die Funktion der Radiomusik betrachtet. Es soll aufgezeigt werden, aus welchen Gründen und mit welcher Haltung Radioprogramme wahrgenommen werden und welchen Einfluss die Musik auf den Hörer und seine Rezeptionshaltung hat. Denn die Erwartungen von Hörern und die politischen oder juristischen Vorgaben entsprechen sich nicht immer. Die Schwierigkeit einerseits verschieden gewünschte Funktionen im Gesamtprogramm, aber andererseits durch einzelne Elemente zu realisieren, wird im abschließenden Teil der Arbeit thematisiert.
Um die zuvor dargestellten Annahmen praktisch zu belegen, werden zum Abschluss die Sendepläne zweier Stichtage untersucht. Der Sender und sein Profil werden vorgestellt und anhand einer GEMA-Auflistung wird analysiert, inwiefern die theoretische Senderverortung umgesetzt wird. Darin eingeschlossen ist die Frage, ob das Konzept des Formatradios funktioniert und ob anhand des Programms die Bedeutung der Musik sowie die ihr zugeschriebenen Funktionen ersichtlich sind.
Die Entwicklung des Rundfunks ist geprägt von technischen Neuerungen, politischen und juristischen Entscheidungen und einer sich wandelnden Rezeptionshaltung der Hörer.[2] Während die Übertragung von vorgelesenen Zeitungsartikeln und Musikbeiträgen zu Beginn primär der Information und Erbauung von Soldaten diente und somit pragmatische Gründe hatte, gibt es heute auf verschiedene Zielgruppen zugeschnittene, bis ins Detail ausdifferenzierte Programme. Die zwei Säulen des dualen Rundfunksystems werden durch öffentlich-rechtliche und kommerzielle Sender gebildet, durch deren paralleles Bestehen Diskussionen um Veränderungsmöglichkeiten des Programms angeregt werden. Die 25-jährige Konkurrenz durch private Anbieter und mittlerweile auch die mobiler Abspielgeräte und des Internets, bringen zwangsläufig Veränderungen für die öffentlich-rechtlichen Sender mit sich. So müssen diese sich heute vermehrt den Vorwurf anhören, ihrem Grundversorgungsauftrag nicht nachzukommen, sondern mit ebenso wirtschaftlicher Ausrichtung wie kommerzielle Sender, zu arbeiten. Die Anfänge des Rundfunkwesens, seine wichtigsten Entwicklungsstationen und deren Einfluss auf die heutige Radiolandschaft werden in den nächsten Punkten thematisiert.
Als Urvater des deutschen Rundfunks wird der ehemalige Telefunken-Direktor Hans Bredow gesehen, der bereits gegen Ende des Ersten Weltkriegs mit Hilfe von Röhrensendern Harmonika- und Violinenmusik zur psychischen Unterstützung der Soldaten in die Schützengräben sendete. Weiterhin wurden ab 1920 aus der Hauptfunkstelle der Armee Königswusterhausen zur Information Zeitungsartikel verlesen, Schallplattenmusik gespielt und Festtagskonzerte übertragen. Es folgten weitere Konzertsendungen, unter anderem Puccinis Madame Butterfly aus der Berliner Staatsoper.[3]
In der Weimarer Republik „sollte der Rundfunk objektiv und überparteilich sein und vor allem unterhalten“.[4] Da eine zentrale Rundfunkversorgung aus Berlin technisch und kulturpolitisch nicht möglich war, begann man aus privaten Mitteln regionale Sender in anderen deutschen Großstädten aufzubauen.[5] 1925 wurde die Reichs-Rundfunk-Gesellschaft mbH gegründet, 1926 folgte die Deutsche Welle GmbH, 1929 der Weltrundfunksender.[6] Der Rundfunk wird in dieser Zeit vermehrt für politische Aktivitäten genutzt, es wurde dazu übergegangen das Programm zu kontrollieren und Zensurbestimmungen zu erlassen.
Den Höhepunkt der regierungsamtlichen Inanspruchnahme erlebte der Rundfunk unter den Machthabern im 2. Weltkrieg, wo man ihn „systematisch in den Dienst der nationalsozialistischen Propaganda stellte“.[7] Nach der Gleichschaltung des Rundfunks 1933, der Auflösung regionaler Radiogesellschaften und der Reglementierung von Programmen und Inhalten, wurden vornehmlich politische Reden, Parteitage und „Unterhaltungsprogramme mit UFA-Stars“[8] gesendet. Die Unterhaltungsprogramme der 30er- und 40er-Jahre bestanden neben Reportagen, Hörspielen, Lesungen und Essays aus klassischer Musik sowie aktuellen Hits und Schlagern, um ein möglichst breites Publikum anzusprechen.[9]
Rundfunkanstalten in den Jahren 1948/49, die Monopolstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bis 1984 und die parallele Existenz von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk seit 1984.[10]
Die meisten Sendeanlagen in den vier Besatzungszonen waren nach Kriegsende zwar zerstört, in den noch existierenden Anstalten bauten die West-Alliierten dennoch voneinander unabhängige Rundfunkanstalten nach dem BBC-Modell auf, verboten den Deutschen zunächst publizistische Tätigkeiten und gestalteten den Sendebetrieb selbst „mit dem Ziel, rasch demokratische Grundwerte zu vermitteln“.[11] Besonders in dieser Zeit, die eine des Papiermangels war, zeigte sich aufgrund der einfachen Verbreitungsmöglichkeit ein großer Vorteil gegenüber den Printmedien.[12] Die ersten neu gegründeten, selbstverwalteten und staatsunabhängigen Sender waren der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) in der britischen Besatzungszone, der Hessische Rundfunk (HR), der Süddeutsche Rundfunk (SDR), der Bayrische Rundfunk (BR) und Radio Bremen (RB) in der amerikanischen Zone und der Südwestfunk (SWF) in der französischen Zone. Die Sowjets bauten ein zentralistisch staatliches Rundfunksystem auf.[13] Trotz unterschiedlicher Rundfunkordnungen stimmten die Besatzungsmächte grundsätzlich überein:
„Dieser Rundfunk sollte weder vom Staat noch von einzelnen gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen beherrscht werden können. Gleichzeitig sollte er allen, selbstverständlich auch Staat und Interessengruppen, gleichberechtigte Chancen zu öffentlicher Artikulation bieten.“[14]
Der Brite Hugh Carleton Greene war ab 1948 erster Generaldirektor des NWDR und versuchte „Toleranz mit offener Konfrontation der Meinungen in der Öffentlichkeit zu verbinden“.[15] Dies war Teil der Re-education-Programme, welche die Besatzer bereits in Kriegszeiten ausgearbeitet hatten.
Die Anstalten wurden von den West-Alliierten 1948/49 wieder in die deutsche Verantwortung übergeben, sie behielten sich jedoch bis zum Abschluss der Pariser Verträge 1955 das Recht vor, über die Neugründung von Sendern zu entscheiden.[16] Öffentlich-rechtliche Sender sollten nach der Übergabe in deutsche Hände weiterhin „als autonome Körperschaften mit Gemeinwohlbindung anzusehen“ sein.[17] Jedoch fiel es Parteien und Regierungen schwer, sich auf das System der freiheitlichen Demokratie einzulassen und ihren erzieherischen Anspruch nicht über dieses Medium wahrnehmen zu können. So bedurfte es verschiedener Rundfunkgesetze um die Ordnung des Rundfunks zu erhalten und zu bestärken.[18]
1950 kam es durch den Zusammenschluss der bestehenden Sender zur Arbeitsgemeinschaft der ö ffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD), in die später noch weitere Sender aufgenommen wurden.[19] Die Gemeinschaft soll gemeinsame Interessen vertreten und rechtliche, technische und betriebswirtschaftliche Fragen des Programms bearbeiten.[20] Außerdem wurde in dieser Zeit mit der Erschließung der Ultrakurzwelle (UKW) als Übertragungsmöglichkeit eine wesentliche technische Neuerung eingeführt, die alle Sender für sich nutzten.[21] Erst hierdurch wurde die Differenzierung des Programmangebots möglich. Die ersten Radioprogramme spielen die in den 50er- und 60er-Jahre populäre Musik, die 2. Programme waren bei den meisten Sendern Kulturprogramme und sendeten primär E-Musik.[22]
Anfang der 60er-Jahre waren die Rundfunksender technisch und in der Programmvielfalt auf ihrem bisherigen Höhepunkt angekommen. Die meisten Sender verfügten von nun an über zwei Vollprogramme und begannen stereofon zu senden. Die Konkurrenz durch das Fernsehen veränderte jedoch das Programmangebot. Rundfunkspezifische Elemente (Aktualitätsanspruch, Liveübertragungen) wurden vermehrt eingebaut und die Bedeutung der Musik veränderte sich. Die Durchhörbarkeit der Programme wurde gesteigert und die Wortanteile limitiert, um einer tagesbegleitenden Funktion nachzukommen. Die Programme wurden aufgeteilt in Informationsprogramme mit Nachrichten und leichter Musik, in Kulturprogramme mit anspruchsvollen Musik- und Wortsendungen und in Servicewellen mit zielgruppenspezifischen Sendungen.[23]
Eine der Voraussetzungen für das heute existierende duale Rundfunksystem war der 1961 vom damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer geäußerte Plan, nach dem der Bund mehr Einfluss auf den Rundfunk bekommen und die zentrale Fernsehanstalt Deutschland Fernsehen GmbH gegründet werden sollte. Obwohl dieser Antrag vor dem Bundesgerichtshof scheiterte, bescheinigte dieser die prinzipielle Möglichkeit privaten Rundfunk zu betreiben. Außerdem kam es 1963 auf Grundlage eines Staatsvertrages der Bundesländer zur Gründung des nationalen Fernsehprogramms ZDF.[24] Mit dem 3. Fernsehurteil von 1981 wird neben dem Prinzip des Binnenpluralismus das außenpluralistische System „als Organisationsform der Meinungsvielfalt im Rundfunk“[25] eingeführt.
Nachdem 1984 der privatwirtschaftliche Rundfunk durch den saarländischen Landtag verfassungskonform wird und den Anstalten ein Jahr später per Gesetz technische Möglichkeiten und die Übertragung über Satellit zugesagt werden, werden von den Bundesländern verschiedene Mediengesetze für die Zulassung privater Sender verabschiedet und Landesmedienanstalten eingerichtet, die die Aufgabe der Rundfunkräte für die privaten Sender übernehmen sollen.[26] Auch nach der Gründung des dualen Rundfunksystems unterstreicht das Bundesverfassungsgericht, im 4. Rundfunk-Urteil von 1986, den Auftrag der Grundversorgung „für das kulturelle Leben in Deutschland“[27] als wichtigste Funktion und kulturpolitische Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Sender. Um eine Minimalversorgung zu verhindern wird der Grundversorgungsauftrag für die öffentlich-rechtlichen Anstalten 1987 genauer definiert. Sie haben demnach für ein breites Programmangebot Sorge zu tragen, während kommerzielle Anbieter nur einen „Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt“[28] zu erbringen haben. Das 5. Rundfunkurteil legt das Konzept des Bestands- und Entwicklungsschutzes für öffentlich-rechtliche Sender fest, das 6. Urteil vier Jahre später bestätigt den Grundgedanken des unterschiedlichen Anspruchs an private und öffentlich- rechtliche Anstalten.[29] Weiterhin wird 1991 der Staatsvertrag ü ber den Rundfunk im vereinten Deutschland von allen Bundesländern unterschrieben, es werden neue Sender gegründet oder zusammengezogen. Dies geschieht unter anderem 1997 in Baden-Württemberg und Rheinland- Pfalz, wo der SDR und der SWF zum Südwestrundfunk fusionieren.[30] In der zweiten Hälfte der 80er-Jahre werden länderübergreifende Staatsverträge aufgesetzt, um bundeseinheitliche Regeln für alle Sender zu definieren.[31] In den Anstalten werden bei vielen Sendern 4. Programme konzipiert. „Hier finden sich heute neben regionalen Nachrichten, Informationen und Magazinbeiträgen das populäre Musikformat der 50er- und 60er-Jahre wieder, ergänzt durch zeitgemäße Musiktitel“.[32] Erst mit dem Erfolg der Beatles ab 1962 gibt es vermehrt Sendungen für Jugendliche mit einem primär popmusikalischen Programm.[33] Vor allem die neuen Privatradios orientieren sich stark an den musikalischen Inhalten der amerikanischen Rundfunkmodelle und legen damit den Grundstein für die Formatradioprogramme.[34] Es werden spezielle Jugendwellen für „eine stimmigere musikalische Trennschärfe der aktuellen Popstile“[35] eingerichtet. Neue Musikrichtungen wie Dance, Rap, Techno und elektronische Klänge erhalten Einzug in die Berlin 1995. S. 56 Programme.[36]
Bisher wurden dreizehn Rundfunkurteile beschlossen, die „die medienrechtlichen Fundamente für die heutige Gestalt des bundesdeutschen Rundfunksystems“[37] bilden.
Auf deren Grundlage gibt es ein umfangreiches Angebot mit über 50 öffentlich-rechtlichen Programmen.[38] Die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist die Gewährleistung der publizistischen Vielfalt über umfassende und ausgewogene Programmangebote und vollständige Meinungsvielfalt in jedem einzelnen Programm. Dies ist Voraussetzung um den Binnenpluralismus zu gewährleisten.[39]
Mit der Einführung privater Rundfunkanbieter und dem erhöhten Konsum visueller Medien verändern sich die Ansprüche an den Hörfunk, die Musikprogramme und die Musikredakteure.[40]
„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk selbst spiegelt politischen Pluralismus, wie ihn Rechtsstaat und parlamentarische Demokratie bedingen; er ist aber auch in vorab existierenden Interessenlagen der ‚gesellschaftlich relevanten Gruppen’ sowie Werbewirtschaft, der ‚Musik- und Elektronik-Industrie eingebunden.“[41]
Somit ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk oftmals Werbeinstrument privater Wirtschaftsinteressen, dient der Propaganda des Staates oder kombiniert beide Interessen. Da das Medium sich nie im herrschaftsfreien Raum befindet „rückt der ihm Identität verleihende Programmauftrag in den Mittelpunkt; dieses Merkmal unterscheidet ihn heutzutage von seinem Konkurrenten, dem kommerziellen Rundfunk“.[42]
Jedoch kommt es, mit der Gründung des dualen Rundfunksystems, für die Sender zu Widersprüchen zwischen ökonomischen Notwendigkeiten und politischen und juristischen Ansprüchen. Die öffentlich-rechtlichen Sender orientieren sich an den Sendeinhalten, Programmformen und Formaten der Privaten, diese werden dazu verpflichtet nicht ausschließlich gewinnbringend zu arbeiten, sondern ebenfalls Information und Nachrichten in ihrem Programm zu senden.[43] Dies ist eine weitreichende Entscheidung, da sich Privatsender nur durch Werbung finanzieren und daher profitorientiert arbeiten müssen. Ihr Programm wird durch das Konzept der Außenpluralität gesichert. Landesmedienanstalten achten auf die Vielfalt in der Gesamtheit der Programme.[44] Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk soll dies nicht nur in der Gesamtheit, sondern mit jedem einzelnen Programm verwirklicht werden. Aufgrund des Programmauftrags muss er „ein umfassendes Angebot aus Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung bereitstellen“.[45] Eine stetige Differenzierung und inhaltliche Einengung der Programme entsprechend der Hörerwünsche wirkt dem Auftrag demnach entgegen.[46] Dennoch werden „[m]assenattraktive Programme [werden] von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einhellig als Umsetzung der durch den Staatsvertrag und die Rechtsprechung gestellten Aufgabe verteidigt, durch das Ansprechen und gebührende Eingehen auf die Wünsche der gesamten Bevölkerung für jedermann etwas zu bringen, nicht lediglich für einzelne (Minderheiten-)Gruppen“.[47]
Besonders die integrative Funktion werde dadurch gesichert. Der Integrationsauftrag fordert „seine drei Grundbestandteile nicht getrennt für ein geteiltes Publikum umzusetzen, sondern stets möglichst weit für eine gedachte vereinte Hörerschaft zusammenzuführen“[48] und zwischen Interessen, Generationen, politischen Richtungen, Mehrheiten und Minderheiten zu vermitteln.[49] Der Grundversorgungsauftrag beinhaltet außerdem den technischen Aspekt, der besagt, dass die Programme von der Bevölkerung empfangbar sein müssen. Daraus lässt sich ein Anspruch auf entsprechende Verbreitungsmöglichkeiten herleiten. Der Grundgedanke des Programmauftrags, der öffentlichen Meinungsbildung zu dienen, bezog sich auf ein breites Programmangebot für ein großes, heterogenes Publikum.[50] Hierfür muss die Programmgestaltung offen für Veränderungen und dynamisch sein und technischen Neuerungen folgen.[51]
Diesbezüglich dient der Rundfunkrat als machtvolles Entscheidungsorgan. Er ist zuständig für Programmbeschwerden, kann die Satzung ändern, stimmt über die Finanzordnung und die Beteiligung an wirtschaftlichen Unternehmen ab, legt die Werbestruktur und ergänzende Richtlinien fest.[52] Er besteht aus Vertretern gesellschaftlich-relevanter Gruppen (Kirchen, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und Parteien) und wählt als Aufsichtsgremium den Intendanten oder Generaldirektor der jeweiligen Rundfunkanstalt.[53]
Die bisherige Entwicklung des Rundfunks, die Gesetze und Organisationsstrukturen haben einen großen Einfluss auf die Gestaltung der Programme und somit auch auf die Musikbeiträge. Wie sich dies äußert, soll im nächsten Abschnitt erläutert werden.
[...]
[1] Blaukopf, Kurt/Goslich, Siegfried und Scheib, Wilfried (Hrsg.) 50 Jahre Musik im Hörfunk. Jugend und Volk. Wien/München 1973. S. 5
[2] vgl. Goslich, Siegfried. Daten und Tendenzen - Eine Bilanz über 50 Jahre Rundfunk. In: 50 Jahre Musik im Hörfunk. Blaukopf, K./Goslich, S. und Scheib, W. (Hrsg.). Jugend und Volk. Wien/München 1973. S. 7-9
[3] vgl. Diller, Ansgar. Rundfunk und Fernsehen. In: Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. Finscher, Ludwig (Hrsg.) Sachteil. Band 8. 2., neubearbeitete Ausgabe. Bärenreiter und J.B. Metzler. Kassel u.a. 1998. S. 612 und Overbeck, Peter. Geschichte des Radios. In: Radiojournalismus. Overbeck, Peter (Hrsg.) Reihe: Handbuch Journalismus. UVK Verlagsgesellschaft mbH. Konstanz 2009. S. 19
[4] Overbeck, P. Geschichte des Radios. 2009. S. 20
[5] vgl. Diller, A. Rundfunk und Fernsehen. In: MGG 8. 1998. S. 613
[6] vgl. Diller, A. Rundfunk und Fernsehen. In: MGG 8. 1998. S. 613
[7] Diller, A. Rundfunk und Fernsehen. In: MGG 8. 1998. S. 613
[8] Overbeck, P. Geschichte des Radios. 2009. S. 21
[9] vgl. Lange, Jörg. Geschichte des Popradios. In: Radiojournalismus. Overbeck, Peter (Hrsg.). Reihe: Handbuch Journalismus. UVK Verlagsgesellschaft mbH. Konstanz 2009. S. 26
[10] vgl. Marchal, Peter. Kultur- und Programmgeschichte des öffentlich-rechtlichen Hörfunks in der Bundesrepublik Deutschland. Band 1. Grundlegung und Vorgeschichte. München. Kopaed 2004. S. 108
[11] Overbeck, P. Geschichte des Radios. 2009. S. 22
[12] vgl. Overbeck, P. Geschichte des Radios. 2009. S. 22
[13] vgl. Overbeck, P. Geschichte des Radios. 2009. S. 22
[14] Marchal, P. Kultur- und Programmgeschichte des öffentlich-rechtlichen Hörfunks in der Bundesrepublik Deutschland. 2004. S. 118
[15] Marchal, P. Kultur- und Programmgeschichte des öffentlich-rechtlichen Hörfunks in der Bundesrepublik Deutschland. 2004. S. 115
[16] vgl. Diller, A. Rundfunk und Fernsehen. 1998. S. 614
[17] Marchal, P. Kultur- und Programmgeschichte des öffentlich-rechtlichen Hörfunks in der Bundesrepublik Deutschland. 2004. S. 126
[18] vgl. Marchal, P. Kultur- und Programmgeschichte des öffentlich-rechtlichen Hörfunks in der Bundesrepublik Deutschland. 2004. S. 127-129
[19] vgl. Overbeck, P. Geschichte des Radios. 2009. S. 22
[20] vgl. Diller, A. Rundfunk und Fernsehen. In: MGG 8. 1998. S. 614
[21] vgl. Overbeck, P. Geschichte des Radios. 2009. S. 22 [22] vgl. Lange, J. Geschichte des Popradios. 2009. S. 26;
(Für eine Definition der Bezeichnung E- und U-Musik in Rundfunkprogrammen vgl. Wernsing, Andreas Arthur. E- und U-Musik im Radio. Faktoren und Konsequenzen funktionsbedingter Kategorien im Programm. MusikProgrammanalyse beim Westdeutschen Rundfunk. Peter Lang. Frankfurt a.M 1995)
[23] vgl. Overbeck, P. Geschichte des Radios. 2009. S. 23
[24] vgl. Overbeck, P. Geschichte des Radios. 2009. S. 24 und Goldhammer, Klaus. Formatradio in Deutschland. Konzepte, Techniken und Hintergründe der Programmgestaltung von Hörfunkstationen. Spiess.
[25] vgl. Goldhammer, K. Formatradio in Deutschland. 1995. S. 57
[26] vgl. Diller, A. Rundfunk und Fernsehen. In: MGG 8. 1998. S. 615-616
[27] Diller, A. Rundfunk und Fernsehen. In: MGG 8. 1998. S. 619
[28] Diller, A. Rundfunk und Fernsehen. In: MGG 8. 1998. S. 616
[29] vgl. Goldhammer, K. Formatradio in Deutschland. 1995. S. 57
[30] vgl. Diller, A. Rundfunk und Fernsehen. In: MGG 8. 1998. S. 617
[31] vgl. Goldhammer, K. Formatradio in Deutschland. Berlin 1995. S. 58
[32] Lange, J. Geschichte des Popradios. 2009. S. 27-28
[33] vgl. Lange, J. Geschichte des Popradios. 2009. S. 27-28
[34] vgl. Lange, J. Geschichte des Popradios. 2009. S. 29
[35] Lange, J. Geschichte des Popradios. 2009. S. 30
[36] vgl. Lange, J. Geschichte des Popradios. 2009. S. 30
[37] Goldhammer, K. Formatradio in Deutschland. 1995. S. 55
[38] vgl. Marchal, P. Kultur- und Programmgeschichte des öffentlich-rechtlichen Hörfunks in der Bundesrepublik Deutschland. 2004. S. 9
[39] vgl. Goldhammer, K. Formatradio in Deutschland. 1995. S. 56
[40] vgl. Gushorst, Wolfgang. Popmusik im Radio. Musik-Programmgestaltung und Analysen des Tagesprogramms der deutschen Servicewellen 1975-1995. Universitätsschriften. Bd. 22. Baden-Baden. Nomos 2000. S. 19-25
[41] Marchal, P. Kultur- und Programmgeschichte des öffentlich-rechtlichen Hörfunks in der Bundesrepublik Deutschland. 2004. S. 107
[42] Marchal, P. Kultur- und Programmgeschichte des öffentlich-rechtlichen Hörfunks in der Bundesrepublik Deutschland. 2004. S. 111-113
[43] vgl. Goldhammer, K. Formatradio in Deutschland. 1995. S. 59
[44] vgl. Overbeck, P. Geschichte des Radios. 2009. S. 24
[45] Overbeck, P. Geschichte des Radios. 2009. S. 24
[46] vgl. Gushorst, W. Popmusik im Radio. 2000. S. 56
[47] Münch, Thomas. Pop-Fit. Musikdramaturgie in Servicewellen. Eine Fallstudie. Centaurus. Pfaffenweiler 1991. S. 43
[48] Marchal, Peter. Kultur- und Programmgeschichte des öffentlich-rechtlichen Hörfunks in der Bundesrepublik Deutschland. 2004. S. 120
[49] vgl. Münch, Th. Pop-Fit. Musikdramaturgie in Servicewellen. 1991. S. 43
[50] vgl. Marchal, P. Kultur- und Programmgeschichte des öffentlich-rechtlichen Hörfunks in der Bundesrepublik Deutschland. 2004. S. 121
[51] vgl. Gushorst, W. Popmusik im Radio. 2000. S. 56
[52] vgl. Marchal, P. Kultur- und Programmgeschichte des öffentlich-rechtlichen Hörfunks in der Bundesrepublik Deutschland. 2004. S. 132
[53] vgl. Diller, A. Rundfunk und Fernsehen. In: MGG 8. 1998. S. 614