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Bachelorarbeit, 2013
41 Seiten, Note: 1,7
1 Einleitung
1.1 Kindliche Dysphagien
1.1.1 Ursachen einer kindlichen Dysphagie
1.1.2 Symptome einer kindlichen Dysphagie
1.1.3 Abgrenzung einer kindlichen Dysphagie von einer Fütterstörung
1.2 Die Behandlung von kindlichen Dysphagien
1.2.1 Die orofaziale Regulationstherapie nach Castillo Morales
1.2.2 Die neurofunktionelle Reorganisation nach Padovan
1.2.3 Das Bobath Konzept
1.2.4 F.O.T.T. - Therapie des Facio-Oralen Trakts
1.2.5 Das Pörnbacher Therapiekonzept
1.2.6 Mund- und Esstherapie nach Morris und Klein
1.2.7 Die Rolle der Eltern in der Behandlung von kindlichen Dysphagien
1.3 Fragestellung
2 Methode
3 Ergebnisse
3.1 Schluck für Schluck: Vergleich von drei Einzelfalldokumentationen zum Dysphagiemanagement bei Kindern:
3.2 Evaluating service delivery for speech and swallowing problems following paediatric brain injury: an international survey
3.3 Case Studies in Dysphagia after Pediatric Brain Injury
3.4 Specialist Speech Therapy in Poland in Children with Feeding and Swallowing Disorders
3.5 Rehabilitation of Oropharyngeal Dysphagia in Children with Cerebral Palsy: A Systematic Review of the Speech Therapy Approach
3.6 Zusammenfassung
4 Diskussion
5 Literaturverzeichnis
Das Themengebiet der Dysphagien im Erwachsenenalter hat in den letzten Jahren an Bedeutung zugenommen und sich in den verschiedenen therapeutischen Disziplinen sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie weiter etabliert. Der Bereich der kindlichen Dysphagien hingegen ist erst seit jüngster Zeit in den Fokus von Praxis, Forschung und Lehre gerückt. Daher bestehen auch bis heute nur sehr ungenaue Angaben zur Prävalenz. Arvedson und Lefton-Greif (2008) geben an, dass etwa 25% bis 45% der normal entwickelten Kinder sowie 30% bis 80% der Kinder mit Entwicklungsstörungen eine Fütter- bzw. Schluckstörung aufweisen. Schwere Fütter- bzw. Schluckstörungen können bei etwa 3% bis 10% der Kinder beobachtet werden, wobei vor allem Kinder mit körperlichen Beeinträchtigungen, anderen Erkrankungen oder extremer Frühgeburtlichkeit betroffen sind. Feststellen lässt sich ebenfalls, dass die Zahl der Betroffenen weiter ansteigt. Verantwortlich hierfür ist vor allem die Verbesserung der lebenserhaltenden sowie –rettenden technischen Möglichkeiten der Medizin insbesondere für frühgeborene Kinder(Arvedson, 2008).
Eine Dysphagie wird als „die Störung der Aufnahme, der Zerkleinerung oder des Transports von Nahrung/Flüssigkeiten (inklusive Transport von Speichel und Sekret) in der oralen, pharyngealen oder ösophagealen Phase […]“ definiert (Limbrock, 2011, S. 83). Diese weit gefasste Definition erschwert jedoch die Abgrenzung zu dem Begriff der Fütterstörung, da sie ebenfalls Missempfindungen, Übelkeit und Aversionen beim Anblick von Nahrung vor Eintritt in den Mundraum einschließt. Zusätzlich tritt eine kindliche Dysphagie oft in Kombination mit einer Fütterstörung auf, was wiederum die Diagnostik und Therapie erschwert.
Auf dem Fachgebiet der kindlichen Dysphagie besteht bis heute eine sehr unscharfe Terminologie. In der deutschsprachigen Literatur tauchen Begriffe wie „kindliche Schluckstörung“, „Fütterstörung“, „Funktionsstörung im orognathen System“, „Myofunktionelle Störung“ oder „Mund-, Ess-, Trinkstörung“ auf. Auch in der englischsprachigen Literatur ist keine einheitliche Terminologie vorhanden, sondern es wird vielmehr von „pediatric feeding and swallowing disorders“ oder „pediatric dysphagia“ gesprochen. Unter diesen Begriffen sind alle Ursachen zusammengefasst, die das Trinken, die Nahrungsaufnahme, sowie das Speichelmanagement beeinträchtigen(Motzko & Weinert, 2012). „All diese Bezeichnungen stehen für eine spezifische Art der Schluckstörung im Kindesalter und haben nicht selten einen ursachenorientierten oder beschreibenden Charakter“ (Motzko & Weinert, 2012, S. 6). Eine eindeutige Terminologie ist zurzeit also nicht vorhanden, sondern jeder der Begriffe beschreibt vielmehr eine spezifische Art der Schluckstörung. Auch in der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist keine eindeutige Bezeichnung für eine kindliche Dysphagie zu finden. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über spezifische ICD-Codes bezüglich Störungen der Nahrungsaufnahme bzw. Dysphagien. Der Begriff der Dysphagie bezieht sich hierbei allerdings auf Schluckstörungen in allen Altersgruppen (Motzko & Weinert, 2012).
Tab.1: Übersicht ausgewählter ICD-10-Codes bezüglich Störungen der Nahrungsaufnahme bzw. Dysphagien (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information, 2012)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Ursachen für eine kindliche Dysphagie können sehr vielschichtig sein und entweder alleine oder in Kombination mit anderen Erkrankungen auftreten (Prasse & Kikano, 2009). Nach Limbrock (2011) lassen sich die Ursachen wie folgt unterteilen:
- lokale Ursachen
- gastroenterologische Ursachen
- neurogene Ursachen
- neuromuskuläre Ursachen
- neurometabolische Ursachen
- genetische Syndrome als Ursache sowie
- weitere Erkrankungen
Die lokalen bzw. anatomischen Ursachen beinhalten vor allem Fehlbildungen der am Schluckvorgang beteiligten Strukturen. Hierzu zählen zum Beispiel angeborene Fehlbildungen des Larynx oder Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten. Aber auch Makroglossie, das heißt eine zu große Zunge oder Zahn- und Kieferfehlbildungen, können eine Dysphagie verursachen. Zu den anatomischen Ursachen zählen jedoch auch Tumore oder Schwellungen im Mund- oder Pharynxbereich, Verätzungen und Entzündungen der am Schlucken beteiligten Strukturen sowie Störungen der sensorischen Regulation.
Die gastroenterologischen Ursachen beinhalten neben dem gastroösophagealen Reflux auch Fehlbildungen, Entzündungen oder Bewegungsstörungen des Ösophagus und Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes, wie zum Beispiel eine Bewegungsstörung des Magens. Die neurogenen Ursachen beziehen sich auf Störungen, die sowohl im zentralen als auch im peripheren Nervensystem auftreten können. Akute oder chronische Entzündungen, wie zum Beispiel eine Meningoenzephalitis, Hirnhautentzündung, können eine vorübergehende oder bleibende Schluckstörung verursachen. Eine weitere neurogene Ursache ist die infantile Zerebralparese. Hierbei kommt es mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Schluckstörung. Grund dafür ist zumeist die eingeschränkte Bewegungsfähigkeit bzw. –koordination der am Schluckvorgang beteiligten Strukturen. Hirnfehlbildungen, Schädelhirntrauma, Hirnnervenstörungen, sowie Dyskinesen zählen ebenfalls zu den neurogenen Ursachen einer kindlichen Dysphagie.
Die Gruppe der neuromuskulären Ursachen umfasst Erkrankungen der Motorneuronen der Medulla oblongata sowie des Rückenmarks, Erkrankungen der peripheren Nerven sowie Erkrankungen der Nerv-Muskel-Synapsen. Durch verschiedenste Stoffwechselerkrankungen, die metabolischen Ursachen, kann es zu Lähmungserscheinungen der am Schlucken beteiligten Strukturen kommen, die wiederum eine Dysphagie verursachen. Ebenfalls können verschiedene genetische Syndrome Ursache für eine Dysphagie sein. Hierzu zählt unter anderem das Angelmann-Syndrom oder Trisomie 21. Grund für eine Dysphagie sind hier vor allem die orofaziale Muskelhypotonie sowie Hyposensibilität. Dysphagien können jedoch auch durch weitere Erkrankungen oder Medikamenteneinnahme verursacht werden. Kinder mit schweren psychomotorischen Entwicklungsrückständen und extrem frühgeborene Kinder sind in vielen Fällen von einer Dysphagie betroffen.
An dem Schluckvorgang ist eine Vielzahl von orofazialen Strukturen beteiligt. Diese können aufgrund der oben genannten Ursachen beeinträchtigt sein und zu einer Dysphagie führen. Im Folgenden werden zunächst die drei Phasen des Schluckens beschrieben, um danach auf mögliche Komplikationen während dieser Phasen eingehen zu können.
Der Schluckakt besteht aus drei Phasen, (1) der oralen Phase, die aus der Bolusformung und dem Bolustransport bis zur Triggerung des Schluckreflexes besteht; (2) der pharyngealen Phase, die nach der Triggerung einsetzt und vor allem für den Schutz der Atemwege zuständig ist. Hierzu wird einerseits ein velopharyngealer Abschluss hergestellt, um den Nasopharynx abzuschließen und somit zu verhindern, dass Nahrung oder Flüssigkeit in den Nasenraum eintritt. Andererseits kommt es zu einer Larynxelevation sowie Larynxadduktion, um die Trachea zu schließen. Des Weiteren öffnet sich der obere Ösophagussphinkters, damit die Nahrung oder Flüssigkeit in den Ösophagus eintreten kann. Die (3) ösophageale Phase schließt den Schluckvorgang ab, indem der Bolus durch die Peristaltik des Ösophagus in den Magen transportiert wird (Logemann, 1984).
Störungen in der oralen Phase sind unter anderem ein inkompletter Lippenschluss, der dazu führt, dass Nahrung oder Flüssigkeit aus dem Mund austritt. Eine eingeschränkte Wangenmuskulatur, Bewegungsstörungen des Unterkiefers sowie der Zunge führen dazu, dass der Bolustransport eingeschränkt ist. In der pharyngealen Phase kommt es durch eine fehlende oder verzögerte Schluckreflextriggerung zu einer erhöhten Aspirationsgefahr, da der Bolus ohne Schutz der Atemwege in den Pharynx gelangt und somit in die Trachea eintreten kann. Ein inkompletter velopharyngealer Abschluss führt dazu, dass Nahrung und Flüssigkeiten in den Nasopharynx gelangen. Durch eine eingeschränkte pharyngeale Peristaltik kann der Bolus nicht nach hinten transportiert werden, sodass Residuen im Pharynxbereich entstehen. Bei einer eingeschränkten Larynxelevation und –adduktion kann es zu Aspirationen kommen. Der obere Ösophagussphinkter kann bei einer Störung des Musculus crycopharyngeus nicht richtig geöffnet werden, was dazu führt, dass Retentionen in den Sinus piriformis zurückbleiben. Es kann ebenfalls zu Störungen in der ösophagealen Phase kommen, die jedoch nicht von einer Therapeutin beeinflusst werden kann, da sie rein reflektorisch abläuft (Logemann, 1984).
Aufgrund der Komplexität und Vielfältigkeit der Ursachen können auch die auftretenden Symptome einer kindlichen Dysphagie sehr umfangreich und vielfältig sein. Die folgenden Symptome einer kindlichen Dyspahgie können in unterschiedlichen Schweregraden auftreten und somit in unterschiedlicher Weise den Schluckvorgang beeinträchtigen. Zu den Symptomen einer kindlichen Dysphagie gehören:
- abnormale Bewegungen des Körpers während der Nahrungsaufnahme (Versteifung oder Wölbung des Körpers)
- mangelnde Aufmerksamkeit sowie Reizbarkeit während der Nahrungsaufnahme
- Ablehnung von Nahrung oder Flüssigkeit
- Ablehnung bestimmter Konsistenzen (z.B. ausschließlich Essen pürierter Nahrung)
- Dauer der Nahrungsaufnahme ist verlängert (mehr als 30 Minuten)
- Probleme beim Kauen
- Probleme beim Trinken aus der Brust
- Husten oder Würgen während der Nahrungsaufnahme
- Austreten von Nahrung aus Pharynx oder Nasopharynx (Drooling)
- Probleme bei der Atem-Saug-Schluck-Koordination
- heisere, gurgelnde oder behauchte Stimme
- häufiges Aufstoßen und Übergeben
- häufig erhöhte Temperatur in Abwesenheit von Infekten
- wiederkehrende Pneumonien oder Atemwegsinfektionen
(American Speech-Language-Hearing Association)
Für Kinder die von einer Dyspahgie betroffen sind besteht neben Dehydration und unzureichender Versorgung mit Nährstoffen ein erhöhtes Risiko für chronische Lungenkrankheiten, die durch Pneumonien oder wiederkehrende Infektionen der oberen Atemwege verursacht werden können. Ein weiteres Risiko besteht in der Aspirations- und Penetrationsgefahr, die wiederum zu Atemwegsinfektionen und Lungenentzündungen führen kann. Bei der Aspiration tritt Nahrung, Flüssigkeit oder Speichel unterhalb der Glottisebene in die Trachea ein. Ebenfalls kann eine Gedeihstörung Folge einer kindlichen Dysphagie sein, da das Kind nicht mit ausreichend Nährstoffen versorgt wird. Auch der psychologische Aspekt der sozialen Ausgrenzung sollte nicht vernachlässigt werden. Die erhöhte Dauer der Nahrungsaufnahme oder häufiges Würgen während der Nahrungsaufnahme führen dazu, dass die betroffenen Kinder nicht ungestört an einer Mahlzeit teilnehmen können (Meuret & Fuchs, 2011).
Laut der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD) kann eine Fütterstörung wie folgt definiert werden: „Im allgemeinen umfasst die Nahrungsverweigerung extrem wählerisches Essverhalten bei angemessenem Nahrungsangebot und einer einigermaßen kompetenten Betreuungsperson in Abwesenheit einer organischen Krankheit. Begleitend kann Rumination - d.h. wiederholtes Heraufwürgen von Nahrung ohne Übelkeit oder eine gastrointestinale Krankheit - vorhanden sein“ (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information, 2012). Zu den Symptomen einer Fütterstörung zählen Nahrungs- und Trinkverweigerung, bizarres Essverhalten, sowie Würgen und Erbrechen beim Essen (Aswathanarayana, Wilken, Golla, & Krahl, 2010). Somit wird deutlich, dass eine Fütterstörung in Abgrenzung zu einer Schluckstörung immer auch eine psychologische Komponente mit einbezieht. Eine Fütterstörung hat damit „eine pädiatrisch-psychologische Ätiologie, die in vielen Fällen einer schweren somatischen Erkrankung des Kindes entspringt“ (Frey, 2011, S. 106). Die beiden Störungsbereiche lassen sich jedoch nicht vollständig voneinander trennen, sondern treten häufig auch in Kombination auf. „Die Fütterstörung ist von der Dysphagie differenzialdiagnostisch abzugrenzen. Wenn der Schluckakt schwer gestört ist […] ist von einer Dysphagie, nicht jedoch von einer Fütterstörung zu sprechen, auch wenn das Essverhalten auffällig ist. Im umgekehrten Fall, bei guter Schluckfunktion und hochauffälligem Essverhalten ist eine Fütterstörung wahrscheinlich“ (Aswathanarayana, Wilken, Golla, & Krahl, 2010, S. 13).
Die Ziele und Zielvorgaben der sprachtherapeutischen Behandlung von kindlichen Dysphagien sind abhängig von Art und Umfang der Dysphagie, den zugrunde liegenden Ursachen sowie den individuellen Bedürfnissen der PatientInnen. Vorrangig bei der Therapie sind dabei die Sicherheit des Schluckvorgangs, das Verhindern von Aspirationen und die Verhinderung von Komplikationen (Enderby, Pickstone, John, Fryer, Cantrell, & Papaioannou, 2009). Das Schlucken ist im Alltag des Kindes allgegenwärtig. Ob das Schlucken von Speichel, um dessen Austritt aus dem Mund zu verhindern, oder die zahlreichen Mahlzeiten am Tag, ein Kind mit Dysphagie wird permanent mit seinen Einschränkungen konfrontiert (Frey, 2011). Die Dysphagietherapie zielt immer darauf ab, sowohl die Ernährung ohne Aspirationsrisiko sicherzustellen als auch die Lebensqualität sowie die Freude am Essen aufrecht zu erhalten. Die Versorgung des kindlichen Organismus mit Nahrung und Flüssigkeit stellt nicht nur eine Existenzgrundlage dar, sondern ist auch für die körperliche und geistige Entwicklung erforderlich. Zu beachten ist bei der Behandlung von kindlichen Dysphagien ebenfalls, dass es sich nicht wie bei der Dysphagietherapie im Erwachsenenalter ausschließlich um das Wiedererlernen von verloren gegangenen Funktionen, sondern um eine Kombination aus Wiedererlernen alter und Erlernen neuer Funktionen und Fähigkeiten handelt (Frey, 2011).
Um eine Verbesserung der Symptomatik einer kindlichen Dysphagie zu erzielen ist die Arbeit in einem interdisziplinären Team von großer Bedeutung. Die Kinder werden aufgrund der mit der Dysphagie häufig einhergehenden Erkrankungen auch in anderen medizinischen Fachbereichen betreut. Um eine möglichst individuell an das Kind angepasste Therapie durchführen zu können, ist der Austausch und die Absprache mit den anderen Fachbereichen von großer Bedeutung (Miller, Burklow, Santoro, Kirby, Mason, & Rudolph, 2001).
Die in der Abbildung (Abbildung 1) dargestellten Komponenten sollten Bestandteil eines jeden interdisziplinären Teams sein.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Komponenten der interdisziplinären Behandlung einer kindlichen Dysphagie (Frey, 2011)
Die medizinische Komponente kann durch einen Kinderarzt, einen HNO-Arzt, einen Gastroenterologen oder einen Neuropädiater vertreten werden. Zu den Aufgaben dieser Komponente gehört es, den Gesamtkontext des kindlichen Problems im Auge zu behalten und über die Indikation bestimmter Behandlungen zu urteilen. Die psychosoziale Komponente wird meist von einem Psychologen vertreten. Dieser hat die Aufgabe sowohl auf die Probleme und Bedürfnisse des Kindes als auch auf die der Eltern einzugehen und gegebenenfalls Hilfe zu leisten. Kinderpflegefachkräfte sind Bestandteil der pflegerischen Komponente. Diese betreuen die Kinder in stationären Einrichtungen oder zum Teil auch in der ambulanten Versorgung. Sie dienen als direkter Ansprechpartner der Eltern und müssen somit in die Therapieplanung und –durchführung mit einbezogen werden. Die diätetische Komponente beinhaltet die Anpassung der Ernährung an die Problematik der Schluckstörung und wird in der Regel von einer Fachkraft für Ernährungsberatung durchgeführt. Die Eltern sollten ebenfalls Teil des interdisziplinären Teams sein, da sie als primäre Bezugsperson des Kindes die Beobachtungen und Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme detailliert an das gesamte Team weiter geben können. Die schlucktherapeutische Komponente wird vertreten durch SprachtherapeutInnen, ErgotherapeutInnen sowie PhysiotherapeutInnen. Die TherapeutInnen der verschiedenen Fachbereiche sind neben der Diagnostik und Befunderhebung auch für die Therapie der kindlichen Dysphagie verantwortlich. Die Durchführung der Therapie geschieht jedoch in Absprache mit den anderen Fachdisziplinen. Bei der Behandlung ist die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema der kindlichen Dysphagie sowie den anatomisch-physiologischen Grundlagen notwendig (Frey, 2011).
Allgemein lässt sich die Behandlung von kindlichen Dysphagien in drei Gruppen, die kausalen Verfahren, die kompensatorischen Verfahren sowie die Hilfsmittel, unterteilen. Unter kausalen Verfahren versteht man Methoden mit dem Ziel, die beeinträchtigten motorischen und sensorischen Funktionen partiell oder vollständig wiederherzustellen. Zu den kausalen Verfahren zählen unter anderem die Orofaziale Regulationstherapie nach Castillo Morales und die Entwicklungsneurologische Behandlung nach Bobath. Die kompensatorischen Verfahren erleichtern durch Anwendung von speziellen Strategien den Schluckvorgang. Die Wirksamkeit der kompensatorischen Maßnahmen ist jedoch stark vom aktuellen Aufmerksamkeitsstatus des Kindes und der richtigen Umsetzung abhängig und somit nur bedingt in der Therapie von kindlichen Dysphagien umsetzbar (Frey, 2011). Bei den Hilfsmitteln handelt es sich um spezielle Sauger oder Löffel, die die Nahrungsaufnahme unterstützen und erleichtern.
Aufgrund der vielschichtigen Ursachen und Symptome gibt es im Bereich der Therapie von kindlichen Dysphagien eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze und Konzepte, die ganzheitlich orientiert sind und sich aus aktiven sowie passiven Übungen zusammensetzen. Zum Teil können die Behandlungsansätze aus der Arbeit mit Erwachsenen übernommen werden. Jedoch ist zu beachten, dass die Durchführung von aktiven Übungen die Mitarbeit der PatientInnen erfordert und sich gerade bei der Arbeit mit Säuglingen, Kleinkindern oder
Kindern mit Bewusstseinseinschränkungen als sehr schwierig erweist. Die Behandlungsverfahren zur Dysphagie können nicht eins zu eins auf die Arbeit mit Kindern umgesetzt werden, da gerade bei Kindern neben den funktionellen Aspekten auch der oral sensomotorische Entwicklungsstand, der allgemeine psychomotorische Entwicklungsstand sowie die kognitiven Möglichkeiten eine wichtige Rolle spielen (Roch & Rauber, 2011). „Der Fokus bei der störungsspezifischen Therapie sollte nicht primär auf die [sic] Betrachtung der orofazialen Strukturen liegen, sondern es sollten vielmehr die gesamtkörperlichen Fähigkeiten betrachtet werden, die die Basis für eine optimale Schluckfunktion bilden“ (Motzko & Weinert, 2012, S. 11). Daher können die folgenden Therapiebereiche (Abbildung 2) als Grundlage jeder Dysphagietherapie gesehen werden.
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