Magisterarbeit, 2012
118 Seiten, Note: 1,35
Geschichte Europas - Neueste Geschichte, Europäische Einigung
Einleitung
1 Begriffliche Grundlagen: Bedeutung und Anwendbarkeit
1.1 Öffentlichkeit
1.2 Ritual und Symbol
2 Die Schaffung des High Court of Justice und der Prozess gegen Karl I.
2.1 Das Ende des zweiten Englischen Bürgerkrieges bis zu Pride's Purge
2.2 Die Vorbereitungen für den Prozess gegen Karl I.
2.3 Der Prozess gegen Karl I.
2.4 Die Urteils- und Strafmaßverkündung und die Hinrichtung Karls I.
2.5 Motivation und Absicht der Prozessteilnehmer
2.6 Rechtliche und ideologische Grundlagen
2.6.1 Königtum
2.6.2 Staat
2.6.3 Souveränität
2.6.4 Verrat
2.7 Der Prozess und Auffassungen von Staat, Königtum, Souveränität und Verrat: Ein Zwischenfazit
3 Der Prozess und die Öffentlichkeit
3.1 Die Kanäle: Zeitungen
3.2 Der Ort: Westminster Hall
3.3 Die Funktion von Öffentlichkeit: Legitimation
Schluss
Bibliografie
„Publicity was part of the trial, and it was political theatre for all parties, but it was not all choreographed. Here again there was a relatively even battle. For example, when proceedings opened and the roll of the names of the commissioners was called silence greeted Fairfax's name.“1
Uneinigkeit unter den Verantwortlichen in Armee, Parlament und Gericht, der öffentliche Charakter des Prozesses, die Theatralik und die Ergebnisoffenheit der Geschehnisse in der Halle des Palastes von Westminster - all dies waren zentrale Elemente des gerichtlichen Vorgehens der Armee und des Parlamentes gegen Karl I., König von England, im Januar 1649. Um diese Aspekte und die Frage nach der Legitimation, die die Richter für ihr Projekt einer Einigung und Neuordnung des Staates nach den Wirren der Bürgerkriege reklamierten, geht es in dieser Arbeit.
Karl I. war der jüngere Sohn Jakobs I. von England und VI. von Schottland. Er war in seiner Kindheit und Jugend nicht auf das Amt des Königs vorbereitet worden, da ursprünglich sein älterer Bruder den Thron hätte erben sollen. Der aber starb noch vor dem Tod Jakobs, sodass Karl relativ unvorbereitet König wurde. Sowohl über Karls körperliche Schwächen als auch seine ungenügende Qualifikation als König ist viel geschrieben und damit auch das Scheitern seiner Regierung in den 1640er-Jahren begründet worden. Viele aus den Regierungszeiten der vorhergehenden Könige und Königinnen überkommenen Probleme, so die ungelösten finanziellen Schwierigkeiten des Hofes, die Frage nach der Stellung von König und Parlament, die Stellung der Kirche und des Königs in der kirchlichen Hierarchie sowie das Verhältnis der einzelnen britischen Königreiche England, Schottland und Irland zueinander, kamen unter der Regierungszeit Karls I. zu einem gewalttätigen Höhepunkt. Auch über das Verhältnis Karls zu seinen Parlamenten sowie dem zwischen dem Hof und der Provinz, wenn denn von einem solchen Gegensatz überhaupt gesprochen werden kann, ist in der Forschung viel diskutiert worden. Die lange sogenannte Personal Rule Karls, die Regierung ohne Konsultation des Parlaments und den damit verbundenen Vorwürfen gegen den König, er wolle einen absolutistischen Staat nach dem Vorbild Frankreichs schaffen, stand ebenfalls im Fokus der Forschung. Besonders ist dies auch im Hinblick auf ihre Bedeutung für den Bürgerkrieg, die Revolution, das republikanische Zwischenspiel, die Restauration und die Glorious Revolution geschehen.2 Karl jedenfalls war nicht in der Lage, die dringenden konstitutionellen, finanziellen und kirchlichen Angelegenheiten in Einklang mit dem Parlament zu lösen. Er fand sich in einer Situation wieder, in der er sein Königsamt angegriffen sah, führte Krieg mit den Anhängern des Parlamentes, wurde zweimal geschlagen und vor Gericht gestellt. Dort wurde er des Verrats am englischen Volk beschuldigt und zum Tode verurteilt.
In vielerlei Hinsicht stellten der Prozess und die Hinrichtung Karls I. von England ein Novum in der englischen Geschichte dar, auch wenn schon vorher englische Monarchen abgesetzt worden waren: Eduard II., Richard II. und Heinrich VI. in den Jahren 1327, 1399 und 1461 / 71. Eduard II. wurde unter Druck genötigt, zu Gunsten seines Sohnes abzudanken. Sein Sohn wurde also mit der Absetzung König, die Monarchie blieb beim Alten, wenn Eduard III. auch zunächst unter der Regentschaft seiner Mutter Isabella und ihres Gefährten Roger Mortimer stand.3 Zusätzlich unterschied sich der Fall Eduards dadurch vom Prozess gegen Karl, dass Eduard nicht vor Gericht und auch nicht im Namen des Volkes des Verrates für schuldig erklärt und zum Tode verurteilt wurde. Richard II. wurde unter ähnlichen Umständen zur Abdankung zu Gunsten seines Thronkonkurrenten Heinrich Bolingbroke gezwungen, das Parlament erklärte ihn für der Krone unwürdig und setzte ihn ab.4 Beiden Absetzungen waren innere Kämpfe und Unruhen vorausgegangen. Auch in der schottischen Geschichte war ein solcher Vorgang nicht unbekannt - keine hundert Jahre vor Karls Ende auf dem Schafott war Maria Stuart, Karls Großmutter, erst abgesetzt und dann hingerichtet worden. Elisabeth I. hatte dabei enormen politischen Druck gespürt, zumal Maria eine mögliche Thronkonkurrentin war. Elisabeth hatte schlussendlich der politischen Notwendigkeit nachgegeben und die Hinrichtung genehmigt - nicht ohne sich danach von der Tat zu distanzieren.5 Der Tod auf dem Schlachtfeld im Kampf um die Krone hatte Richard III. ereilt, während der Rosenkriege, als sein Gegenspieler Heinrich Tudor, der spätere Heinrich VII., ihn in der Schlacht von Bosworth Field am 22. August 1485 schlug.6 Jedes Mal wurde mit der Absetzung oder dem Tod beziehungsweise durch die Abdankung ein legitimer Thronanwärter König. Niemand wurde von einem Gericht im Namen des Volkes zum Tode verurteilt. Auch die kontinentaleuropäische Geschichte geizt nicht mir der Absetzung oder Ermordung eines gesalbten Königs oder Regenten. Den Engländern sicherlich am bekanntesten waren die Morde an den Herzögen Johann von Burgund und Ludwig von Orléans im Hundertjährigen Krieg, die beide eine rege Diskussion um die Rechtmäßigkeit von Tyrannenmorden verursachten. Beide geschahen in einem Zusammenhang der äußeren Bedrohung des französischen Königtums durch die burgundischen Herzöge und das englische Königshaus sowie einer inneren Schwäche der französischen Krone auf Grund der Krankheit Karls VI.7
Neuartig war dann der Fall des Karl Stuart, König von England 1625 - 1649. Gegen ihn wurde auf Geheiß des House of Commons, hinter dem spätestens seit Pride's Purge die Armee eine, wenn nicht die, wesentliche Rolle spielte, ein Prozess geführt. Er wurde gerichtet von den Commons, nicht von den Lords, den hohen Adligen des Reiches, die durch einen Akt des House of Commons Anfang Januar 1649 ohnehin als Verfassungskörper eliminiert worden waren. Die Commons errichteten einen eigenen Gerichtshof für den Prozess gegen den König, den High Court of Justice for the Trial of Charles I. Und nicht zuletzt beanspruchte das Gericht die Autorität, über das Schicksal des Königs zu entscheiden, auf der Basis von Volkssouveränität. Die gewählten Vertreter des englischen Volkes, die Mitglieder des House of Commons, beanspruchten für sich die Suprematie über alle übrigen Verfassungskörper, auch den König - wobei von einer durch Wahl legitimierten Zusammensetzung des Unterhauses 1648 / 49 schon gar nicht mehr zu sprechen war. Diese Suprematie wiederum war der Ausgangspunkt für die Autorität, die der Gerichtshof für sich beanspruchte.8
Nicht zuletzt auf Grund seiner Neuartigkeit hat der Prozess gegen Karl eine besonders umfangreiche Debatte ausgelöst. Die Ereignisse, der Hintergrund, die Motivation, die Ziele der Königsrichter und die Funktion des Prozesses sind in vielfältiger Weise unterschiedlich interpretiert worden. Die Whig-Geschichtsschreibung hat in dem Prozess einen weiteren elementaren Schritt in Richtung einer konstitutionellen, parlamentarischen Monarchie gesehen, einen Fortschritt unter vielen mit einem bestimmten Ziel.9 Der Ausgang des Prozesses ist mal als alternativlos, wobei der Tod des Königs von vornherein einziges mögliches Ende des Prozesses gewesen sei, mal als durchaus offen beschrieben worden. Für viele ältere Historiker war der Tod des Königs das erklärte Ziel der Mitglieder des Gerichtshofs. In den Augen der neueren Forschung hatten die Richter die Hoffnung, dass der König einlenken möge, die Autorität des Gerichtes anerkennen würde, auf diese Wiese einen wertvollen Legitimationsdienst für das sich in einer prekären verfassungsrechtlichen Lage befindende House of Commons liefern könne und sein eigenes Leben und seine Autorität in den Dienst einer neuen Verfassungsrealtität stellen würde. Auch die Auffassung, dass der Tod des Königs selbst in den Augen von Oliver Cromwell und Henry Ireton von vornherein vermieden werden sollte, ist geäußert worden. Nicht nur war seine Hinrichtung rechtlich ein heikles Unterfangen. Er war auch lebend ein Trumpf in den Händen der Armee.10 Immer aber ging und geht es in der Forschung um die Balance der englischen Verfassung, deren Störung und in Verbindung damit auch um den Zerstörer der Balance und die Wiederherstellung dieses bis ins Detail ausgewogenen Regierungssystems.11 Die die Whig-Forschungstendenzen ablösenden Strömungen haben sich grundsätzlich von der Auffassung distanziert, dass der Prozess und der gesamte Bürgerkrieg mit seinen Folgen und seinen Auslösern, so retrospektiv diese Ansicht auch ist, Teil der Entwicklung Englands hin zur parlamentarischen Monarchie gewesen sei, dass es im Vorfeld der Revolution also eine langsam eskalierende Verfassungskrise gegeben habe. Stattdessen haben sie ihre Aufmerksamkeit anderen Phänomenen gewidmet, zum Beispiel der Frage nach einem erstarkten Königtum im Vorfeld des Bürgerkrieges oder der Ideengeschichte während des Krieges.12 Der Revisionismus der 1970er- und 1980er-Jahre vertrat eine auf genauem Quellenstudium basierte Darstellung der englischen Geschichte und bestritt vehement die Thesen seiner Vorgänger, dass die englische Geschichte des 16. und 17. Jahrhunderts im Grunde eine sich zuspitzende Verfassungskrise gewesen sei. Er betonte außerdem den „political process as court-centered, elitist, and consensual.“13 Die danach schreibenden Postrevisionisten wiederum warfen den Revisionisten eine zu engstirnige Ausrichtung vor. Darüber hinaus sei die soeben zitierte Charakterisierung des politischen Prozesses zu undifferenziert. Sie befassten sich mit einem weiten Feld von Sozial- und Politikgeschichte und gingen dabei auch auf die Alltagsgeschichte des frühmodernen England ein. Dabei wurden auch Pamphlete, der weitere Raum des Politischen über Parlament und König sowie die lokale Verwaltung hinaus, die Medien und politische Kommunikation mit in die Betrachtung einbezogen, um ein möglichst weit gestreutes Spektrum der englischen Geschichte abzudecken.14 Dass dabei vor lauter kleinteiliger Genauigkeit oft die wichtigen, zentralen Aspekte der politischen Geschichte außen vor bleiben mussten, mag eine Schwäche der postrevisionistischen Forschung gewesen sein. Damit soll nicht gesagt sein, dass jede dieser Forschungsrichtungen wertlos ist. Sie haben jede ihre eigenen Ziele und Fragestellungen an die Materie gehabt und so hat auch jede ihre Berechtigung. Die Defizite einer jeden dieser Richtungen haben darüber hinaus später schreibende Historiker veranlasst, neue und andere Fragen zu stellen. Heute ist daher ein sehr breit gefächertes Angebot an Analysen und Interpretationen vorhanden, das immer weiter diversifiziert, aber auch immer stärker zugespitzt worden ist.
In der Forschung zum Prozess selbst sind mehrere Fragen zentral gewesen. Zum einen ging und geht es um die oben kurz angerissenen Ziele und Absichten der Königsrichter. Zum anderen sind aber Fragen nach dem Ort und dem Wesen von Souveränität und Legitimität nicht wegzudenken, wenn es um die Darstellung und den Versuch geht, den Prozess und seinen Ausgang zu interpretieren und zu analysieren. Dabei spielen auch Ideen vom Wesen des Königtums und des Staates eine Rolle. In dieser Arbeit wird der Prozess primär als Katalysator für verschiedene Entwicklungen aufgefasst, die den modernen Staat und die moderne Gesellschaft bis heute mehr oder weniger prägen, ohne damit aber eine Prozessualität der englischen Geschichte zugrunde zu legen.
Der Prozess wurde stets von einer breiten Öffentlichkeit verfolgt, diese Öffentlichkeit wiederum wurde von den Verantwortlichen im Gericht und Parlament gewollt und gesucht. Die Verhandlungen des Gerichtes vor dem Verhör des Königs und der Zeugenanhörungen vom 20. bis 27. Januar 1649 wurden auf Geheiß des Gerichtes veröffentlicht. Der Prozess selbst wurde dann öffentlich ausgetragen. Die Richter, die Anwälte und die Gerichtsdiener wurden entsprechend ihrer Funktion eingekleidet. Der Ort des Prozesses, die altehrwürdige Westminster Hall, sowie deren Ausgestaltung und Einrichtung waren öffentlich sichtbar und bekannt. Symbole und Rituale vermittelten neben dem gesprochenen und geschriebenen Wort weitere Sinninhalte und untermauerten das Gesagte. Hauptaufgabe dieser Arbeit ist es, die Rolle der Öffentlichkeit und Legitimationsabsichten im Prozess sowie die Funktion von Symbolen und Ritualen für das Verständnis dieser Absichten zu erörtern.
Die ersten Kapitel sollen die nötige Basis für die abschließende Diskussion dieser Fragen bilden. In einem ersten Schritt geht es daher um die Begrifflichkeiten „Öffentlichkeit“ sowie „Ritual“ und „Symbolik“. Die Bedeutung dieser Begriffe wird auf ihre historische Verwendbarkeit hin untersucht. Die Ritual- und Symbolikforschung hat in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung erlebt.15 Sie hat gezeigt und herausgearbeitet, dass und wie Rituale und Symbole bewusst eingesetzt wurden, um komplexe Sinninhalte zu vermitteln, um Hierarchien und persönliche oder institutionelle Verhältnisse zu stärken und zu konstituieren und das gesprochene Wort zu untermauern. Symbole und Rituale können darüber hinaus auch Kontinuität suggerieren, wo eigentlich keine ist. Sie können mit dem Rekurs auf Bekanntes und Gewohntes vorgaukeln, dass eigentlich alles beim Alten geblieben ist, wo dennoch Brüche aufgetreten sind. Gleichzeitig ist es aber auch möglich, mit dem Einsatz neuer Symbole oder Rituale das Ende von etwas Altem auszudrücken und etwas Neues beginnen zu lassen. Zudem können sie legitimitätsstiftend und legitimitätserhaltend wirken. Es ist daher durchaus denkbar, dass auch in einem so wichtigen Verfahren wie dem Prozess gegen Karl I. Symbole und Rituale ihre Rolle gespielt haben, die an dieser Stelle zu erörtern sein wird. Es geht dabei auch grundsätzlich um die Willkürlichkeit und das Wesen historischer Begrifflichkeiten, die oft dazu dienen, einen bestimmten Sachverhalt zu charakterisieren, wenn andere Begriffe nicht greifen. Vor dem Hintergrund solcher Probleme wird dennoch versucht, vor allem den Begriff Öffentlichkeit mit einer eigenen Interpretation fassbar und verwendbar zu machen. Auf die Begriffsdiskussion folgt die Beschreibung des Prozesses selbst. Dazu gehört auch, dass auf die Teilnehmer, ihre Motivation und Absichten und auf die rechtlichen und ideologischen Grundlagen des Geschehens, also die Fragen nach dem Ort und dem Wesen von Souveränität, eingegangen wird. An dieser Stelle ist auch die Darstellung von Auffassungen des Staates und des Königtums zentral, da sie alleine erklären können, auf welche Überzeugungen und Ideen die Akteure ihre Handlungen basierten. Im Gerichtsverfahren hervorgebrachte Argumente sollen die verschiedenen Auffassungen für den Leser greifbar machen und die Positionen der Kontrahenten erklären helfen.
Der Hauptteil der Arbeit analysiert die Rolle und die Funktion der Öffentlichkeit im und für den Prozess, darüber hinaus aber auch für die Neuordnung der englischen politischen Wirklichkeit. Wie und durch welche Kanäle wurde „das Volk“ von den Geschehnissen unterrichtet und welchem Zweck diente diese Öffentlichkeitsarbeit? Gingen Öffentlichkeit und Legitimationsabsichten komplementäre Rollen ein? Wenn ja, welche Funktion spielten sie für- und miteinander? Sind die Ereignisse des Prozesses und dessen Funktion überhaupt ohne Öffentlichkeit denkbar und sinnvoll? Inwiefern war die geschaffene Öffentlichkeit bewusst hergestellt worden? Ziel der Arbeit ist es, nach der Darstellung der relevanten politischen Ideen und des Prozessverlaufes sowie verschiedener Forschungsthesen eine eigene, allgemeine These bezüglich des Zusammenspiels von Öffentlichkeit und Legitimation zu formulieren, die am Beispiel des Prozesses gegen Karl I. exemplifiziert wird. Dazu wird in erster Linie auf die Seite der primär agierenden Personen und Gruppen eingegangen, also vor allem die Mitglieder des Unterhauses und die dahinter stehende Armee sowie den eigens für den Prozess gegen Karl errichteten High Court of Justice einerseits, andererseits aber auch auf Karl und die Kanäle, durch die diese im öffentlichen Raum aktiv wurden und ihre Botschaft zu verbreiten suchten. Die Seite der Rezipienten dieses Anliegens tritt dagegen in den folgenden Darstellungen in den Hintergrund, kommt aber dennoch gelegentlich zu Wort. Diese Einschränkung dient zugleich dazu, der Arbeit nicht mehr aufzubürden als sie zu tragen vermag.
Die Quellenbasis sind zum einen die Berichte über den Prozess selbst,16 zum anderen die relevanten Zeitungen, die die Ereignisse einer breiteren Öffentlichkeit zuführten. Auch die Acts, die das House of Commons als Basis für die Errichtung des Gerichtshofes sowie seiner eigenen Suprematie verabschiedete, werden im Kapitel über den Verlauf des Prozesses herangezogen. Demgegenüber tritt, wie schon angedeutet, die Seite der Rezipienten der bewusst hergestellten und sozusagen angerufenen Öffentlichkeit mehr in den Hintergrund. Auch wenn es in einem weiteren Schritt interessant wäre, zu überprüfen, inwiefern das Zusammenspiel von Öffentlichkeit und Legitimation, wenn es sich denn darum gehandelt hat, bei der Bevölkerung aufgegriffen wurde, beschäftigt sich diese Arbeit ausschließlich mit der Seite derer, die versuchten mittels der Öffentlichkeit des Prozesses ihre Absichten zu legitimieren.
Historiker konstruieren eine zu beschreibende Realität aus den Zeugnisses der Vergangenheit. Diese Zeugnisse sind aber immer schon lediglich eine Art Realität zweiten Grades, sie sind Aufzeichnungen und selektiv und spiegeln nur in eingeschränktem Maße die historische Realität wieder. Sie sind für den Historiker, will er vergangene Lebenswelten rekonstruieren, auch insofern defizitär, als sie in der Regel nur aufzeichnen, was für der Aufzeichnung würdig erachtet wurde, meistens also lediglich Außergewöhnliches. Historische Rekonstruktionen sind nicht die Darstellung der Realität, geschweige denn Realität, sondern lediglich die Illusion von Realität. Sie bilden die Realität stark eingeschränkt ab und stehen insofern im Gegensatz zur tatsächlichen historischen Realität, als sie sich auf Aufzeichnungen, die schon selbst nur ausschnitthafte und noch dazu von der Person des Aufzeichnenden vorgeprägte Abbilder der Realität sind. Hinzu kommt dann beim Schreiben einer Geschichte durch den Historiker von heute dessen eigenes Weltbild, dessen Intention, dessen Vorwissen und so eine erneute Selektion. Jedes Werk stellt daher eine fehlerhafte und nur ausschnitthafte Annäherung an das zu beschreibende Phänomen dar.
Es ergibt sich aber noch ein zusätzliches, speziell auf Begrifflichkeiten bezogenes Problem, das die generelle Schwierigkeit historischen Schreibens ergänzt und vertieft. „Was ist ein Begriff?“17 Anzufügen wäre: Was bedeutet ein Begriff? Damit ist schon das grundlegende Problem angedeutet: In einer Darstellung historischer Ereignisse,Persönlichkeiten, Denkhaltungen oder Orte müssen sich Historiker regelmäßig auf schon vordefinierte Begriffe stützen. Bestimmte Dinge in der Geschichte, im alltäglichen Geschehen, aber auch in der „Haupt- und Staatsaktion“ können nur mit solchen Begriffen beschrieben werden. Dabei haben alle dieser Hilfsmittel ein nicht zu vernachlässigendes Problem. Denn mit jedem vorgefertigten Begriff, dessen man sich bedient, werden auch damit verbundene Ideen und Ideale übertragen. Diese Übertragung verfälscht aber immer die Darstellung des untersuchten Gegenstandes. Die meisten solchen Begriffe stammen aus anderen Disziplinen oder dienten zunächst lediglich der Beschreibung eines einzelnen Ereignisses oder Prozesses. Mit jedem Begriff verbinden sich darüber hinaus auch eine Reihe verschiedener, teils enorm subjektiver Anhängsel. Oft umschreibt ein in historischen Darstellungen und Analysen verwendeter Begriff sogar lediglich eine Zielkategorie, deren Erfüllung nahezu unmöglich ist und die niemals so historisch aufgetreten ist. Daher ist ein Begriff wie Gleichheit, der aufgeladen ist mit zugehörigen Implikationen und Vorstellungen für die Darstellung realer Ereignisse und Prozesse nicht wirklich verwendbar. Dazu lässt sich Bourdieu zitieren, der dieses Problem sehr effizient auf den Punkt bringt:
„Tatsächlich trägt alles zur Verdinglichung der Begriffe bei, angefangen bei der Logik der normalen Sprache, die dazu neigt, vom Substantiv auf die Substanz zu schließen, oder den Begriffen das Vermögen zuzuerkennen, in der Geschichte so zu wirken wie in den Sätzen des historischen Diskurses die Worte, die sie bezeichnen, d. h. als historische Subjekte.“18
Ergänzt werden müsste dazu noch, dass immer auch bestimmte individuelle oder sogar kollektive Konnotationen und Anhängsel mit übertragen werden in den Versuch, der historische Realität möglichst nahe zu kommen und ihr gerecht zu werden, was immer zu einer Verfälschung führen muss.
Mit dem Ausschluss eines Begriffes ergibt sich aber immer auch das Problem, dass eine Alternative gefunden werden muss. Für viele Dinge gibt es einen Begriff, der das jeweils zu beschreibende annähernd gut wiedergibt. Immer allerdings geht durch die Verwendung des einen oder anderen Begriffes etwas an Wirklichkeit, Realität, ein Teil der Eigenschaften des Beschriebenen verloren. Deswegen ist jeder gewählte Begriff defizitär.Diese Probleme sind für den Historiker nicht zu überwinden. In der Beschreibung und Analyse muss auf defizitäre Annäherungen an die Wirklichkeit zurückgegriffen werden. Dabei darf aber niemals vergessen werden, dass Historiker oft lediglich konstruieren, oder, wenn es gut läuft, rekonstruieren. Viele von Historikern verwendete Begriffe sind Konstruktionen: Ein Geschichtswissenschaftler entwirft und verwendet Theorien und Begriffe, die so oft nie im Umlauf waren, um historische Ereignisse wiederzugeben. Er schaut in die Quellen und verarbeitet das Gelesene oder Gesehen mit seinem eigenen Gedanken- und Erfahrungshorizont, der nicht dem der Zeitgenossen entspricht. In allen Überlegungen der Geschichtswissenschaft spiegelt sich die Gegenwart des Historikers wider, mitsamt ihrer Werte und Ideale. Aus diesem Grund ist jede Darstellung vergangener Ereignisse gefärbt nicht nur von individuellen Auffassungen, manchmal auch Wunschvorstellungen und Zielkategorien, sondern auch von den Auffassungen, Wunschvorstellungen und Zielkategorien der Gesellschaft, in der der Historiker lebt und arbeitet. Diese entsprechen nicht denen der Zeitgenossen des historischen Gegenstandes. Zu dieser historischen Ungenauigkeit kommt dann die Verwendung oft entweder zu spezifischer oder aber zu weit gefasster Begriffe, die zudem nicht selten Ideale oder konstruierte Idealtypen umschreiben. Auf diese Weise wird meist nicht rekonstruiert, sondern lediglich konstruiert und dann auf einen anderen Zeithorizont projiziert. Das in der englischen Geschichtsschreibung vielleicht bekannteste und wirkmächtigste - sowohl in seiner Konstruktion als auch in der folgenden Dekonstruktion seiner Annahmen und Aussagen - Beispiel einer anachronistischen Projektion idealisierter Zielkategorien, verbunden mit der teleologischen Ausrichtung auf den modernen, parlamentarischen englischen Staat als Fluchtpunkt der englischen Geschichte war die Whig- Geschichtsschreibung.
Um diesen Defiziten historischer Beschreibungen entgegenwirken zu können, sind mehrere Überlegungen und Voraussetzungen notwendig. Zum einen müssen die in der Analyse und Beschreibung verwendeten Begriffe genau auf ihre Bedeutung oder vielmehr ihre oft vielfältigen Bedeutungen und ihre Anwendbarkeit in einem bestimmten Zusammenhang hin untersucht werden. Auf diese Weise können Fehler, die durch die Verwendung moderner Begriffe und ihrer Implikationen entstehen, zwar nicht verhindert, aber doch eingedämmt werden. Des Weiteren muss immer bedacht werden, dass die Rekonstruktion historischer Ereignisse und Prozesse immer subjektiv ausfallen wird. Es darf nicht der Eindruck entstehen, die dargestellten Auffassungen und Meinungen seien allgemeingültig oder mit der historischen Realität identisch. Die Differenz zwischen historischer Wirklichkeit sowie ihrer Rekonstruktion auf der einen Seite, der Konstruktion von Denkmustern und Ideen, Idealen und Modellen zur Untersuchung von historischen Vorgängen sowie den Denkmustern realer historischer Personen, ihres tagtäglichen Lebens und Handelns, ihrer Auffassungen und Ideale muss immer im Hintergrund einer geschichtswissenschaftlichen Arbeit stehen. Der Historiker muss sich seiner eigenen Subjektivität bewusst sein, um den Fehler zu vermeiden, Allgemeingültigkeit seiner Thesen oder die Übereinstimmung seiner Rekonstruktion oder auch Konstruktion mit der historischen Wirklichkeit zu postulieren. Im Lichte dieser Vorüberlegungen über die Defizite historisch verwendeter Begriffe und der Darstellung historischer Vorgänge werden im Folgenden zunächst die für den Prozess und das Hauptanliegen dieser Arbeit wichtigen Begriffe vorgestellt und auf ihre Verwendbarkeit hin untersucht, wobei es im Rahmen einer Magisterarbeit leider ausbleiben muss, einen vollständigen eigene Begriffskatalog zu bilden. Es handelt sich dabei um Öffentlichkeit, Ritual und Symbol: Alle diese Begriffe, beziehungsweise Phänomene, die mit ihrer Hilfe umschrieben werden, sind für den Prozess gegen Karl I. von zentraler Bedeutung, auch wenn die Begriffe, die wir heute benutzen, so oft nicht gefallen sind. Dennoch haben sie Vorteile und sind in ihrer Verwendung durchaus legitim: Sie können für einen zentralen Verdienst solcher Begriffe stehen, denn sie erleichtern oder ermöglichen es oft erst, historische Vorgänge greifbar zu machen. Vor allem die wichtigen Werke Jürgen Habermas19, Barbara Stollberg-Rilinger20 und Gerd Althoffs21 sowie deren Rezeption werden herangezogen, um einen möglichst präzisen Überblick über die Begriffsbedeutung sowie deren Defizite aber auch Erkenntnisleistungen geben zu können. Nicht nur Anachronismen sind bei Begriffsverwendungen oft das Resultat sondern auch die Übertragung fehlerhaften Sinnes. Daher muss jeder Begriff genau umrissen werden und seine Bedeutung vor dem Horizont des Zeitkontextes klargestellt werden, um Missverständnisse und die Übertragung fehlerhaften Sinns zu vermeiden. Dies gilt im Besonderen für die im zweiten Kapitel besprochenen Begriffe. Im Falle einer solchen Präzisierung und Klärung des Anwendungshorizonts können und sollten sie auch in den Erklärungszusammenhang des Prozesses gegen Karl I. gestellt werden und dem Nutzen dienen, den Prozess, seine Hintergründe und die Absichten der Beteiligten klarer hervorstehen zu lassen.
„Bürgerliche Öffentlichkeit läßt sich vorerst als die Sphäre der zum Publikum versammelten Privatleute begreifen.“22 Privatleute versammeln sich in einem Raum, der öffentlichen Sphäre, und werden in diesem sowohl Publikum als auch Akteure, als Einzelpersonen sowie in der Gruppe, die aus einzelnen Personen besteht, die eine öffentliche Meinung konstruieren, indem sie Kritik üben an der öffentlichen, obrigkeitlichen Gewalt. Die in der Öffentlichkeit versammelten Personen sind bürgerlicher Herkunft, womit auch schon der wirtschaftliche Hintergrund der Habermasschen Öffentlichkeitsauffassung angedeutet ist. Habermas Absicht ist die Verteidigung der Moderne und ihrer Möglichkeiten. Dabei war die bürgerliche Öffentlichkeit, deren Idealtypus Habermas entwickelt, in ihrer Entstehungsphase im späten 17. Jahrhundert und auch noch im 18. Jahrhundert aus nur sehr kleinen Bevölkerungsschichten aufgebaut. Erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts und mit der zunehmenden kapitalistischen Ausformung der westlichen Gesellschaften sowie dem Anwachsen des Bürgertums wurde sie immer größer und diversifizierter. In diesem Sinne war Habermas Idealmodell der bürgerlichen Öffentlichkeit durchaus zur Integration fähig, wobei sie dennoch exklusiv der bürgerlichen Welt 'gehörte'. Besonders wichtig in diesem Öffentlichkeitsmodell war einerseits die Qualität des rationalen Diskurses, andererseits aber eben auch die Quantität der in die bürgerliche Öffentlichkeit eintretenden Menschenmassen. Die zunehmende Quantität war dabei eines der wichtigen Elemente im von Habermas nachvollzogenen Strukturwandel, der ebenso von einer Abnahme der Qualität des Diskurses gekennzeichnet gewesen ist. Eng mit dem wirtschaftlichen Determinismus verknüpft ist auch die Auffassung Habermas, dass die bürgerliche Öffentlichkeit in Opposition zur staatlichen Macht und Autorität stand und die von dieser entwickelten Ideen und Regeln von der bürgerlichen Öffentlichkeit diskutiert und kritisiert wurden. Auf diese Weise beanspruchte die bürgerliche Öffentlichkeit für sich eine politische Funktion, nämlich der einzige Hort vernünftiger politischer Diskurse zu sein. Die Akteure der bürgerlichen Öffentlichkeit verstanden sich dementsprechend auch nicht als Publikum der von Habermas für die Frühe Neuzeit als charakteristisch bezeichneten repräsentativen Öffentlichkeit der Herrscher, sondern vielmehr als politisch aktiv: „The members […] began to see themselves not just as the object of state actions but as the opponent of public authority.“23
An Jürgen Habermas Strukturwandel der Ö ffentlichkeit kommt kein Historiker, der sich mit der Öffentlichkeit befasst, vorbei. Habermas Werk zeichnet die marxistisch angehauchte Entstehung einer bürgerlichen Öffentlichkeit nach, in der vor allem der Aspekt des Raisonnement, des vernünftigen Argumentierens und Nachvollziehens, charakteristisch ist. Diese Öffentlichkeit, die vom Bürgertum getragen und sozusagen bevölkert wurde, entstand im Rahmen des aufkommenden Kapitalismus, wurde von diesem determiniert und stellte das kapitalistische Bürgertum in einen Gegensatz zum monarchischen Obrigkeitsstaat, genauer den absolutistischen Staat. Die Entstehung dieser bürgerlichen Öffentlichkeit wird im wesentlichen in das 18. Jahrhundert verortet, ihre Umstrukturierung und in gewissem Sinn auch ihr Untergang - in dem Maße, in dem auch die bürgerlich-kapitalistische Öffentlichkeit nun vom Staat ausgenutzt wurde, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen - dagegen ins 19. und 20. Jahrhundert. Sie fand in Kaffeehäusern, in Zeitungen und Zeitschriften, in Tavernen und ähnlichen Orten statt. Aus ihr heraus ging die öffentliche Meinung, mit der der Staat kontrolliert werden konnte. In Habermas hier vorgestellten Öffentlichkeitsmodell hat es in der Frühen Neuzeit, also auch im hier betrachteten 17. Jahrhundert, zwar eine Öffentlichkeit gegeben, diese war aber ihrem Charakter nach repräsentativ24. Das heißt, sie wurde vom herrschenden Adel und Königtum zur Selbstdarstellung genutzt, nicht aber als Medium, in dem der aufgeklärte Bürger Kritik üben und seine eigene Welt konstruieren und sich vor Augen führen konnte. Diese repräsentative Öffentlichkeit befand sich wiederum in den Händen des Staates und führte diesen den Untertanen vor Augen. Als Akteure konnten, nach Habermas, die Untertanen nicht auftreten, sie waren lediglich Rezipienten der Selbstdarstellung der Obrigkeit.25 Interessanterweise korrespondiert die Auffassung Habermas von der Gegenüberstellung der bürgerlichen Öffentlichkeit mit dem monarchischen Staat auch mit der Whigauffassung der englischen Geschichte: Einem Kampf des Parlaments gegen den König um die Rechte und Freiheiten des englischen Volkes.
Fast alle seit der erstmaligen Veröffentlichung und besonders der Neuveröffentlichung im Jahr 1990 von Strukturwandel der Ö ffentlichkeit erschienenen Darstellungen, die sich mit der Öffentlichkeit und der öffentlichen Meinung, mit der Presse und mit Zeitungen befassen, müssen sich an Habermas Werk messen.26 Sie nehmen Teile seiner Definition auf und verwerfen andere, um an ihnen Kritik - Kritik an einem Werk, das sich als liberale Meistererzählung einer bürgerlichen Welt versteht und gleichzeitig das enorme Potential zeitlich früher anzusetzender Öffentlichkeit marginalisiert - zu üben und eigene Überlegungen anzustellen. Besonders die Auffassung, die bürgerliche Öffentlichkeit sei von wirtschaftlichen Umständen abhängig gewesen, ist dabei teilweise verworfen worden, genau wie die Charakterisierung von Öffentlichkeit als bürgerlich. Dabei zielt die Habermaskritik oft darauf ab, die Entstehung von Öffentlichkeit und in ihr geformter öffentlicher Meinung zeitlich früher einzuordnen oder aber die Grenzen des öffentlichen Raumes anders zu definieren oder gar völlig zu öffnen.27
Dabei zeigen sich verschiedenste Überlegungen, den öffentlichen Raum deutlich weiter aufzufassen, damit aber seine spezifischen Wirkmöglichkeiten und -voraussetzungen außer Acht zu lassen oder falsch einzuschätzen, oder ihn aber in einzelne, einen spezifischen Sinn verfolgende und deutlich kleinteiligere Räume aufzuteilen, in denen einzelne soziale Gruppen, teilweise in Konkurrenz zueinander, agieren. Das wird mit dem Begriff des „spatial turn“ umschrieben. In einer Art Reaktion auf die Reaktion hat der Historiker Harold Mah in seinem schon zitierten Aufsatz versucht, die Habermassche Öffentlichkeit und die darin zum Ausdruck gebrachte beziehungsweise entstehende öffentliche Meinung zu reinterpretieren, die Komplexität des öffentlichen Raumes in Habermas Theorie genauer zu erörtern und so den Strukturwandel besser zu durchleuchten.28 Er wendet sich dabei gegen die Vereinfachung des komplexen öffentlichen Raumes für die Zwecke einzelner Richtungen innerhalb der historischen Forschung, die er vor allem mit der Tendenz in Verbindung bringt, den öffentlichen Raum als „spatialized“ im Gegenatz zu einem großen Ganzen zu betrachten. Der öffentliche Raum als „mass subject“, als ein alle soziale Gruppen umfassendes Konstrukt, das aber gleichzeitig unter seiner in der dauernden Auseinandersetzung zwischen den einzelnen sozialen Gruppen basierenden Instabilität leidet, steht im Gegensatz zu einer Aufteilung des öffentlichen Raumes in kleinere, dafür aber stabile Einheiten. Mah sieht darin einen zentralen Fehler, der dazu führt, die komplexen Wirkungsweisen des Habermasschen öffentlichen Raumes zu übersehen und zu marginalisieren.29 Grundsätzlich räumt Habermas dem öffentlichen Raum und der Öffentlichkeit eine universelle Zugänglichkeit ein, die allerdings ideologisch mit dem demokratischen Prinzip der Öffentlichkeit als ein mit gleichen Individuen gefüllter Raum behaftet ist, die lediglich auf der Basis von Vernunft handeln und öffentliche Diskurse halten. Der exklusive Anspruch der bürgerlichen Öffentlichkeit, auf der Basis von Vernunft rationale Entscheidungen zu treffen, führt auch dazu, dass die bürgerliche Öffentlichkeit politisch wirksam werden kann, indem sie dem Staat ihre Raisonnements vorlegt und ihn so zu formen vermag. Seine bürgerliche Öffentlichkeit allerdings hat sehr wohl Zugangsvoraussetzungen, die nicht zuletzt wirtschaftlicher Natur sind.30 An den Zugangsvoraussetzungen zum öffentlichen Raum setzt auch die in dieser Arbeit zugrundeliegende Interpretation von Öffentlichkeit an. Zuallererst ist die Öffentlichkeit ein Raum, der sich in einem dauernden Wandlungsprozess befindet, wie es auch bei der Entwicklung von der repräsentativen zur bürgerlichen Öffentlichkeit der Fall ist, wie Habermas sie nachzeichnet.
Demgegenüber soll hier ein alternatives Öffentlichkeitsverständnis vorgeschlagen werden: Die Öffentlichkeit ist ein Raum, der dadurch gekennzeichnet ist, dass er jedem prinzipiell offen steht. Im Gegensatz dazu wäre Privatheit31 als ein Raum zu verstehen,der geschlossen ist in dem Sinne, dass eine Person oder Institution oder eine Kombination einer oder mehrerer solcher Entitäten Zugangsvoraussetzungen schafft. Eine Feierlichkeit beispielsweise, zu der nur erscheinen darf, wer vorher eingeladen wurde, ist privat. Nicht jeder erfüllt die Zugangsvoraussetzung, eingeladen worden zu sein. Eine Theateraufführung hingegen, die Eintritt verlangt, ist öffentlich, weil sie es prinzipiell jedem erlaubt, sie zu besuchen; niemand ist von vornherein ausgeschlossen. In diesem, zugegebenermaßen, sehr weit gefassten Raum ist eine Differenzierung dennoch auch möglich. Diese Differenzierung geschieht dann auf der Basis des beabsichtigten Zwecks, die ein einzelner Akteur, sei es eine Gruppe, sei es eine einzelne Person oder eine Kombination aus beidem, verfolgt, wenn er den öffentlichen Raum betritt und die Öffentlichkeit gleichsam anruft. Die Öffentlichkeit ist im weitesten Sinne ein Raum, den man betreten kann und den man genau dann betritt, wenn der private Raum, durch Zugangsvoraussetzungen abgegrenzt, verlassen wird. Es kann freilich auch sein, dass man im öffentlichen Raum nur in dem Sinne als Akteur auftritt, dass man sich in ihm bewegt und von anderen dabei beobachtet wird. Der öffentliche Raum und die darin konstituierte Öffentlichkeit einer Handlung - jede Handlung, die im öffentlichen Raum stattfindet, ist demnach öffentlich - hat in sich noch keine besondere Wirkmächtigkeit - jedenfalls in den meisten Fällen. Freilich können Aktionen beispielsweise kontroverser Personen oder an umstrittenen Orten durchaus wirkmächtig sein, auch wenn dies nicht beabsichtigt war. Erst wenn ein Zweck mit dem öffentlichen Handeln verfolgt wird, sei es beabsichtigt durch den die Handlung vollziehenden Akteur oder sei es auch nur als ein einem Zweck dienender von einem oder mehreren Beobachtern beobachteter und interpretierter Akt, besitzt er Macht, erzielt er eine Wirkung.32 Diese freilich muss nicht die beabsichtigte Wirkung haben, was im Falle eines Aktes, der keinem expliziten und über die unmittelbare Bedürfnisbefriedigung hinausgehenden Sinn hat, einleuchtet. Der öffentliche Raum kann auf diese Weise sowohl zufällig als auch beabsichtigt Macht entfalten und es ist nicht in jedem Fall absehbar, inwiefern der Zweck auch erfüllt wird.
Die Möglichkeit der Ausdifferenzierung nach sozialen Gruppen, nach wirtschaftlicher Tätigkeit oder auch nach geografischen Gesichtspunkten ist selbstverständlich weiterhin möglich. Ebenso ist es möglich, Aktionen auf einen ausgewählten Kreis von Akteuren und Rezipienten hin zu gestalten, um so nur bestimmte Gruppen direkt anzusprechen. Dabei ist es dann aber nicht auszuschließen, dass auch andere als die intendierte Zielgruppe auf die Aktion reagiert. Es ist also wichtig, wie man vorgeht, um eine bestimmte Wirkung hervorrufen zu können. Viele Akte benötigen daher eine mehr oder weniger eingehende Planung, wie es auch bei Ritualen und symbolischen Akten der Fall ist und war, wie noch zu zeigen sein wird.
Es ist in diesem Modell ebenso ausschlaggebend, welche Funktion der Öffentlichkeit durch einzelne in die Öffentlichkeit tretende Gruppen zugeordnet wird beziehungsweise welche Wirkung die öffentliche Tätigkeit auf diese hat. Die Evolution und die Entwicklung des öffentlichen Raumes ist auch in dieser weiten Auffassung der Öffentlichkeit möglich, genau wie die Manipulation einzelner oder mehrerer Akteure oder auch Privatpersonen durch die Öffentlichkeit. Das hier entworfene Modell ist geprägt von mehr oder weniger unabwägbaren Wechselwirkungen einzelner Akteure und Akte im öffentlichen Raum aber auch von der Wirkmächtigkeit dieser Akteure und Akte. Macht entfaltet der öffentliche Raum, indem er ein Forum für die Wirkung eines Aktes beziehungsweise einer Person gibt. Gleichzeitig ist vorausgesetzt, dass der öffentliche Raum als solcher von den Handelnden wahrgenommen werden kann und dass er als grundsätzlich machtentfaltendes Forum gesehen und verstanden wird, auch wenn in einzelnen Fällen ebendiese Charakteristik außer Acht gelassen wird. Was einmal öffentlich getan wurde, bleibt öffentlich. Damit ist angedeutet, dass die Öffentlichkeit dauerhaft ist und gewissermaßen nicht vergisst, was einmal in ihr passiert ist. Rückgängig kann ein öffentlicher Akt nicht gemacht werden, worin sich ebenfalls die Macht der Öffentlichkeit zeigt: Sie bindet einen Akteur an seinen Akt und erlaubt nur unter Verlust von zukünftiger Glaubwürdigkeit und damit unter Verlust der Möglichkeit, in der Zukunft mit einem öffentlichen Akt einen bestimmten Zweck erfolgreich verfolgen zu können, eine Abwendung oder den Versuch der Rücknahme einer vollzogenen Handlung. Handlungen, die einen bestimmten Zweck erfüllen sollen, der über die eigene Person oder Gruppe hinausgeht, sind diejenigen, die bewusst, das heißt unter Berücksichtigung der Machtmöglichkeiten, die der öffentliche Raum bietet, ausgeführt werden.
Eine solche Öffentlichkeit hat keine Rückkoppelung an bestimmte ideologische Denkmuster und ist daher auch nicht an eine bestimmte Zeitspanne oder einen bestimmten Ort gebunden. Sie kann universal angewandt werden, erlaubt aber gleichzeitig auch eine Differenzierung innerhalb des sie konstituierenden öffentlichen Raumes. Sie gibt die Möglichkeit der Anpassung von Akteuren und von ihnen getätigten Handlungen an bestimmte historische Situationen, ist aber gleichzeitig unabhängig von diesen Rahmenbedingungen zu denken. Die Möglichkeiten, die der öffentliche Raum bietet, ändern sich im Verlauf der Zeit: Die Reichweite von Nachrichten, also von Berichten über eine öffentliche Handlung, ändert sich. Die Schnelligkeit der Verbreitung sowie die Kanäle der Verbreitung solcher Nachrichten unterliegen einem Prozess der Wandlung und Ausdifferenzierung. Auch die Reaktionen, die Wirkung, die ein bestimmter Akt hervorruft, sind nicht zu jedem Zeitpunkt oder in jeder Region identisch. Diese Änderungen unterliegen zum einen technischen Neuerungen, besonders im Falle der Reichweite, Schnelligkeit und Kanäle der Verbreitung von Nachrichten. Andererseits unterliegen sie auch mentalitätsgeschichtlichen Schwankungen, sodass beispielsweise der Tod eines alten und die darauf folgende Krönung eines neuen Königs in Großbritannien heute eine andere Reaktion hervorruft als noch vor dreihundert Jahren. Eine Reaktion allerdings bleibt nie aus. Der öffentliche Raum also ist grundsätzlich über die Geschichte hinweg derselbe. Es ändern sich allerdings die Parameter für seine Erschließung und die Effizienz eines öffentlich vollzogenen Aktes sowie seine Wahrnehmung und Wahrnehmbarkeit. Die weltweite Verbreitung von Nachrichten ist heute via Internet und Fernsehen innerhalb kürzester Zeit möglich. In der antiken Mittelmeerwelt war die Nachrichtenverbreitung von Athen bis nach Gades in Südspanien, dem heutigen Cadiz, grundsätzlich ebenfalls möglich, allerdings war die Zeitspanne der Verbreitung deutlich ausgedehnter und auch die Kanäle grundsätzlich verschieden. Auch die Verbreitung von Nachrichten aus dem römischen ins chinesische Kaiserreich im ersten nachchristlichen Jahrhundert war grundsätzlich möglich, ihre Effizienz aber enorm eingeschränkt: durch den räumlichen Abstand und durch grundverschiedene Weltauffassungen, ganz zu schweigen von sprachlichen Barrieren. Geografische Hindernisse, wie der atlantische Ozean, trennten lange Zeit ganze Kontinente voneinander und führten teilweise zu Jahrhunderte langem Unwissen über die Existenz des jeweils anderen Kontinents. Grundsätzlich war aber jederzeit die Verbreitung von Nachrichten aus Europa nach Amerika denkbar, allerdings mit einem enormen zeitlichen und finanziellen Aufwand behaftet, ganz zu schweigen von der Notwendigkeit, die Sprache der Amerikaner zu lernen oder ihnen aber Latein beizubringen: Die Effizienz einer solchen potentiell möglichen Verbreitung wäre in diesem Fall gegen Null gegangen.
Der öffentliche Raum - er ist in diesem Modell, ähnlich wie im Habermasschen, ein einziger Raum, aber deutlich weiter, allgemeiner, umfassender gefasst als jener - ist der imaginierte Rahmen, innerhalb dessen die Öffentlichkeit - oder genauer die Öffentlichkeit einer Handlung - stattfindet und entsteht. Der Zweck, gewollt oder auch ungewollt, einer Handlung und die Wirkung dieser öffentlichen Handlung geben der Öffentlichkeit Macht. Die Öffentlichkeit kann auch selbst als Akteur auf der politischen Bühne auftreten, aber dann nur nach „Anrufung“ und indirekt durch weitere Akteure - diejenigen gewissermaßen, die im öffentlichen Raum die erste Handlung wahrgenommen haben. Dann wird die Öffentlichkeit gleichsam zu einem Dialog zwischen einzelnen Akteuren oder auch Akteuren und der Öffentlichkeit selbst. Einem Dialog freilich, der nicht immer ab dem ersten Akt kontrolliert oder danach unter Kontrolle gebracht werden kann. Ebensowenig ist die Wirkung einer Handlung vorhersehbar. Immer hängen die nachgeordneten Elemente in der Kette von Handlung und Reaktion sowie Handlung und Wirkung auch von den Rezipienten der Nachricht, den Beobachtern der Handlung ab, die gleichzeitig selbst Akteur werden können.33
Hier ist eine Art universeller Öffentlichkeit nachvollzogen worden, das so auch ähnlich bei Dagmar Freist für das frühneuzeitliche England zu finden ist. Sie betont dabei im Gegensatz zur Habermasschen bürgerlich-räsonierenden Öffentlichkeit, die für das 17. und 18. Jahrhundert wenn überhaupt als Eliten- und Minderheitenphänomen gelten kann, die besonders große Reichweite des öffentlichen Raumes: Öffentlichkeit wird bei Freist zur „Gesamtheit der Bevölkerung, die Zugang zu Nachrichten und Medien hatte“ und so auch geeignet zur Legitimation von Herrschaft war. Worauf auch in einem späteren Kapitel noch einzugehen sein wird, kann hier kurz angerissen werden: Zeitungen, gedruckte Petitionen und Flugblätter bekamen spätestens seit der Zeit Jakobs I. eine politische Bedeutung. Sie informierten die breite Bevölkerung - worin viele Zeitgenossen, so auch Ben Johnson oder Thomas Hobbes, eine Gefahr erblickten, wenn diese politischen Informationen in die Hände der ungebildeten und so auch leicht beeinflussbaren Massen gelangen würden - über politische Konflikte, Missstände, aber auch über das alltägliche Geschehen im Parlament und der königlichen Regierung. Die so geschaffene Öffentlichkeit politischer Entscheidungsvorgänge war in der Lage, Druck auf Entscheidungsträger auszuüben, indem sie diese zwang, ihre Handlungen und ihre politische Stellung dauernd zu legitimieren und zu erklären. Die Angst vor der öffentlichen Herrschaftskritik lässt sich in England schon in das späte Mittelalter zurückverfolgen, sodass schon im 13. Jahrhundert Statuten erlassen wurden, die die Verbreitung von „false News or Tales“ verhindern sollten. In diesem Zusammenhang ist auch eine Illustration Henry Peachams zu verstehen, der zum Ausdruck brachte, was viele seiner Zeitgenossen dachten: „The World Is Ruled & Governed by Opinion.“34 Hier drückt sich die Auffassung besonders greifbar aus, dass die Öffentlichkeit und dort formulierte Meinungen mittlerweile eine sehr reale Macht auf politische Prozesse ausüben konnten. Die öffentliche Meinung und die Öffentlichkeit als Ganzes waren im frühneuzeitlichen England strukturell mit der Politik verzahnt.35
Im in dieser Arbeit vertretenen Öffentlichkeitsbild ist aber weder der Versuch gestartet worden, die Habermassche bürgerliche Öffentlichkeit modifiziert in der Zeit früher zu verorten noch verschiedene Öffentlichkeitstypen miteinander zu verbinden. Es ist vielmehr der Versuch, ein Modell anzubieten, das unabhängig von Zeit und Ort anwendbar ist und stattdessen durch Absicht von Akteuren und Art und Weise des Handelns in diesem öffentlichen Raum differenziert werden kann - es ist eine Art universale Öffentlichkeit, mit all ihren Möglichkeiten aber auch Problemen und Herausforderungen für die Akteure und besonders den Staat und die Besitzer von spezifischem und teilweise sehr wertvollem Wissen.36
Ein Ritual ist eine „formal normierte, symbolische Handlungssequenz, die eine spezifische Wirkmächtigkeit besitzt“. Die Wirkmächtigkeit äußert sich in zukunftsweisenden Zustandsveränderungen sowie der gegenseitigen Bindung der Teilnehmer an die Zustandsveränderung.37 Rituale sind Handlungen, die etwas zum Ausdruck bringen und dabei in aller Regel in einem feierlichen Rahmen stattfinden. Sie bestehen darüber hinaus „aus einer Reihe relativ fester Formen“, deren einzelne Bestandteile und einzelne Handlungen durchaus Verschiedenes zum Ausdruck bringen können - eine Wirkung, die besonders in Konfliktsituationen hilfreich ist, da auf diese Weise die Möglichkeit besteht, jeden Beteiligten zufrieden zu stellen und seine Bedürfnisse und Absichten zu berücksichtigen.38 Dazu gehören Orte, Personen, Gegenstände aber auch Zeit und Handlungsabläufe, die bewusst und geplant kombiniert werden. Rituale sind Handlungen, die eine eigene spezifische Wirkung haben, die auch auf die Zukunft bezogen ist, meistens sogar in erster Linie auf die Zukunft. Was im Ritual, das, um zu wirken, auch immer ein Publikum benötigt, das über die Inhalte und die intendierten Aussagen des Rituals ein Mindestmaß an Verständnis haben muss,39 zum Ausdruck gebracht wird, führt zu Verbindlichkeit und zur Festigung von Abmachungen zwischen einzelnen Akteuren, von Strukturen und so weiter. „Rituale schafften nicht nur Verfahrenssicherheit für die Gegenwart, sondern begründeten auch die Erwartung kalkulierbaren Verhaltens in der Zukunft.“ Sie sind darüber hinaus aber auch verbindlich, das heißt, das im Ritual Ausgedrückte ist nun einzuhalten, was auch dazu führen kann, dass Rituale teilweise nur sehr sparsam zum Einsatz kommen können oder gar von ihrer Durchführung abgesehen werden muss.40 Was hier von Althoff für das Mittelalter postuliert wird, gilt ebenso auch für die Frühe Neuzeit.41 Sie verändern dabei oftmals den Status einer einzelnen Person, das aber innerhalb eines strukturellen Rahmens, einer Ordnung, die von allen anerkannt wird. Mit der Veränderung einer Person, beispielsweise bei der Krönung, einer Ehe oder der Einsetzung eines Bischofs oder aber auch einem Raum, wie es bei der Hegung beziehungsweise Einrichtung eines Gerichtes geschieht, wird die Ordnung, innerhalb der die Veränderung stattfindet, grundsätzlich bestätigt. Oftmals verbinden Rituale mehrere zeitliche, sinnliche und inhaltliche Ebenen miteinander. Besonders auch in Situationen, in denen eine tatsächliche, weitreichende Veränderung stattfindet, können Rituale eine „symbolische Dauer“ herstellen, indem sie Brüche in der traditionellen Ordnung überbrücken. Einzelne Personen und Personengruppen bringen mit einem Ritual vielfache Bedeutungen in Verbindung, sodass Rituale für eine große Zahl an Menschen verständlich und verbindlich wirken können, dabei aber innerhalb einer gegebenen Ordnung funktionieren und auch nur innerhalb dieser Ordnung verstanden werden können. „Rituale stiften Erwartungssicherheit,Struktur und Dauer, indem sie sich in festen Formen wiederholen.“42 Sie bilden und erhalten dauerhafte Strukturen und fördern gesellschaftliche Stabilität, indem sie für Verlässlichkeit, Erwartbarkeit, Permanenz und Deutlichkeit sorgen.43 Rituale verbinden die Vergangenheit mit der Zukunft, ziehen Zusammenhänge von Vergangenheit und Zukunft mit der Gegenwart und vergegenwärtigen diese im Moment. Sie drücken sowohl die Zeitlichkeit als auch die Zeitlosigkeit aus und verdeutlichen damit die Zeit überschreitenden und überdauernden Sinn von Ordnungen in regelmäßig wiederholten Handlungssträngen.44 Dabei verändern sie sich aber mit der Zeit, mit den Änderungen in der Gesellschaft sowie den Menschen und ihrem Denken und sind so gut geeignet, um auch den langsamen, schrittweisen Wandel in eine „symbolische Dauer“ einzuordnen und so Kontinuität zu stiften, auch wenn manchmal keine oder nur eine kaum zu erkennende Kontinuität vorhanden ist. Rituale müssen sich sogar ändern, um unter leicht veränderten Situationen weiterhin Wirkmächtigkeit entfalten zu können, zumal mit jedem Ritual eine Veränderung eintritt, die sich nicht mehr rückgängig machen lässt. Diese „Geschichtlichkeit“ der Rituale bedeutet gleichzeitig, dass besondere, also außergewöhnliche und in außergewöhnlichen Situationen stattfindende Rituale besonders detailliert geplant werden müssen.45 Rituale können so helfen, Brüche zu überbrücken, und ein neues System, eine neue Ordnung an bestehende Strukturen und Denkweisen anzubinden. In Krisensituationen, die oft mit rapidem gesellschaftlichem Wandel einhergehen, können Rituale besonders wertvoll sein, „indem sie es ermöglichen, dass die Beteiligten einen Konsens herstellen, der anders gar nicht zu erzielen wäre.“46 Konflikte sind einerseits destruktiv und stören die gesellschaftliche Ordnung, andererseits aber sind auch konstruktiv, indem sie eine erneuerte, teilweise sogar ganz neue Ordnung herstellen. Für die Überwindung von Konflikten sind dabei in der Vormoderne in der Regel Rituale verwendet worden, die den „Konsens herstellen“ können, wo andere Mittel fehlen. Sie tun dies, indem sie allen Konfliktparteien die „symbolische Kommunikation“ ermöglichen um auf dieser rituellen und symbolischen Basis allgemein anerkannte Lösungen zu finden. In Konfliktsituationen, die schon durch symbolische Handlungen oder Kommunikation hervorgerufen werden können, wird die gesellschaftliche Ordnung also gestört, diese Störung durch die rituelle Konfliktbeilegung und die dafür verwendete symbolische Kommunikation eingedämmt und die Ordnung oft durch einen rituellen Akt wiederhergestellt, wenn auch meist leicht verändert. Rituale und Symbole, sei es im Akt oder in der Kommunikation, dienen dann neben der Aufrechterhaltung und Bestätigung sowie dem schrittweisen Wandel von Ordnungen innerhalb einer teilweise vorgegaukelten Kontinuität auch der Eindämmung von Konflikten und so zur Sicherung einer allgemein anerkannten Basis, auf der eine Lösung des Konflikts gefunden werden kann. Rituale stehen am Anfang, im Verlauf sowie am Ende von Konflikten und helfen dabei den Beteiligten, ihre jeweilige Situation zu verdeutlichen und verständlich zu machen und sie wieder miteinander zu vereinbaren.47 Auch und besonders im Bereich des Rechts sind Rituale konstitutiv und für die Ausübung und Wirkung des Rechts notwendig. Rechtsrituale können folgendermaßen definiert werden: „Das Rechtsritual ist eine formalistische Handlung(skette), mit oftmals (aber nicht notwendigerweise) rechtssymbolischem Gehalt, die nach festen Regeln abläuft und die für die Herbeiführung einer bestimmten Rechtsfolge konstitutiv ist.“48 Auch Rechtsrituale haben, wie alle übrigen Rituale auch, einen Aufführungscharakter und inszenieren dabei Rechtshandlungen und Prozesse und entwickeln dabei im Recht eine Wirkung und eine Veränderung der beteiligten Personen, so beispielsweise bei der korrekt ausgeführten Verurteilung.49 Dabei ist vor allem auch die Form des Rituals von besondere Bedeutung, da nur die richtige Form dessen Wirkung garantieren kann. Ein Rechtsritual ist in aller Regel unabhängig vom Willen der Handelnden, stattdessen bezieht es seine Wirkung aus der korrekten Form und Durchführung des Rituals. Das heißt, dass ein Ritual, bei dem die Form nicht eingehalten wurde, keinerlei Rechtsgültigkeit haben kann. Rechtsrituale zeichnen sich auch durch ihre Symbolhaftigkeit aus: Sie drücken als Symbol den Inhalt des Rechts aus. Ein Symbol ist dabei ein sinnlich wahrnehmbarer Träger von Bedeutung. Recht als abstraktes Etwas benötigt der Veranschaulichung. Rechtssymble sind „Zeichen, durch die konkretes Recht oder eine konkrete Rechtshandlung zum Ausdruck gebracht wird und das dabei offen für voneinander abweichende Bedeutungszuscheibungen ist.“50
Rechtssymbole verdeutlichen so die rechtliche Wirkung, die ein Rechtsritual bewirken soll. Ein besonderes Beispiel eines Rechtssymbols ist, dass der Richter in einem Gerichtsprozess als einziger sitzen bleibt. Übrige Prozessteilnehmer sind, bis zum 19. Jahrhundert, in England verpflichtet, vor dem Richter zu stehen. Das Sitzen als symbolischer Rechtsakt drückt dabei die Autorität des Richters aus, Recht zu sprechen.51 Notwendig ist dies aber nicht, da oftmals die beabsichtigte Wirkung den Beteiligten auch ohne Rechtssymbol bekannt ist.52 Symbole, egal ob Rechtssymbole oder andere, erfordern allerdings auch immer das Verständnis der symbolischen Kommunikation, das Beherrschen der symbolischen Sprache und der damit auszudrückenden Inhalte.53 Symbole spiegeln die gesellschaftliche und soziale Ordnung in verschiedensten Formen wider. In „Begriffen, Namen, Titeln und Anredeformen über dingliche Symbole, Bilder und alltägliche Gesten […] bis zu komplexen, feierlichen rituellen Handlungen“ werden diese Bestandteile der Ordnung sichtbar und greifbar. Jedem Symbol haftet eine Bildhaftigkeit an, die es einerseits erlaubt, leichter verständlich zu sein, andererseits aber auch, in Abbildungen des symbolisch vermittelten Inhaltes sozusagen Bilder zweiter Ordnung zu schaffen, die dann weiter reichen können als die Symbole selbst: Sie sind dann beispielsweise in Zeitungen oder Flugblättern abbildbar und erreichen ein weiteres Publikum als das lediglich körperlich bei der Ausführung des symbolisch-rituellen Aktes anwesende. Die Handelnden sind daher auch darauf angewiesen, die Bildlichkeit eines symbolischen Aktes zu berücksichtigen und möglichst dessen Wirkung auf diese Weise noch zu verstärken.54 Auch Kleidung und ihre Farbe können, abhängig von Träger und Ort, symbolhaft die Stellung einer Person verdeutlichen, wie dies auch im Falle des Gerichtsprozesses zu sehen ist.55 Sie machen aus der „institutionellen Ordnung“ eine „objektive Wirklichkeit.“ Genau wie eine rituelle Handlung sind Symbole in ihrer Bedeutung aber nicht eindeutig, sie können daher auch eine besonders große Menge an Personen und Gruppen ansprechen und binden.
[...]
1 Braddick, Michael: God's Fury, England's Fire. A new History of the English Civil Wars, London 2009,S. 576.
2 Coward, Barry: The Stuart Age. England 1603-1714, London u.a. 2003³, S. 151- 237; Coward, Barry:The Cromwellian Protectorate, Manchester und New York 2002; Pincus, Steve: 1688. The First Modern Revolution, New Haven und London 2009; Harris, Tim: Restoration. Charles II and his Kingdoms, London 2006; Sharpe, Kevin: The Personal Rule of Charles I, New Haven und London 1992.
3 Krieger, Karl-Friedrich: Geschichte Englands von den Anfängen bis zum 15. Jahrhundert, München 2009 4, S. 177.
4 Krieger, Geschichte Englands, S. 205-207.
5 Wedgwood, A King Condemned. The Trial and Execution of Charles I, Neuauflage London 2011, S.93.f.; Suerbaum, Ulrich: Das elisabethanische Zeitalter, durchges. und bibl. erg. Auflage Stuttgart 2007,S. 158-178.
6 Krieger, Geschichte Englands, S. 234f.
7 Ehlers, Joachim: Ludwig von Orléans und Johann von Burgund (1407 / 1419). Vom Tyrannenmord zur Rache als Staatsräson, in: Demandt, Alexander (Hrsg.): Das Attentat in der Geschichte, Köln / Weimar / Wien 1996, S. 107-121.
8 Journal of the House of Commons Bd. VI: 1648-1651, 1802, S. 110f. (http: / / www.british-history.ac.uk / report.aspx?compid=25560, abgerufen am 08.05.2011).
9 Graves, Michael A.R. / Silcock, Robin H.: Revolution, Reaction and the Triumph of Conservatism. English History, 1558-1700, Auckland 1985, S. 400. Zu den verschiedenen Interpretationen - bis in die 1970er-Jahre - des Bürgerkrieges und seiner Vorgeschichte vgl. ebd., S. 398-410.
10 Kelsey, Sean: The Death of Charles I, in: The Historical Journal 45 (4), 2002, S. 727-754; Kelsey, Sean: The Trial of Charles I, in: EHR 118 (477), 2003, S. 583-616; Kelsey, Sean: The Ordinance for the trial of Charles I, in: Historical Research 76 (193), 2003, S. 310-331.
11 Graves / Silcock, Revolution, S. 399. Vgl. Pocock, J.G.A.: The Ancient Constitution and the Feudal Law. A Study of English Historical Thought in the Seventeenth Century, Cambridge 1987, S. 312-314, 324, 328.
12 Sharpe, Kevin: Politics and Ideas in Early Stuart England. Essays and Studies, London / New York 1989, IX-XI.
13 Lake, Peter / Pincus, Steve: Rethinking the Public Sphere in Early Modern England, in: Journal of British Studies 45 (2), 2006, S. 270-292, Zitat S. 271.
14 Sharpe, Kevin: Politische Kultur, Autorität und Schrift im England der Frühen Neuzeit, in: Stollberg- Rilinger, Barbara (Hrsg.): Vormoderne politische Verfahren (=ZHF Beiheft 25) , Berlin 2001, S. 149- 188, hier S. 150-152.
15 Hier sei vor allem verwiesen auf die Arbeiten von Gerd Althoff und Barbara Stollberg-Rilinger, darunter insbesondere: Althoff, Gerd: Die Macht der Rituale. Symbolik und Herrschaft im Mittelalter, Darmstadt 2003 und Stollberg-Rilinger, Barbara u. a. (Hrsg.): Spektakel der Macht. Rituale im Alten Europa 800- 1800, Darmstadt 2009 2 ; Stollberg-Rilinger, Barbara: Des Kaisers Alte Kleider. Verfassungsgeschichte und Symbolsprache des Alten Reiches, München 2008. Daneben verschiedene Aufsätze aus: Michaelis,Axel (Hrsg.): Die neue Kraft der Rituale, Heidelberg 2007. Aber auch, vor allem was den Bereich der Rituale im Rechtswesen angeht: Ostwaldt, Lars: Was ist ein Rechtsritual?, in: Schulze, Reiner (Hrsg.): Symbolische Kommunikation vor Gericht in der Frühen Neuzeit (=Schriften zur Europäischen Rechtsund Verfassungsgeschichte, Vol. LI), Berlin 2006, S. 125-152.
16 Mabbott, Gilbert: King Charles his Tryal: or A Perfect Narrative of the Whole Proceedings of the High Court of Iustice in the Tryal of the King in Westminster Hall, London 1649, British Library Thomason / 84:E:545 4 ; Nalson, John: A True Copy of the Journal of the High Court of Justice for the Tryal of K. Charles I, London 1684, Henry E. Huntington Library Wing / N116. Zu Mabbott und Nalson siehe die jeweiligen Artikel im Oxford Dictionary of National Biography: Richardson, R.C: Nalson, John (bap. 1637, d. 1686), in: Oxford Dictionary of National Biography, Oxford 2004 (http://www.oxforddnb.com/view/article/19734, abgerufen am 20.08.2012) und Henderson, Frances: Mabbott, Gilbert (bap. 1622, d. in or after 1670), in: Oxford Dictionary of National Biography, Oxford 2004 (http://www.oxforddnb.com/view/article/37706, angerufen am 20.08.2012).
17 Foucault, Michel: Archäologie des Wissens, übers. von Ulrich Köppen, Frankfurt am Main 1981, S. 13.
18 Bourdieu, Pierre: Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft. Übersetzt von Cordula Pialoux und Bernd Schwibs, Frankfurt am Main 2009, S. 163.
19 Habermas, Jürgen: Strukturwandel der Öffentlichkeit, Frankfurt am Main 1962; Zu weiteren Überlegungen Habermas zum öffentlichen Raum siehe: Habermas, Jürgen: Further Reflections on the Public Sphere, in: Calhoun, Craig (Hrsg.): Habermas and the Public Sphere, Cambridge, MA und London 1992, S. 421-461.
20 Stollberg-Rilinger, Barbara: Des Kaisers alte Kleider. Verfassungsgeschichte und Symbolsprache des Alten Reiches, München 2008.
21 Althoff, Macht; Althoff, Gerd / Stollberg-Rilinger, Barbara: Spektakel der Macht? Einleitung, in:Stollberg-Rilinger, Barbara u. a. (Hrsg.): Spektakel der Macht. Rituale im Alten Europa 800-1800,Darmstadt 2009 2, S. 15-19; Althoff, Gerd / Stollberg-Rilinger, Barbara: Rituale der Macht in Mittelalter und Früher Neuzeit, in: Michaelis, Axel (Hrsg.): Die neue Kraft der Rituale, Heidelberg 2007, S. 141- 177.
22 Habermas, Strukturwandel, S. 86. Für eine Begriffsgeschichte siehe Körber, Esther-Beate: Vormoderner Öffentlichkeiten. Versuch einer Begriffs- und Strukturgeschichte, in: Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte 10, 2008, S. 3-25. Siehe dort auch für ein Beispiel der Einteilung der Öffentlichkeit in einzelne, besonders charakterisierte Öffentlichkeiten. In erster Linie sieht Körber Öffentlichkeit als eine „Eigenschaft Herrschaft ausübender Personen.“ Siehe Körber, Versuch, S. 25.
23 Calhoun, Craig: Introduction: Habermas and the Public Sphere, in: Calhoun, Craig (Hrsg.): Habermas and the Public Sphere, Cambridge, MA / London 1992, S. 1-48, besonders S. 1-9, Zitat S. 9; Benhabib, Seyla: Models of Public Sphere: Hannah Arendt, the Liberal Tradition, and Jürgen Habermas, in: Calhoun, Craig (Hrsg.): Habermas and the Public Sphere, Cambridge, MA / London 1992, S. 73-98, S.85. Siehe auch die übrigen Aufsätze dieses Bandes für eine eingehende Diskussion der bürgerlichen Öffentlichkeit nach Habermas.
24 Zu einer Kritik am „Gegensatzpaar von 'repräsentativer' und 'bürgerlicher' Öffentlichkeit“ siehe: Hirschi, Caspar: Die Erneuerungskraft des Anachronismus. Zur Bedeutung des Renaissance- Humansismus für die Geschichte politischer Öffentlichkeit, in: Kintzinger, Martin / Schneidmüller, Bernd (Hrsg.): Politische Öffentlichkeit im Spätmittelalter (=Vorträge und Forschungen Bd. 75), Ostfildern 2011, S. 385-431. Hier wird auch eine Alternativthese für die Entstehung einer politischen Öffentlichkeit während der Renaissance und im Lichte des Humanismus entwickelt.
25 Habermas, Strukturwandel, S. 58-85.
26 Mah, Harold: Phantasies of the Public Sphere: Rethinking the Habermas of Historians, in: The Journal of Modern History 72 (1), 2000, S. 154.
27 Für einen detaillierten Forschungsüberblick, der hier nur angerissen wird, siehe: Atherton, Ian: The Press and Popular Political Opinion, in: Coward, Barry (Hrsg.): A Companion to Stuart Britain, Oxford u.a. 2003, S. 88-110. Desweiteren auch: Schlögl, Rudolf: Politik Beobachten. Öffentlichkeit und Medien in der Frühen Neuzeit, in: Zeitschrift für Historische Forschung 25, 2008, S. 581-616. Dieser Aufsatz Schlögls mag auch als Beispiel für den Versuch stehen, den Öffentlichkeitsbegriff „analytisch wieder schärfer zu fassen“ und „für eine Historisierung des Begriffs der Öffentlichkeit zu plädieren.“ Zitate in Schlögl, Beobachten, S. 584. Auf den öffentlichen Raum und damit verbunden die Presse im frühneuzeitlichen England wird im dritten Kapitel genauer eingegangen. Zur Habermaskritik siehe: Garnham, Nicholas: The Media and the Public Sphere, in: Calhoun, Craig (Hrsg.): Habermas and the Public Sphere, Cambridge, MA und London 1992, S. 359-376, hier: S. 359f. Ein Beispiel für die Anpassung der von Habermas entwickelten Grundideen und Kategorien bieten Peter Lake und Steve Pincus, die in der Zeit von 1530 bis 1630 die Entstehung und Ausdifferenzierung eine „post- Reformation public sphere“ nachvollziehen, in der besonders die Kommunikation religiöser Inhalte und Fragen eine wichtige Rolle spielten. Außerdem zeichnen sie den Wandel dieses öffentlichen Raumes nach, besonders im Zuge des Bürgerkrieges und der Revolution der 1640er-Jahre: Lake / Pincus, Public Sphere, S. 273-286.
28 Mah, Phantasies, S. 155.
29 Mah, Phantasies, S. 154-156.
30 Habermas, Strukturwandel, S. 142-160.
31 Zur Bedeutung von privat, besonders auch im England des frühen 17. Jahrhunderts, siehe: Longfellow, Erica: Public, Private, and the Household in Early Seventeenth-Century England, in: Journal of British Studies 45 (2), 2006, S. 313-334. Darin analysiert die Autorin, dass Kategorien von Individuen, auf die der Staat keinen Zugriff mehr hat und die Idee von „Protestant interiority“ zeitgemäßere Alternativen bieten als die Unterscheidung privat-öffentlich. Besonders zutage tritt dies, wenn man, wie Longfellow beachtet, dass privat im frühneuzeitlichen England eher eine negative Bedeutung hatte - als nicht- öffentlich („not public“ oder „less public“) im Gegensatz zu öffentlich. Trotz dieser Bedenken gegenüber dem Begriff privat, wird er in der vorliegenden Arbeit als Gegensatz zu öffentlich verwendet, auch wenn dieser Gegensatz stark zugespitzt ist. Wichtiger ist allerdings im Kontext des Prozesses gegen Karl ohnehin die Kategorie Öffentlichkeit.
32 Vgl. dazu bspw. auch Austin, John L.: Zur Theorie der Sprechakte (How to Do Things With Words). Deutsche Bearbeitung von Eike von Savigny, bibl. erg. Ausgabe Stuttgart 2002.
33 Ähnliche kommunikative Öffentlichkeitsmodelle finden sich bspw. in Richter, Maren: „Prädiskursive Öffentlichkeit“ im Absolutismus? Zur Forschungskontroverse über Öffentlichkeit in der Frühen Neuzeit, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 59 (9), 2008, S. 460-475.
34 Peacham, Henry: The World Is Ruled & Governed by Opinion, London 1641.
35 Freist, Dagmar: Öffentlichkeit und Herrschaftslegitimation in der Frühen Neuzeit. Deutschland und England im Vergleich, in: Asch, Ronald G. / Freist, Dagmar (Hrgs.): Staatsbildung als kultureller Prozess. Strukturwandel und Legitimation von Herrschaft in der Frühen Neuzeit, Köln u. a. 2005, S. 321-351.
36 Schwerhoff, Gerd: Stadt und Öffentlichkeit in der Frühen Neuzeit - Perspektiven der Forschung, in:Schwerhoff, Gerd (Hrsg.): Stadt und Öffentlichkeit in der Frühen Neuzeit, Köln / Weimar / Wien 2011,S. 1-28, S. 7-9; Freits, Dagmar: „The Staple of Newes.“ Räume, Medien und die Verfügbarkeit von Wissen im frühneuzeitlichen London, in: Schwerhoff, Gerd (Hrsg.): Stadt und Öffentlichkeit in der Frphen Neuzeit, Köln / Weimar / Wien 2011, S. 97-123, S. 103, 119-123.
37 Althoff, Gerd / Stollberg-Rilinger, Barbara: Rituale der Macht in Mittelalter und Früher Neuzeit, in: Michaelis, Axel (Hrsg.): Die neue Kraft der Rituale, Heidelberg 2007, S. 141-177, S. 144f.
38 Althoff, Gerd / Stollberg-Rilinger, Barbara: Spektakel der Machts? Einleitung, in: Stollberg-Rilinger, Barbara u.a. (Hrsg.): Spektakel der Macht. Rituale im Alten Europa 800-1800, Darmstadt 2009, S. 15- 19, Zitat S. 15; Althoff, Macht der Rituale, S. 25, 189f.
39 Althoff, Macht der Rituale, S. 23f. Zu den Voraussetzungen und Möglichkeiten von Verstehen siehe, Bourdieu, Entwurf, S. 180-189.
40 Althoff, Macht der Rituale, S. 23, 189f., 200.
41 Althoff, Macht der Rituale, S. 199; Stollberg-Rilinger, Des Kaisers Alte Kleider, S. 15.
42 Althoff / Stollberg-Rilinger, Rituale der Macht?, S. 16.
43 Meyer, Thomas: Rituale der Politik, in: Michaelis, Axel (Hrsg.): Die neue Kraft der Rituale, Heidelberg 2007, S. 201-211, S. 202.
44 Meyer, Rituale der Politik, S. 203; Althoff / Stollberg-Rilinger, Spektakel der Macht?, S. 16.
45 Althoff / Stollberg-Rilinger, Rituale der Macht, S. 145-171; Althoff, Macht der Rituale, S. 28.
46 Althoff / Stollberg-Rilinger, Rituale der Macht?, S. 16.
47 Bourrée, Katrin: Rituale und Konflikte in der Vormoderne. Instrumente des 'sozialen Friedens' und Bedrohungen der gesellschaftlichen Ordnung, in: Stollberg-Rilinger, Barbara u.a. (Hrsg.): Spektakel der Macht. Rituale im Alten Europa 800-1800, Darmstadt 2009, S. 57-61; Stollberg-Rilinger, Des Kaisers Alte Kleider, S. 20.
48 Ostwaldt, Lars: Was ist ein Rechtsritual?, in: Schulze, Reiner (Hrsg.): Symbolische Kommunikation vor Gericht in der Frühen Neuzeit (=Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte, Vol. LI), Berlin 2006, S. 125-152, Zitat S. 139.
49 So wurde beispielsweise angenommen, dass eine Person nach der Verkündung des Todesurteils als rechtlich tot zu gelten habe und daher nicht mehr das Recht hatte, sich zu äußern; dies war auch der Fall bei der Verurteilung Karls. Purkiss, Diane: The English Civil War. A People's History, London u.a. 2007,S. 555.
50 Ostwaldt, Rechtsritual, S. 142.
51 Watkin, Thomas Glyn: „The Powers that Be Are Seated“. Symbolism in English Law and in the English Legal System, in: Schulze, Reiner (Hrsg.): Rechtssymbolik und Wertevermittlung (=Schriften zur europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte Bd. 47), Berlin 2004, S. 149-166, S. 150f.
52 Ostwaldt, Rechtsritual, S. 125-130, 137f., 139-143.
53 Meyer, Rituale der Politik, S. 201.
54 Stollberg-Rilinger, Barbara: Einleitung, in: Dies. / Weißbrich, Thomas (Hrsg.): Die Bildlichkeit symbolischer Akte, Münster 2010, S. 9-21, S. 9-13.
55 Watkin, Powers, S. 152.
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