Forschungsarbeit, 2008
103 Seiten
Einleitung
Aggregatzustände der Materie
Flüssigkristalle
1. Synthese eines Raumtemperaturflüssigkristalls
1.1. Raumtemperaturflüssigkristalle
1.2. : Chemische Synthese der Substanz Methyloxybenzylidenbutylanilin als Beispiel eines Raumtemperaturflüssigkristalls_
1.2.1. : Chemische Reaktion und Reaktionsmechanismus der MBBA - Synthese
1.2.2. : Beschreibung der MBBA - Synthese
1.2.3. : Diskussion von Fehlern und Verfahrensmängeln der Synthese
2. Untersuchung der physikalischen Eigenschaften nematischer Flüssigkristalle
2.1. Thermische Eigenschaften nematischer Flüssigkristalle
2.1.1. Bestimmung der Klärtemperatur nematischer Flüssigkristalle
2.1.2. Bestimmung der Phasenumwandlungstemperaturen und Phasenumwandlungsenthalpien mit Hilfe der Kalorimetrie
2.1.3. Anwendungen der bestimmten Daten
2.2. Untersuchung der optischen Anisotropie von Flüssigkristallen
3. Bau einer Schadt - Helfrich - Zelle und Untersuchung Ihrer physikalischen Eigenschaften
4. Literatur- und Quellenverzeichnis
Nach konventioneller, physikalischer Vorstellung ist der Begriff „FlüssigkristaU“ scheinbar ein unauflösbarer Widerspruch in der Beschreibung des Aggregatzustandes eines Materials. Die Struktur eines Materials lässt sich danach grundsätzlich und wesentlich durch drei voneinander eindeutig unterscheidbare Aggregatzustände charakterisieren:
- fest
- flüssig
- gasförmig
Diese drei Aggregatzustände sind mikroskopisch durch die unterschiedliche Positionsanordnung der physikalischen Bausteine (Atome / Moleküle) vollständig beschreibbar. So ist der kristalline Festkörper allgemein dadurch gekennzeichnet, daß die Atome und Moleküle aus denen dieser feste Körper aufgebaut ist ein räumlich periodisches Gitter bilden in denen die Atome / Moleküle / Ionen feste Gitterplätze einnehmen. Im festen Körper ist durch die periodische Anordnung der Gitterbausteine eine Positionsfernordnung („Kristallgitter“) mit bestimmten Gitterkonstanten und Netzebenenabständen gegeben. Die Auswirkung der physikalischen Größe der Temperatur T eines solchen Festkörpers auf sein Kristallgitter dokumentiert sich mikroskopisch in einer Schwingung der Gitterbausteine (Atome / Ionen / Moleküle) um eine feste Ruhelage. Diese Ruhelage ist in der Regel mit den festen Gitterplätzen innerhalb der Gitterbausteine identisch. Diese Gitterschwingungen eines Kristalls werden als Gitterphononen oder auch als das „Phononenspektrum“ des Kristallgitters bezeichnet.
Die verschiedenen Anordnungstypen von Kristallgittern in der Festkörperphysik lassen sich insgesamt in räumlichen Translationsgittern mit 14 verschiedenen Einheitszellen (BravaisStrukturen) zusammenfassen.
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Abb. 1 : Kubisches Kristallgitter mit Positionsfernordnung seiner Gitterbausteine (a), Die Gitterbausteine (schematisch als Kugeln dargestellt) schwingen durch die Temperatur T oberhalb des absoluten Nullpunktes um ihre feste Ruhelage (b). Ein solches Kristallgitter lässt sich mechanisch imAllgemeinen nur unter erheblichen Kräften verformen, (c)
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Abb.2 : Die 14 in der Festkörperphysik auftretenden Elementarzellen der verschiedenen Translationsgitter des Raumes. Sämtliche Gittertypen sind durch drei Basisvektoren gegeben. Bei der periodischen Fortsetzung der Elementarzellen ergeben sich die Kristallgittertypen (Positionsfernordnungssysteme) des kristallinen, festen Zustandes der Materie (Grafik entnommen aus: Ibach / Lüth: Festkörperphysik )
Beim Schmelzvorgang wird unter Zufuhr der Schmelzenthalpie / „Schmelzwärme“ die Positionsfernordnung der Gitterbausteine aufgelöst. Der Schmelzvorgang ist ein Phasenübergang erster Ordnung von der festen Phase in die flüssige Phase.
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Abb. 3 : Beim Schmelzen wild die Positionsfernordnung der Gitterbausteine des Festkörpers aufgehoben, die Atome / Moleküle / Ionen werden gegeneinander beweglich. Im flüssigen Zustand ist die Fernordnung der Bausteine des Materials vollkommen aufgehoben.
In einer Flüssigkeit ist die Fernordnung der Moleküle oder Atome eines Materials untereinander aufgehoben, die Moleküle sind gegeneinander beweglich. Eine Wechselwirkung besteht aber noch mit den nächsten Nachbarn, so daß eine Nahordnung noch vorhanden ist. Diese Wechselwirkungen bedingen u.a. den Zusammenhalt der Flüssigkeit und verhindern daß die Teilchen das Flüssigkeitsvolumen verlassen, wenn ihre kinetische Energie die Wechselwirkungspotentiale nicht überschreitet.
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Abb 4:In Flüssigkeiten sind die Teilchen leicht gegeneinander beweglich (a), sie sind deshalb sehr leicht mechanisch verformbar und nehmen jede makroskopische Gefäßform an. (b und c)
Die physikalischen Eigenschaften wie z.B. die dynamische Viskosität ij ,die Dielektrizitätszahl8r, sowie der mit der Dielektrizitätszahl im Zusammenhang stehende optische Brechungsindex n sind in einer solchen Flüssigkeit vollkommen richtungsunabhängig und homogen, d.h. eine flüssige Substanz ist nach diesem Modell optisch vollkommen isotrop.
Beim Verdampfen einer Flüssigkeit gehen die Moleküle in die Gasphase über, auch das Verdampfen ist ein Phasenübergang erster Ordnung vom flüssigen in den gasförmigen Aggregatzustand. Die Moleküle oder Atome des Materials besitzen einen im Verhältnis zur Flüssigkeit und zum Festkörper großen Abstand untereinander, so daß oberhalb der Verdampfungstemperatur keine Wechselwirkung der Moleküle und Atome des Materials untereinander nachweisbar ist. Das Material verhält sich weit vom Kondensationspunkt entfernt wie ein ideales Gas und erfüllt auch die Zustandsgleichung idealer Gase.
Die Geschwindigkeitsverteilung in diesem Gas ist statistisch und wird in der Gesamtheit durch die Maxwell - Boltzmannsche Geschwindigkeitsverteilung beschrieben. Die mittlere kinetische Energie der Teilchen einer Substanz ist im Verhältnis zur festen und flüssigen Phase dieser Substanz relativ groß. Mit der Gasphase soll sich hier aber nicht weiter beschäftigt werden.
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Abb, 5 : Aggegatzustände und die Bezeichnung der speziellen Phasenübergänge zwischen Ihnen
Durch diese drei Aggregatzustände lassen sich die thermodynamischen Eigenschaften sowie die bei der Änderung der thermodynamischen Zustandsvariablen (Druck p, absolute Temperatur T und Volumen V) auftretenden Phasenübergänge zwischen diesen Aggregatzuständen der Materialien eindeutig und vollständig beschreiben. Genau genommen gelten die bisher beschriebenen Sachverhalte aber nur für Materialien, deren Gitterbausteine (Atome / Moleküle / etc.) weitgehend „formisotrop“ sind und viele Symmetrieachsen aufweisen. Die Moleküle ähneln deshalb - vereinfacht - einer Kugelgestalt. In diesem Fall beschreiben die Positionsanordnungen der Schwerpunkte einer Gesamtheit von Materieteilchen den Aggregatzustand des Materials mikroskopisch vollständig. Viele Substanzen in der Laborpraxis des Naturwissenschaftlers und im Alltag erfüllen diese Bedingung, denn ihre Moleküle besitzen näherungsweise eine Kugelgestalt. Typische Substanzen sind z.B. die Moleküle der Substanzen Wasser, Ethanol, Benzol und Naphtalin.
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Abb. 6 : Diese Moleküle haben viele räumliche Symmetrieachsen und ähneln daher weitgehend einer Kugelgestalt (ganz rechts). Von links nach rechts : Wasser, Ethanol, Benzol, Naphtalin.
Flüssigkristalle
Im Jahr 1888 entdeckt der Botaniker Friedrich Reinizer (1857 - 1927) bei der Bestimmung der Molmasse der Substanz Cholesterylbenzoat (Strukturformel s. Abb. 7 b), daß die Substanz bei einer Temperatur von 145°C zu einer trüben, relativ viskosen Masse schmilzt und erst durch weiteres Erhitzen der Probe auf eine Temperatur von 178,5°C in eine klare Flüssigkeit übergeht. Unter dem Polarisationsmikroskop zeigt die Substanz innerhalb dieses Temperaturbereiches zwischen Schmelzen und Aufklaren deutliche Farberscheinungen. Diese besondere Eigenschaft lässt sich durch weitere Reinigung der Substanz nicht verbessern. Weitere Untersuchungen von Otto Lehmann zeigen, daß diese Substanz noch nach dem Schmelzen doppelbrechende Eigenschaften aufweist. Diese optische Eigenschaft eines Materials wird hauptsächlich nur bei Festkörpern mit einer Fernordnung (Kristallgitter) beobachtet. Reinizer charakterisiert solche Substanzen wie das von ihm untersuchte Cholesterylbenzoat durch folgende Eigenschaften :
- Es existieren zwei verschiedene Schmelzpunkte (Schmelzpunkt und Klärpunkt)
- Beeinflussung von polarisiertem Licht durch die Substanz im Bereich zwischen Schmelzpunkt und Klärpunkt („Drehung polarisierten Lichtes“)
- Reflexion von zirkular polarisiertem Licht
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Abb.7 : Friedrich Reinizer (1857 - 1927) (a), Strukturformel des Cholesterylbenzoats (b), . Cholesterylbenzoat unter dem Polarisationsmikroskop bei gekreuzten Polarisatoren (c).
Nach der Vorstellung der drei „klassischen“ Aggregatzustände erwartet man von einer Flüssigkeit, daß diese sich in jedem Fall optisch vollkommen isotrop verhält, d.h. die optischen Eigenschaften wie z.B. die Dielektrizitätskonstante sr und damit auch der Brechungsindex n sowie der Absorbtionskoeffizient a nicht richtungsabhängig sind. Der Polarisationszustand bleibt durch eine isotrope Flüssigkeit unverändert. Dies ist so zu erwarten weil eventuelle Richtungsabhängigkeit der Ladungsverteilungen in den Elektronensystemen der Moleküle eines flüssigen Materials (z.B. beim Dipolcharakter des Wassers) durch die Beweglichkeit der Moleküle / Atome über das gesamte Flüssigkeitsvolumen statistisch orientiert sind. Die Orientierung ist in allen Symmetrierichtungen räumlich gleichmäßig verteilt, die Orientierung durch die Brownsche Molekularbewegung verändert sich überall ständig. Im statistischen Mittel erscheint eine Flüssigkeit makroskopisch in ihrem gesamten Volumen homogen, die erwähnten physikalischen Eigenschaften sind in allen Richtungen gleich groß.
Im Unterschied dazu kommt es im Festkörper zur Doppelbrechung und einer räumlichen Anisotropie der erwähnten physikalischen Größen, da durch die Positionsfernordnung eine Vorzugsrichtung für Ladungsverteilungen innerhalb des Materials entsteht. Das klassische Beispiel aus den Vorlesungen der Naturwissenschaften hierfür ist die Substanz Kalkspat (kristallines Calciumcarbonat).
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Abb, 8 : Doppelbrechung an Kalkspat (a), die optische Anisotropie ist durch den Aufbau des Kristallgitters von Kalkspat bestimmt: Darstellung der Elementarzelle des Kristallgitters von Kalkspat, (b) Eine optisch isotrope Flüssigkeit (Küvette mit Wasser) zeigt keine Doppelbrechung, (c)
Die Veränderung des Polarisationszustandes durch Doppelbrechung in einer Substanz weist im Allgemeinen auf eine Fernordnung der Moleküle hin. Flüssigkeiten, welche den Effekt der Doppelbrechung aufweisen werden auch als „Flüssigkristalle“ bezeichnet. Genauer bedeutet dies, daß die optisch anisotropen Flüssigkeiten zwischen dem Schmelzpunkt und dem Klärpunkt sich zu einer (oder auch mehreren) „Mesophasen“ anordnen, die auch als „flüssigkristalline Phasen“ bezeichnet werden. In diesen Mesophasen liegt eine Fernordnung in einer Flüssigkeit vor. Ein einfaches Experiment zeigt diesen Effekt doppelbrechender Flüssigkeiten deutlich:
Zwischen eine Vorrichtung aus zwei gekreuzten Polarisatoren (siehe Abb. 9) wird auf einen Overhead - Projektor ein Kalkspatkristall als doppelbrechender, kristalliner Festkörper, ein Tropfen Wasser zwischen einem Objektträger und einem Deckglas sowie ein Tropfen i einer nematischen, flüssigkristallinen Substanz (am besten MBBA oder eine sog. nematische Weitbereichsmischung) gebracht, (Abb. 10) mit Hilfe der Projektionslampe beleuchtet und auf der Wand scharf abgebildet. Hierbei ist der Kalkspat das Beispiel für einen doppelbrechenden, optisch anisotropen, kr istallinen Festkörper, das Wasser ein Beispiel einer homogenen und optisch isotropen Flüssigkeit. Die Substanzen MBBA (Methyloxybenzylidenbutylanilin) sowie die kommerzielle nematische Flüssigkristallmischung („nematische Weitbereichsmischung“) sind typische Beispiele für optisch anisotrope Flüssigkeiten deren Moleküle im flüssigen Zustand noch eine Fernordnung aufweisen.
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Abb. 9 : Polarisationsapparat mit zwei gekreuzten linear polarisierenden Folien für den Overhead - Projektor
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Abb. 10 : Proben zur Untersuchung auf Doppelbrechung, welche auf eine optische Anisotropie in Folge einer Fernordnung der Moleküle hinweist: 1: Kalkspat (Festkörper), 2: Objektträger mit W.asser, 3: Objektträger mit nematischer Weitbereichsmischung, 4: Objektträger mit MBBA, 5: Uhrglas mit MBBA
Das Ergebnis des Versuchs ist, daß im Fall des Kalkspatkristalls und der Objektträger mit den nematischen Flüssigkristallen eine deutliche Aufhellung des Abbildes zwischen gekreuzten Polarisatoren beobachtet wird. Die Aufhellung verändert sich zudem unregelmäßig wenn der Kalkspatkristall und der Objektträger mit dem nematischen Flüssigkristall im oder entgegen dem Uhrzeigersinn gedreht werden. Unter einem bestimmten Winkel lässt sich bei dünnen Schichten bereichsweise maximale Aufhellung der sonst für die Fichtwellen des Projektors nahezu undurchlässigen Anordnung der gekreuzten Polarisatoren feststellen (siehe auch Abb. 11). Dieses Experiment zeigt, daß bestimmte Fluide optisch anisotrope Eigenschaften analog einem Festkörper aufweisen. Der Polarisationszustand der Fichtwellen der Projektionslampe wird durch diese Substanzen durch Doppelbrechung verändert. Dies wird verursacht durch richtungsabhängige Phasengeschwindigkeiten aufgrund eines anisotropen Brechungsindex innerhalb des Fluides. Es zeigen sich ähnliche Erscheinungen wie in einem doppelbrechenden Kristall.
Zwischen gekreuzten Polarisatoren entsteht durch den veränderten Polarisationszustand eine Aufhellung, da jetzt die Feldrichtung des elektrischen Feldes E der Lichtwellenamplitude nicht mehr exakt parallel zu der Orientierung der als Analysator benutzten Polarisationsfolie gerichtet ist. So kann eine Komponente des Lichtwellenfeldes senkrecht zur Orientierung des Analysators die Folie ungehindert passieren, was die Aufhellung des Bildes in der Projektion verursacht.
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Abb. 11: Nicht nur der Kalkspatkristall (Festkörper) sondern auch die Flüssigkristallproben sind optisch anisotrop und erscheinen als helle Abbilder zwischen den als Polarisator und Analysator wirkenden, gekreuzten Polarisationsfolien (Linearfilter) des Polarisationsapparates bei Beleuchtung mit dem Overheadprojektor.
In der flüssigkristallinen Substanz liegt demnach eine Fernordnung der Moleküle ähnlich wie in einem Kristallgitter eines Festkörpers vor. Man spricht hierbei von einer Richtungsfernordnung der Moleküle in der flüssigkristallinen Phase. Hiervon unterscheidet sich die Positionsfernordnung im Kristallgitter des Festkörpers (z.B. Kalkspat). Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht dies:
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Abb. 12 : Anisotropie in einem Festkörper (Kalkspat) und eines Fluides mit flüssigkristalliner Phase (nematischer Flüssigkristall), die Moleküle des Flüssigkristalls sind als stäbchenförmige Teilchen dargestellt, die eine Richtungsfernordnung bilden.
Im Fall des Objektträgers mit dem Wassertropfen zeigt sich keine Aufhellung des Bildes. Aus dieser Beobachtung kann deshalb auch auf keine Doppelbrechung der Lichtwellen geschlossen werden. Wasser ist demnach eine optisch vollkommen isotrope Flüssigkeit, wie dies nach der Vorstellung des flüssigen Aggregatzustandes und der Anordnung der Wassermoleküle in der flüssigen Phase erwartet wird.
Wie eine räumliche Anisotropie zu einer Veränderung des Polarisationszustandes führt kann an einem Experiment mit elektromagnetischen Wellen mit ca. 10000 - mal größerer Wellenlänge als Lichtwellen anschaulich demonstriert werden. Geeignet sind anstelle von Lichtwellen für dieses Experiment elektromagnetische Zentimeterwellen der Wellenlänge X = 3,2 cm, die von einer an einen UHF - Generator angeschlossenenen Hornantenne emittiert werden.
Hierzu wird der Wellenstrahl aus der Hornantenne eines Mikrowellensenders auf einen Empfangsdipol (Schottky - Diode) gerichtet. Diese Diode zeigt den mittleren Betrag des elektrischen Feldes E der elektromagnetischen Zentimeterwellen als Gleichspannungswert an. In den Zwischenraum zwischen Empfangsdiode und Hornantenne werden als Linearpolarisatoren mit den Metallstäben senkrecht zueinander orientierte „Hertzsche Gitter“ verwendet. Eine solche Anordnung kann von den elektromagnetischen Wellen des Senders nicht passiert werden und wirkt als makroskopisches Modell gekreuzter Polarisationsfilter. In dem Zwischenraum zwischen den Drahtgittern ist die volle Mikrowellenleistung mit Hilfe der Empfangsdiode nachweisbar, während hinter dem letzten Gitter auf der Empfängerseite die empfangene elektrische Feldstärke E nahezu gleich Null ist. Der Zeiger des Messgerätes steht auf der Nullmarke und zeigt keine durch empfangene Mikrowellenleistung erzeugte Spannung an. Ein Oszilloskop oder Schreiber kann keine durch Mikrowellenleistung erzeugte Spannung an der Schottky - Empfangsdiode anzeigen (Abb. 13).
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Abb. 13 : Zwischen gekreuzten Hertzschen Gittern ist der Empfang maximal, hinter dem Analysator kommt es zu keinem Empfang, das elektrische Feld passiert den Analysator nicht.
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Abb. 14 : Zeitlicher Mittelwert des Betrages der elektrischen Feldstärke als Funktion der Beobachtungsdauer in dem Versuchsaufbau in Abb. 13. Oben: maximale Feldstärke zwischen den Hertzschen Gittern, kein Empfang hinter dem Analysator (unten).
In den Zwischenraum zwischen den als gekreuzte Polarisatoren wirkenden Hertzschen Gittern wird nun als ein „statischer Modell - Flüssigkristall“ eine Glasplatte mit aufgeklebten Metallstiften der Länge von etwa 3 cm gebracht. Die Metallstifte stellen dabei für die Frequenz der einfallenden, elektromagnetischen Zentimeterwellen Hertzsche Dipole dar. Die Dipole sind ein makroskopisches Analogon zu den langgestreckten Molekülen z.B. einer nematischen, flüssigkristallinen Substanz mit ausgeprägtem Längsdipolmoment, welche durch ein sog. Direktorfeld auf einer Glasoberfläche ausgerichtet werden. Abb. 15 zeigt eine solche in diesem Modellexperiment verwendete Glasplatte.
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Abb. 15 : Aus Metallstiften als Hertzschen Dipolen bestehender „Modellflüssigkristall“ mit einer Richtungsfernordnung in der Ebene der Glasplatte
Ihre Ausrichtung weist - wie oben in Abb. 15 und vergleichsweise in Abb. 12 links gezeigt - überwiegend in eine Richtung d.h. es besteht eine Richtungsfernordnung in der Anordnung der Dipole. Allerdings sind die Mittelpunkte der Metallstifte aber vollkommen regellos auf der Glas- oder Kunststoffplatte verteilt. Diese regellose oder auch „statistische“ Verteilung repräsentiert in dem Modell die flüssige Eigenschaft einer nematischen Substanz.
Hält man diese Platte so zwischen die gekreuzten Polarisatoren hinter der Hornantenne des Mikrowellensenders, daß die Richtung der Metallstifte als „Modellmoleküle“ unter einem Winkel von ca. 45 ° gegen die Richtungen der senkrecht zueinander stehenden Metallstäbe der Hertzschen Gitter orientiert sind erhält man nun einen deutlichen Empfang von Mikrowellenleistung mit Hilfe der Schottky - Diode (Abb. 18). Messgerät, Schreiber oder Oszilloskop zeigen durch eine elektrische Spannung einen deutlich nachweisbaren Betrag der elektrischen Feldstärke E der Zentimeterwellen an. Das zweite, als Analysator wirkende Hertzsche Gitter wird von dem elektrischen Feld teilweise passiert. Bei der Enfernung der Platte aus dem Feld verschwindet dieses transmittierte, elektrische Feldes wieder, die Anzeige geht auf Null zurück.
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Abb. 16 : Skizze der Versuchsaufbaus zur Polarsiationsänderung von Mikrowellen durch eine Glasplatte mit Dipolen als „Modellflüssigkristall“
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Abb. 17 : Veränderung des Polarisationszustandes durch einen Modellflüssigkristall (Glasplatte mit
Metalldipolen): Der Schreiber zeigt Empfang eines elektrischen Wellenfeldes an.
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Abb. 18 : Elektrische Feldstärke als Funktion der Beobachtungszeit. Zum Zeitpunkt t=t[l] wird der Modellflüssigkristall in die Anordnung gebracht. Es entsteht eine deutlich messbare Feldstärke an der Empfangsdiode, die Mikrowellen passieren den Analysator teilweise wieder.
Mit Hilfe der Schottky - Empfangsdiode lässt sich unter der Bedingung, daß die Ausrichtung der Metallstifte auf der Glasplatte in etwa 45° gegen die Vertikale geneigt ist im Zwischenraum zwischen der Platte und dem zweiten Polarisator eine Drehung der Schwingungsebene des elektrischen Feldes E der von links einfallenden elektromagnetischen Wellen um - 45° gegenüber den elektromagnetischen Wellen im Zwischenraum zwischen Platte und erstem Polarisator zum Mikrowellensender nachweisen.
Der Polarisationszustand der elektromagnetischen Wellen wird dabei in dem letzten Experiment von „senkrechter Polarisation“ (zwischen Polarisator und dem Kristallmodell) in eine 45° - Polarisation gegenüber der Orientierung der Stäbe des als Analysator wirkenden Hertzschen Gitters verändert (zwischen Kristallmodell und Analysator). Die Veränderung des Polarisationszustandes kommt in diesem Fall durch anisotrope Absorption der elektrischen Feldkomponente in Richtung der Metallstifte auf der Glasplatte zustande. Eine in der elektrischen Feldstärke in y - Richtung polarisierte, elektromagnetische Welle lässt sich zwei Komponenten E0 und Eao zerlegen, die senkrecht und in Querrichtung zu der Orientierungsrichtung der Metallstifte polarisiert sind :
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Die Wellenfeldkomponente Eao erfährt aufgrund der Orientierung der Metallstifte eine starke Absorption durch die Dipole, während die Komponente Ё0 durch die Platte nahezu ungehindert hindurchtritt. Dieser Effekt wird auch als Dichroismus bezeichnet. Somit werden die Feldkomponenten in der Orientierungsrichtung der Metallstifte durch anisotrope Absorption nahezu gleich Null, während die Komponente in der ordentlichen Richtung nahezu ungedämpft bleibt. Dies führt in der Summe des elektrischen Feldes auf eine Drehung der Polarisationsebene um 45° in der Richtung quer zur Orientierung der Metallstifte auf der Platte.
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Werden die Metallstifte auf dieser Platte als „Modellmoleküle“ allerdings in der Lage ihrer Mittelpunkte und der Orientierungsrichtung vollkommen regellos angeordnet, ergibt sich kein Nachweis von Mikrowellenleistung durch die Schottky - Diode hinter den gekreuzten Polarisatoren. Die Richtungsfernordnung der Metallstifte auf der Glasplatte ist Voraussetzung für den Nachweis der Veränderung des Polarisationszustandes. Dies ist die Analogie zu einer isotropen Flüssigkeit. Auch das Einbringen eines die Mikrowellen rein isotrop brechenden Materials (z.B. Gießharzblock) führt zu keiner Veränderung der Situation, es ist keine elektrische Feldamplitude der Mikrowellen hinter dem Analysator nachweisbar. Dieser Modellversuch bestätigt die Annahme, daß die optische Anisotropie bei Flüssigkristallen durch die Richtungsfernordnung formanisotroper Moleküle in z.B. „Stäbchenform“ vennsacht wird. Dieses Modell entspricht tatsächlich der räumlichen Gestalt von Molekülen von Substanzen, welche flüssigkristalline, nematische Eigenschaften zeigen. Der physikalische Unterschied besteht allerdings darin, daß Flüssigkristalle transparente Substanzen sind und deshalb nicht durch Dichroismus den Polarisationszustand verändern, sondern durch Doppelbrechung. Hier verändert sich die Polarisation der auftreffenden Lichtwellen nicht durch eine Dämpfung der Amplitude der Lichtwellen, sondern durch eine Phasendifferenz zwischen den Wellenfeldkomponenten der ordentlichen und außerordentlichen Lichtwelle. Beide Komponenten des Wellenfeldes erfahren in dem Flüssigkristall unterschiedliche Brechungsindizes und damit Phasengeschwindigkeiten, welche die Veränderung der Polarisation bewirken.
Es sind aktuell bereits über 50000 Substanzen und organische Verbindungen bekannt, welche solche flüssigkristallinen Phasen zeigen. Das Bauprinizip dieser Verbindungsklasse ist übereinstimmend mit den anschaulichen Erfahrungen aus dem Mikrowellenexperiment durch einen ausgeprägten, formanisotropen Molekülaufbau gegeben. Die Moleküle von Substanzen, welche flüssigkristalline (nematische) Phasen zeigen müssen etwa vier - sechsmal so lang wie breit im Durchmesser sein, einen formstabilen Grundkörper besitzen, ein ausgeprägtes Längs - oder Querdipolmoment aufweisen und mindestens eine flexible Alkylkette enthalten, damit der Schmelzpunkt der Substanz entsprechend niedrig liegt und ein Raumtemperaturflüssigkristall vorliegt und kein gewöhnlicher Festkörper bei Raumtemperatur. Typische, gut erforschte Substanzen, die bei Raumtemperatur eine flüssigkristalline (nematische) Phase durchlaufen sind das Methyloxybenzylidenbutylanilin (MBBA) sowie die Substanz Pentylcyanobiphenyl (PCB). Hierbei ist die nematische Phase nur eine von mehreren bekannten flüssigkristallinen Phasen, viele Substanzen weisen noch verschiedene smektische, flüssigkristalline Phasen und sog. cholesterinische Phasen auf. Die von Reinizer entdeckte Substanz gehört zu dieser Klasse von Flüssigkristallen mit cholesterinischen Phasen. Für die technische Anwendung von Flüssigkristallen in der Optik (z.B. elektrooptischen Zellen von Flüssigkristallbildschirmen) ist aber nur die nematische Phase interessant, weshalb sich in dieser Arbeit auch nur auf Substanzen beschränkt wird, welche bei Raumtemperatur eine nematische, flüssigkristalline Phase zeigen.
Ein weiterer Nachweis der flüssigkristallinen Phase - insbesondere der technologisch interessanten nematischen Phase - gelingt durch die Betrachtung der Substanzen unter dem Polarisationsmikroskop. Betrachtet man eine nematische Substanz zwischen Objektträger und Glasplättchen zwischen zwei gekreuzten Polarisatoren, so beobachtet man die für die nematische Phase typische „Schlierentextur“ (Abb. 19 a und b). Im Fall einer isotropen Flüssigkeit (Wasser) sind keine Strukturen zu erkennen, das Beobachtungsfeld bleibt erwartungsgemäß dunkel (Abb. 19 c).
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Abb. 19 : Typische „Schlierentexturen“ nematischer Flüssigkristalle : kommerzielle nematische Weitbereichsmischung (a), MBBA (b) und Wasser (c). Wasser zeigt als isotrope Flüssigkeit keine Texturbildung.
Der flüssigkristalline Zustand bestimmter Substanzen mit einer Richtungsfernordnung der Moleküle wurde in den Naturwissenschaften noch weit in das 20. Jahrhundert hinein als „unmöglich“ angenommen bzw. als „Ausnahmefall“ angesehen. Dies liegt wohl an der scheinbar erschöpfenden, mikroskopischen Beschreibung der Aggregatzustände durch reine Positionsanordnungen der Atome und Moleküle von Materialien, die allerdings für die Beschreibung von langgestreckten Molekülen mit den bereits aufgezählten Eigenschaften des Molekülaufbaus vollkommen unzureichend ist.
Auch der Chemiker Gustav Tamman verneinte die Existenz einer flüssigkristallinen Phase. Noch im Jahr 1969 ist in einem Lehrbuch der physikalischen Chemie zu lesen :
„Es gibt keinen Zustand, der etwa zusätzlich vorstellbar wäre oder zwischen diesen drei Aggregatzuständen fest, flüssig und gasförmig läge. “
Das Gebiet der Flüssigkristalle erlangte erst durch die Synthese des ersten Raumtemperaturflüssigkristalls durch Hans Kelker bei den Farbwerken Hoechst 1969, sowie der Arbeit der Physiker M. Schadt und W. Helfrich im Jahr 1971 technologische Bedeutung.
[ 2 Z ] Hierin wird eine elektrooptische Zelle auf der Basis von nematischen Flüssigkristallen entwickelt. Im Zusammenhang mit der Synthese von Raumtemperaturflüssigkristallen wie z.B. MBBA oder PCB konnten elektrooptische Flüssigkristallanzeigen für Uhren / Messgeräte etc. entwickelt werden, die die Idee eines Flüssigkristallbildschirms aufkommen ließ - eine Technologie die erst 35 Jahre später verwirklicht wurde.
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Abb.20 : Hans Kelker (1922 - 1992) synthetisiert im Jahr 1969 zusammen mit Bruno Scheuerle bei den Farbwerken Hoechst mit N-(p-methoxybezyliden)-p-n-butylanilin (MBBA) den ersten niedrig-viskosen, bei Raumtemperatur nematischen Flüssigkristall mit negativer dielektrischer Anisotropie für dynamisch streuende LCD's.
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Abb.21: Erster Hinweis durch eine Annonce der Fa. Hoechst auf die Möglichkeit eines flachen Femsehbildschirms, den man an die Wand hängen kann aus dem Jahr 1971 (linkes Bild). Diese Technologie wurde erst über 30 Jahre später realisiert (rechts).
Obwohl es über 50000 verschiedene Verbindungen mit unterschiedlichen, flüssigkristallinen Phasen gibt, sind nur wenige chemische Verbindungen bekannt, welche eine flüssigkristalline Phase bei Raumtemperatur zeigen. Für den Sonderfall der technologisch interessanten thermotropen, nematischen Flüssigkristalle mit rein nematischen Phasen gibt es nur wenige, reine Substanzen, welche nematische Phasen bei Raumtemperatur / unter Laborbedingungen zeigen. Typische Reinstoffe mit einer rein nematischen, flüssigkristallinen Phase bei Raumtemperatur unter Laborbedingungen sind beispielsweise das von Hans Kelker 1969 synthetisierte Methyloxybenzylidenbutylanilin, - Kurzform: „MBBA“ - sowie die Substanz Pentylcyanobiphenyl (Kurzform: „PCB“). Die Molekülstruktur des
Methyloxybenzylidenbutylanilin (MBBA, Summenformel: Cl8H21NO) ist wie folgt aufgebaut :
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Abb. 22 : Molekülstruktur des Methyloxybenzylindenbutylanilin, als Strukturformel (oben) und als Kalottenmodell (unten). Aus diesen Darstellungen wird bereits die für den nematischen Zustand charakteristische Formanisotropie des Moleküls („Stäbchenform“) deutlich.
Eine andere Substanz, welche bei Raumtemperatur unter Laborbedingungen eine flüssigkristalline, nematische Phase aufweist ist das Pentylcyanobiphenyl (PCB, Summenformel : C16H19N ), dessen Molekülstruktur folgende Gestalt aufweist :
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Abb. 23 : Molekülstruktur des Pentylcyanobiphenyl, als Strukturformel (oben) und als Kalottenmodell (unten) Aus diesen Darstellungen wird die für den nematischen Zustand charakteristische Formanisotropie des Moleküls („Stäbchenform“) deutlich. Auch diese Substanz ist ein nematischer Raumtemperaturflüssigkristall.
Die inzwischen sehr ausführlich untersuchte Substanz Methyloxybenzylidenbutylanilin verfügt über sämtliche bekannte Kriterien des Molekiilaufbaus zur Entstehung einer flüssigkristallinen Phase: Das Molekül zeigt eine starke Formanisotropie (ähnelt einer Stäbchenform) und ist ca. viermal so lang wie im Durchmesser. Ist der Abstand zwischen zwei Kohlenstoffatomen im Benzolring mit 140 pm bestimmt, so ergibt sich für den ungefähren Querdurchmesser des Moleküls von MBBA ein Wert von 240 pm. Die Längsausdehnung des Moleküls entspricht dann etwa 980 pm oder auch 0,98 nm. Das Verhältnis dieser Größen ergibt einen Wert von ca. 5,3, d.h. das Molekül ist ca. vier mal länger als breit. Es besitzt durch die CH - N - Doppelbindung zwischen den beiden aromatischen Ringsystemen innerhalb des Benzylidenanilins einen relativ starren, formstabilen Grundkörper ohne freie Drehbarkeit in der Moleküllängsachse (Gegenbeispiel : die kovalente C - C Einfachbindung im Ethan). Außerdem besitzt das Molekül einein Richtung seiner Längsachse weisende, flexible Alkylkette. Diese Alkylkette ist im MBBA insbesondere die Butylgmppe CH2-CH2-CH2-CH-, welche direkt mit dem aromatischen Ringsystem verbunden ist und mit der aromatischen Gruppe eine Arylgruppe bildet. Die Alkylkette ist relativ lang und unpolar, weshalb bei dieser Substanz eine schlechte Löslichkeit in Wasser und polaren Lösungsmitteln zu erwarten ist. Diese Eigenschaft der unpolaren Butylkette des MBBA zeigt sich darin, daß bei der Gerätereinigung von MBBA ein Reinigungskonzentrat verwendet wird, eine Reinigung mit destilliertem Wasser führt nicht zum Erfolg. Durch das freie Elektronenpaar am Stickstoffatom der CH - N - Doppelbindung entsteht eine starke negative Ladungsanhäufung und somit eine negative Partialladung in diesem Bereich, das Molekül weist ein ausgeprägtes Dipolmoment quer zu seiner Molekülachse auf. Das Dipolmoment des MBBA quer zu seiner Molekülachse bewirkt eine negative Anisotropie der Dielektrizitätszahl sr der Substanz. MBBA besitzt also eine negative DK - Anisotropie. (Дег < О)
Des Weiteren besitzt das Molekül auf der anderen Seite noch eine Methylgruppe, deren Einfluß auf die physikalischen und chemischen Eigenschaften des MBBA von eher geringer Bedeutung ist. Im Fall des Pentylcyanobiphenyls sind die Kriterien für die Entstehung einer flüssigkristallinen Phase durch einen formstabilen Grundkörper des Biphenyls gegeben. Hier sind ebenfalls zwei aromatische Ringsysteme durch eine Einfachbindung in Richtung der Moleküllängsachse koordiniert, welche durch die Abstoßung der Elektronensysteme der Aromaten untereinander sich senkrecht zueinander orientieren. Dies ist ein Orientierungszustand minimaler Energie, wodurch hier ebenfalls keine freie Drehbarkeit der Einfachbindung besteht. Die senkrechte Orientierung der Aromaten ist in dem Kalottenmodell des Pentylcyanobiphenyls relativ gut sichtbar. Im Grundzustand besitzt also auch dieses Molekül trotz der Einfachbindung in der Moleküllängsachse einen relativ stabilen Grundkörper aus zwei aromatischen Ringsystemen. Die Abmessungen des Moleküls von PCB entsprechen etwa den Abmessungen von MBBA. Außerdem ist eine relativ große Alkylkette in Form einer Valeryl- oder auch Pentylgruppe [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] vorhanden. Das Molekül weist auch insgesamt eine starke Formanisotropie auf (etwa 4 mal so lang wie im Durchmesser) und bildet daher ein eher stäbchenförmiges Molekül. Durch die C-N-Dreifachbindung mit einem freien Elektronenpaar am Ende des Moleküls ist hier wieder eine starke negative Ladungsanhäufung von Elektronen (negative Partialladung 5“) vorhanden. Die Elektronen der delokalisierten Elektronen des aromatischen Ringsystems werden zu dieser Gruppe polarisiert, so daß hier eine positive Partialladung 8+ vorhanden ist. Hierdurch entsteht ein ausgeprägtes Dipolmoment des Moleküls in der Längsachse („Längsdipolmoment“). Hierdurch ergibt sich eine positive Anisotropie der Dielektrizitätszahlsr der Substanz PCB. Pentylcyanobiphenyl besitzt also - im Unterschied zu MBBA - eine positive DK - Anisotropie (Asr >0).
Beiden organischen Verbindungen gemeinsam ist die Formanisotropie der Moleküle. Die Formanisotropie solcher Moleküle bewirkt, daß sich die Moleküle sich mit ihrer Längsachse parallel anordnen, so daß nach der Aufhebung der Positionsfernordnung am Schmelzpunkt noch eine Richtungsfernordnung durch die kollektive Parallelorientierung der Molekülachsen verbleibt. Diese bildet die typische, flüssigkristalline, nematische Phase der Substanzen. Diese Parallelorientierung führt dann auch zu makroskopisch richtungsabhängigen physikalischen Eigenschaften. Die Elektronensyteme zweier in Konjugation stehender, aromatischer Ringsysteme sind in der Richtung ihrer Verbindungsachse (Längsachse des Moleküls) leichter polarisierbar als in der Querachse, d.h. die Elektronen verhalten sich innerhalb eines solchen Moleküls ähnlich den frei beweglichen, elektrischen Ladungen in einem Hertzschen Dipol. Der makroskopisch beobachtbare Brechungsindex hängt mit der Polarisierbarkeit der Moleküle zusammen, so daß die optische Anisotropie und die Doppelbrechung der Flüssigkeit durch die Parallelorientierung dieser Moleküle leicht verständlich wird. Ein Flüssigkristall der nur durch Parallelorientierung der Moleküllängsachsen bei statistischer Verteilung der Molekülschwerpunkte gekennzeichnet ist wird als nematischer Flüssigkristall bezeichnet. Nematische Flüssigkristalle sind in der flüssigkristallinen Phase („nematische Phase“) optisch einachsig positiv. Dies bedeutet, daß das Brechungsindexellipsoid solcher Substanzen nur in Richtung der Moleküllängsachse von der Kugelform abweicht und hier einen außerordentlichen Brechungsindex nao zeigt. Die optische Achse der Substanz weist also in Richtung der Orientierungsrichtung der Molekülachsen des Flüssigkristalls.
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Abb. 24 : Darstellung des Indexellipsoides eines nematischen Flüssigkristalls bei Ausrichtung der Molekülachse der Substanz
Um einen für elektrooptische Anwendungen geeigneten Raumtemperaturflüssigkristall herzustellen ist die Synthese der Substanz Methyloxybenzylidenbutylanilin (MBBA) ein gutes Beispiel.
Die Synthese des Raumtemperaturnematen Metyloxybezylidenbutylanilin (MBBA) erfolgt mit Hilfe einer Kondensationsreaktion aus den Edukten Methyloxybenzaldehyd und para - n Butylanilin in wässeriger Lösung von Methanol. Eine Kondensationsreaktion ist eine Reaktion, welche bei der Synthese das Reaktionsprodukt unter der Abspaltung von Wasser erzeugt. Bei der MBBA - Synthese wird pro Mol des Raumtemperaturflüssigkristalls auch ein Mol Wasser erzeugt. Die chemische Reaktionsgleichung der MBBA - Synthese lautet :
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Summenformel - Reaktionsgleichung :
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Bedeutung des Symbols „1“ steht hierbei für „liquidus“ und bedeutet, daß die Stoffe in der flüssigen Phase vorliegen. Die Substanz Methanol wirkt bei dieser Reaktion im wesentlichen nur als Lösungsmittel und geht unverändert aus der Reaktion hervor.
Strukturformel - Reaktionsgleichung :
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Diese Darstellung der Reaktionsgleichung in Strukturformeln verdeutlicht die ablaufenden chemischen Vorgänge bei der MBBA - Synthese : Die Edukte Methyloxybezaldehyd und para-n-Butylanilin sind durch Ihre charakteristischen, funktionellen Gruppen gekennzeichnet: Methyloxybezaldehyd ist ein Aldehyd mit der funktionellen Carbonylgruppe - COH mit einer СО-Doppelbindung. Eine solche СО-Doppelbindung ist wegen der Elektronegativitätsdifferenz zwischen Sauerstoff und Kohlenstoff polarisiert, d.h. es treten Partialladungen ähnlich wie beim Dipolcharakter des Wassers auf. Hierbei liegt die positive Partialladung am Kohlenstoffatom, die negative Partialladung am Sauerstoffatom.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 25 : Methyloxybenzaldehyd ist ein Aldehyd und weist eine Carbonylgruppe mit einer polaren KohlenstoffSauerstoff - Doppelbindung auf (vergleichbar mit Methanal oder Ethanal) .
Solche Carbonylgruppen reagieren mit Wasser oder auch Aminogruppen durch eine Nucleophile Additionsreaktion. Im Fall der MBBA - Synthese ist das Butylanilin darstellbar als ein primäres Amin mit der für die Amine charakteristischen Aminogruppe (NH2- Gruppe) :
Die Kondensationsreaktion zwischen der Carbonylverbindung Methyloxybenzaldehyd und als primärem Amin fungierenden Butylanilin erfolgt über den Mechanismus der nucleophilen Additionsreaktion.
Zunächst wird dabei aus den Molekülen der Edukte über ein Zwitterion mit einem positiv geladenen Kohlenstoffatom und einem negativ geladenen Sauerstoffatom ein sog. Halbaminal gebildet. Am Sauerstoff wird ein Proton unter der Bildung einer OH - Gruppe angelagert. Die OH - Gruppe mit stark negativer Partialladung trennt das Wasserstoffatom mit positiver Partialladung aus der Bindung mit dem stark elektronegativen Stickstoff. Hierbei wird der Wasserstoff als freies Proton abgespalten und das freie Elektronenpaar am Stickstoff bleibt zurück. Durch Protonierung der OH - Gruppe bildet diese unter Abspaltung von dem Kohlenstoff ein freies Wassermolekül. Nach dieser Abspaltung von Wasser (Kondensation) entsteht das Produkt MBBA als Azomethin oder auch als Schiffsche Base. Die Gruppe der Azomethine ist durch eine C - N - Doppelbindung mit einfach am Stickstoff gebundenen und zweifach am Kohlenstoff gebundenen Molekülresten charakterisierbar. Die entstandene, flüssigkristalline Phasen zeigende Substanz Methyloxybenzylidenbutylanilin ist ein solches Azomethin oder auch Schiffsche Base.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 27 : Entstehung der Schiffschen Base Methyoxybezylidenbutylanilin durch nucleophile Additionsreaktion aus einem Halbaminal.
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