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Bachelorarbeit, 2011
50 Seiten, Note: 1,3
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abstract
1. Einleitung
2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Epistemologische Überzeugungen
2.1.1 Entwicklungspsychologische und persönlichkeitspsychologische Ansätze zu epistemologischen Überzeugungen
2.1.2 Epistemologische Überzeugungen im interkulturellen Vergleich.
2.2 Religious Cognitive Styles
2.2.1 Entwicklungsaspekte der religious cognitive styles
3. Methodisches Vorgehen.
3.1 Forschungsfragen und Hypothesen.
3.1.1 Zusammenhang zwischen orthodoxy und dem Sicherheitsaspekt epistemologischer Überzeugungen.
3.1.2 Zusammenhang zwischen external critique und dem Sicherheitsaspekt epistemologischer Überzeugungen.
3.1.3 Zusammenhang zwischen relativism und dem Sicherheitsaspekt epistemologischer Überzeugungen.
3.1.4 Zusammenhang zwischen orthodoxy und dem Entwicklungsaspekt epistemologischer Überzeugungen.
3.1.5 Zusammenhang zwischen external critique und dem Entwicklungsaspekt epistemologischer Überzeugungen.
3.1.6 Zusammenhang zwischen relativism und dem Entwicklungsaspekt epistemologischer Überzeugungen.
3.2 Stichprobe
3.3 Materialien
3.4 Durchführung
4. Darstellung der Befunde
4.1 Reliabilität der Skalen
4.2 Prüfung der Hypothesen.
4.2.1 Zusammenhang zwischen orthodoxy und dem Sicherheitsaspekt epistemologischer Überzeugungen.
4.2.2 Zusammenhang zwischen external critique und dem Sicherheitsaspekt epistemologischer Überzeugungen.
4.2.3 Zusammenhang zwischen relativism und dem Sicherheitsaspekt epistemologischer Überzeugungen.
4.2.4 Zusammenhang zwischen orthodoxy und dem Entwicklungsaspekt epistemologischer Überzeugungen.
4.2.5 Zusammenhang zwischen external critique und dem Entwicklungsaspekt epistemologischer Überzeugungen.
4.2.6 Zusammenhang zwischen relativism und dem Entwicklungsaspekt epistemologischer Überzeugungen.
4.2.7 Zusatzannahmen.
5. Diskussion
5.1 Methodische Einschränkungen.
5.2 Einbettung in den aktuellen Forschungsstand.
6. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis.
Anhang
Abbildung 1: Religionszugehörigkeit in Deutschland (Forschungsgruppe Weltanschauungen Deutschland, Fassung vom 03.01.2011)
Abbildung 2: The Integrative Personal Epistemology Model (Bendixen & Rule, 2004)
Abbildung 3: Religious cognitive styles nach Hutsebaut (1996)
Tabelle 1: Korrelationsanalysen zwischen den Skalen zu den religious cognitive styles und den Fragebögen zu epistemologischen Überzeugungen (Entwicklung und Sicherheit)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Epistemologische Überzeugungen beinhalten die subjektiven Theorien eines Individuums über die Natur des Wissens und des Wissenserwerbs. Sie stehen in einem engen Zusammenhang mit der schulischen Leistung Jugendlicher. In der vorliegenden Studie wird der Zusammenhang dieses Konstrukts mit religious cognitive styles untersucht. Diese beinhalten die Kognitionen eines Individuums über Religion. Realisiert wurde die Fragestellung im Rahmen einer Befragung von Jugendlichen im Alter von zwölf bis 18 Jahren, darunter solche, die eine Nähe zu religiösen Institutionen aufweisen. Im Jugendalter befinden sich sowohl epistemologische Überzeugungen als auch religious cognitive styles in einer interessanten Entwicklungsphase. Hypothesenkonform fand sich ein positiver Zusammenhang des religious cognitve style orthodoxy mit dem Sicherheitsaspekt epistemologischer Überzeugungen. Mit dem dynamischen beziehungsweise Entwicklungsaspekt epistemologischer Überzeugungen weist orthodoxy einen negativen Zusammenhang auf. Für den religious cognitive style relativism weist die Befundlage in Übereinstimmung mit den Hypothesen auf einen positiven Zusammenhang mit dem Entwicklungsaspekt und einen negativen Zusammenhang mit Sicherheitsaspekt epistemologischer Überzeugungen auf. Hinsichtlich des religious cognitive style external critique zeigen die Befunde einen positiven Zusammenhang mit dem Entwicklungsaspekt epistemologischer Überzeugungen. Ein Zusammenhang mit dem Sicherheitsaspekt epistemologischer Überzeugungen wurde nicht gefunden.
Die Religionszugehörigkeit in Deutschland stellt sich im Jahr 2010 wie folgt dar: 29,4% der deutschen Bevölkerung gehören der römisch-katholischen Kirche an, ebenfalls 29,4% der evangelischen Kirche, während 34,8% keiner Konfession angehören. 1,8% der Bevölkerung gehören einer anderen Konfession als den genannten an, und 4,6% stammen ihrer kulturellen Zugehörigkeit nach aus dem muslimischen Kulturkreis (fowid.de). Legt man für die Religionszugehörigkeit die formale Mitgliedschaft in einer religiösen Organisation als Kriterium an, sind nur 0,5% Prozent der Bevölkerung organisierte Muslime. Umfragen zufolge schätzen sich jedoch etwa die Hälfte der in Deutschland lebenden Personen aus dem muslimischen Kulturkreis als religiös ein, wonach also etwa 2,3% der Bevölkerung als gläubige Muslime zu betrachten wären (fowid.de).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 Religionszugehörigkeit in Deutschland
Die Mehrheit der Menschen in Deutschland gehört also einer christlichen Konfession an. Auch unter Jugendlichen besteht weltweit nach wie vor ein Interesse an Religion und Kirche. Diese Annahme wird durch die Besucherzahlen des von der römisch-katholischen Kirche veranstalteten Weltjugendtages gestützt. An dem vom 11. – 21. August 2005 in Köln stattfindenden Weltjugendtag nahmen 1,1 Million Menschen teil, für den Weltjugendtag vom 16. – 21. August 2011 in Madrid werden sogar 1,5 Millionen Teilnehmer erwartet (weltjugendtag.de).
Wieso sind diese Zahlen von Bedeutung? Sie verdeutlichen, dass Religion in unserer Gesellschaft nach wie vor ein wichtiges Thema ist. Empirische Befunde deuten zudem darauf hin, dass die Einstellung eines Individuums gegenüber Religion mit seinen kognitiven Strukturen und Denkgewohnheiten zusammenhängt (Allport, 1967; Altmeyer & Hunsberger, 1992; Herek, 1987;). Ausschlaggebend für den Zusammenhang mit anderen kognitiven Variablen ist dabei nicht nur die Tatsache, ob eine Person überhaupt religiös ist oder nicht, sondern insbesondere das, was eine Person über Religion denkt, religious orientation (Herek, 1987) oder religious cognitive style (Desimpelaere, Sulas, Duriez & Hutsebaut, 1999) genannt.
Die Identifikation mit einer religiösen Weltsicht und der dazugehörigen sozialen Gruppe wirkt identitätsstiftend (Ysseldyk, Matheson & Anisman, 2010) und kann Gefühle von wahrgenommener Unsicherheit in Bezug auf das Selbst und die Beschaffenheit der Wirklichkeit reduzieren (Hogg, Adelmann & Blagg, 2010; Ysseldyk et al., 2010). Dies ist darin begründet, dass religiöse Gruppen nicht nur normative Vorschriften für das tägliche Leben liefern, sondern darüber hinaus in Form von Glaubensinhalten die Natur der Existenz erklären (Hogg et al., 2010). Dass es dabei innerhalb eines Individuums zu einem subjektiv wahrgenommenen Konflikt zwischen akzeptierten religiösen Weltdeutungen und anderen Erklärungsmodellen der Wirklichkeit, etwa der Naturwissenschaft, kommen kann, konnte mehrfach gezeigt werden (Esbenshade, 1993; Lawson & Weser, 1990). In einer Befragung von Esbenshade (1993) gaben 28% der Highschool-Schüler, die eine naturwissenschaftliche Karriere anstrebten, an, dass ihre Religion sie dabei möglicherweise behindern könnte (Esbenshade, 1993). 62% der Schüler, die an einer naturwissenschaftlichen Karriere interessiert waren, gaben an, dass wissenschaftliche Theorien in ihrer Religion nur wenig akzeptiert seien (ebd.). Führt man sich diese Tatsachen vor Augen, liegt es nahe, einen Zusammenhang zwischen dem religious cognitive style eines Individuums mit einem anderen Konstrukt der Psychologie anzunehmen, den epistemologischen Überzeugungen (Karabenick & Moosa, 2005; Unger, Draper & Pendergrass, 1986). Diese beinhalten die subjektiven Theorien und Überzeugungen eines Individuums über das Wissen und den Wissenserwerb (Hofer & Pintrich, 1997). Es konnte gefunden werden, dass fortgeschrittene epistemologische Überzeugungen sich positiv auf die verwendeten Lernstrategien von Jugendlichen und auf den Schulerfolg auswirken und somit in pädagogischen Kontexten zu berücksichtigen sind (Cano, 2005; Phan, 2006; Schommer-Aikins, 2004; Urhahne & Hopf, 2004).
Es ist von Bedeutung, Lehr- und Lernumgebungen derart zu gestalten, dass alle Lernenden gleichermaßen davon profitieren, ungeachtet ihres kulturellen oder religiösen Hintergrundes (vgl. Kat & Tienda, 1995). Die zentrale Fragestellung dieser Studie ist nun, welcher Art der Zusammenhang des religious cognitive style eines Individuums mit seinen epistemologischen Überzeugungen ist. Die Beantwortung dieser Frage könnte Anregungen liefern für die Gestaltung von schulischen und außerschulischen Lehr- und Lernkontexten, in die Personen mit unterschiedlichen religiösen Überzeugungen gleichermaßen eingebunden sind. In der vorliegenden Arbeit sollen zunächst die für das Verständnis der Fragestellung relevanten theoretischen Konstrukte definiert werden, bevor die Frage nach dem Zusammenhang von religious cognitive styles und epistemologischen Überzeugungen empirisch beantwortet wird.
Der Begriff „Epistemologie“ ist abgeleitet von den altgriechischen Wörtern ἐπιστήμη (epistéme: Erkenntnis, Wissen) und λόγος (lógos: Wissenschaft, Lehre) (Bauer, Aland & Aland, 1988). In der Philosophie ist die Epistemologie der Teilbereich, der sich mit der Natur und der Rechtfertigung menschlichen Wissens beschäftigt (Hofer & Pintrich, 1997). Epistemologische Überzeugungen als Konstrukt in der Psychologie haben die Einstellungen eines Individuums über die Struktur des Wissens, sowie den Prozess des Wissenserwerbs zum Inhalt (Hofer, 2002). Sie bezeichnen demnach subjektive Repräsentationen eines Individuums über die Natur, die Organisation und die Quellen des Wissens ebenso wie über den Wahrheitsgehalt und die Begründung wissensbezogener Annahmen (vgl. Mason, Gava & Boldrin, 2008). Dass epistemologische Überzeugungen kein einheitlich definiertes Konstrukt darstellen, lässt sich aus der vielfältigen Namensgebung in diesem Feld ablesen. In der Literatur finden sich beispielsweise die Bezeichnungen epistemological beliefs (Schommer, 1990), epistemological position (Perry, 1970), epistemological style (Martin, Silva, Newman & Thayer, 1994), oder aber personal epistemology (Hofer & Pintrich, 1997), die inhaltlich und methodisch aber nur geringfügig andere Schwerpunkte setzen. Den genannten Ansätzen ist gemeinsam, dass sie die kognitiven Prozesse eines Individuums zum Inhalt haben, die zur Beurteilung der Objektivität, Richtigkeit, Aussagekraft und der Herkunft von Wissen eine Rolle spielen (vgl. Gruber & Stamouli, 2009). In der vorliegenden Studie wird für diese kognitiven Prozesse der Begriff „epistemologische Überzeugungen“ verwendet. Untern den verschiedenen inhaltlichen Dimensionen epistemologischer Überzeugungen sind für die vorliegende Studie der Sicherheitsaspekt, der sich auf die subjektiv wahrgenommene Sicherheit von Wissen bezieht, und der dynamische beziehungsweise Entwicklungsaspekt epistemologischer Überzeugungen, der sich auf die subjektiv wahrgenommene Veränderlichkeit und den Fortschritt von Wissen bezieht, von besonderer Bedeutung. Diese beiden haben sich in der empirischen Forschung als mögliche Kernaspekte epistemologischer Überzeugungen herauskristallisiert (vgl. Conley, Pintrich, Vekiri & Harrison, 2004; Trautwein & Lüdtke, 2007). Dass epistemologische Überzeugungen die Effektivität des Wissenserwerbs beeinflussen und somit im Kontext von Lehr- und Lernumgebungen eine bedeutende Rolle spielen, zeigt sich darin, dass sie eine direkte Wirkung auf die von einem Individduum verwendeten Lernstrategien und auf den Lernerfolg haben (Cano, 2005; Phan, 2006; Schommer-Aikins, 2004; Urhahne & Hopf, 2004,). Lernstrategien beeinflussen ihrerseits wieder den Lernerfolg, sodass epistemologische Überzeugungen diesen sowohl mittelbar als auch unmittelbar modellieren (Schommer-Aikins, 2004). Bezüglich der epistemologischen Dimensionen Sicherheit, Entwicklung und Rechtfertigung des Wissens konnte im Rahmen einer Untersuchung an Schülern der neunten Jahrgangsstufe des Gymnasiums gezeigt werden, dass fortgeschrittene epistemologische Überzeugungen auf diesen Dimensionen mit einer geringeren Verwendung von Wiederholungsstrategien und einer häufigeren Verwendung von Elaborations-, Kontroll- und Anstrengungsstrategien einhergehen. Ebenso fanden sich positive Korrelationen zwischen fortgeschrittenen epistemologischen Überzeugungen und Leistungsmotivation, naturwissenschaftlichem Interesse sowie einem positiven Selbstkonzept für die untersuchten Schulfächer Physik und Biologie (Urhahne & Hopf, 2004). In einer anderen Studie konnte gezeigt werden, dass fortgeschrittene epistemologische Überzeugungen sich positiv auf die Verwendung tiefenbezogener Lernstrategien im Gegensatz zu oberflächenbezogenen Lernstrategien auswirken (Cano, 2005). Bei der tiefenbezogenen Lernstrategie versucht der Lerner, die Intention des Autors zu verstehen und die Lerninhalte mit der eigenen persönlichen Erfahrung und dem Vorwissen zu verbinden, hingegen dient die oberflächenbezogene Lernstrategie lediglich dem Ziel, die Lerninhalte wiedergeben zu können (Biggs, 1987). Es fand sich eine positive Beeinflussung des Schulerfolgs durch die tiefenbezogene Lernstrategie (Cano, 2005).
Um epistemologische Überzeugungen im Rahmen des kognitiven Systems des Menschen einzuordnen, ist es hilfreich, sich epistemologische Überzeugungen analog zu einem andern Konstrukt der Psychologie vorzustellen, den Schemata. Unter dem Begriff Schemata werden Denkregeln verstanden, die sich auf einen bestimmten Gegenstand beziehen, dessen Wahrnehmung bestimmen und es erleichtern, neu gewonnene Informationen zu integrieren (Bartlett, 1932). Schemata bilden Repräsentationen von Handlungen und Erfahrungen, die aus der Interaktion eines Individuums mit seiner Umwelt resultieren und repräsentieren das dabei gewonnene Wissen auf einem höheren Abstraktionsniveau (vgl. Bartlett, 1932). Analog dazu sind epistomologische Überzegungen als Schemata über das Wissen zu verstehen (Hofer, 2004). Es gibt empirische Hinweise darauf, dass epistemologische Überzeugungen tatsächlich als solche Denkregeln zu verstehen sind und sich daher mit Hilfe von Schemata modellieren lassen (Hofer, 2004).
Schon recht früh in der Geschichte der Forschung zu epistemologischen Überzeugungen wurde der Fokus auf den Bereich der individuellen Entwicklung epistemologischen Denkens gelenkt. So geht Perry (1970), der in Bezugnahme auf subjektive Vorstellungen über die Objektivität, die Richtigkeit, die Aussagekraft und die Herkunft des Wissens von epistemological positions spricht, davon aus, dass jedes Individuum von einem dualistischen Stadium zu einem relativistischen Stadium schreitet.
„Eine dualistische Sichtweise beinhaltet eine kategorische Perspektive auf die Welt. Es gibt nur richtiges oder falsches Wissen ('Sicherheit des Wissens'), das aus einzelnen Fakten besteht ('Komplexität des Wissens'). Um dieses Wissen zu erlangen, muss auf Autoritäten zurückgegriffen werden ('Wissensquelle'). Darüber hinaus muss dieses Wissen nicht ständig neu überprüft oder hinterfragt werden ('Wissensbegründung'). Eine relativistische Sichtweise zeichnet sich demgegenüber durch die Annahmen aus, dass Wissen sich immer wieder verändert und nicht ein für alle Mal feststeht ('Sicherheit des Wissens'). Wissen besteht aus einer Vielzahl miteinander verbundener Konstrukte ('Komplexität des Wissens'), die durchaus auch durch eigenes Nachdenken erfahrbar werden ('Wissensquelle'). Dieses Wissen sollte aber immer auch vor dem Hintergrund neuer Informationen evaluiert werden ('Wissensbegründung').“ (Gerber, 2004, S.64).
Im Gegensatz zu dieser entwicklungspsychologischen Sichtweise auf epistemologische Überzeugungen steht der persönlichkeitspsychologische Ansatz, dessen prominenteste Vertreterin Schommer ist. Schommer geht davon aus, dass epistemologische Überzeugungen ein multidimensionales Konstrukt darstellen, das aus mehreren untereinander teilweise abhänigen Dimensionen besteht: Struktur, Sicherheit und Quelle des Wissens, Kontrolle über den Wissenserwerb und Geschwindigkeit des Wissenserwerbs (Schommer, 1990, 1993a, 1993b). Im Gegensatz zu Perry (1970) geht sie nicht von einer vorgegeben Entwicklungsrichtung in Form aufeinernader aufbauender und sich gegenseitig ablösender Stadien epistemologischer Überzeugungen aus (Perry, 1970). Als ein Faktor, der zur Entwicklung epistemologischer Überzeugungen über die Lebensspane beiträgt, kann der zunehmede Grad an Bildung in der persönlichen Entwicklung eines Individuums betrachtet werden (Bendixen, Dunkle & Schraw, 1994). Je weiter fortgeschritten ein Individuum in seiner schulischen beziehungsweise akademischen Ausbildung ist, umso sophistizierter sind seine epistemologischen Überzeugungen (Bendixen et al., 1994). Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass Bildung ein Individuum einerseits mit neuem Wissen und Informationen versorgt, und ihm gleichzeitig abverlangt, bisher bestehende Überzeugungen in Frage zu stellen und gegebenenfalls zu revidieren, falls diese mit neu gewonnener Evidenz in Konflikt stehen (Schraw, 2001). Gleichwohl in der Forschungsgemeinschaft aktuell ein Konsens darüber besteht, dass sich epistemologische Überzeugungen im Laufe der Zeit verändern (Perry, 1970; Schommer, 1990; Moschner & Gruber, 2005), existieren weiterhin Unstimmigkeiten darüber, wie die Beziehung zwischen den epistemologischen Überzeugungen eines Individuums und deren Entwicklungsprozess zu spezifizieren ist (vgl. Bendixen & Rule, 2004). Bendixen und Rule (2004) haben ein integratives Modell epistemologischer Überzeugungen entwickelt, welches sich aus folgenden Elementen zusammensetzt: (a) Entwicklungsmechanismen (z.B. epistemischer Zweifel, epistemische Volition, Lösungsstrategien, wie Reflektion und soziale Interaktion), (b) Dimensionen von Überzeugungen (Sicherheit, Komplexität, Rechtfertigung, Quellen des Wissens), (c) fortgeschrittene Überzeugungen, (d) Metakognitionen, (e) Bedingungen für Umstrukturierungen (z.B. Dissonanz und persönliche Relevanz), (f) Emotionen, (g) kognitive Fähigkeiten und Umwelt (physikalische Umwelt, soziale Situationen, historische Ereignisse usw.) sowie (h) reziproke Beeinflussung (vgl. Bendixen & Rule, 2004).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2 The Integrative Personal Epistemology Model (Bendixen & Rule, 2004)
Die Tatsache, dass dieses Modell einen besonderen Schwerpunkt auf die wechselseitige Interaktion zwischen den epistemologischen Überzeugungen einerseits und den Faktoren der Umwelt andererseits legt, hebt es gegenüber anderen Ansätzen, die diesen Aspekt vernachlässigen, hervor. Daher bildet es einen geeigneten theoretischen Rahmen, um die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Faktoren der Umwelt und der epistemologischen Überzeugungen von Individuen genauer zu betrachten. Es kann als sicher angesehen werden, dass Religion einen Einfluss auf die Einstellungen und das Verhalten eines Individuums ausüben kann und somit einen relevanten Faktor in der Umwelt eines Individuums darstellt, der auch die Überzeugungen dieses Individuums über die Natur des Wissens zu beeinflussen vermag (King & Crowther, 2004).
Kulturvergleichende Fragestellungen in Bezug auf die persönliche Epistemologie waren bereits vielfach Gegenstand des Forschungsinteresses (Karabenick & Moosa, 2005; Quian & Pan, 2002). So untersuchten Karabenick und Moosa (2005), inwiefern sich omanische College-Studenten von US-amerikanischen College-Studenten im Hinblick auf verschiedene Dimensionen der Epistemologie, etwa der Quelle des Wissens oder der Komplexität des Wissens, unterschieden. Die Autoren heben hier den bedeutenden Einfluss der Staatsreligion Omans, des Islams, hervor, den sie als einen möglichen Faktor mit dem Potential, epistemologische Überzeugungen zu formen, verstehen. „Islam, the state religion exerts profound influence over most aspects of Omani society in that the Quran prescribes politics, economics, law and justice, and social behavior, as well as theology” (Karabenick & Moosa, 2005, S. 377). Es fand sich, dass omanischen College-Studenten im Vergleich zu US-amerikanischen Studenten Wissen eher als einfach denn als komplex sowie eher als sicher denn als veränderlich erscheint. Auch nehmen omanischen Studenten Wissen eher als basierend auf dem Urteil von Autoritäten über den Wahrheitsgehalt des Wissens war als US-amerikanische Studenten. In ihrer Diskussion der Ergebnisse weisen die Autoren darauf hin, dass Variablen wie Religiosität oder Fundamentalismus von besonderem Interesse für die weitere Forschung auf diesem Gebiet sein sollten . Unger, Draper und Pendergrass (1986) gehen ebenfalls davon aus, dass religiöse Überzeugungen mit epistemologischen Überzeugungen zusammenhängen. Sie sehen es als wahrscheinlich an, dass Individuen Inhalte bevorzugen, die ihren individuellen epistemologischen Überzeugungen entsprechen (Unger, Draper & Pendergrass, 1986).
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