Diplomarbeit, 2011
59 Seiten, Note: 2,0
1 Einleitung
1.1 Anatomie und Physiologie des Blutegels
1.2 Das Nervensystem von Hirudo
1.3 Blutzusammensetzung von Hirudo
1.4 Wirkung von Aufbewahrungsmedien auf isolierte Segmentalganglien
1.5 Fragestellung
2 Material und Methoden
2.1 Bezug und Haltung der Blutegel
2.2 Präparation und Aufbewahrung der Segmentalganglien
2.3 Aufbewahrungsmedien
2.4 Testlösungen
2.5 Mikroelektroden
2.6 Baderdung
2.7 Messapparatur und Versuchsaufbau für die Elektrophysiologie
2.8 Elektrophysiologische Versuchsprotokolle
2.9 Mikroskopie
2.10 Datenauswertung
3 Ergebnisse
3.1 Elektrophysiologische Versuche
3.2 Morphologische Veränderungen der Segmentalganglien
4 Diskussion
4.1 Zielsetzung der Arbeit & Zusammenfassung der Versuchsergebnisse
4.2 Stoffaufnahme und Energiestoffwechsel in Segmentalganglien des Blutegels
4.3 Die Hypothese der anaplerotische Aufnahme organischer Säurereste
5 Zusammenfassung
6 Literatur- & Quellenverzeichnis
7 Anhang
8 Erklärung
9 Danksagung
Die Blutegel der Gattung Hirudo sind ursprünglich in Eurasien und Vorderafrika heimische parasitische Ringelwürmer. Das natürliche Habitat sind flache, nährstoffarme Gewässer wie die Uferbereiche von Fließgewässern und Seen, Sumpfland und andere feuchte Landbiotope, selten auch Brackwasserzonen im Mündungsbereich von Flüssen.
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Abbildung 1: Habitus von Hirudo verbana. (Foto aus Wüsten 2003).
Der Körper des Blutegels ist unbeborstet, im ungestreckten Zustand 3 bis 5 cm und im gestreckten Zustand bis zu 15 cm lang (Abb. 1). Adulte Blutegel können gestreckt bis zu 15 cm Länge erreichen. Der Körper ist segmentiert, wobei die äußeren Ringe (Annuli) nicht die tatsächliche Segmentierung abbilden. Das Coelom ist sekundär reduziert und mit Bindegewebe verwachsen. Der Hautmuskelschlauch besteht aus Ring-, Quer-, Längs- und Dorsoventralmuskeln und ist kräftig ausgeprägt. Am vorderen und hinterem Körperende verfügt Hirudo über zwei muskulöse Saugnäpfe, die zur Fortbewegung und Anhaftung an Oberflächen dienen. Der vordere Saugnapf (Mundsaugnapf) verfügt über drei kräftige zahnbewehrte Kiefer, mit der die Haut von Wirtstieren durchbissen werden kann. Blutegel parasitieren an allen zur Verfügung stehenden Wirbeltieren und nehmen meist mehrere ml Blut pro Mahlzeit auf. Hirudo ist zwittrig und eierlegend und wird mit etwa 3 Jahren geschlechtsreif. Blutegel können bis zu 20 Jahre alt werden. (Sawyer 1986, Mehlhorn & Piekarski 2002)
Der Blutegel besitzt ein geschlossenes Blutgefäßsystem mit vier großen Hauptgefäßen (Dorsal- und Ventralgefäß sowie zwei Lateralgefäße), die das Tier in Längsrichtung durchziehen und durch zahlreiche kleinere Gefäße miteinander verbunden sind. Die von Muskulatur umhüllten Lateralgefaße bilden die Herzröhren des Egels, die durch rhythmische Kontraktionen fur einen kontinuierlichen Blutfluss sorgen (Kristan et al. 2005).
Die prominenteste Art der Gattung Hirudo ist der medizinische Blutegel Hirudo medicinalis. Der ungarische Blutegel wurde lange als dessen Unterart Hirudo medicinalis var. verbana angesehen. Nach neueren molekulargenetischen Untersuchungen wird er jedoch jetzt als eigene Art Hirudo verbana betrachtet (Trontelj et al. 2004, Siddall et al. 2007). Ungeachtet des taxonomischen Status' wird in dieser Arbeit die Bezeichnung Hirudo verbana verwendet.
Das Zentralnervensystem (ZNS) des Blutegels ist segmentiert und wird als Variante des Strickleiternervensystems aufgefasst. Es besteht aus 34 Ganglien, von denen die ersten 6 zu einem Kopfganglion und die letzten 7 zu einem Analganglion verschmolzen sind. Die restlichen 21 Ganglien bilden als Segmentalganglien das Bauchmark, das im ventralen Blutgefäß des Tieres lokalisiert ist. Die Segmentalganglien sind durch paarige Konnektive und den Faivre'schen Nerv miteinander sowie durchje 2 Paare von Seitenwurzeln mit ihren Effektororganen verbunden. Jedes Segmentalganglion lässt sich einem Körpersegment zuordnen. Das Nervensystem ist unvaskularisiert, wird aber aufgrund seiner Lage ständig von Blut umspült (Sawyer 1986).
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Abbildung 2: Zentralnervensystem des Blutegels. Anatomie und Lage im Körper.
links: Ventralansicht mit der Lage von Kopf- und Analganglion sowie der 21 Segmentalganglien (nach Gillon & Wallace 1984). rechts: Aufrisszeichnung mit Hautmuskelschlauch, Verdauungstrakt, den großen Blutgefäßen und Segmentalganglien-Kette im Ventralgefäß (aus Nicholls & van Essen 1974)
Die einzelnen Segmentalganglien haben ein Querschnitt von ~500 gm und sind stereotyp aufgebaut.
Das Ganglion als ganzes ist von einer Bindegewebskapsel umgeben. Die ~ 400 außen liegenden Neuronzellkörper sind in 6 Paketen angeordnet, die neben Neuronenje eine große, stark verzweigte Packetgliazelle und eine Vielzahl von Mikrogliazellen enthalten. Das Neuropil im Inneren des Ganglions enthält Axone und Dendriten der Neuronen, die hier synaptische Kontakte ausbilden, sowie zwei große, verzweigte Neuropil-Gliazellen. Von diesem schematischen Aufbau weichen lediglich das fünfte und sechste Segmentalganglion, die die Geschlechtsorgane innervieren, mit insgesamt ~ 700 Neuronen ab.
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Abbildung 3: Segmentalganglion des Blutegels.
links: Durchlichtaufnahme von ventral (aus Nicholls & Baylor 1968); anterior oben, posterior unten. Deutlich erkennbar sind die Konturen der Neuronzellkörper. Die Packetgrenzen erscheinen als hellere, zellfreie Bereiche. Die Konnektive und der Faivre'sche Nerv verbinden die Segmentalganglien miteinander, die paarigen Seitenwurzeln verbinden das Segmentalganglion mit der Peripherie. rechts: Schemazeichnung Querschnitt (Nicholls & van Essen 1974, nach Coggeshall & Fawcett 1964). Das Neuropil im Zentrum enthält Axone und Dendriten der außen liegenden Neuronzellkörper. Die Bindegewebskapsel umgibt das Ganglion.
Im Kontext dieser Arbeit sind zwei Typen von Nervenzellen von besonderer Bedeutung. Die zentral gelegenen, paarigen Retzius-Neuronen sind mit einem Soma von 50 - 80 pm Durchmesser die größten Neurone des Egels („kolossale Ganglienzelle“, Retzius 1891). Sie sind miteinander elektrisch gekoppelt, feuern spontan Aktionspotentiale und sind beteiligt an der Koordination der Schwimmbewegung, Kontrolle des Muskeltonus und der Schleimsekretion (Carretta 1988). Die Leydig-Neuronen sind deutlich kleiner und liegen peripher vor der Gabelung der Seitenwurzeln. Auch sie feuern spontan Aktionspotentiale und sind beteiligt an der Modulation des Herzschlags durch Steuerung der Kontraktion der Lateralgefäße (Arbas & Calabrese 1990).
Die Zusammensetzung des Blutes von Hirudo wurde mehrfach untersucht. Die vorhandenen Analysen sind inkonsistent; Haltungsbedingungen, Methodik der Blutentnahme und Analyseergebnisse varieren teilweise stark.
Nicholls & Kuffler (1964) bestimmten den Gehalt von Na+ zu ~ 130 mM und den von K+ zu ~ 4 mM, trafen aber keine Aussage zu den vorhandenen Anionen. Boroffka (1968) bestimmte die ionale Zusammensetzung des Blutes mit 125 mM Na+ und 36 mM Cl". Somit bestand ein Defizit von ~ 90 mM negativer Ladungen, das auf das mögliche Vorhandensein mehrwertiger Anionen zurückgeführt wurde. Zur Klärung dieses Umstands wurde eine Suche nach verschiedenen Verbindungen durchgeführt, die zum Ergebnis hatte, dass organische Säurereste die wichtigsten Anionen im Blut von Hirudo medicinalis darstellen (Zerbst-Boroffka 1970). Demnach enthält es unter anderem Citrat, Laktat, Fumarat und Succinat, jeweils in Konzentrationen zwischen 5 und 15 mM. Das Anionendefizit konnte somit im Rahmen der Messunsicherheit als geklärt betrachtet werden.
Tabelle 1 : Blutzusammensetzung von Hirudo im Ruhezustand. Literaturdaten, gekürzt. Eine vollständige Zusammenstellung findet sich in Tab. 16 im Anhang.
Zebeetal. (1981) untersuchten Stoffwechselvorgänge des Blutegels in Umgebungen mit verschiedenem Sauerstoffgehalt. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass unter normoxischen
Bedingungen ~ 9 mM Malat als einziges organisches Anion in relevanter Konzentration vorhanden ist. Somit bestand erneut ein starkes Aniondefizit. Dieses Ergebnis wurde von Hildebrandt & Oeschger (1987) weitestgehend bestätigt. Wenning & Hoeger (1987) bestätigten erneut Malat als wichtigstes organisches Kation, fanden jedoch eine Gesamtkonzentration organischer Säurereste äquivalent zu ~ 83 mM einfach negativer Ladungen, womit das Aniondefizit erneut als geschlossen betrachtet wurde. Hoeger et al. (1989) bestätigten dieses Ergebnis, stellten aber fest, dass die Blutzusammensetzung offenbar stark von der Methode der Blutentnahme beinflusst wird. Versuche zum Energiestoffwechsel von Hildebrandt & Zerbst-Boroffka (1992) und Nieczaj & Zerbst- Boroffka (1993) bestätigten im wesentlichen diese Daten, und stellten zudem fest, dass die Zusammensetzung des Blutes abhängig ist von der Salinität des Wassers und dem CO2-Gehalt der Luft, in der die Egel gehalten wurden. Die von Zerbst-Boroffka (1970) erhobenen Daten ähneln der Blutzusammensetzung nach starker Muskeltätigkeit oder nach mehrstündigem Aufenthalt in Salzwasser. Die gennanten Literaturdaten sind gekürzt in Tabelle 1 und vollständig in Tabelle 16im Anhang zusammengestellt. siehe Kommentar nach S. 56 bezüglich orange hinterlegter Bereiche Zusammenfassend lässt sich nach aktueller Datenlage zur Zusammensetzung des Blutegelblutes feststellen, dass Malat mit ~ 15 mM das häufigste Anion, Na+ mit ~ 130 mM das häufigste Kation ist.
In an den Blutegel angepasster Ringerlösung („Normalsalzlösung“) beträgt die Lebensdauer isolierter Segmentalganglien etwa einen Tag (Lucht 1997, Falkenberg 2009). Isolierte Neuronen überleben in Ringerlösung ~ 2 Tage (Nicholls 1987).
Die Inkulturnahme isolierten Blutegel-Segmentalganglien oder Neuronen ist eine etablierte Arbeitstechnik. Als Kulturmedium wurde Leibovitz-Medium L-15 zum ersten Mal bei Miyazaki et al. (1975) für diesen Zweck verwendet. L-15-Medium ist ein Gewebekulturmedium, das zur Kultivierung von neuronalem Gewebe, aber auch von Invertebraten-Zellinien geeignet ist (Morton 1970). Es enthält anorganische Salze (Na+, Cl-, K+, Mg2+, H2POz), 17 proteinogene Aminosäuren (kein Aspartat, Glutamat, oder Prolin), Vitamine aus der B-Gruppe, Galaktose, 5 mM Pyruvat und weitere Bestandteile in Konzentrationen im gM-Bereich. (Leibovitz 1963).
Dem Medium werden meist 2 - 10 % fötales Kälberserum (FBS), sowie Antibiotika (z. B. Penicillin, Ampicillin, Streptomycin) und Antimikotika (z. B. Nystatin, Amphotericin) zugesetzt. In den meisten Fällen findet sich auch der Zusatz von Glucose, fast immer in einer Konzentration von 30 mM.
In diesem Kulturmedium bleiben die elektrophysiologischen Eigenschaften der Neuronen isolierter Segmentalganglien über ~3 Wochen unverändert, lediglich die Bindegewebskapsel trübt leicht ein (Miyazaki & Nicholls 1976, Ready & Nicholls 1979). Isolierte Neuronen können auch ohne Gliazellen für mehrere Wochen in-situ-Eigenschaften bewahren (Fuchs et al. 1981). Auch ohne den Zusatz von Glucose wird von einer Haltbarkeit der Zellen von bis zu 3 Wochen berichtet (Nicholls etal. 1990).
Unabhängig vom Leibovitz-Kulturmedium wurden basierend auf den vorhandenen Analysen verschiedene Blutersatzlösungen mit unterschiedlichen Anteilen organischer Säureresten vorgeschlagen. Falkenberg (2009) untersuchte den Einfluss von Blutersatzlösung nach Zerbst- Boroffka (5 mM Citrat, 15 mM Succinat, 10 mM Fumarat, 10 mM Laktat; vgl. Anhang Tab. 17) auf das elektrophysiologische Verhalten der Retzius-Neuronen isolierter Segmentalganglien. Es wurden folgende Ergebnisse erhalten:
Das Ruhemembranpotential (Ruhe-Em) der Retzius-Neuronen war am Präparationstag unabhängig davon, ob sie in Normalsalzlösung (NSL) oder Blutersatzlösung (BEL) aufbewahrt wurden. Das Ruhe-Em brach in NSL innerhalb von drei Tagen praktisch zusammen, während es in BEL stabil blieb. In BEL werden über einen Zeitraum von mindestens 3 Tagen spontane Aktionspotentiale gebildet, in NSL lediglich einen Tag. Das Cl--Gleichgewichtspotential (Ea) der Retzius-Neuronen war in BEL dauerhaft negativer als in NSL. Die mechanische Stabilität und Transparenz der Bindegewebskapsel der Segmentalganglien blieb in BEL für mindestens 3 Tage erhalten, während in NSL aufbewahrte Ganglien schnell trüb und brüchig wurden.
Zokoll (2010) stellte fest, dass reduzierte BEL, die nur Citrat, Fumarat oder Succinat enthalten, ähnlich geeignet sind, die Haltbarkeit isolierter Ganglien zu verlängern, wie vollständige BEL mit allen Komponenten. Eine reduzierte BEL, die lediglich Laktat als organischen Säurerest enhielt, hatte hingegen keinen Effekt in diese Richtung. Als mögliche Erklärung für die verlängerte Haltbarkeit der Ganglien in Gegenwart organischer Säuren wurde die anaplerotische Zuführung von Citrat, Fumarat und Succinat in den Citratzyklus genannt.
Die Lage des Zentralnervensystems des Blutegels im Ventralgefäß legt die Vermutung nahe, dass die Energieversorgung des Nervensystems über das Blut des Tieres erfolgt (siehe 1.2). Die Untersuchungen von Falkenberg (2009) und Zokoll (2010), die sich auf eine Analyse der Blutzusammensetzung von Zerbst-Boroffka stützen (siehe 1.4), haben gezeigt, dass die Lebensdauer isolierter Segmentalganglien in Gegenwart von Citrat, Succinat oder Fumarat deutlich verlängert war, während Laktat diese Wirkung nicht hatte. Dieser Befund spricht dafür, dass die Segmentalganglien imstande sind, diese organischen Säurereste aufzunehmen und zu verstoffwechseln.
Spätere Untesuchungen zeigten jedoch, dass Malat die das primäre organische Anion im Blutegelblut ist (siehe 1.3). Daher wurde hier untersucht, ob die Gegenwart von Malat die Lebensdauer isolierter Segmentalganlien ähnlich verlängert, wie Citrat, Succinat oder Fumarat.
Weiterhin existiert eine Vielzahl von Studien, bei denen isolierte Segmentalganglien oder einzelne Zellen für bis zu 3 Wochen kultiviert wurden. Als Kulturmedium wurde durchweg Leibovitz-15 Medium genutzt (siehe 1.4), dass unter anderem 5 mM Pyruvat enthält. Deshalb wurde hier ebenfalls untersucht, ob Pyruvat in der Lage ist, die die Lebensdauer isolierter Segmentalganglien zu verlängern.
Zur Ernährung von Segmentalganglien in Kultur wurde dem Medium häufig Glucose zugegeben, in der Regel 10 mM in Ringerlösung (Nicholls & Baylor 1968) und 30 mM in Leibovitz-Medium. Es ist aber bekannt, dass Zellen des Blutegel-ZNS auch ohne Glucosezusatz bis zu 3 Wochen in Leibovitz-Medium kultivierbar sind. Es stellt sich die Frage, ob Glucose tatsächlich geeignet ist, isolierte Segmentalganglien zu ernähren. Darum wurde hier untersucht, ob Glucose in der Lage ist, die die Lebensdauer isolierter Segmentalganglien zu verlängern.
Darüber hinaus wurde der Frage nachgegangen, ob Malat, Pyruvat oder Glucose die elektrophysiologischen Eigenschaften der Zellen isolierter Segmentalganglien verändern.
Verwendet wurden in Serbien und der vorderen Türkei wildgefangene, vom Importeur 32 Wochen zwischengehaltene und unter der Handelsbezeichnung „Medizinische Blutegel: Hirudo medicinalis/verbana/orientalis“ vertriebene Tiere. Alle Versuchtiere wurden anhand ihrer Bauch- und Rückenzeichnung als H verbana bestimmt (vgl. Siddall et al. 2007). Während der Zwischenhälterung wurden die Tiere nicht gefüttert (M. Aurich, Biebertaler Blutegelzucht, pers. Mitteilung v. 08.03.2011). Die Haltung im Labor erfolgte in luftdurchlässig schließenden
Kunststoffschalen, die ~ 2,5 cm hoch mit mit Wasseraufbereitungsmittel versetztem Leitungswasser gefüllt waren, bei 10 - 12°C in einem Kühlschrank. Die Egel waren zum Versuchszeitpunkt adult, ungestreckt 3-5 cm und gestreckt 9-13 cm lang. Der Magen war bei der Präparation in jedem Fall mit Blut gefüllt.
Die Blutegel wurden an Bauch- und Kopfsaugnapf mit Stecknadeln in einer Schale mit Wachsboden festgesteckt und gestreckt. Die Tötung erfolgte durch einen tiefen Schnitt hinter dem Mundsaugnapf und Durchtrennen der Konnektive zwischen 1. und 2. Segmentalganglion. Das Tier wurde entlang der dorsalen Medianlinie aufgeschnitten. Die Eröffnung der Leibeshöhle und Präparation des ZNS erfolgte mittels einer Augenschere unter einem Auflicht-Stereomikroskop (Lucht 1998). An den einzelnen Segmentalganglien wurde dorsal und ventral je ~ 2 mm Konnektiv, lateral je ~ 1mm Seitenwurzel belassen. Die isolierten Segmentalganglien wurden in Glasschalen mit je ~ 1,8 ml Aufbewahrungslösung überführt, mit Uhrgläsern luftdurchlässig abgedeckt und bei 10 - 12 °C im Kühlschrank gelagert. Zur Verminderung der Keimbelastung wurde gluscosehaltiges Medium (siehe 2.3) täglich, alle anderen Medien mindestens alle 3 Tage gewechselt.
Bei allen Lösungen, die mit dem Inneren der Leibeshöhle sowie dem isolierten ZNS in Kontakt gebracht wurden, handelte es sich um mit HEPES (2-(4-(2-Hydroxyethyl)-1-piperazinyl)- ethansulfonsäure) gepufferte physiologische Lösungen mit pH 7,4. Alle Aufbewahrungsmedien dienten bei den Experimenten auch als Superfusionslösung an der Messapparatur.
Zum Ansetzen der Aufbewahrungsmedien wurden folgende Stammlösungen verwendet:
1M NaCl, 1 M KCl, 1 CaCh, 500mM MgCh, 1M HEPES, 100 mM Na-Pyruvat, 100mMNa2-Malat. Der pH-Wert wurde mit 1M NaOH eingestellt. Eine vollständige Zusammenstellung der verwendeten Chemikalien findet sich in Tab. 13 im Anhang.
Normalsalzlösung (NSL) ist eine modifizierte Ringerlösung für Egelpräparate (Lohr 1998, vgl. Nicholls & Baylor 1968). Außer zur Aufbewahrung von Ganglien wurde sie auch als Spüllösung während der Präparation verwendet. Die Lösung wurde im Kühlschrank gelagert und wöchentlich neu angesetzt.
Tabelle 2: Zusammensetzung der verwendeten Aufbewahrungsmedien. Konzentrationen in mmol/l, Osmolarität in mosm/l
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Zum Ansetzen von Normalsalzlösung mit Glucose (Glucose-NSL) wurden 0,49 g GlucoseMonohydrat eingewogen, in 250 ml NSL aufgelöst und die Lösung anschließend mittels eines Spritzenfilters mit 0,22 pm Porendurchmesser sterilfiltriert. Die Lösung wurde im Kühlschrank gelagert und alle drei Tage neu angesetzt.
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Tabelle 3: Substanzen in den Aufbewahrungsmedien
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Bei den verwendeten Blutersatzlösungen (BEL) wurden die Konzentrationen an Kationen und HEPES der NSL beibehalten, Cl- wurde anteilsmäßig durch organische Säurereste ersetzt.
5 mM Pyruvat-Blutersatzlösung (Pyruvat-BEL) lehnt sich an den Pyruvat-Anteil von Leibovitz- Medium an. Die Lösung enthält 5 mM Pyruvat, womit der Cl--Gehalt im Vergleich zu NSL um 5 mM reduziert war. Die Lösung wurde im Kühlschrank gelagert und wöchentlich neu angesetzt.
15 mM Malat-Blutersatzlösung (Malat-BEL) leht sich an die Analysen des Blutegel-Bluts von Zebe et al. (1981) und Hildebrandt & Zerbst-Boroffka (1992) an. Die Lösung enthält 15 mM Malat. Da Malat ein zweiwertiges Anion ist, war der Cl--Gehalt im Vergleich zu NSL um 30 mM reduziert. Die Lösung wurde im Kühlschrank gelagert und wöchentlich neu angesetzt.
Für die elektrophysiologischen Versuche wurden Testlösungen mit erhöhter K+-Konzentration, Serotonin (5-Hydroxytryptamin, 5-HT) und Kainat angesetzt. Eine vollständige Zusammenstellung der verwendeten Chemikalien findet sich in Tab. 13 im Anhang.
40 mM K+-Testlösungen wurden analog zu den Aufbewahrungsmedien in 2.3 angesetzt, wobei jeweils 36 mM NaCl durch 36 mM KCl ersetzt wurden. Der pH-Wert wurde statt mit NaOH mit 1 M KOH eingestellt. Die Lösungen wurden im Kühlschrank gelagert und wöchentlich neu angesetzt
Zum Ansetzen von Serotonin-Testlösung wurde 1 mM Serotonin-Kreatinin-Sulfat-Komplex in das entsprechende Aufbewahrungsmedium eingewogen. Die Lösungen wurden im Kühlschrank gelagert und alle 3 Tage neu angesetzt.
Zum Ansetzen von Kainat-Testlösungen mit 1, 3, 10, und 30 pM wurde die entsprechenden Menge an 25 mM Kainsäure-Stammlösung zum jeweiligen Aufbewahrungsmedium pipettiert. Die Lösungen wurden im Kühlschrank gelagert und wöchentlich neu angesetzt
Verwendet wurden elektrolytgefüllte Einzelkanal-Glasmikroelektroden. Zur Herstellung der Elektroden wurden Borosilikatglas-Kapillaren (0 außen 1,5 mm, 0 innen 0,86 mm, Länge 7,5 cm) mit einem Vertikalpullers scharf ausgezogen. Diese Rohelektroden wurden mittels einer Einmalspritze mit 23-Gauge-Kanüle luftblasenfrei mit Elektrolyt befällt (0,5 M K2SO4 / 20 mM KCl in wässriger Lösung). In den Elektrodenschaft wurde ein chlorierter Silberdraht (0 0,5 mm) so tief eingeführt, dass sich das Vorderende des Drahtes ~ 1 mm vor Beginn der Verjüngung befand. Die Elektroden wurden am Hinterende mit Hart-Klebewachs luftdicht versiegelt. Der Elektrodenwiderstand betrug ~ 60 MD.
Eine Zusammenstellung von Material & Geräten findet sich in den Tab. 13 und Tab. 14 im Anhang.
Das Versuchsbad wurde über eine Agarbrücke geerdet. Zur Herstellung der Brücke wurden Plastikschlauchstücke (0 außen 3 mm, 0 innen 2 mm, Länge 4 cm) blasenfrei mit 3 % Agar in 3 mM KCl-Lösung befüllt, ein chlorierter Silberdraht bis ~ 8 mm vor Schlauchende eingeschoben und die Elektroden am Hinterende mit Hart-Klebewachs luftdicht verschlossen.
Die isolierten Segmentalganglien wurden in einer Versuchkammer fixiert. Dazu wurde der Boden einer Durchflusskammer aus Plexiglas mit Zweikomponenten-Silikonkautschuk ausgegossen und die an den Ganglien belassenen Konnektive und Seitenwurzeln mit Minutien (feinen Insektennadeln) unter leichtem Zug darin festgesteckt. Die Zufuhr der Superfusionslösungen erfolgte nach dem Prinzip eines Saughebers, wobei die Schläuche (0 innen 1 mm) durch eine mit Klemmen versehene Mischbatterie geführt wurden, um die Lösung schnell wechseln zu können. Abgesaugt wurde die Lösung aus der Kammer durch eine mit einer Rollenpumpe verbundene Kapillare. Das Kammervolumen betrug ~ 0,13 ml und die Superfusionsgeschwindigkeit betrug ~14 pl/s ; somit wurde die Lösung in der Kammer etwa alle 9 s ausgetauscht.
Die Badektrode wurde durch eine Bohrung in die Versuchskammer geführt. Die Bohrung befand sich gegenüber dem Lösungszufluss in der Nähe der Absaugkapillare, so dass ein Kontakt des Präparats mit dem aus der Agarbrücke diffundierendem KCl ausgeschlossen war. Die Mikroelektrode wurde im Halter eines mechanischen Mikromanipulators befestigt. Beide Elektroden waren über Kupferkabel mit Krokodilklemmen an einen Messkopf angeschlossen, der wiederum über ein niederohmiges Kabel mit einem Elektrodenverstärker verbunden war. Vom Elektrodenverstärker ausgehend wurde das Signal auf einem Oszilloskop dargestellt und mittels eines Papierschreibers analog registriert. Zugleich wurde das Signal mit einem Analog-DigitalWandler (Digitizer) digitalisiert und über einen seriellen Anschluss an einen PC übertragen, wo es mit einem Datenregistrierungsprogramm mit einer Aufnahmefrequenz von 5 kHz aufgezeichnet wurde.
Die Versuche wurden zur optischen Kontrolle unter einem Stereomikroskop mit 17,5- bis 112,5facher Vergößerung durchgeführt. Zu diesem Zweck war es möglich, die Kammer von unten her zu beleuchten.
Zur Reduktion von Rauschen und Störungen befanden sich Messkammer, Absauger, Mikromanipulator, Elektroden und Messkopf des Elektrodenverstärkers auf einer schwingungsgedämpften Stahlplatte, die auf pneumatischen Stoßdämpfern gelagert war. Dieser Teil des Versuchsaufbaus war innerhalb eines Faraday'schen Käfigs aus Stahlblech untergebracht. Die einzelnen Komponenten (mit Ausnahme der Mikroelektrode) waren elektrisch leitend miteinander verbunden und über den Erdungsanschluss des Oszilloskops geerdet.
Eine Liste der verwendeten Geräte mit Hersteller- & Typenbezeichnung findet sich in Tab. 14 im Anhang.
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Abbildung 4: Versuchsaufbau Elektrophysiologie.
Vereinfachtes Schema der Messapparatur.
Die untersuchten Zellen wurden anhand ihrer Lage und ihres elektrophysiologischen Verhaltens identifiziert. Nach dem Einstich der Elektrode wurde eine Weile gewartet, bis das gemessene Membranpotential über einen Zeitraum von mindestens 1 min im Bereich von ± 1 mV stabil blieb. Diese Einheilzeit betrug zwischen 2 und 30 min, im Regelfall etwa 10 min (siehe Abb. 10, 13, 16). Nach dem Einheilen wurde derjeweilige Versuch durchgeführt. Nach Abschluss des Versuches und Auszug der Elektrode aus der Zelle lief die Aufzeichnung für etwa 1 min nach, um eine eventuelle Drift des Bezugspotentials festtellen zu können. Alle verwendeten Lösungen wurden in Badkontrollen auf ihren Einfluss auf das Elektrodenpotential untersucht. Lediglich der Wechsel der Superfusionslösung von NSL auf Malat-BEL führte zu einer Veränderung des Elektrodenpotentials um —4 mV. Dieser Effekt wurde bei der Datenauswertung berücksichtigt. Alle Versuche wurden bei Raumtemperatur von 18 bis 25°C durchgeführt.
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