Fachbuch, 2014
88 Seiten
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Malinche (1505-um 1529)
auf einem Wandgemälde im Palacio de Gobierno in Tlaxcala-Stadt (Mexiko)
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Hernán Cortés (1485-1547).
Zeichnung von Christoph Weidlitz (1498-1559) aus Straßburg.
Er hielt sich 1529 in Spanien auf und zeichnete damals Cortés.
Meiner lieben Frau Doris gewidmet
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Francisco Pizarro (1478-1541)
Die Gefährtin des spanischen Eroberers
Zur berühmtesten Ureinwohnerin Lateinamerikas im 16. Jahrhundert entwickelte sich die Indianerin Malinche (1505-um 1529), indianisch Malintzin Tenepal oder Malinalli genannt und von den Spaniern auf den Namen Dona Marina getauft. Die kluge Aztekin stieg von der Sklavin der Maya-Indianer zur Geliebten des spanischen Eroberers Hernán Cortés (1485-1547) auf. Ohne ihre Hilfe hätte Cortés Mexiko nicht so leicht in seine Gewalt bringen können. Denn sie lieferte ihm wichtige Informationen und gewann die Feinde der Azteken als Verbündete für die Spanier.
Hernán Cortés kam 1485 in Medellin im Königreich Kastilien und León zur Welt. Seine Eltern gehörten dem niederen spanischen Adel an und waren nicht mit Reichtümern gesegnet. Seine Mutter war entfernt mit dem spanischen Konquistador Francisco Pizarro (1478- 1541) verwandt, der ab 1531 das Inkareich in Peru eroberte und 1535 Lima gründete.
Ab dem Alter von 14 Jahren studierte Cortés an der Universität Salamanca Rechtswissenschaft. Aber nach zwei Jahren brach er dieses Studium ab und kehrte nach Medellin zurück. Die zwei Jahre in Salamanca und seine
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Diego Velázquez de Cuellar (um 1465-um 1524) späteren Erfahrungen als Notar machten ihn mit der kastilischen Rechtsordnung vertraut. Danach trat er in den Kriegsdienst und schiffte sich 1504 nach Westindien ein. Dort arbeitete er bei dem mit ihm verwandten Statthalter von Hispaniola, Nicolás de Ovando. Malinche wurde 1505 bei Coatzacoalcos an der Golfküste des Isthmus von Tehuantepec geboren. Ihr Vater gehörte offenbar dem indianischen Adel an. Er soll als Kazike (Häuptling) über Paynala und weitere Ortschaften geherrscht haben.
Bereits im Kindesalter nahm das Leben von Malinche eine tragische Wende. Ihr Vater starb, ihre Mutter heiratete wieder und brachte einen Sohn zur Welt. Um ihrem Sohn statt der erstgeborenen Malinche das Anrecht auf das Erbe der Familie zu sichern, verkaufte die Mutter ihre Tochter an Sklavenhändler der Maya aus dem weiter östlich gelegenen Xicalango. In ihrer Heimat verbreitete die Mutter das Gerücht, ihre Tochter sei gestorben. Später wurde Malinche weiter nach Tabasco verkauft oder verschleppt. Über ihre Zeit in Tabasco weiß man nichts.
1511 nahm Hernán Cortés unter dem Kommando von Diego Velázquez de Cuéllar (um 1465-um 1524) an der Eroberung von Kuba teil. Cortés wurde dank seiner Tüchtigkeit der Sekretär von Velázquez, nachdem jener zum Gouverneur (Statthalter) von Kuba aufgestiegen war. Velázquez teilte Cortés auf Kuba ein Repartimiento in Cuavanacan am Río Duaba zu. Als Repartimiento bezeichnete man die Zuteilung von Indios an Eroberer. Dies war mit dem Auftrag verbunden, Missionierung und Akkulturation der Eingeborenen zu gewährleisten sowie militärische Bereitschaft zu zeigen. Dafür erhiel- ten die Eroberer das Privileg, die von den Indios ge- schuldeten Tribute und Arbeitsleistungen (Zwangsarbeit auf den Landgütern und in den Bergwerken) für sich zu nutzen. Cortés ließ die ihm anvertrauten Taino- Indianer nach Gold suchen und kam zu einem Vermögen. Außerdem arbeitete er als Notar, verdiente Geld mit Viehzucht und berechnete den königlichen Anteil der Goldproduktion auf Kuba. Damals nahmen andere Kolonisten Cortés nicht ernst, weil er sich noch nicht als Eroberer hervorgetan hatte. Spötter nannten ihn „Cortesillo“, den „kleinen Cortés“.
1515 verlegte Diego Velázquez de Cuéllar die kubanische Hauptstadt von Baracoa nach Santiago. Cortés begleitete ihn dorthin und wurde als Alcalde zum Ober- befehlshaber und Friedensrichter der neuen Hauptstadt. Ungeachtet dessen hatte Cortés immer wieder Dif- ferenzen mit dem Gouverneur. Velázquez ließ Cortés sogar für kurze Zeit ins Gefängnis einsperren, weil dieser Catalina Suarez nicht heiraten wollte, der er die Ehe versprochen hatte. Cortés gelang der Ausbruch, geriet aber erneut in Gefangenschaft. Unter dem Druck des Gouverneurs heiratete Cortés schließlich Catalina, versöhnte sich mit Velázquez und der Familie seiner Frau. Aus der Ehe gingen keine Kinder hervor.
Zweimal unternahm Gouverneur Velázquez den Ver- such, seinen Machtbereich zu vergrößern. Aus diesem Grund schickte er 1517 eine Expedition unter Francisco Hernández de Córdoba (gestorben 1517) an die unbekannte Küste von Mittelamerika. Córdoba erlag nach der Rückkehr in Kuba seinen schweren Ver- letzungen durch Pfeile der Maya. 1518 folgte eine Expedition unter Juan de Grijalva (1490-1527). Durch diese beiden Expeditionen erfuhr Velázquez vom Goldreichtum der Indios.
Anschließend rüstete Gouverneur Velázquez eine dritte Expedition aus und ernannte Cortés zum Kom- mandanten. Als Velázquez durch Freunde vor dem Ehrgeiz von Cortés gewarnt wurde, nahm er seinen Auftrag zurück. Aber der reiche Cortés hatte schon seine ganze Habe verkauft und auf eigene Kosten eine Expedition ausgerüstet.
Am 18. Februar 1519 segelte Hernán Cortés mit einer Flottille von insgesamt elf Schiffen von Havanna auf Kuba zur Küste von Mittelamerika. Zur Flottille zähl- ten neben dem Flagschiff „Santa Maria de la Con- cepción“ von Cortés drei weitere Karavellen und sieben kleinere Brigantinen. Die Mannschaft bestand aus insgesamt 670 Mann, überwiegend jungen Männern aus Spanien, Genua, Neapel, Portugal und Frankreich. Davon waren rund 100 Matronen und mehr als 500 Soldaten. Zur Ausrüstung gehörten zehn Kanonen und 16 Pferde.
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Bild Seite 10:
Francisco Hernández de Córdoba (gestorben 1517)
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Bild Seite 11:
Juan de Grijalva (1490-1527)
Auf der Insel Cozumel befreite die Expedition von Cortés den Spanier Gerónimo de Aguilar aus der Gefangenschaft der dortigen Indios. Aguilar war acht Jahre zuvor an der Küste dieser Insel gestrandet, hatte bei den Maya als Sklave gelebt und in dieser Zeit ihre Sprache gelernt.
Cortés segelte um die östliche Spitze von Yucatán und in nördlicher Richtung an der Küste entlang. Dann fuhr er in den Fluss Tabasco und wollte nahe der indianischen Stadt Tabasco an Land gehen, um Trinkwasser zu beschaffen. Weil die dortigen Maya-Indianer die Landung der Spanier nicht zulassen wollten, griffen sie an. Nach heftigem Kampf besiegte Cortés die Ein- geborenen, die durch die Pferde der Konquistadoren eingeschüchtert wurden, weil sie solche Tiere noch nie gesehen hatten. Die bezwungenen und verängstigten Indios unterwarfen sich Cortés und dem König von Spanien. Sie erklärten sich bereit, Tribut zu entrichten und schenkten Cortés am 15. März 1519 goldene Schmuckstücke, Truthühner und 20 Sklavinnen, unter denen sich Malinche befand.
Anschließend erklärten die Spanier den indianischen Sklavinnen die Grundsätze der christlichen Religion. Man taufte die Indianerinnen und gab ihnen spanische Namen. Malinche trug fortan den christlichen Tauf- namen Doña Marina. Bei diesen Feierlichkeiten erhielt die Stadt Tabasco den neuen Namen Santa Maria de la Victoria.
Nach der Taufe verteilte man die Sklavinnen an spanische Offiziere. Erster Herr von Doña Marina bzw. Malinche, wie sie heute genannt wird, wurde Alonso Hernández Portocarrero, einer der Begleiter von Cortés. Cortés und seine Männer setzten ihre Fahrt in nord- westlicher Richtung fort. Am 21. April 1519 landeten sie bei San Juan de Ulúa. Die dort lebenden Azteken, die sich selbst Mexica nannten, empfingen die weißen Fremden freundlich und überreichten ihnen Gold, Edelsteine, Kleidung und prächtigen Federschmuck als Geschenke. So reich hatte der Herrscher der Azteken, Moctezuma II. Xocoyotzin (1467-1519), dessen Name „zorniger Herr“ bedeutete, vorher noch niemand beschenkt. Damit verstärkte Moctezuma die ge- heimnisvolle Aura, die Cortés umgab. Möglicherweise hielt der Aztekenherrscher Moctezuma den Eroberer Cortés für einen Gott.
Ungeachtet dessen lehnte Moctezuma den Wunsch von Cortés ab, ihn in Tenochtitlán besuchen zu dürfen. Moctezuma wollte mit seinen großzügigen Gold- geschenken die Fremden besänftigen und sie dazu bewegen, sein Land zu verlassen. Doch die prachtvollen Goldgeschenke steigerten die Habgier der Spanier.
Als die Konquistadoren das Herrschaftsgebiet der Azteken betraten, wo man nicht mehr die Sprache der Maya, sondern Nahuatl sprach, schienen die Dol- metscherdienste von Gerónimo de Aguilar nutzlos zu werden. Damals erfuhr Cortés, dass Malinche außer ihrer
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Moctezuma II. Xocoyotzin (1467-1519), Bild von Antonio De Solis (1610-1688)
Muttersprache Nahuatl auch die Sprache der Maya beherrschte, deren Sklavin sie lange gewesen war. Für Cortés war dies ein großer Glücksfall. Denn Malinche ermöglichte die Kommunikation mit den Azteken und ihren Vasallen. Malinche war mit der Denkweise der Völker in Mesoamerika vertraut, übersetzte, was Cortés sagte, und ergänzte dies oft mit eigenen, hinzugefügten Erklärungen.
Sobald Cortés mit seiner Expedition auf Azteken oder andere Nahuatl sprechende Völker stieß, übersetzten Malinche und Aguilar das Nahuatl aztekischer oder tlaxcaltekischer Gesandter zunächst in die Maya-Sprache und dann ins Spanische. Dank ihrer Intelligenz lernte Malinche schnell selbst Spanisch und die Dienste von Aguilar wurden überflüssig.
Als Dolmetscherin hielt sich Malinche immer in Nähe von Cortés auf. Aus diesem Grund wurde der Kon- quistador von den Indianern bald „Capitán Malinche“ genannt. Frei übersetzt hieß dies etwa „Herr der Malinche“.
Um vom Statthalter Diego Velázquez de Cuéllar unab- hängig zu werden, gründete Cortés in Namen des Kö- nigs und unter königlicher Autorität eine selbstständige Kolonie nach dem Vorbild der spanischen Korpora- tionen. Dieser Kolonie verlieh er den Namen Villa Rica de la Vera Cruz (Veracruz). Dem spanischen König Karl
I. (1500-1558), der ab dem 28. Juni 1519 als Karl V. Römischer König und künftiger Kaiser des „Heiligen
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König Karl I. (1500-1558),
seit 28. Juni 1519 Kaiser Karl V. Gemälde von
Peter Paul Rubens (1577-1640)
Römischen Reiches Deutscher Nation“ war, schickte Cortés ein Rechtfertigungsschreiben mit Geschenken der Azteken.
Im April 1519 ließ Cortés seine Schiffe zerstören, nach- dem Segel, Anker, Kompasse und andere bewegliche Teile an Land gebracht worden waren. Damit nahm er sich und seinen Männern bewusst die Möglichkeit zur Rückkehr und setzte alles auf eine Karte. Cortés überschritt seine Vollmachten, machte hohe Schulden und ging ein großes Risiko ein. Bei einem Scheitern hätte man ihn auf Kuba abgeurteilt oder als Verräter in Ketten nach Spanien gebracht. Nur bei einem Erfolg konnte er sich gegen den kubanischen Gouverneur Velázquez wehren, seine Gläubiger zufriedenstellen und vor dem spanischen König als Held erscheinen.
Bevor Cortés mit 452 Soldaten, 6 leichten Geschützen sowie Hunderten von indianischen Lastenträgern dem Marsch nach Tenochtitlán antrat, ließ er in Villa Rica de la Vera Cruz eine kleine Truppe unter dem Kommando von Juan de Escalante zurück. Die meisten dieser zurückgelassenen Männer waren für den Marsch zu alt, krank oder bei den ersten Kämpfen in Tabasco verletzt worden und noch nicht wieder genesen.
Cortés hatte von dem „Dicken Kaziken“ der Totonaken wertvolle Informationen über Land und Leute sowie eine Einladung nach Cempoala erhalten. Die von den Azteken wenige Jahre zuvor unterworfenen Totonaken beklagten sich bei Cortés über den Aztekenherrscher Moctezuma II. und die erdrückende Last der Tribut- zahlungen.
Durch seine Dolmetscherin Malinche erfuhr Cortés viel Wissenswertes über das Aztekenreich. Dort gab es kein klar umrissenes Staatsgebiet, keine einheitliche Sprache, wenngleich Nahuatl fast überall verstanden wurde, keine einheitliche Verwaltung, kein einheitliches Rechtssystem und kein stehendes Heer. Der Vielvölkerstaat wurde nur durch die enorme militärische Macht der Azteken zusammengehalten. Weil das aztekische Heer nur für Kriegszüge aufgestellt wurde, existierte keine militärische Sicherung des Reiches. Falls die Azteken ein Volk unterworfen hatten, mussten die Kaziken Tribut an den Herrscher in Tenochtitlán in Form von Edelmetallen, Kunsthandwerk, Nahrungsmitteln und Menschen entrichten. Letztere wurden von den Azteken versklavt oder auf Altären den Göttern geopfert. Wenn Tributforderungen nicht erfüllt wurden, löste dies einen weiteren Kriegszug aus. Durch jeden Sieg der Azteken wuchs die Zahl ihrer Feinde noch mehr.
Die Totonaken erhofften sich von Cortés ihre Freiheit. Deswegen baten sie ihn um seine militärische Unterstützung gegen die Azteken. Cortes sagte den Totonaken zu, sie vor den Azteken zu schützen. Außerdem überredete er den Kaziken, die damals zufällig anwesenden aztekischen Tributeintreiber gefangenzunehmen. Zudem drängte er die Totonaken, ihr erzwungenes Bündnis mit den Azteken zu beenden. Den aztekischen Tributeinnehmern half Cortés, heimlich zur Flucht. Diese sollten Nachrichten von ihm an Moctezuma II. überbringen. Die Tributeintreiber berichteten ihrem Herrscher, Cortés wolle sein Freund und Verbündeter sein. Den Totonaken dagegen sicherte Cortés Schutz und Waffenhilfe bei einem Angriff der Azteken zu.
Von den Totonaken erfuhr Cortés auch über die Feindschaft der Tlaxcalteken zu den Azteken. Die Tlaxcalteken hatten sich viele Jahre den Azteken in zahlreichen Schlachten widersetzt und keinen Tribut entrichtet. Cortés wollte deswegen auch mit den Tlaxcalteken ein Bündnis eingehen.
Vermutlich ab Sommer 1519 wurde die zungenfertige Malinche die Geliebte von Cortés. Von ihr erfuhr der spanische Eroberer alles über das Reich der Azteken, deren Götter und Moctezuma II. Xocoyotzin, der den aztekischen Herrschaftstitel „Tlatoani“ („der, der regiert“) trug.
Am 16. August 1519 brach Cortés mit 500 Fußsoldaten,
16 Reitern, 30 Armbrustschützen und 12 Arkebusieren zum Marsch gegen die Azteken auf. In seiner Begleitung befanden sich etwa 400 Krieger der Totonaken des Kaziken von Cempoala. Seine Artillerie umfasste 6 Geschütze, 10 bronzene Feldschlangen, 4 Falconieren und etliche Bombarden. Vor allem zu Beginn des Feldzuges war Malinche bei jeder Schlacht der Spanier mit den Indios dabei und schwebte dabei oft in Todesgefahr. Die mutige Indianerin sah bei den Scharmützeln nicht nur tatenlos zu.
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