Examensarbeit, 2004
81 Seiten, Note: 8 Punkte
1. Einleitung
2. Sachanalyse des Themas
2.1. Vom Ereignis bis zur Nachrichtenagentur
2.2. Die Auswahl der Nachrichten in einer Zeitung
2.2.1. Die Nachrichtenfaktoren
2.2.2. Der Zeitungstyp
2.2.3. Persönliche Einstellungen
3. Medien als Informationsquellen im Unterricht
3.1. Politikdidaktische Begründung
3.2. Didaktische Reduktionen des Themas
3.2.1. Die erste Phase- Reduktion bei der inhaltlichen Vorbereitung
3.2.2. Die zweite Phase- Reduktion im Kompaktteil
4. Beschreibung der Unterrichtsreihe
4.1. Lernvoraussetzungen und Klassensituation in der Klasse 9 spezial 2
4.2. Vorbereitung der Kompaktphase
4.2.1. Einstiegsstunde
4.2.2. Nachrichtenfaktoren und Zeitungstypen
4.2.3. Zusammenfassung der Vorbereitungsstunden
4.3. Die Kompaktstunde
4.3.1. Auswahl und Begründung der Ziele
4.3.2. Begründung des didaktisch-methodischen Vorgehens
4.3.3. Tabellarischer Stundenaufriss
5. Reflexion der Unterrichtseinheit
5.1. Reflexion der ersten beiden Stunden
5.2. Reflexion der Kompaktstunden
5.3. Gesamtreflexion
6. Anhang
Anlage 1 Einstiegsfolien
Anlage 2 Vom Ereignis zum Leser- Der Weg einer Nachricht62
Anlage 3:Presse- und Nachrichtenagenturen
Anlage 4: Nachrichtenfaktoren
Anlage 5: Nachrichtenfaktoren in unterschiedlichen Zeitungstypen
Anlage 6: Aufgabenstellung Kompaktstunde
Anlage 7: Beispieltabelle
Anlage 8: Erstellte Zeitungen der Schüler und Bewertungen
Anlage 9:Hausinterner Lehrplan der Spezialklassen 2003 - Goetheschule Ilmenau
7. Literaturverzeichnis
8. Erklärung.
„Neben Materie und Energie ist damit Information der dritte Grundstoff, aus dem die Welt besteht und der zunehmend an Bedeutung gewinnt….“[1] Mit diesen Worten legt B. Spinner die Grundlage für seine Erklärung der modernen Gesellschaft. Demnach befinden wir uns auf dem Weg in ein Zeitalter, in dem nicht mehr Rohstoffe und die Verfügung darüber entscheidend sind, sondern Informationen. Sie werden nach dieser Einschätzung das wichtigste Gut innerhalb einer Gesellschaft. Natürlich gibt es noch weitere Ansätze zur Erklärung unserer modernen Gesellschaft, die alle ihre Berechtigung haben. Aber die zunehmende Bedeutung von Informationen im wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und auch politischen Leben ist nicht zu übersehen.
Auch für Jugendliche[2] scheint sich auf dem Weg zur Informationsgesellschaft einiges zu verändern. Es ist unbestritten, dass Multimedia und der Umgang mit dem Internet die Erfahrungswelt unserer Jugendlichen stark beeinflussen. Das birgt, wie so oft bei fortschrittlichen Entwicklungen, sowohl Chancen als auch Risiken. Auf der einen Seite kann man die vielfältigen Bildungsmöglichkeiten durch die neuen Medien, eine Vielzahl von Informationen, anregende Unterhaltung und Aktivierung der Jugendlichen zu den Chancen zählen, andererseits besteht die Gefahr von Verwechslung des medial Wahrgenommenen mit der Realität, Passivität und Verunsicherung. An dieser Stelle sind Eltern und Lehrer gleichsam gefordert. Es gilt, Medien in ihren Eigenschaften und Funktionen zu verstehen, sie bewusst zu nutzen, ihre Wirkungen zu reflektieren, ihren Stellenwert einzuordnen oder sie gar selbst (mit-)zugestalten. Kurz: Es geht darum, Chancen wahrzunehmen, ohne den Risiken zu erliegen.
Schule spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Sie vermittelt den Jugendlichen Möglichkeiten zur Verwendung der neuen Medien: Der Informatikunterricht kann dafür als Beispiel gesehen werden. Ein großer Bereich aber, in dem die Jugendlichen mit neuen Medien in Berührung kommen, geschieht außerhalb der Schule. DVD, Video und Fernsehen schauen sie zu Hause, im Internet surfen sie meist völlig allein oder mit Freunden und Videospiele mit ihren Scheinwelten konsumieren sie oftmals ohne Kontrolle. In dieser Zeit wirken Informationen und Eindrücke auf die Schüler, denen sie nicht immer gewachsen sind.
Aus diesem Grund aber darf Schule sich nicht darauf beschränken, nur Techniken zur Medienverwendung aufzuzeigen. Einen genauso hohen Stellenwert, wenn nicht aufgrund der Nutzung neuer Medien außerhalb der Schule sogar einen höheren, muss die Erlernung eines kritischen und distanzierten Umgangs mit Medien einnehmen.
An dieser Stelle ist auch der Sozialkundeunterricht besonders gefordert. Politikvermittlung spielt sich heute beinahe ausschließlich über öffentliche Medien wie Fernsehen, Zeitungen und Internet ab.
Dabei wird oftmals ein verzerrtes Bild von Politik vermittelt. Hier gilt es die Schüler zu befähigen, die Vielzahl der politischen Informationen wahrzunehmen, mit ihnen umgehen zu können und sie kritisch zu hinterfragen. Nur so kann man die politische Urteilsbildung im Zeitalter der Informationsgesellschaft fördern, wie es auch der Lehrplan für das Fach Sozialkunde an Thüringer Gymnasien vorsieht.[3]
In dieser Arbeit soll es um Zeitungen als Informationsquellen für Politik gehen. Die Schüler werden den Weg der Nachricht vom Ereignis bis zum Leser verfolgen und dahingehend untersuchen, welchen Einfluss Medien auf Informationen haben. Dabei soll das Hauptaugenmerk der Unterrichtseinheit die Auswahl der Nachrichten innerhalb einer Zeitung bilden.
Die Arbeit soll einen Beitrag zur Medienerziehung unserer Schüler leisten. Nur wer den Weg der Nachricht vom Ereignis bis zum Leser und die damit verbundenen Risiken von Irrtümern, Ablenkung und Verfälschung kennt, kann die Vielzahl der politischen Informationen richtig einordnen und werten.
Im Folgenden werde ich mich, soweit dies in einer solchen Arbeit möglich ist, zunächst mit einer Sachanalyse über Zeitungen und deren Arbeitsweise auseinandersetzen. Hier kann nur ein kleiner Ausschnitt des gesamten Sachverhalts dargestellt und analysiert werden. Im Wesentlichen wird es darum gehen, die in der Unterrichtseinheit zu behandelnden Bereiche einer wissenschaftlichen Analyse zu unterziehen.
Im Anschluss daran werde ich den zuvor wissenschaftlich untersuchten Bereich auf seine Anwendbarkeit für den Unterricht prüfen. Natürlich kann man nicht jede Einzelheit auf den Unterricht an einem Gymnasium übertragen. An dieser Stelle wird also die Frage der didaktischen Reduktion im Mittelpunkt der Untersuchung stehen.
Nach dieser Eingrenzung des Themas auf die im Unterricht zu behandelnden Bereiche folgt die Beschreibung der Unterrichtsreihe.
Vor dem eigentlichen Ziel der Reihe, dem Erstellen einer Zeitung aus DPA- Nachrichten, müssen die Schüler in das Thema Medien eingeführt und die Voraussetzungen für den Hauptteil geschaffen werden. Dies geschieht bei mir in den ersten beiden Stunden, die ich in Form eines tabellarischen Stundenaufrisses und einer kurzen Zusammenfassung geben werde.
Im Anschluss erfolgt die detaillierte Beschreibung der Phase, in der die Zeitung von den Schülern erstellt wurde. Dabei werde ich auf die Voraussetzungen der Klasse, die einzelnen Unterrichtsphasen bis hin zur Präsentation genau eingehen.
Den Abschluss meiner Arbeit bildet die Reflexion meiner Unterrichtsreihe. Beginnen möchte ich zunächst mit den beiden Vorbereitungsstunden. Darauf folgend wird dann der Hauptteil von mir reflektiert, bevor ich dann die gesamte Unterrichtsreihe einer abschließenden Einschätzung unterziehen möchte.
Auf dem Weg vom Ereignis bis zum Leser durchläuft eine Nachricht verschiedene Stationen. Wie bereits erwähnt, wird die Auswahl der Nachrichten innerhalb einer Zeitung den Hauptteil dieser Arbeit bilden.
An dieser Stelle soll nun auf den Weg der Information vom Ereignis bis hin zur Zeitung eingegangen werden.
Für eine Zeitung gibt es im Wesentlichen vier Möglichkeiten zu Informationen zu gelangen. Eine davon ist durch Korrespondenten. Korrespondenten arbeiten für eine oder mehrere Zeitungen und berichten vor Ort über ein Ereignis. So haben beispielsweise alle großen Tageszeitungen Korrespondenten in Berlin oder anderen wichtigen Hauptstädten auf der ganzen Welt. Die Arbeit der Korrespondenten besteht darin, dass sie die Bevölkerung des jeweiligen Landes zu bestimmten Themen befragen, das Land bereisen, eigene Beobachtungen machen und regionale Pressekonferenzen besuchen, um dadurch Informationen direkt an die eigene Zeitung weiterleiten zu können.[4]
Eine weitere Möglichkeit an Informationen zu gelangen sind beispielsweise eigene Recherchen der Zeitungen. Dabei wird ein Thema ausgewählt, alle möglichen Informationen darüber werden gesammelt und dann zu einem Artikel verarbeitet. Und natürlich bilden Presseinformationen in Form von Mitteilungen, zum Beispiel durch Unternehmen oder Parteien, eine wichtige Informationsquelle.
Die wohl wichtigste Quelle für Informationen, besonders für kleinere Zeitungen, stellen aber die Nachrichtenagenturen dar. Eine Nachrichtenagentur funktioniert folgendermaßen:
Der Mitarbeiter einer Agentur besucht eine Pressekonferenz, macht sich dort Notizen und formuliert diese zu einer Meldung. Diese Meldung sendet er mit Hilfe modernster Kommunikationsmittel wie Satellitentelefon oder per Internet an die Nachrichtenagentur. Die großen Agenturen haben an allen wichtigen Orten eigene Niederlassungen, die diese Informationen weiterverarbeiten.[5] Zeitungen beziehen ihre Informationen hauptsächlich von den Nachrichtenagenturen.
An dieser Stelle stellt sich die Frage, welche Veränderungen der Nachricht auf dem Weg vom Ereignis durch die Presseagentur bis hin zur Zeitungsredaktion möglich sind. Hier möchte ich die These aufstellen, dass Nachrichten auf dem Weg bis zur Zeitungsredaktion bereits beeinflusst sein können. Um diese These mit Fakten belegen zu können, werde ich im Weiteren einzelne Stationen der Nachricht vom Ereignis bis zur Zeitungsredaktion untersuchen.
Betrachten wir zunächst den Ausgang einer Nachricht, nämlich das Ereignis selbst und die erste Reflektion darüber. Das Ereignis selbst und die Beobachtungen sind natürlich von subjektiven Wahrnehmungen abhängig. Hat beispielsweise ein Mann einen anderen aus Notwehr erschossen oder war es Mord? Der Augenzeuge kann sich an dieser Stelle mit seiner Beobachtung auch geirrt haben. Das bedeutet, dass die Nachricht von subjektiven Einschätzungen abhängig sein kann. Gleiches gilt auch für den Reporter oder den Korrespondenten. Für beide bedeutet die Wahrnehmung eines Ereignisses, zum Beispiel eines Interviews oder auch einer Pressekonferenz, dass sie subjektiv sind. Es bleibt also festzuhalten, dass es bereits für den Journalisten keine absolute Objektivität geben kann. Berichterstattung ist immer mit Gefühlen, Haltungen und Selektion verbunden.[6] Hier soll nur darauf verwiesen werden, dass es eine Diskussion über Objektivität im journalistischen Beruf gibt: Glaubwürdigkeit und Wahrheit können demnach nur durch journalistische Grundprinzipien erreichen werden. Auf eine solche Diskussion kann in dieser Arbeit verzichtet werden, da dieser Bereich nicht von Relevanz für die Unterrichtsreihe ist.
Anders sieht es mit den Nachrichtenagenturen aus. Sie nehmen eine zentrale Position bei der Vermittlung von Informationen ein. So erreichen die DPA-Nachrichtenzentrale in Hamburg täglich mehr als 1000 Meldungen aus aller Welt. Von diesen 1000 Meldungen werden aber nur etwa 500 an Zeitungen und die Rundfunkanstalten weitergereicht.[7] Die kleinen Zeitungen sind beinahe vollständig von ihnen abhängig, da sie meist keine eigenen Korrespondenten weltweit oder auch deutschlandweit beschäftigen. Aber auch die großen überregionalen Zeitungen beziehen einen großen Teil ihrer Informationen von Presseagenturen. Wenn diese Presseagenturen auf der einen Seite die Anzahl der Informationen, die weitergeleitet werden, etwa halbieren, auf der anderen Seite aber Zeitungen den Großteil ihrer Informationen von ihnen beziehen, dann liegt der Verdacht nahe, dass hier eine entscheidende Beeinflussung der Nachricht auf dem Weg vom Ereignis zum Leser vorliegt.
Das scheint aber nur selten und in geringem Umfang so zu sein. Nachrichtenagenturen können sich aus verschiedenen Gründen eine bewusste und damit parteiische Berichterstattung nicht leisten. So beliefern sie Zeitungen aller politischen Richtungen mit den gleichen Informationen. Eine Manipulation von Nachrichten ist aus diesem Grund sehr schwer vorstellbar. Zeitungen oder andere Medien würden ihr Abonnement im Falle einseitiger Nachrichten seitens der Agenturen sofort kündigen. Auf die Bezahlung ihrer Nachrichtendienste sind aber alle Agenturen angewiesen.
Auffallen würde diese politische Unausgewogenheit zudem sehr schnell dadurch, dass die meisten Zeitungen Nachrichten aus verschiedenen Nachrichtenagenturen beziehen.[8]
Auch die Zusammensetzung der Presseagenturlandschaft in Deutschland und die innere Organisation der Presseagenturen widersprechen einer solchen Annahme. Die Eigentümer der Presseagentur DPA sind beispielsweise Verleger und Rundfunkanstalten, die Aufsichtsräte und eine Geschäftsleitung wählen. Aufsichtsräte und Geschäftsleitung bestimmen dann einen Chefredakteur. Dabei ist der Besitz an Stammkapital der Presseagentur auf 1,5% beschränkt, die Gesellschafter stammen aus verschiedenen gesellschaftlichen und weltanschaulichen Richtungen und dem Staat ist es nach den Statuten von DPA ausdrücklich verwehrt, Gesellschafter dieser Presseagentur zu werden.[9]
Außerdem existieren in Deutschland noch weitere Presseagenturen, die mit Nachrichten handeln. Zu nennen wären da der Deutsche Depeschendienst (DDP), die amerikanische Associated Press (AP), die britische Reuters und die französische Agence France Presse (AFP). Alle diese Presseagenturen beliefern die großen deutschen Zeitungen und auch kleinere Zeitungen beziehen Nachrichten von mehreren Presseagenturen, um so auf dem Konkurrenzmarkt der Informationen bestehen zu können. Darüber hinaus gibt es noch weitere kleinere Presseagenturen, die in Deutschland tätig sind. Jede einseitige Berichterstattung würde auf diese Weise sofort bemerkt werden.
Allerdings gibt es trotzdem eine Beeinflussung unserer Informationen durch Presseagenturen. Man spricht nämlich von der „medialen Dominanz weniger westlicher Industriestaaten“.[10] Die großen westlichen Agenturen beherrschen das Geschäft mit den Nachrichten beinahe konkurrenzlos. Die Kosten für ein weltweit arbeitendes Korrespondententeam sind derartig hoch, dass nur wenige Agenturen es sich leisten können, ein solches zu unterhalten. So lässt sich auch erklären, dass Nachrichten aus den westlichen Industriestaaten und der USA oftmals gegenüber der Berichterstattung aus der Dritten Welt vorgezogen werden. Die Welt wird durch die Dominanz westlicher Agenturen und ihrer Korrespondenten auch mit deren Augen gesehen. So erscheinen die meisten Nachrichten auch aus dem Blickwinkel unserer westlich geprägten Kultur.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass unsere Informationen über ein Ereignis bei der Vermittlung der Fakten, dem Gespräch des Augenzeugen mit dem Korrespondenten oder der Mitschrift des Reporters bei der Pressekonferenz verschiedenen subjektiven Einflüssen unterliegen können. Über die Ereignisse wird von Menschen an Menschen berichtet. Diese Subjektivität kann durch nichts vollständig in Objektivität umgewandelt werden, auch nicht durch journalistisches Berufsethos oder andere Kontrollmechanismen.
Die innere Zusammensetzung sowie die Struktur der Presseagenturlandschaften sorgen für einen relativ objektiven Umgang mit Nachrichten. Allerdings bleibt kritisch anzumerken, dass es sich bei den großen und weltweit operierenden Nachrichtenagenturen ausschließlich um westliche Agenturen handelt. Ihre Blickwinkel auf die Ereignisse des Weltgeschehens sind von der westlichen Kultur geprägt.
Auf dem Weg der Nachricht vom Ereignis bis zum Leser liegt das Hauptaugenmerk dieser Unterrichtsreihe bei der Arbeit der Zeitungsredaktion. Wie bereits geschildert, liefern Nachrichtenagenturen täglich etwas mehr als 500 Meldungen an Zeitungen und Rundfunkanstalten. Dazu kommen noch Recherchen und Berichte eigener Korrespondenten. In der Tageszeitung erscheinen dann aber weitaus weniger Nachrichten. Demnach findet in den Zeitungsredaktionen eine weitere Selektierung der Nachrichten statt.[11]
Dieser Auswahlprozess, bei dem entschieden wird, welche Nachricht in der Zeitung erscheint, stellt den Mittelpunkt der Unterrichtsreihe dar. Für einen solchen Auswahlprozess haben sich verschiedene Kriterien herausgebildet, die einer Zeitungsredaktion helfen können, ihre Entscheidungen zu treffen.
Ich habe an dieser Stellte bereits eine Reduktion vorgenommen und mich auf drei Kriterien beschränkt. Zum einen wären da die Nachrichtenfaktoren zu nennen, die für alle Zeitungen Gültigkeit haben. Außerdem spielt der Zeitungstyp, zum Beispiel Boulevardpresse oder regionale Tageszeitung, bei der Auswahl von Nachrichten ebenso eine wichtige Rolle. Dazu kommen noch subjektive Empfindungen und Präferenzen der Mitarbeiter einer Zeitung, die ebenfalls einen Einfluss auf die Auswahl der Nachrichten haben. Im Folgenden gilt es nun, diese Faktoren näher zu beschreiben und sie ihrer Bedeutung nach für den Selektionsprozess von Informationen zu untersuchen.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es sich hier zunächst um eine wissenschaftliche Vorbetrachtung des Themas handelt, die im weiteren Verlauf der Arbeit noch didaktisch reduziert und auf die Belange des Unterrichts zugeschnitten werden muss.
Mit Hilfe des Nachrichtenfaktorenansatzes versucht man, Eigenschaften von Nachrichten herauszufiltern, die zum Erscheinen der Nachricht in einer Zeitung führen. Dabei ist man von einer wahrnehmungspsychologischen Interpretation journalistischer Erfahrungen ausgegangen. Das bedeutet, dass Journalisten sich bei ihrer Auswahl des Zeitgeschehens an bestimmten Ereignismerkmalen, den Faktoren, orientieren.[12] Galtung und Ruge haben dafür ein Modell entwickelt, das 12 Nachrichtenfaktoren enthält.
Dieses Modell werde ich nicht in allen Einzelheiten beschreiben und erklären, sondern nur an ausgewählten Beispielen Erläuterungen vornehmen.
Nachrichtenfaktoren nach Galtung/ Ruge 1965[13]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Einer dieser Faktoren wäre beispielsweise der Bezug auf Elite-Nationen. Das bedeutet, dass Nachrichten aus Ländern mit großem wirtschaftlichem, militärischem und politischem Gewicht bevorzugt in den Zeitungen erscheinen. Ein Journalist, oder gar die gesamte Zeitungsredaktion wählen demnach bevorzugt Nachrichten aus diesen Ländern aus und lassen sie in ihrer Zeitung erscheinen. Demgegenüber werden Nachrichten aus Nichtelite- Ländern benachteiligt und erscheinen häufig gar nicht in Zeitungen oder nur im hinteren Teil, klein und unscheinbar.
Kritisch wäre hier anzumerken, dass beim Leser aufgrund dieser Nachrichtenfaktoren ein verzerrtes Bild der Weltpolitik entstehen kann. Die Konzentration der Nachrichten auf die Elite-Nationen lässt das Geschehen in der übrigen Welt als unwichtiger erscheinen oder es wird gar nicht wahrgenommen.
Auf weitere Beschreibungen des Nachrichtenfaktorenmodells kann an dieser Stelle verzichtet werden. Die tabellarische Darstellung der Nachrichtenfaktoren nach Galtung und Ruge soll an dieser Stelle genügen und kann einen prinzipiellen Überblick über das Nachrichtenfaktorenmodell liefern.
Auf zwei Kritikpunkte dieses Modells möchte ich im Folgenden noch eingehen. Beide Punkte spielen für die Unterrichtsreihe eine Rolle und müssen aus diesem Grund angeführt werden.
Das erste Problem dieser Nachrichtenfaktoren ist bereits angedeutet worden: Die Dominanz der westlichen Kultur auf dem Nachrichtenmarkt.
In diesem Zusammenhang wurde bereits eine Einteilung in kulturfreie Faktoren (1-8) und kulturspezifische Faktoren (9-12) vorgenommen. Aber auch in den Faktoren 1-8 lassen sich kulturbedingte Selektionskriterien finden. So erklärt sich beispielsweise der Faktor 8, die Variation unter anderem aus der historischen Entwicklung und den ökonomischen Zwängen des westlichen Mediensystems.[14]
Damit wird klar, dass die Nachrichtenfaktoren ein Produkt der westlichen Kultur sind und damit auch sehr stark ihre Sichtweise wiedergeben.
Außerdem kann das Nachrichtenmodell sehr leicht zur politischen Instrumentalisierung benutzt werden. Dabei dienen die Nachrichtenfaktoren als bloße Nebenprodukte oder als Legitimation für die durch eigene politische Ansichten gesteuerten Auswahlprozesse.[15]
Betrachtet man das Nachrichtenfaktorenmodell als eine Determinante für den Auswahlprozess von Nachrichten, bedeutet das genügend Spielraum für eigene politische Absichten. Einem Journalisten ist es auf diese Art sehr leicht möglich, politische Ansichten bei der Auswahl der Nachrichten mit einzubringen. Das Modell kann aufgrund des Spielraumes auch als Legitimation der Entscheidung dienen.
Insgesamt hängt beim Faktorenmodell und der daraus folgenden Auswahl von Nachrichten sehr viel von der Person des Journalisten ab, wenn man dieses Modell als Determinantenmodell betrachtet.
Natürlich ist die Anwendung der Nachrichtenfaktoren auch vom jeweiligen Zeitungstyp abhängig. Die Gewichtung der Nachrichtenfaktoren in der jeweiligen Zeitung ist oftmals sehr unterschiedlich. Darauf soll aber erst im weiteren Verlauf der Arbeit eingegangen werden.
Die Nachrichtenfaktoren spielen bei der Selektion der Nachrichten für eine Zeitung eine hervorgehobene Rolle. Trotz aller Kritik sind sie für die Redaktionen ein sehr wichtiges Auswahlkriterium. Sie können durchaus als Determinanten der Nachrichtenauswahl bezeichnet werden. Zu kritisieren bleibt ihr Bezug auf die westliche Kultur und ihre Abhängigkeit von politischen Präferenzen und vom Zeitungstyp.
Auch der Zeitungstyp spielt bei der Auswahl von Nachrichten eine wichtige Rolle. Ich werde mich in diesem Abschnitt darauf beschränken, kurz die wesentlichen Merkmale der von mir ausgesuchten Zeitungstypen zu beschreiben und sie dahingehend zu prüfen, welchen Einfluss sie auf die Auswahl der Nachrichten haben. Da ich mich im Verlauf der Unterrichtsreihe nur mit drei verschiedenen Zeitungstypen, der Boulevardpresse, der überregionalen Tageszeitung und einer Lokalzeitung beschäftigte, werde ich mich in meiner Sachanalyse auch nur auf diese konzentrieren. Eine Begründung, warum ich mich gerade für diese drei entschieden habe, werde ich im Abschnitt didaktische Reduktion geben.
Die regionalen Tageszeitungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie aus einem regionalen Teil bestehen, der sich mit Ereignissen und Informationen aus der näheren Umgebung befasst, und einem überregionalen Teil, der meist aus Politik, Wirtschaft, Sport und Feuilleton besteht. Hier finden wir recht häufig Korrespondentenberichte der Nachrichtenagenturen, die auch von der Lokalpresse abonniert und gedruckt werden. Dabei kommt es oftmals zu Kürzungen der Artikel. Charakteristisch für diese Zeitungen sind ein breiter Serviceteil beispielsweise mit Fernseh- und Kinoprogrammen, eine bunte Mischung von lokalen und überregionalen politischen Informationen sowie eine verständliche, relativ einfache Sprache. Auch die Kürze der Artikel ist im Vergleich zur überregionalen Tageszeitung auffällig.
Die Boulevardpresse hingegen unterscheidet sich in ihrer Aufmachung sehr stark von der Lokalpresse. So finden wir in ihr in der Regel reißerische Überschriften, einen sehr hohen Anteil an Bildern, Sex- beziehungsweise Gruselgeschichten sowie ausführliche Berichte über Prominente und gesellschaftliche Skandale. Auch der Sportteil hat bei diesem Zeitungstyp einen sehr großen Stellenwert. Die Boulevardpresse wird ausschließlich an Kiosken verkauft und ist aufgrund ihrer populären Themen relativ beliebt.
Kritiker der Boulevardpresse weisen auf die starken Vereinfachungen in den Berichten hin, kritisieren die übermäßige Darstellung unwichtiger Themen und beanstanden die Methoden zur Beschaffung von Informationen.
Bei der überregionalen Tagespresse finden wir eine sehr ausführliche Berichterstattung durch Korrespondentenartikel, tägliche Reportagen und Interviews mit wichtigen Politikern. Für die überregionalen Tageszeitungen ist außerdem das dichte Korrespondentennetz charakteristisch. Dieses gibt diesen Zeitungen im Gegensatz zur Lokalpresse die Möglichkeit, unabhängiger von den Presseagenturen und ihren Informationen zu arbeiten. Insgesamt zeichnen sich diese Zeitungen durch einen sehr hohen Anspruch an Seriosität aus.[16]
Natürlich wirken sich die Zeitungstypen auf die Auswahl der Nachrichten aus. Diese Unterschiede zeigen sich besonders durch die unterschiedliche Gewichtung der Nachrichtenfaktoren in den verschiedenen Zeitungstypen. Für die Boulevardpresse spielt die Personalisierung und die Negativierung eine hervorgehobene Rolle. Die meisten Nachrichten in diesen Blättern werden oft mit der Geschichte um eine Person verbunden. Zudem erscheinen besonders negative Nachrichten sehr gern in großer Aufmachung. Die überregionalen Tageszeitungen dagegen arbeiten verstärkt mit dem Bezug zu Elite-Nationen und Elite-Personen. Sie und ihre Leser interessiert das Weltgeschehen und besonders dort, wo die Weltpolitik gemacht wird. Aus diesem Grund finden wir beispielsweise politische Nachrichten aus den USA und Westeuropa in sehr großer Anzahl in diesen Zeitungen vertreten.
Im Unterschied zu den Lokalzeitungen können sie aufgrund ihres Korrespondentennetzes unabhängiger und tiefgründiger über das Geschehen der Weltpolitik berichten. Die Lokalpresse ist bei ihren politischen Nachrichten in der Hauptsache auf die Nachrichtenagenturen und ihre Berichte angewiesen. Dies ist ein Grund dafür, dass ihre Beiträge nicht so ausführlich und tiefgründig wie die der überregionalen Presse sind.
Zudem wird ihre Nachrichtenauswahl noch einmal durch die Erwartungen der Leser an die Zeitung eingeschränkt. Der Leser erwartet in der Lokalpresse, wie bereits beschrieben, neben dem politischen Teil noch weitere Inhalte. Dies schränkt natürlich den politischen Teil dieser Zeitungen ein. Für die Auswahl der Nachrichten bedeutet diese Konstitution, dass diese Zeitungen die Nachrichtenfaktoren Eindeutigkeit und den Bezug auf Elite-Nationen in den Vordergrund rücken.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass der Zeitungstyp für die Gewichtung der Nachrichtenfaktoren von Bedeutsamkeit ist. Während in der Boulevardpresse sehr stark mit Personalisierung und Negativierung gearbeitet wird, finden wir bei den überregionalen Tageszeitungen eher den Bezug zu Elitenationen. Für die Lokalpresse dagegen ist aufgrund ihrer Einschränkungen die Eindeutigkeit ein sehr starker Nachrichtenfaktor.
Allerdings kann man diese Einschätzung nicht verabsolutieren. Alle Nachrichtenfaktoren spielen bei den jeweiligen Zeitungstypen eine Rolle und sind oftmals, aber nicht immer, unterschiedlich gewichtet.
Zusätzlich zu diesen Einschätzungen spielen natürlich die Erwartungen, die die Leser an das Blatt richten, auch eine wichtige Rolle für die Auswahl der Nachrichten. Auf eine Erläuterung dessen kann verzichtet werden, da dies für diese Arbeit nicht von Bedeutung ist. Zudem würde ein solcher Aspekt den Rahmen der Arbeit sprengen.
Die Auswahl der Nachrichten, die in einer Zeitung erscheinen, wird außer der Ausrichtung der Zeitung und den Nachrichtenfaktoren noch durch eine weitere wesentliche Determinante bestimmt: den Menschen. Alle Entscheidungen innerhalb einer Zeitung werden durch Menschen getroffen. Das bedeutet auch immer, dass wir es bei einer Zeitung und der Auswahl ihrer Nachrichten mit einer unbekannten Größe zu tun haben.
Die Beeinflussung der Auswahl der Nachrichten durch die subjektive Größe Mensch möchte ich am Beispiel der Untersuchungen zum „Gatekeeper“ verdeutlichen.
Bei der Gatekeeperforschung wurde 1955 in den USA erstmals eine Fallstudie über Auswahlkriterien eines Zeitungsredakteurs durchgeführt, die im Laufe der Jahre mehrere Male wiederholt wurde. Mr. Gates, so wurde der Chefredakteur genannt, ließ nur etwa 10% der Nachrichten einer Presseagentur passieren und druckte sie in seiner Zeitung. Als er dazu befragt wurde, begründete er einige dieser Auswahlkriterien mit eindeutig subjektiven Urteilen. Auf Nachfragen gab Mr. Gates den Wissenschaftlern freimütig über seine Abneigungen Auskunft: Trumans Wirtschaftspolitik und die katholische Kirche.[17]
Diese Fallstudie zeigt eindrucksvoll, dass wir es bei der Auswahl von Nachrichten mit Menschen zu tun haben und deshalb bei allen Entscheidungen ein subjektiver Anteil vorhanden ist. Die Vorlieben und Abneigungen der Menschen, die Entscheidungen treffen, spielen bei der Auswahl der Nachrichten eine wichtige Rolle.
Weitere Forschungen und Untersuchungen zum selben Thema haben gezeigt, dass die Ergebnisse der Gatekeeperforschung auch anders gedeutet werden können. So wurden die Ergebnisse von 1955 im Jahr 1977 noch einmal interpretiert und man kam zu einem anderen Ergebnis: Mr. Gates habe sich im Wesentlichen passiv verhalten und nur das Angebot der Agenturen wiedergegeben. Die Übernahme der Agenturmeldungen ist auch heute die gängige Praxis im Umgang mit Nachrichten. Viele Zeitungen übernehmen nur die Berichte der Agenturen und kürzen sie an der einen oder anderen Stelle.[18]
Natürlich spielen bei der Auswahl der Nachrichten auch ökonomische Zwänge eine Rolle: So begründete Mr. Gates einen Teil seiner Entscheidungen mit Zeitzwängen wie Redaktionsschluss und fehlendem Platz.
[...]
[1] Spinner, H. F., in Schäfer, B. (Hrsg.), Grundbegriffe der Soziologie, 3. Auflage, Opladen 1992, S. 134 ff
[2] Personenbezeichnungen in dieser Arbeit gelten für beide Geschlechter.
[3] Vgl. Thüringer Kultusministerium (Hrsg.), Lehrplan für Gymnasien. Sozialkunde, Saalfeld 1999, S. 19
[4] Vgl. Journalistenschule Ruhr (Hrsg.), ZEUS- Projekt, Essen, S. 21
[5] Vgl. Meyn, Herrmann; Massenmedien in Deutschland, Berlin 1999, S. 259
[6] Vgl. Bentele, Günter, in: Jarren, Otfried (Hrsg.), Medien und Journalismus, Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen 1994, S. 303f
[7] Vgl. Chill, Hanni/ Meyn, Herrmann; Informationsquellen, in: Massenmedien, Information zur politischen Bildung, 1998, Nr. 260, S. 43
[8] Vgl. Meyn, Herrmann; Massenmedien in Deutschland, Berlin 1999, S. 263
[9] Vgl. Ebenda, S. 261
[10] Kleinsteuber, Hans, J.: Nationale und internationale Mediensysteme, in: Merten, Klaus/ Schmidt, Siegfried/ Weischenberg, Siegfried (Hrsg.); Die Wirklichkeit der Medien- Eine Einführung in die Kommunikationswissenschaft, Darmstadt 1994, S. 563
[11] Vgl. Ruhrmann, Georg, Ereignis, Nachricht und Rezipient, in: Merten, Klaus/ Schmidt, Siegfried/ Weischenberg, Siegfried (Hrsg.); Die Wirklichkeit der Medien-Eine Einführung in die Kommunikationswissenschaft, Darmstadt 1994, S. 563
[12] Vgl. Ebenda, S. 208
Das Nachrichtenfaktorenmodell von Galtung und Ruge wird von verschiedenen anderen Autoren in abgewandelter Form ebenfalls benutzt
[13] Vgl. Galtung, Johan/ Ruge, Marie H., The structure of Foreign News, in: Noelle- Neumann, Elisabeth/ Schulz, Winfried/ Wilke, Jürgen (Hrsg.), Fischer Lexikon Publizistik Massenkommunikation, Frankfurt/ Main, 2002, S. 357
[14] Vgl. Ruhrmann, Georg, Ereignis, Nachricht und Rezipient, in: Merten, Klaus/ Schmidt, Siegfried/ Weischenberg, Siegfried (Hrsg.); Die Wirklichkeit der Medien- Eine Einführung in die Kommunikationswissenschaft, Darmstadt 1994, S. 241
[15] Vgl. Noelle- Neumann, Elisabeth/ Schulz, Winfried/ Wilke, Jürgen (Hrsg.), Fischer Lexikon Publizistik Massenkommunikation, Frankfurt/ Main, 2002, S. 357
[16] Vgl. Chill, Hanni/ Meyn, Herrmann; Informationsquellen, in: Massenmedien, Information zur politischen Bildung, 1998, Nr. 260, S. 18 f
[17] Vgl. Noelle- Neumann, Elisabeth/ Schulz, Winfried/ Wilke, Jürgen (Hrsg.), Fischer Lexikon Publizistik Massenkommunikation, Frankfurt/ Main, 2002, S. 328, 354
[18] Vgl. Ebenda, S. 354
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