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Masterarbeit, 2014
60 Seiten, Note: 1,3
Jura - Zivilrecht / Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Kartellrecht, Wirtschaftsrecht
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung und Methodik
2. Bestimmung von Patientenrechten
2.1 Grundlage
2.2 Definition
2.3 Individuelle Patientenrechte
2.3.1 Autonomierechte
2.3.1.1 Aufklärung
2.3.1.2 Willensvorrang
2.3.1.3 Öffentlichrechtliche Informationsansprüche
2.3.1.4 Recht auf Vertraulichkeit bzw. ärztliche Schweigepflicht
2.3.1.5 Freie Arztwahl
2.3.2 Qualitätsrechte und Patientensicherheit
2.3.3 Einsichtsrechte
2.4 Kollektive Patienten- bzw. Bürgerrechte
3. Historie der Patientenrechte in Deutschland
4. Gesetzliche Regelung
4.1 Gesetzeshistorie
4.2 Patientenrechtegesetz
4.2.1 Ziele
4.2.2 Vertragstypische Pflichten beim Behandlungsvertrag, § 630a BGB
4.2.2.1 Gesetzestext
4.2.2.2 Behandlungsvertrag, § 630a Abs. 1 BGB
4.2.2.3 Behandlungsstandard, § 630a Abs. 2 BGB
4.2.3 Anwendbare Vorschriften, § 630b
4.2.3.1 Gesetzestext
4.2.3.2 Kommentierung
4.2.4 Mitwirkung der Vertragsparteien; Informationspflichten, § 630c BGB
4.2.4.1 Gesetzestext
4.2.4.2 Mitwirkung der Vertragsparteien, § 630c Abs. 1 BGB
4.2.4.3 Informationspflicht, § 630c Abs. 2 S. 1 BGB
4.2.4.4 Offenbarungspflicht bei Behandlungsfehler, § 630c Abs. 2 S. 2 und 3 BGB
4.2.4.5 Wirtschaftliche Informationspflicht, § 630c Abs. 3 BGB
4.2.5 Einwilligung, § 630d BGB
4.2.5.1 Gesetzestext
4.2.5.2 Keine Behandlung ohne Einwilligung, § 630d Abs. 1 S. 1 BGB
4.2.5.3 Einwilligungsfähigkeit, § 630d Abs. 1 S. 2 und 3 BGB
4.2.5.4 Mutmaßliche Einwilligung, § 630d Abs. 1 S. 4 BGB
4.2.5.5 Keine Einwilligung ohne Aufklärung, § 630d Abs. 2 BGB
4.2.5.6 Widerruf der Einwilligung, § 630d Abs. 3 BGB
4.2.6 Aufklärungspflicht, § 630e BGB
4.2.6.1 Gesetzestext
4.2.6.2 Vorbemerkung
4.2.6.3 Adressat der Aufklärung, § 630e Abs. 1 S. 1 BGB
4.2.6.4 Inhalt der Aufklärung, § 630e Abs. 1 S. 2 BGB
4.2.6.5 Alternativenaufklärung, § 630e Abs. 1 S. 3 BGB
4.2.6.6 Formelle Anforderungen an die Aufklärung, § 630e Abs. 2 S. 1 BGB
4.2.6.7 Aufklärungsdokumentation, § 630e Abs. 2 S. 2 BGB
4.2.6.8 Ausnahmen von der Aufklärungspflicht, § 630e Abs. 3 BGB
4.2.6.9 Einwilligungsunfähiger Patient und Inhalt der Aufklärung, § 630e Abs. 4 und 5 BGB
4.2.7 Dokumentation, § 630f BGB
4.2.7.1 Gesetzestext
4.2.7.2 Dokumentationspflicht, § 630f Abs. 1 S. 1 BGB
4.2.7.3 Zeitpunkt der Dokumentation, § 630f Abs. 1 S. 1 BGB
4.2.7.4 Nachträgliche Änderungen der Dokumentation, § 630f Abs. 1 S. 2 und 3 BGB
4.2.7.5 Inhalte der Dokumentation, § 630f Abs. 2 BGB
4.2.7.6 10 Jahre Aufbewahrungspflicht, § 630f Abs. 3 BGB
4.2.8 Einsichtnahme, § 630g BGB
4.2.8.1 Gesetzestext
4.2.8.2 Allgemein
4.2.8.3 Recht auf vollständige Einsicht, § 630g Abs. 1 S. 1 1. Hs BGB
4.2.8.4 Grenzen des Einsichtsrechts, § 630g Abs. 1 S. 1, 2. Hs. BGB
4.2.8.5 Ablehnung des Einsichtsrechts, § 630g Abs. 1 S. 2 BGB
4.2.8.6 Ort der Einsichtnahme, § 630g Abs. 1 S. 3 BGB
4.2.8.7 Recht auf Abschrift, § 630g Abs. 2 S. 1 BGB
4.2.8.8 Kostentragung, § 630g Abs. 2 S. 2 BGB
4.2.8.9 Einsichtsrecht bei verstorbenen Patienten, § 630g Abs. 3 BGB
4.2.9 Beweislast bei Haftung für Behandlungs- und Aufklärungsfehler, § 630h BGB
4.2.9.1 Gesetzestext
4.2.9.2 Allgemein
4.2.9.3 Beweislastumkehr bei voll beherrschbaren Behandlungsrisiko, § 630h Abs. 1 BGB
4.2.9.4 Beweislastumkehr für Einwilligung und Aufklärung, § 630h Abs. 2 S. 1 BGB
4.2.9.5 Hypothetische Einwilligung, § 630h Abs. 2 S. 2 BGB
4.2.9.6 Beweisvermutung bei Dokumentationsmängeln, § 630h Abs. 3 BGB
4.2.9.7 Beweisvermutung bei fehlender Befähigung, § 630h Abs. 4 BGB
4.2.9.8 Beweislastumkehr bei grobem Behandlungsfehler, § 630h Abs. 5 S. 1 BGB
4.2.9.9 Beweislastumkehr bei unterlassener Befunderhebung, § 630h Abs. 5 S. 2 BGB
4.2.9.10 Grenzen der Beweislastumkehr, § 630h Abs. 5 BGB
4.2.10 Änderung im Sozialgesetzbuch V
4.2.10.1 Unterstützung der Versicherten bei Behandlungsfehler, § 66 SGB V
4.2.10.2 Widerruf der Teilnahmeerklärung, §§ 73b Abs. 3 S. 3 , 73c Abs. 2 S. 2, 140 Abs. 2 S. 2 SGB V
4.2.10.3 Verpflichtung zur Qualitätssicherung, § 135a SGB V
4.2.11 Patientenbeteiligungsverordnung
4.2.12 Änderung in der Bundesärzteordnung (BÄO)
4.2.13 Änderung im Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG)
5. Vergleich zwischen Rechtsprechung und gesetzlicher Regelung
6. Zusammenfassende Betrachtung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Schriftliche Erklärung
Abbildung 1: "Magisches Viereck" der individuellen Patientenrechte
Abbildung 2: "Magisches Viereck" der kollektiven Patientenrechte
Tabelle 1: Übersicht zum Gesetzgebungsverfahren
Tabelle 2: Übersicht von Übereinstimmungen und Abweichungen
Mit Datum vom 25.02.2013 hat der Bundestag das lang erwartete Patientenrechtegesetz verabschiedet.[1] Es ist am 26.02.2013 in Kraft getreten und damit werden ohne Übergangsfristen unter anderem Neuregelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) wirksam. Dazu werden die §§ 630a – 630h BGB als neue Paragraphen zum Behandlungsvertrag eingefügt wurden.
Ob die Politik die Verabschiedung des Patientenrechtegesetzes als Erfolg feiern kann, ist bereits jetzt sehr fraglich.[2] Alle Einrichtungen und Sachverständigen haben im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens die vorgeschlagenen Neuregelungen stets als unnötig zurückgewiesen.[3] Sie erachten die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für ausreichend und halten eine gesetzliche Regelung für nicht notwendig. Manche halten es sogar für ein "Patientenbehandlungsverhinderungsgesetz".[4]
Es stellt sich daher die Frage, ob das Patientenrechtegesetz wirklich die bestehenden Grundsätze zum Patientenschutz in Gesetzesform umsetzt und ob es nicht in der praktischen Anwendung mehr Fragen aufwirft, als es Antworten gibt.
In der folgenden Arbeit wird daher erst versucht, die Patientenrechte näher zu bestimmen und dann dargestellt, welche Entwicklung sie im Laufe der Zeit genommen haben. Im Anschluß werden die markantesten Patientenrechte vorgestellt und die gesetzliche Regelung einer eingehenden Prüfung unterzogen.
Zu den einzelnen gesetzlichen Vorschriften ist der entsprechenden Gesetzestext vorangestellt, um so einen schnellen Überblick zu gewährleisten.
In einem weiteren Schritt werden dann die Rechtsprechung und die Neuregelung verglichen und im abschließend bestimmt, ob die Ziele des Patientenrechtegesetzes erfüllt wurden.
Die Grundlage für Patientenrechte liegt in unserer Verfassung, dem Grundgesetz, begründet. Aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG folgt das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Daraus wird die Gewährleistung von Sicherheit und Qualität der medizinischen Versorgung abgeleitet.
Aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 ergibt sich das Selbstbestimmungsrecht und der Schutz der Menschenwürde. Daraus wird verfassungsrechtlich das Recht auf Autonomie und Selbstbestimmung des Patienten abgeleitet.
Europarechtlich wird dies durch die Richtlinie 2011/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rats vom 09.03.2011 über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung untermauert.[5] Diese europarechtliche Richtlinie wiederum leitet sich aus den Erwägungsgründen zu Art. 114 des Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union ab (AEUV) ab.[6] Die Patientenrechte können daher nicht nur im Kontext unseres Grundgesetzes verstanden werden, sondern stehen auch in Verbindung zu den europarechtlichen Grundlagen.
Eine gesetzliche abschließende Definition von Patientenrechten existiert bislang nicht und wird, um es gleich vorweg zu nehmen, auch durch das Patientenrechtegesetz nicht gegeben.[7] In einer deskriptiven Annäherung lassen sich Patientenrechte nur in einem sehr weiten Sinn verstehen.
Als Individualrechte beziehen sie sich auf die zivilrechtlichen Ansprüche des einzelnen Patienten aus dem Behandlungsvertrag. Als Kollektivrechte umfassen sie die Einfluß- und Einbeziehungsrechte des Patienten auf die Strukturen der Krankenversorgung und der Gesundheitsvorsorge sowie innerhalb dieser Strukturen auf Einzelentscheidungen.
Sie umfassen demnach nicht nur individuelle Leistungsansprüche des Patienten, sondern auch Organisations- und Verfahrensregelungen, die es erlauben, durch Teilnahme und Mitwirkung von Patienten die Artikulation und Durchsetzung ihrer Interessen effektiver zu gestalten. Es lassen sich dafür zwei sachlich zu unterscheidende Bezugspunkte festmachen. Zum einen gewährleisten sie Sicherheit und Qualität der medizinischen Versorgung des Patienten, zum anderen betreffen sie den Schutz der Autonomie und Selbstbestimmung des Patienten in der medizinischen Behandlung.[8]
Diese individuellen Patientenrechte basieren auf einer partnerschaftlich angelegten Arzt/Pflege/Patientenbeziehung. Daher wird in diesem Rahmen auch von einem therapeutischen Arbeitsbündnis gesprochen. Diese Einbeziehung auf einer individuellen Ebene bedeutet in erster Linie Information und Beratung des Patienten zu einer selbstbestimmten Entscheidung. Sie soll den Patienten nicht nur zu autonomen Entscheidungen befähigen, sondern damit auch bessere Behandlungsergebnisse sichern. Denn die aktive Beteiligung des Patienten an der Behandlung steigert die Compliance und damit den Behandlungserfolg.
Individuelle Patientenrechte richten sich daher auf die Gewährleistung:
- angemessener Information und Beratung (Aufklärung; Autonomierechte)
- Leitliniengerechter (standardgemäßer) und sicherer Behandlung (Qualitätsrechte)
- guter Organisation insbesondere von Qualität, Sicherheit und Information
- standardgemäßer Dokumentation
- Einsicht in die Behandlungsunterlagen (Einsichtsrechte) und
- von Vertraulichkeit und Datenschutz[9]
Sie werden zu einem erheblichen Teil auch durch Berufs- und Standesrecht, Informations- und Datenschutzrechte, sowie Sozialrecht gewährt bzw. stimmen mit diesen überein.
Abbildung 1: "Magisches Viereck" der individuellen Patientenrechte
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung. Nach: Hart: Patientenrechte, In: Heidelberger Kommentar, S. 6.
Bisher waren Patientenrechte aber "reine" Interpretationen bereits vorhandener allgemeiner Rechtsnormen durch die Rechtsprechung und Lehre. Beide haben sich jedoch seit vielen Jahren bemüht, aus den ärztlichen, pflegerischen verwaltungsrechtlichen Anforderungen und Verpflichtungen im Haftungs- und Berufsrecht positive Patientenrechte zu entwickeln. Daher werden diese auf einem hohen Niveau gewährleistet. Es hat sich allerdings durchaus eine gewisse Inkongruenz der Normativität zwischen der gelebten Praxis entwickelt. D. h. die Normalität bleibt hinter den rechtlichen Anforderungen zurück.[10]
Grundlegende Voraussetzung für die Ausübung von Autonomierechten ist eine umfassende und ausreichende Patienteninformation. Grundsätzliche Informationen über gesundheits- bzw. krankheitsgerechtes Verhalten, über Behandlungsmöglichkeiten, Dienstleistungsangebote, und ihre Struktur- und Prozeßqualität können durch öffentliche, allgemeine Informationsangebote erfüllt werden. Konkrete individuelle Beratung kann nur im jeweiligen Einzelfall erfolgen. Diese Patienteninformationsrechte ergeben sich direkt aus den ärztlichen Informationspflichten und werden durch Aufklärungsbestimmungen näher ausgestaltet.[11]
Als wichtigster Anspruch auf Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts gilt der Anspruch auf ärztliche Aufklärung.[12] Das Reichsgericht nahm 1912 noch an, daß eine umfassende Belehrung des Kranken über alle möglichen Folgen der Operation nicht selten sogar falsch sei, da der Kranke dadurch "abgeschreckt" und unnötig in "Angst und Schrecken versetzt" werde.[13] Erst 1959 wandelte sich die Ansicht mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs, daß der Ratschlag des Hippokrates, dem Kranken das meiste zu verbergen, mit dem normativen Anspruch an einen mündigen Patienten nicht zu vereinbaren sei.[14] Aus einer nicht ordnungsgemäßen Aufklärung folgt daher auch die Unwirksamkeit der Einwilligung mit der Behandlung. Jede Verletzung der Aufklärungspflicht führt damit zur unmittelbaren Rechtswidrigkeit des körperlichen Eingriffs und zur grundsätzlichen Strafbarkeit wegen Körperverletzung.
Die Aufklärung an sich lässt sich dabei unterscheiden zwischen Sicherungsaufklärung, Einwilligungsaufklärung und nebenvertragliche Aufklärungspflicht.[15]
Sicherungsaufklärung
Die Sicherungsaufklärung oder auch therapeutische Aufklärung dient mittelbar dem Persönlichkeitsrecht des Patienten. Ihre Ziele sind Erhaltung und Wiedererlangung der Gesundheit. Sie zielt auf darauf, beim Patienten die Compliance zu erhöhen und sein gesundheitszuträglichen Verhalten zu fördern. Besonders wichtig ist, den Patienten über die erforderliche Mitwirkung, wie etwa die optimale Dosierung und Einnahmezeit eines Medikaments oder einer erforderlichen Nachbehandlung zu instruieren. Ebenso ist der Patient über die Behandlung abträgliches Fehlverhalten, beispielsweise über das Absetzen von Immunsupressiva bei Organtransplantierten oder eine vorsichtige Lebensweise bei einer Herzerkrankung, zu informieren.[16]
Diese Aufklärung ist Teil der Hauptleistungspflicht des Behandlungsvertrags und daher nach den Grundsätzen der Haftung wegen eines Behandlungsfehlers zu behandeln. Der Umfang der Aufklärung richtet sich nach den ärztlichen Leitlinien. Falls ein Verstoß gegen die Sicherungsaufklärung vorliegen sollte, folgt daraus "nur" ein Behandlungsfehler. Die Sicherungsaufklärung wird daher oftmals als "unechte" Aufklärung bezeichnet.
Einwilligungsaufklärung
Die Einwilligungsaufklärung dagegen gilt als so genannte "echte" Aufklärung, da sie direkt das Selbstbestimmungsrecht und das Persönlichkeitsrecht des Patienten betrifft. Sie wird daher auch als "Selbstbestimmungsaufklärung" bezeichnet.[17] Ein Verstoß dagegen wird deliktisch und strafrechtlich geahndet. Nach Rechtsprechung und Lehre ist sie ebenso Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Einwilligung und damit unverzichtbare Voraussetzung für einen Eingriff.
Verortet wird die Einwilligungsaufklärung im Grundgesetz und folgt aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, dem Recht auf körperliche Unversehrtheit und der "Freiheit und Würde des Patienten". Begründet wurde sie in der Rechtsprechung durch die beiden Elektroschockurteile.[18]
Durch diese Aufklärung erfährt der Patient alle notwendigen Informationen für eine eigenständige Entscheidung. Dies umfasst auch entfernte Nebenwirkungen und Risiken eines jeden Behandlungsschritts, da ansonsten die Einwilligung nicht freiwillig erfolgt. Der Umfang erstreckt sich nicht nur auf Diagnose und Behandlung, sondern auch auf die Folgen einer Nichtbehandlung und den Risiken.
Nebenvertragliche Aufklärung
Die Pflicht zur Information über Prognose und Therapiealternativen ergibt sich nicht nur aus dem Persönlichkeitsrecht, sondern auch als vertragliche Nebenpflicht des Arztes aus § 242 iVm. den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 1 GG.
Hinsichtlich genauen Befund und Verlauf erstreckt sich diese Aufklärungspflicht aber nur, soweit der Patient dies verlangt, also auf Anfrage.
Schon das Reichsgericht entschied, daß nur allein der Wille des Patienten für die Aufnahme einer Behandlung und einzelner Therapieentscheidungen ausschlaggebend ist.[19] Wörtlich äußerte sich das Gericht so: In jedem Falle ist es der Wille des Kranken bzw. seiner Angehörigen und gesetzlichen Vertreter, welcher überhaupt gerade diesen Arzt beruft, die Behandlung dieses Kranken zu übernehmen [...] So gewiss aber der verfügungsfähige Kranke durch Berufung des Arztes zwecks Heilung seines Leidens dem Arzte nicht eine unbeschränkte Gewaltherrschaft über seine Person eingeräumt hat, so gewiß der Auftrag zum Heilverfahren jederzeit widerrufen, der Arzt durch einen anderen ersetzt werden kann, so gewiss ist der selbe Kranke auch befugt, der Anwendung jedes einzelnen Heilmittels [...] rechtswirksam Weigerung entgegenzusetzen. [...] Und in dem Moment solcher Weigerung des zurechnungsfähigen Kranken oder seiner gesetzlichen Willensvertreter erlischt auch die Befugnis des Arztes zur Behandlung und Misshandlung einer bestimmten Person für Heilzwecke".[20]
Als "verständiger Patient" lässt sich dabei nicht derjenige Kranke bezeichnen, der sich in vernünftigem und berechtigtem Vertrauen auf die Sachkunde des Arztes verlässt. Sondern als "verständiger Patient" gilt derjenige der, zumindest ein Fundament laienhaften Wissens hat und auf dieser Basis eine persönliche Entscheidung treffen kann.[21]
Der BGH in Strafsachen hat diese Rechtsprechung zum Willensvorrang des Patienten auf eine "unvernünftige" Entscheidung fortgeführt. Er sieht es durch Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verfassungsrechtlich garantiert.[22] In diesem so genannten "Myom-Urteil" musste der Strafsenat über die Strafbarkeit eines Arztes entscheiden, der einen Eingriff bei einer Patientin durchführte, um ein Myom an der Gebärmutter zu entfernen. Die Einwilligung und Aufklärung umfasste genau diesen Sachverhalt. Im Laufe der Operation stellte sich heraus, daß das Geschwulst aber nicht nur oberflächlich auf der Gebärmutter sass, sondern fest mit ihr verwachsen war. Obwohl die Patientin auf diese Möglichkeit nicht hingewiesen worden war, entfernte der Arzt die Gebärmutter vollständig, da er davon ausging, daß die Patientin damit einverstanden sein werde, da nur so das Myom auch entfernt werden konnte.
Das Gericht urteilte jedoch, daß dieser Schluß nicht gerechtfertigt ist, vielmehr heißt es: "Mag die Entscheidung des Patienten für ihn selbst lebensbedrohlich sein und deshalb jedenfalls dann unverständlich sein, wenn er auch ohne das Organ weiterleben könnte, so muß sie doch von jedem, auch einem Arzt in Betracht gezogen und beachtet werden. Das auch in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG gewährleistete Recht auf körperliche Unversehrtheit fordert auch bei einem Menschen Berücksichtigung, der es ablehnt, seine körperliche Unversehrtheit selbst dann preiszugeben, wenn er dadurch von einem lebensgefährlichen Leiden befreit wird. Niemand darf sich zum Richter in der Frage aufwerfen, unter welchen Umständen ein anderer vernünftigerweise bereit sein sollte, seine körperliche Unversehrtheit zu opfern, um dadurch wieder gesund zu werden. Diese Richtlinie ist auch für den Arzt verbindlich ...".
Der Patient hat auch Anspruch auf Auskunft der von ihm gespeicherten persönlichen Daten. Gegenüber Bundesbehörden richtet sich der Anspruch aus § 19 Abs. 1 BDSG, gegenüber Landesbehörden nach den jeweiligen Landesdatenschutzgesetzen, in Bayern aus Art. 10 Abs. 1 BayDSG.
Der Patient hat jedoch nicht nur einen Anspruch vom Arzt alle seine persönlichen Daten zu erfahren, als korrespondierendes Recht hat er vielmehr auch den Anspruch, daß seine persönlichen Daten auch Dritten gegenüber geheim gehalten werden. Diese ärztliche Schweigepflicht ergibt sich als nebenvertragliche Pflicht und ist ein wichtiges Schutzinstrument für den Patienten.[23] Ein Verstoß dagegen ist nach § 203 StGB strafbar.
Dem Arzt steht dabei auch ein Aussageverweigerungsrecht als Zeuge vor Gericht nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO zu.
Ergänzt wird dieses Recht durch eine nur eingeschränkte Verpflichtung zur Anzeige geplanter Straftaten nach § 139 Abs. 3 StGB.
Aus dem in Art. 2 Abs. 1 GG verbrieften allgemeinen Persönlichkeitsrecht wird auch das Recht auf freie Arztwahl abgeleitet.[24] Falls der Arzt daher zu einer Behandlung bereit ist, kann jeder den Arzt seiner Wahl aufsuchen. Für gesetzlich Krankenversicherte ist dieser Anspruch in § 76 Abs. 4 SGB V ausdrücklich festgeschrieben.
Ein Recht auf gute und sichere Behandlung ist für jeden Patienten von grundsätzlicher Bedeutung.[25] Eine gute Behandlung setzt voraus, daß die Behandlung wissenschaftlich gesichert ist und aufgrund praktischer ärztlicher Erfahrung in der Fachwelt akzeptiert ist. Es sind dabei ebenso Qualitäts- wie Sicherheitsstandards einzuhalten. Dies umfasst sowohl eine ständige Optimierung und Sicherstellung einer wirksamen Behandlung als auch eine gute Organisation. Damit schädliche Einflüsse auf den Patienten minimiert werden.[26]
In erster Linie liegt der Wert dieser Rechte dabei in der Hand der ärztlichen Hand. Sie bestimmt durch ihre professionelle Kompetenz in gesicherten Prozeduren den medizinischen Standard der Behandlung. Die ärztlichen Leitlinien sind als Instrument der Qualitätssicherung deshalb nicht nur für die Ärzteschaft hilfreich, sondern gleichermaßen für Patienten. In zweiter Linie wird der Wert dieses Rechts durch die Qualität des Organisationsmanagements bestimmt. Insofern ist das Recht auf Sicherheit ein Teil dieses Patientenrechts.[27]
Das Einsichtsrecht des Patienten in seine Behandlungsunterlagen besteht unabhängig davon, ob er ein schutzwürdiges Interesse geltend macht. Es richtet sich direkt an den behandelnden Arzt oder das Krankenhaus. Das Einsichtsrecht des Patienten korrespondiert dabei mit der Dokumentationspflicht.[28]
Der Informationsanspruch besteht nicht nur mündlich, sondern wandelt sich nachvertraglich in einen schriftlichen Anspruch um. Damit besteht ein Einsichtsrecht in die Behandlungsunterlagen.[29] Laut Rechtsprechung seit 1978 ergibt sich dieser Anspruch als nebenvertragliche Pflicht aus § 242 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1 GG[30] und besteht auch ohne eine bestehende Prozessführungspflicht.[31]
Dabei steht es dem Patienten frei, ob er diesen Informationsanspruch wahrnimmt, indem er ihn schriftlich ausübt, also Einsicht in die Krankenunterlagen nimmt, oder mündlich, indem er ein Gespräch mit dem Arzt sucht.
Der BGH unterscheidet das Einsichtsrecht nach Art der Behandlung. Eine Einschränkung kommt laut Rechtsprechung nur im Rahmen der psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlung in Betracht. Der Grund dafür sieht der BGH in der "besonderen persönlichen Komponente".[32] Aufgrund der Behandlung und dem persönlichen Engagement findet in der Arzt-Patienten-Beziehung eine besondere subjektive Komponente der persönlichen Aufzeichnungen ihren Niederschlag. Hier kommen der Person, der Auffassung, der Lehrmeinung, dem Einfühlungsvermögen und den Aktionen des Arztes zentrale Bedeutung zu. Hier offenbart der Arzt mehr von sich und seiner Persönlichkeit als sonst".[33]
Bei einer somatischen Behandlung sieht der BGH dafür jedoch keinen Anlass zur Einschränkung.[34]
Dieser Auffassung ist jedoch schon aufgrund des Datenschutzes entgegenzutreten, denn datenschutzrechtlich wird nicht zwischen verschiedenen Behandlungsformen unterschieden.
Die Beteiligung der Patienten an den Kommunikations- und Entscheidungsprozessen im Medizin- und Gesundheitssystem ist Ausdruck der verfassungsrechtlich geschützten kollektiven Autonomie und Ausdruck des Sozialstaatsprinzips. Sie sichert durch die Chancen zur Wahrnehmung zugleich individuelle Rechte. Kollektivität sorgt sozusagen gleichzeitig auch für Individualität.[35]
Die Weltgesundheitsorganisation hat die kollektive Beteiligung schon 1994 in ihre Deklaration der Patientenrechte aufgenommen.[36] Als Beteilgungsformen lassen sich folgende Modelle unterscheiden:
- Umfragebeteiligung
- Verfahrensbeteiligung
- Beratungsbeteiligung
- Entscheidungsbeteiligung[37]
Abbildung 2: "Magisches Viereck" der kollektiven Patientenrechte
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung. Nach: Hart: Patientenrechte, In: Heidelberger Kommentar, S. 14.
Als Beteiligungsrechte seien hier beispielhaft angeführt:
Nach § 25 Abs. 6 AMG sind in Zulassungskommissionen, Patienten und Verbraucher zu berufen.
Im Bereich des Krankenversicherungsrecht wird eine Beteiligung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (§ 140f Abs. 2 SGB V) und das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (§ 139a Abs. 5 SGB V) sichergestellt.
Ebenso haben Versicherte und damit Patienten in der Sozialwahl nach §§ 43 ff. SGB IV die Möglichkeit über die Arbeit der Sozialversicherungsträger mitzubestimmen.
Eine Form der Entscheidungsbeteiligung findet bei den Sozialgerichten durch die Besetzung der Spruchkammern statt. Hier wird nach § 12 SGG eine Kammer mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt. Ein ehrenamtlicher Richter kommt dabei aus dem Kreis der Arbeitnehmer und ist damit zumindest potentiell ein Patient.
Das Recht auf Selbstbestimmung über seine Person als Patient erscheint jedem heute als Selbstverständlichkeit. Welchen weiten Weg die Rechtsprechung aber von der Selbstbestimmung des Patienten bis zum heutigen Patientenrechtegesetz genommen hat, lässt sich erst erkennen, wenn man den Weg dahin kurz nachvollzieht.
Erste Ansätze traf das Reichsgericht 1894 in einer Grundsatzentscheidung indem es in einer, trotz Indikation und erfolgreicher Operation, aber gegen den ausdrücklichen erklärten Willen eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Körperverletzung erfüllt sah.[38]
Demnach räumt der "verfügungsfähige Kranke" dem Arzt zwar "nicht eine unbeschränkte Gewaltherrschaft über seine Person ein", sondern macht die Behandlungsbefugnis von seinem Willen abhängig, so daß im Moment der Weigerung einer Maßnahme "auch die Befugnis des Arztes zur Behandlung erlischt."[39] Jedoch heißt es dort weiter, daß der Arzt davon ausgehen dürfe, daß der Kranke sich "seinem Rat unterordnen, seine Weisungen befolgen, sich seine Heilmittel gefallen lassen werde, ihm daher bei allen seinen Eingriffen in den Organismus des zu Heilenden dessen Zustimmung zur Seite steht".
Damit wurde klargestellt, daß keine Behandlung gegen den Willen möglich ist.
Aufklärung bzw. Einwilligung wurden erstmals 1912 problematisiert, als eine Rechtspflicht zur Aufklärung über eventuelle schädliche Operationsfolgen verneint wurde.[40] "Weder aus der Übung der pflichtgetreuen und sorgfältigen Vertreter des ärztlichen Berufs noch aus inneren Gründen" lasse sich diese herleiten. Eine umfassende Belehrung des Kranken über alle möglichen nachteiligen Folgen der Operation würde nicht selten sogar falsch sein, sei es, daß der Kranke dadurch abgeschreckt wird, sich der Operation zu unterwerfen, sei es, daß der Kranke durch die Vorstellung der mit der Operation verbunden Gefahren in Angst und Erregung versetzt und so der günstige Verlauf der Operation und der Heilung gefährdet wird". Die Aufklärung wurde damit dem ärztlichen Ermessen unterstellt und nicht als ärztliche Pflicht gesehen.
Diese Ansicht änderte sich erst 1937 in einer Kehrtwende der Rechtsprechung nachdem sich der Gedanke der ärztlichen Fürsorge erstmalig einem Selbstbestimmungsrecht des Patienten unterwerfen musste.[41] 1954 knüpfte der BGH daran an, indem er dieses Selbstbestimmungsrecht auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht stützte und daraus eine Pflicht zur ärztlichen Aufklärung ableitete.[42]
Im weiteren Verlauf zeigte sich zwar eine Verschärfung der Anforderungen an eine Aufklärung, konkret benannte Patientenrechte im Sinne eines umfassenden Patientenrechtegesetzes waren aber noch in weiter Ferne.[43] Vielmehr wurden die Aufklärungspflichten durch die Rechtsprechung im Laufe der Zeit erst näher konkretisiert.
Erste Anfänge erfolgten dann in den 70'er Jahren, indem ein intensive Diskussion über die Rechte von Patienten geführt wurde. Im Rahmen des 52. Deutschen Juristentags wurde 1978 die Frage gestellt, ob es sich nicht empfehle, im Interesse der Patienten und der Ärzte ergänzende Regelungen für das ärztliche Vertrags-, Standes- und Haftungsrecht einzuführen.[44] Die Mehrheit stand dem zwar kritisch gegenüber, jedoch fand sich auch eine nicht unbedeutende Minderheit die für eine gesetzliche Regelung eintrat. So wurden spezialgesetzliche Regelungen zum Behandlungsvertrag und Arzthaftungsrecht diskutiert. Ein erster Schritt in Richtung Patientenrechte war damit getan.
Der nächste Schritt erfolgte dann im Jahr 1999 aufgrund eines Beschlusses der 72. Gesundheitsministerkonferenz. Aufgrund dieses Beschlusses wurde der Grundlage für die Broschüre mit dem Titel "Patientenrechte in Deutschland heute" gelegt. Darin wurden die wichtigsten Rechte von Patienten zusammengefasst und der Fachöffentlichkeit vorgestellt.[45] Jedoch erfuhr diese Broschüre nur wenig Aufmerksamkeit und blieb sowohl Patienten als auch Behandlern weitgehend unbekannt.[46] Daraufhin empfahl der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen "die bislang in unterschiedlichen Gesetzestexten verstreuten Patientenrechte in einem Patientenrechtegesetz zusammenzufassen, (...) um die derzeitig komplexe rechtliche Situation für die Patienten in einfacher Weise identifizierbar zu machen.[47] Die Bundesregierung setzte daher 2002 eine Arbeitsgruppe ein, die die Broschüre von 1999 erweiterte und aktualisierte und dann unter dem Namen "Patientenrechte in Deutschland" herausgab.[48] Aber auch dieses Papier blieb weitgehend unbekannt und natürlich nicht rechtsverbindlich.[49] Aus diesem Grund sah sich die Bundesregierung und der Patientenbeauftragte veranlasst, ein "Patientenschutzgesetz" auf dem Weg zu bringen.[50] Mit dem nun in Kraft getretenen Patientenrechtegesetz wird die Diskussion, um zur Notwendigkeit einer juristischen Rechtsgrundlage zur Behandlung von Patienten, nun beendet.
Im folgenden sei kurz die konkrete Gesetzeshistorie dargestellt. Im Gegensatz zu den Anfängen verlief das Gesetzgebungsverfahren relativ unspektakulär:
Tabelle 1: Übersicht zum Gesetzgebungsverfahren
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung.
Mit dem nun verabschiedeten Patientenrechtegesetz will der Gesetzgeber Rechtsklarheit und Rechtssicherheit herstellen, um so die Rechte der Patienten zu stärken und fortzuführen.[51] Zudem sollte ein Ausgleich zwischen den Interessen der Patienten, der Behandelnden und der sonstigen Beteiligten im Gesundheitswesen geschaffen werden. Dies soll hauptsächlich durch Kodifizierung des Behandlungsvertrags im BGB erreicht werden. Daneben werden allerdings auch Änderungen im Sozialgesetzbuch V (Krankenversicherung), der Patientenbeteiligungsverordnung und des Krankenhausfinanzierungsgesetzes vorgenommen.
Im BGB wurden durch die §§ 630a bis 630h BGB die wesentlichen Eckpfeiler für die aus dem Vertragsverhältnis des Behandelnden mit dem Patienten folgenden Rechte und Pflichten umgesetzt.
Dadurch wurde der medizinische Behandlungsvertrag im Titel "Dienstvertrag und ähnliche Verträge" als neuer Untertitel aufgenommen. Das Patientenrechtegesetz führt damit zu einer Änderung im BGB Buch 2 Abschnitt 8 (Dienstvertrag und ähnliche Verträge, Untertitel 1 „Dienstvertrag“ Untertitel 2 „Behandlungsvertrag“).[52]
In dem Regierungsentwurf werden insgesamt folgende sechs Hauptziele formuliert:
- Kodifizierung des Behandlungs- und Arzthaftungsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch,
- Förderung der Fehlervermeidungskultur,
- Stärkung der Verfahrensrechte bei Behandlungsfehlern,
- Stärkung der Rechte gegenüber Leistungsträgern,
- Stärkung der Patientenbeteiligung,
- Stärkung der Patienteninformation.[53]
(1) Durch den Behandlungsvertrag wird derjenige, welcher die medizinische Behandlung eines Patienten zusagt (Behandelnder), zur Leistung der versprochenen Behandlung, der andere Teil (Patient) zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, soweit nicht ein Dritter zur Zahlung verpflichtet ist.
(2) Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist
Systematisch korrekt wird der Behandlungsvertrag in Zusammenhang mit dem Dienstvertragsrecht geregelt.[54] Eine Definition, was unter einer medizinischen Behandlung zu verstehen ist, erfolgt dagegen nicht.[55] Nach ständiger Rechtsprechung gehört neben der Diagnose, die Therapie und sämtliche Maßnahmen und Eingriffe am Körper eines Menschen, um Krankheiten, Leiden oder Körperschäden, körperliche Beschwerden oder seelische Störungen nicht krankhafter Natur zu verhüten, erkennen, heilen oder lindern zur Behandlung.[56] Damit wird die medizinische Behandlung von reiner Pflege oder Betreuung abgegrenzt.
Fraglich ist, das Vorliegen einer medizinischen Behandlung besonders in Grenzbereichen der Medizin. Beispielhaft seien hier die beiden Bereiche Blutspende und biomedizinische Forschung untersucht.
Blutspende
Gerade eine Blutspende fällt nicht direkt in die durch Rechtsprechung entwickelte Begriffsbestimmung einer medizinischen Behandlung. Man könnte daher die Meinung vertreten, daß die reine Blutspende keine medizinische Behandlung darstellt, da sie nicht aufgrund einer medizinischen Indikation erfolgt, sondern freiwillig.
Dennoch gehört es gerade zu den ärztlichen Aufgaben die Spendereigenschaft, festzustellen und Blut zu entnehmen (§§ 5 Abs. 1, 7 Abs. 1 Transfusionsgesetz iVm. Hämotherapierichtlinie). Unzweifelhaft gehören aber kosmetische Operationen oder vorsorglich durchgeführte Schutzimpfungen ebenso zu "Behandlungen" und erfordern damit keine medizinische Indikation.[57] Entscheidend ist vielmehr, daß sich der Behandelte ganz bewusst einem Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit unterzieht, für dessen Durchführung eine ärztliche Approbation sowie eine Behandlung nach einschlägigen Richtlinien erforderlich ist. Weiter dürfte außer Frage stehen, daß Blutspender sich diesem Eingriff nur unterziehen, wenn sichergestellt ist, daß er "lege artis" erfolgt.
Zwar fehlt bei einer Blutspende und dem darauf begründeten Vertrag die eigentlich erforderliche Gegenleistung, nämlich die Vergütung des Patienten, dennoch kann auch nach der jetzigen Gesetzeslage ein Behandlungsvertrag angenommen werden, da bereits die Rechtsprechung vor Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes zwischen Blutspendedienst und Blutspender einen begründeten Arztvertrag angenommen hatten und Gründe für eine abweichende Ansicht in der Gesetzesbegründung nicht vorgetragen werden.[58] Weder die unentgeltliche Durchführung, noch die fehlende medizinische Notwendigkeit der Heilbehandlung stehen der Annahme eines Behandlungsvertrags entgegen.[59]
Da mit dem Patientenrechtegesetz die Rechtsstellung der behandelnden Patienten hinsichtlich eventueller Fehlbehandlungen gestärkt werden sollte, kommt die teleologische Auslegung zum selben Ergebnis.[60] Ein Blutspender hat bei einer Punktion der Armvenen bei diesem Eingriff das gleiche Interesse wie ein Patient, dem Blut aus diagnostischen Zwecken abgenommen wird. Da die Blutspende in der Regel unentgeltlich erfolgt, kann hier sogar von einem verstärkten Interesse des Spenders auf besonders sorgfältige Behandlung ausgegangen werden. Es ist daher eine medizinische Behandlung und damit ein Behandlungsvertrag zwischen Spender und Blutspendedienst anzunehmen.
Biomedizinische Forschung
Ein weiterer Grenzbereich ist die biomedizinische Forschung. Der "Probandenvertrags" stellt, wie der Behandlungsvertrag vor Einführung des Patientenrechtegesetzes, einen Dienstvertrag nach §§ 611 ff. BGB "sui generis" dar. Er wurde für das Verhältnis von forschendem Arzt und beforschtem Patienten geschaffen.[61] Die biomedizinische Forschung „erobert“ so, wie das Medizinrecht, den Bereich der zivilrechtlichen Rechtsformen.[62]
Fraglich ist nun, wie der Bereich der biomedizinischen Forschung vom Bereich der Behandlung abzugrenzen ist und ob die biomedizinische Forschung unter dem Begriff der medizinischen Behandlung fällt.
Der Begriff der biomedizinischen Forschung lässt sich in die drei Bereiche Heilversuche, medizinische Experimente und Forschung mit und an Körpermaterialien unterteilen.[63]
Heilversuche umfassen Eingriffe und Behandlungsweisen am Menschen, die der Heilbehandlung dienen, die in einem bestimmten Behandlungsfall zur Erkennung, Heilung oder Verhütung einer Krankheit oder eines Leidens oder zur Beseitigung eines körperlichen Mangels vorgenommen werden, obwohl ihre Auswirkungen und Folgen aufgrund der bisherigen Erfahrungen noch nicht ausreichend zu übersehen sind.[64] Heilversuche fallen direkt unter dem Begriff der medizinischen Behandlung, da hier zumindest auch eine Therapie am Menschen erfolgt.
Medizinische Experimente hingegen sind "Eingriffe und Behandlungsweisen am Menschen, die zu Forschungszwecken vorgenommen werden, ohne der Heilbehandlung im einzelnen Fall zu dienen, und deren Auswirkungen und Folgen aufgrund der bisherigen Erfahrungen noch nicht ausreichend zu übersehen sind."[65] Sie liegen im Rahmen klinischer Prüfungen mit Abstand vor allen anderen Bereichen. Die Patienten bzw. Probanden setzen sich hier einer medizinischen Behandlung aus, die nicht zwingend zur Heilung, sondern für Forschungszwecken vorgenommen wird. Dennoch ist, soweit zumindest eine Behandlung erfolgt, eine medizinische Behandlung und daher ein Behandlungsvertrag anzunehmen.[66]
Forschung mit und an Körpermaterialien gehören ebenso zur biomedizinischen Forschung soweit ein bedingter oder evidenter Personenbezug vorliegt. Hier findet jedoch keinerlei Behandlung am Menschen statt. Sie hat "nur" Bezug zu separierten menschlichen Bestandteilen. Ein Behandlungsvertrag ist daher abzulehnen.[67]
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[1] Igl, Schutz von Verbrauchern, Nutzern und Patienten im Gesundheitswesen. In: Igl/ Welti: Gesundheitsrecht - Eine systematische Einführung, 2012, S. 21.
[2] Rüddel, Patientenrechtegesetz aus politischer Sicht. In: Arbeitsgemeinschaft Rechtsanwälte im Medizinrecht e.V. (Hrsg.): Qualitätsmängel im Arzthaftungsprozess - Brauchen wir ein Patientenrechtegesetz, 2012, S. 89.
[3] Olzen/Metzmacher, Erste Überlegungen zum Referentenentwurf für ein Patientenrechtegesetz, Juristische Rundschau, 7/2012, S. 271; Ratzel, Ein Patientenrechtegesetz - Zum Entwurf aus Sicht der Anwaltschaft, Der Gynäkologe, 8/2011, S. 656 - 658; Schmitz-Luhn, 4. Kölner Medizinrechtstag: "Das Patientenrechtegesetz", MedR 31/2013, S. 95; Ulsenheimer, Anmerkungen zum neuen Patientenrechtegesetz, S. 4; Katzenmeier, Patientenrechte im Krankenhaus, In: Düsseldorfer Krankenhausrechtstag 2011, 2012, S. 12.
[4] Eckert, Patientenrechtegesetz stiehlt Arztzeit, Klinische Monatsblätter für Augenheilkunde, 230/2013, S. 95.
[5] Schreiner, M.: EU-Patientenrechte-Richtlinie - Die Europäer kommen!, das krankenhaus, 10/2013, S. 1058.
[6] Igl, Gesundheitsrecht, S. 21.
[7] Knorr, Das neue Patientenrechtegesetz - Für Leistungserbringer kein Grund für Panik, KU Gesundheitsmanagement, 4/2013; Walter/Heppekausen, Das neue Patientenrechtegesetz und die Bedeutung des Entwurfs für Krankenhäuser, Pflege- & Krankenhausrecht, 3/2012, S. 88.
[8] Welge, Bettina und Lindemann, Marcus: Patientenrechte in Europa, S. 104, In: Patientenrechte und Patientenunterstützung in Europa, Kranisch, Christoph und Böcken, Jan.
[9] Hart: Patientenrechte, In: Heidelberger Kommentar, S. 6.
[10] Hart: Patientenrechte, In: Heidelberger Kommentar, S. 7.
[11] Hart: Patientenrechte, In: Heidelberger Kommentar, S. 7.
[12] Tiebe: Strafrechtlicher Patientenschutz, S. 198¸ Stegers, Deutschland (1): Patientenrechte, In: Kranich/ Böcken: Patientenrechte und Patientenunterstützung in Europa 1997, S. 80.
[13] RGZ 78, S. 432ff, 434.
[14] BGHZ, 29, 46, NJW 1959, 811.
[15] Rothärmel: Einwilligung, Veto, Mitbestimmung, S. 36.
[16] Rothärmel: Einwilligung, Veto, Mitbestimmung, S. 37.
[17] Rothärmel: Einwilligung, Veto, Mitbestimmung, S. 38
[18] NJW, 1956, 1106-1108; BGH NJW 1959, 811, 813; Rothärmel: Einwilligung, Veto, Mitbestimmung, S. 38.
[19] RGSt 25, 375-389; Rothärmel, Einwilligung, Veto, Mitbestimmung, 2004, S. 35.
[20] RGSt 25, S. 375, 381f.
[21] Rothärmel: Einwilligung, Veto, Mitbestimmung, S. 34.
[22] BGH v. 28.11.1957.
[23] Tiebe: Strafrechtlicher Patientenschutz, S. 210.
[24] Stegers, Deutschland (1): Patientenrechte, In: Kranich/ Böcken: Patientenrechte und Patientenunterstützung in Europa 1997, S. 78.
[25] Tiebe: Strafrechtlicher Patientenschutz, S. 194.
[26] Hart: Patientenrechte, In: Heidelberger Kommentar, S. 9.
[27] Hart: Patientenrechte, In: Heidelberger Kommentar, S. 9.
[28] Hart: Patientenrechte, In: Heidelberger Kommentar, S. 11
[29] Steffen/Dressler, Rn. 323.
[30] BGH NJW 1978, S. 2338.
[31] BGH NJW 1983, S. 328f.
[32] BGHZ 85, S. 327, S. 334.
[33] KG Berlin 1981, S. 2522f.
[34] BGH (IV ZR) NJW 1983, S. 328f.
[35] Hart, Patientenrechte, S. 13, In: Heidelberger Kommentar.
[36] Declaration on the Promotion of Patients' Rights in Europe, Regional Office for Europe, Health Services Management, Health Care Systems, 1994.
[37] Hart, Patientenrechte und Bürgerbeteiligung, S. 10.
[38] RGSt 25, S. 375ff; Ulsenheimer, Die Entwicklung der Rechtsprechung zur Stärkung der Patientenrechte - brauchen wir eine Patientencharta?. In: Medizinrecht heute: Erfahrungen, Analysen, Entwicklungen - Festschrift 10 Jahre Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im DAV Hrsg.), 2008, S. 121.
[39] RGSt 25, S. 381.
[40] RGZ 78, S. 433.
[41] RG Urteil vom 19.03.1973, JW 1937, S. 3087ff.
[42] BGH NJW 1956, S. 1106.
[43] Ulsenheimer, Die Entwicklung der Rechtsprechung zur Stärkung der Patientenrechte, S. 123.
[44] Kubella, Katrin: Patientenrechtegesetz, Heidelberg, 2011, S. 15.; Montgomery/ Brauer/ Hübner/ Seebohm, Das Patientenrechtegesetz aus Sicht der Ärzteschaft, MedR, 31/2013, S. 150.
[45] Senator für Frauen, Gesundheit, Jugend, Soziales, Umweltschutz der Freien Hansestadt Bremen (Hrsg.), Patientenrechte in Deutschland heute, Juni 1999; Tiebe: Strafrechtlicher Patientenschutz, S. 308.
[46] Thole, Das Patientenrechtegesetz, MedR, 31/2013, S. 145.
[47] Sachverständigen für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (Hrsg.), Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit, Band I, S. 336ff.
[48] Bundesministerium für Gesundheit (Hrsg.), Patientenrechte in Deutschland, 2002.
[49] Thole, Das Patientenrechtegesetz, MedR, 31/2013, S. 145.
[50] Koalitionsvertrag CDU, CSU und FDP "Wachstum, Bildung, Zusammenhalt", 17. Legislaturperiode, S. 90¸ Zöller, Patientenrechtegesetz, MedR, 29/2011, S. 229.
[51] BT-Drs. 17/10488 vom 15.08.2012, S. 1, 10.
[52] Middendorf, Das Patientenrechtegesetz - was ist neu, was muss ich den Mandanten mitgeben? Zeitschrift für das gesamte Medizin- und Gesundheitsrecht, 5/2012, S. 325.
[53] BT-Drs 17/10488 vom 15.08.2012, S. 1.
[54] Thole, Das Patientenrechtegesetz, MedR, 31/2013, S. 146; Janda, Medizinrecht, 2013, S. 124.
[55] Jaeger, Patientenrechtegesetz, S. 18.
[56] Walter/Heppekausen, Das neue Patientenrechtegesetz und die Bedeutung des Entwurfs für Krankenhäuser, Pflege- & Krankenhausrecht, 3/2012, S. 89.
[57] Katzenmeier, Der Behandlungsvertrag, NJW, 12/2013, S. 818.
[58] OLG Zweibrücken v. 19.10.1994, 5 U 6/04.
[59] OLG Zweibrücken v. 19.10.1994, 5 U 6/04; BGH, NJW 1997, S. 2120.
[60] Merker, Patientenrechtegesetz, Transfusionsmedizin 3/2013, S. 151.
[61] Lippert/Adler, Forschung am Menschen, VersR 1993, S. 277.
[62] Lippert, Das Patientenrechtegesetz und die biomedizinische Forschung, MedR,31/2013, S. 714ff.
[63] Deutsch, Heilversuche oder klinische Prüfungen, VersR 2005, S. 1009ff.
[64] Lippert, Das Patientenrechtegesetz und die biomedizinische Forschung, S. 715.
[65] Lippert, Das Patientenrechtegesetz und die biomedizinische Forschung, S. 715.
[66] Lippert, Das Patientenrechtegesetz und die biomedizinische Forschung, MedR, 31/2013, S. 718.
[67] Lippert, Das Patientenrechtegesetz und die biomedizinische Forschung, MedR, 31/2013, S. 718.