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Masterarbeit, 2013
45 Seiten, Note: 2,3
1 Einleitung
2 Staatsaktivität im Wandel
2.1 Entwicklung der Staatsaufgaben
2.1.1 Dynamik der Staatsausgabenquote
2.1.2 Trend der Schuldenlast
2.2 Internationale Vorgehensweisen zur Ausgabenbegrenzung
2.2.1 Stabilitätskriterien der Europäische Union
2.2.2 Defizitbeschränkungen der Vereinigte Staaten von Amerika
2.2.3 Schweizer Schuldenbremse und Finanzreferenden
2.2.4 Die deutsche Schuldenbremse
3 Wachstumstheorie des Öffentlichen Sektors
3.1 Wagnersches Gesetz
3.2 Baumolsche Kostenkrankheit
3.3 Niveauverschiebungseffekt
4 Ansätze zur Disziplinierung staatlichen Handelns
4.1 Fiskalregeln
4.1.1 Schuldenregeln
4.1.2 Anreizkompatible Zielvereinbarung
4.2 Kommission für Kostenbewusstsein und Transparenz
4.3 Finanzreferenden
5 Empirie und politische Implikationen
5.1 Empirische Evidenz der Wachstumstheorie
5.2 Evidenzwirkung institutioneller Regelungen
5.3 Staatliche Entwicklungsmöglichkeiten
5.3.1 Staatliche Kernaufgaben
5.3.2 „Schlanker Staat“
6 Fazit und Ausblick
Abbildung 1: Staatsausgabenquoten im internationalen Vergleich
Abbildung 2: Staatschuldenquote im internationalen Vergleich
Der Umgang staatlicher Institutionen mit ihren finanzpolitischen Mitteln ist in der Forschungslandschaft ein Dauerthema. Besondere Relevanz erhielt die Thematik durch das Aufkommen von extensiven Haushaltsdefiziten und drohenden Staat- spleiten in mehreren Industrienationen. Die Fähigkeit der Politik angemessen mit dem ihr zur Verfügung gestellten Budget zentrale gesellschaftliche Aufgaben be- reitzustellen wird zunehmend bezweifelt. An diesem Punkt ist es den politischen Akteuren, besonders im europäischen Währungsraum, nicht gelungen ihre Staats- haushalte an die veränderten gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Gege- benheiten ihrer jeweiligen Länder anzupassen.1 Die Wachstumstheorie des öffent- lichen Sektors prognostiziert einen in weiten Teilen weiter steigenden Bedarf an finanziellen Mitteln für zentrale staatliche Aufgabenfelder, worunter insbesondere die Sozial- und Bildungspolitik fallen. Dieser wachsende Finanzbedarf wird spe- ziell im Hinblick auf den demographischen Wandel, mit einer zunehmend altern- den Bevölkerung, mit einem weiteren Anwachsen der individuellen Ansprüche an staatliche Leistungen, einhergehen und somit zusätzlich Druck auf die Staatshaus- halte erzeugen. Dies führt schon gegenwärtig zu einer schmerzlichen Konsolidie- rungsphase, welche vor allem in den südosteuropäischen Ländern mit einer schweren Wirtschaftskrise einhergeht. Konsequenterweise müssen korrigierende Maßnahmen im Bereich des institutionellen Rahmenwerks etabliert werden, um die staatliche Handlungsfähigkeit in gesellschaftspolitisch wesentlichen Zustän- digkeiten sicherzustellen. Diese dürfen aber gleichwohl die staatliche Verschul- dungssituation nicht außer Acht lassen. In diesem Zusammenhang ist es deshalb wesentliche, welche Aufgaben einer staatlichen Bereitstellung bedürfen und wie deren Finanzierung sichergestellt werden kann.
Es stellt sich daher einerseits die grundsätzliche Frage in welchen Aufgabenfel- dern der Staat gegenüber privaten Anbietern Effizienzvorteile genießt und diese folglich bereitstellen soll. Andererseits wie staatliche Institutionen zu mehr Effek- tivität gelangen können, um ein übermäßiges Anwachsen der Ausgaben zu ver- meiden. Es ist essentiell, institutionelle Rahmenbedingungen für den öffentlichen Sektor zu schaffen, welche einen kontinuierlicheren wirtschaftlichen Wachstums- pfad unter Berücksichtigung der staatlichen Finanzierungsseite ermöglichen.
Diese Arbeit zeigt den Wandel der Rahmenbedingungen der öffentlichen Finan- zen auf und gibt Instrumente vor, staatliches Handeln so zu beschränken, dass den Gestaltungsspielräumen der Politik zur Verschuldung enge Grenzen gesetzt sind. Zur Bewältigung von Krisensituationen jedoch größtmögliche Flexibilität herrscht. Sie gliedert sich folgendermaßen. Kapitel 2 befasst sich mit der Entwick- lung der staatlichen Aufgaben und wirft einen Blick auf die international unter- schiedlichen Herangehensweisen zur Begrenzung der Ausgaben- und Verschul- dungssituation. Im folgenden Kapitel 3 wird die theoretische Grundlage zum Wachstum des öffentlichen Sektors erläutert, welche in Kapitel 4 Ansätze zur Disziplinierung staatlicher Entscheidungsträger in Hinblick auf die wachsende Ausgabenlast fortgeführt wird. Die Arbeit schließt in Kapitel 5 mit der empiri- schen Evidenz der theoretischen Grundlagen und hinterfragt welche Effizienzver- besserungsmöglichkeiten staatliches Handeln aufweist.
Die staatliche Aufgabenstruktur ist durch die Verschiebung von gesellschaftlichen Prioritäten einer stetigen Anpassung unterzogen. Im letzten Jahrhundert hat sich der Trend der Staatsausgabenquote in allen Industriestaaten deutlich erhöht.2 Be- sonders durch die Weltkriege und die damit einhergehenden Weltkriegsturbulen- zen lässt sich ein stark steigender Trend ablesen.3 Krisenzeiten haben immer einen größeren Anteil an staatlichem Handeln in Bezug auf die gesamte Wirtschaftsleis- tung hervorgerufen. Dies spiegelt sich auch in der letzten Finanz- und der darauf folgenden Staatsschuldenkrise wieder.4 Zur Bekämpfung der Rezession in der Realwirtschaft wurden gemäß einer keynesianischen Wirtschaftspolitik entge- genwirkende Maßnahmen im Sinne staatlicher Ausgabenprogramme verabschie- det.5 Die Bewältigung der Finanzkrise hat für die staatliche Prozesspolitik die Bedeutung der sozialen Sicherung nochmals in den Vordergrund gestellt.6 Folg- lich zeigt auch die Ausgabenstruktur des Bundeshaushaltes für das Jahr 2013 mit 48,1 % der Gesamtausgaben im Bereich der sozialen Sicherung die gesellschafts- politische Relevanz dieses staatlichen Aufgabenfeldes.7 Die Sozialstaatlichkeit wird als zentrales Feld der Gewährleistung zur Möglichkeit der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gesehen. Hierbei wird dem Staat die Leistungsfähigkeit zur Verbesserung sozialer Probleme im Hinblick auf die Veränderung bestimmter Zustände und den Ausgleich von Benachteiligungen beigemessen.8
Die einzelnen staatlichen Ausgabenposten haben sich in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahrzehnten im Hinblick auf die Bildung von Prioritä- ten stark verändert. Die Bereiche Investitionen und Sachaufwand entwickelten sich in Bezug auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) unterdurchschnittlich. Dement- sprechend befindet sich die Bundesrepublik im internationalen Vergleich unter den Ländern mit den niedrigsten Aufwendungen für Investitionen und geringen Ausgaben im Personalbereich.9 Im Gegenzug wurden die staatlichen Umvertei- lungs- und Transferleistungen erhöht. Insgesamt wird annäherungsweise die Hälf- te der Staatsausgaben zum Ausgleich sozialer Benachteiligung aufgewendet.10 Als weiterer großer Ausgabenblock haben die Zinszahlungen für den Schuldendienst ein immer bedeutenderes Ausmaß der Aufwendungen angenommen.11,12
Der öffentliche Sektor unterliegt einem durch die Beschaffenheit der Aufgaben ureigenen Wachstumsdruck, welcher in Verbindung mit der Finanzierungslücke Reformen in der staatlichen Finanzpolitik nötig werden lässt.13 Im Status-Quo ist die zielführende Bereitstellung der öffentlichen Güter dauerhaft nicht finanzierbar. Es müssen deshalb entweder Mechanismen für mehr Effizienz im staatlichen Ausgabenbereich gefunden werden, oder auf der anderen Seite die Einnahmen erhöht werden. Bei der Möglichkeit der Einnahmenerhöhung sollten jedoch zwei zentrale Punkte immer beachtet werden. Konsumsteuern und steuerähnliche Ab- gaben haben durch ihre Preis- und Mengenwirkung einen verzerrenden Effekt auf die relativen Güterpreise zur Folge. Durch die Ausweichreaktionen der Individuen auf den Besteuerungsvorgang werden Substitutionseffekte hervorgerufen, welche zu Zusatzlasten und damit einem Nutzenverlust führen.14 Zudem sollte angesichts der Konsumentensouveränität und der, nach ökonomischem Verständnis, notwen- digen Entscheidungsfreiheit das individuelle Konsumverhalten nicht Ziel einer politischen Intervention sein.15 Resultierende Effizienzverluste durch Besteuerung haben eine unmittelbare Bedeutung im wohlfahrtsökonomischen Verständnis.16 Insofern sind sie in die Berechnung der Wohlfahrtswirkung einer steuerfinanzier- ten Maßnahme mit einzubeziehen.17 Diese Folgeerscheinungen sind in gewissem Maße zur Erfüllung der staatlichen Tätigkeit unvermeidlich. Eine gewisse Zielori- entierung der staatlichen Etatplanung im Hinblick auf einen strukturellen Haus- haltausgleich sollte jedoch nicht aus den Augen verloren werden.18 Die Konsoli- dierung auf der Ausgabenseite verspricht hierbei im Gegensatz zu Steuererhöhun- gen eine wachstumsfreundlichere Politik mir geringeren Auswirkungen auf Be- schäftigungsperspektiven.19
Daher ist ein eingehender Blick auf die Ausgabenstruktur sinnvoll. Hier können strukturelle Reformen getätigt und einzelne Positionen auf ihre ökonomische Ziel- führung untersucht werden, um unverträgliche Kürzungen im Sozialbereich zu vermeiden.20 Eine Veränderung des Staatssektors und damit einhergehend in ge- wissen Bereichen eine Ausweitung der Staatsausgaben lässt sich zweifellos recht- fertigen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Veränderung der Bevölke- rungsstruktur. Der demographische Wandel, mit einer zunehmend älter werden- den Bevölkerung und damit einem Anwachsen des Personenkreises mit über- durchschnittlichen Ansprüchen an die Bereitstellung öffentlicher Leistungen und Transferzahlungen, schafft zusätzlichen Ausgabendruck im Bereich der sozialen Wohlfahrt.21,22 Überdies lassen sich durch die Komplementaritätsbeziehung priva- ter und öffentlicher Güter positive Wirkungen erzielen. Hierbei führen zusätzliche staatliche Ausgaben durch Verstärkungseffekte zu zusätzlichen privaten Investitionen und unterstützen somit den Einfluss staatlicher Wirtschaftspolitik.23
Im Folgenden soll deshalb ein Blick auf die Entwicklung der Staatstätigkeit im internationalen Vergleich aufzeigen, wie unterschiedlich die Herangehensweise verschiedener Länder auf die Problematik der veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ist.
Die Staatsausgabenquote beschreibt die Größe des staatlichen Sektors und setzt diesen in Bezug zur gesamten Wirtschaftsleistung.24 Die Betrachtung der Veränderung dieser Quote über die Zeit ermöglicht eine Analyse über die Entwicklung der staatlichen Aufgaben als Anteil an der Volkswirtschaft.
Hierbei herrscht eine kontroverse Diskussion über das angemessene Maß an staat- licher Einflussnahme auf die Gesellschaft. Die schlussendliche Wohlfahrtswir- kung kann aber nur durch die Offenlegung der individuellen Präferenzverteilung zwischen entgangenem privatem Konsum und dem Nutzen aus der Bereitstellung zusätzlicher öffentlicher Dienstleistungen beantwortet werden.25 Es liegt also ein Trade-Off zwischen der gesellschaftlichen Wertschätzung der öffentlichen Güter und dem Effizienzverlust der Besteuerung vor. Dies erfordert eine Abwägung zwischen dem Ziel der Schaffung einer gerechteren Gesellschaft und dem Ziel des effizienten Umgangs mit der Steuerbasis.26 Hierbei kann eine akademische Fun- dierung die enthaltenen politischen Werturteile nicht ersetzen. Der langfristige Trend der Entwicklung der Staatsausgabenquote kann durch die Beobachtbarkeit der Veränderung der Ausgaben, die Anpassung der staatlichen Herangehensweise zur individuellen Bedürfnisbefriedung darstellen. Im Folgenden soll deshalb ein internationaler Vergleich darstellen, wie sich die staatliche Aktivität verschiedener Industrienationen im Zeitverlauf entwickelt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Staatsausgabenquoten im internationalen Vergleich
Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des (IMF, 2013a) und des (Bundesfinanzministerium, 2013d)27.
Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Staatsausgabenquote für ausgewählte Länder seit der deutschen Wiedervereinigung. Die Bundesrepublik Deutschland als Vergleichsmaß weist eine Staatsausgabenquote aus, welche sich über die Jahre verhältnismäßig gleichbleibend in der Spannweite von 43 % bis 49 % bewegt. Dies kann als Ausdruck eines langfristigen staatlichen Gleichgewichtspfades ge- sehen werden, welcher sich durch nur sehr langsam verschiebende kollektive Prä- ferenzen äußert.28 Die Werte täuschen aber wie in Kapitel 2.1 angemerkt ein we- nig über die Ausgabenverteilung hinweg. Hierbei nimmt Deutschland mit seinen einzelnen Budgetposten im internationalen Vergleich Extrempositionen ein. Am oberen Ende der betrachteten Länder liegt Schweden als ein typisches Land mit stark ausgebautem Wohlfahrtsstaat und damit einhergehend mit einer hohen Staatsausgabenquote von teilweise über 65 % in den 90er Jahren. Aber es zeigt sich hier im Laufe der letzten Jahrzehnte eine abflachende Tendenz hin zu einem Wert um 50 %. Auf der anderen Seite der Betrachtung befindet sich die Schweiz mit vielen direktdemokratischen Elementen und zugleich mit einer verhältnismä- ßig niedrigen Staatsausgabenquote von im Zeitverlauf annähernd 35 %. Die Ver- einigten Staaten von Amerika als ebenfalls sehr liberaler Staat weisen bis ins Jahr 2006 eine der Schweiz sehr ähnliche Staatsausgabenquote aus. Die beiden Länder zeigen sehr deutlich wie unterschiedlich die Krisenbewältigung der Finanzkrise im Jahr 2007 angegangen wurde. In allen betrachteten Ländern, ausgenommen der Schweiz, ist ein deutlicher Anstieg der Staatsausgabenquote zu beobachten. Wo- bei dieser in den Vereinigten Staaten mit einem Anstieg von fast 10 Prozentpunk- ten besonders ausgeprägt war. Im Zuge dieser Entwicklung hat sich die Staatsaus- gabenquote in den Vereinigten Staaten stark von der schweizerischen hin zu fast 45 % im Jahr 2008 entfernt.
Schweden und die Schweiz als finanzpolitisch sehr solide Länder verdeutlichen sehr gut, dass die Staatsausgabenquote isoliert betrachtet nicht unbedingt auf die Nachhaltigkeit der Staatstätigkeit schließen lässt. Trotzdem sei angemerkt, dass in Ländern mit einer hohen Abgabenbelastung auch ein hohes Maß an gesellschaftli- cher Solidarität vorhanden sein muss, um das System zu legitimieren und die Steuervermeidung zu verhindern.29 Denn trotz allem gilt, je stärker der staatliche Eingriff den Wirtschaftsprozess beeinträchtigt, desto eher werden Wachstums- chancen durch die dem Marktprozess entzogene Ressourcen gemindert.30
Die Vielschichtigkeit der Fragestellung und die langfristige Nachhaltigkeit der Staatstätigkeit lassen sich am besten in Verbindung mit der Verschuldungssituation eines Landes erklären. Im nächsten Abschnitt soll demzufolge ein Blick auf die langfristige Staatsschuldenquote der betreffenden Länder einen Anhaltspunkt geben, wie die Auswirkungen einer unterschiedlichen Größe des Staatssektors die öffentlichen Finanzen betreffen.
Die Staatshaushalte vieler Industrienationen befinden sich in einer Schieflage. Trotz einer durch die wirtschaftliche Situation begünstigten Rekordeinnahmesitu- ation befindet sich der Bundeshaushalt der Bundesrepublik Deutschland weiterhin in einer Situation mit Nettoneuverschuldung.31 Durch die Permanenz dieser Situa- tion wurde in den letzten Jahrzehnten ein beträchtlicher öffentlicher Schuldenberg angehäuft.32 Dies führt in der Konsequenz zu folgenschweren Zinsausgabenlasten der aktuellen Haushalte. Die Verschiebung der Zahllast wurde oftmals mit der Begründung des Nutzengewinns von Investitionen für zukünftige Generationen gerechtfertigt. Von dem Mangel einer Aufstellung intergenerativer Vermögens- werte abgesehen, lässt sich dies zwar fallweise begründen, führt aber in der Kon- sequenz zu einer niedrigeren Hemmschwelle bei Ausgabenentscheidungen.33 Die- se schuldenfinanzierte Finanzpolitik führt langfristig zu einem Verdrängungsef- fekt produktiverer privater Investitionen und hat damit einen negativen Einfluss auf den wirtschaftlichen Wachstumspfad.34 Die Veränderung zentraler staatlicher Aufgabenfelder wird hierbei zusätzlichen Ausgabendruck erzeugen. Dies wird nicht nur eine Anpassung der deutschen Finanzpolitik erfordern, sondern insbe- sondere Länder mit einem stark ausgebauten Wohlfahrtsstaat vor neue Herausfor- derungen stellen. Eine besondere Beachtung fordert hierbei die Finanzierung der großen Ausgabenblöcke im Bereich der Bildungsinvestitionen und der sozialen Sicherung, gerade im Hinblick auf die nachhaltige und solide Ausrichtung der Staatsfinanzen. Die Finanzierungsfrage hat besondere Relevanz unter dem Ge- sichtspunkt der intergenerativen Gerechtigkeit. Durch die Beschränkung der Schuldenfinanzierung kann der finanzpolitische Spielraum zukünftiger Generatio- nen im Vergleich zum Status-Quo vergrößert werden.35 Eine Politik des Aus- gleichs zwischen Handlungsanforderungen und der Finanzierungsseite ist deshalb essentiell für die zukünftige staatliche Leistungsfähigkeit.
Im Weiteren soll deshalb aufgezeigt werden wie sich als Konsequenz der staatlichen Aktivität aus Abbildung 1, die finanzpolitische Nachhaltigkeit der ausgewählten Länder über die Zeit entwickelt hat. Abbildung 2 zeigt dementsprechend die Entwicklung der Staatsschuldenquote im internationalen Vergleich.36 Wieder wurde aus Gründen der Vergleichbarkeit die Zeit nach der deutschen Wiedervereinigung als Startpunkt gewählt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Staatsschuldenquote im internationalen Vergleich
Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des (IMF, 2013b) und von (Eurostat, 2013).
Es zeigt sich, dass trotz der sehr unterschiedlichen Ausgangspositionen im Jahr 1991 mit einer vergleichbar hohen Verschuldungsquote in den USA von knapp 70% des BIP und einer niedrigeren Quote in den betrachteten europäischen Län- dern von etwa 40% eine gewisse Konvergenz zur Jahrtausendwende entstanden ist. Dabei konnten die Vereinigten Staaten ihre Verschuldungsquote unter die Deutschlands und der Schweiz drücken. Diese Konvergenz hat sich im Verlauf des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrtausends aber wieder aufgelöst. Besonders im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise ab dem Jahr 2007 ist ein starkes Auseinan- derdriften der Verschuldungsquoten zu beobachten. Dieser Trend setzt sich bis ins Jahr 2013 fort. Vergleicht man die Zahlen von Schweden und den USA, welche im Jahr 2000 prozentual zur Wirtschaftskraft gleich stark verschuldet waren, zeigt sich nun ein Bild, welches für die USA mit einer Verschuldungsquote von über 110 % im Gegensatz zu unter 40 % bei Schweden eine deutliche Veränderung der Ausgabendisziplin beider Länder aufzeigt.
Besonders auffällig im Zusammenhang mit der Staatsausgabenquote ist die gute Entwicklung der letzten zehn Jahre in Schweden. Im Zuge der Verringerung der Staatsausgabenquote ab dem Jahr 1993 wurde auch die Verschuldungssituation stark verbessert.37
Die Konsequenzen eines staatlichen Eingriffs werden an diesem Punkt oftmals nicht ausreichend betrachtet und in ihrer Hauptsache nicht auf ihre ökonomische Wirkung evaluiert. Die Neigung durch Ineffizienzen der staatlichen Verwaltung öffentliche Güter zu tendenziell überhöhten Kosten bereitzustellen und die Frag- würdigkeit der Zielerfüllung einzelner Leistungen birgt zusätzliches Verschul- dungspotential. Ergänzend muss ein staatliches Ausgabenprogramm früher oder später gegenfinanziert werden, diese Finanzierung jedoch spiegelt sich in einer höheren Besteuerung der Individuen und der Unternehmen wider. In Folge dessen weniger Mittel für die Befriedigung individueller Bedürfnisse und für Investitio- nen zur Verfügung stehen.38
Die Problematik der wachsenden öffentlichen Verschuldung einhergehend mit einer Rekordeinnahmesituation ist in vielen Ländern ein Spiegelbild der ineffizienten Haushaltsführung der öffentlichen Hand. Diese Politik hat aufgrund der gestiegenen Risikoprämien an den Finanzmärkten einen stetig steigenden Schuldendienst zur Folge. Das Erreichen einer nachhaltigen Haushaltspolitik erfordert dementsprechend eine finanzpolitische Kehrtwende.39
Diesen Herausforderungen gerecht zu werden und ihnen einen institutionellen Unterbau zu geben haben sich im Laufe der letzten Jahrzehnte mehrere Staaten zur Aufgabe gemacht. Deshalb soll weiterführend ein Überblick über die internationalen Reglementierungen zeigen, wie eine Disziplinierung staatlichen Handelns praktisch umgesetzt werden kann.
Die Europäische Union ist ein Beispiel dafür, wie die Gestaltung institutioneller Regeln zu wenig zielführenden Ergebnissen geführt hat.40 Im Vertrag von Maas- tricht aus dem Jahr 1992 wurden Leitlinien zum finanzpolitischen Umgang der nationalen Haushalte etabliert.41 Diese wurden durch den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt aus dem Jahr 1997 erweitert. Besonders prägnant ist hierbei, dass sich trotz der Einhaltung der Verschuldungsregeln eine stetig ansteigende Schuldenlast ergeben kann. Zur Stabilisierung der Staatsschuldenquote bedarf es zusätzlich zur Einhaltung der Konvergenzkriterien eines Mindestanstieges der nationalen Wirtschaftskraft, welcher von vielen Mitgliedsländern nicht erreicht wurde.42 Die Europäische Union als Staatenbund unterliegt dem zentralen Ge- sichtspunkt der weitgehenden Autonomie der Mitgliedsstaaten, was ihnen ein ho- hes Maß an Flexibilität zubilligt.43 Beide geschaffenen Rahmenbedingungen konnten aufgrund der prekären Situation der Überwachung von Sündern durch potenzielle Sünder in den europäischen Institutionen die Verschärfung der Schul- densituation nicht verhindern. Es resultierte ein verdecktes Umgehen der Rege- lungen als auch ein offener Bruch ohne größere Sanktionen.44 Die defizitbegren- zende Wirkung der europäischen Verträge wurde aus diesen Gründen stark einge- schränkt, was für viele europäische Länder eine nicht nachhaltig tragbare Schul- denlast zur Folge hat.45
Als Konsequenz der Staatsschuldenkrise aus dem Jahr 2009 wurden im Rahmen des Fiskalpakts und des Euro-Plus-Pakts Maßnahmen ergriffen, um die Schwach- punkte der alten Herangehensweise zu beseitigen. Darunter befinden sich eine präzisere und verschärfte finanzielle Sanktionierung bei Nichteinhaltung der Kri- terien und eine stärkere haushaltspolitische Überwachung. Weiterhin wurden eine stärkere Koordination wirtschafspolitischer Handlungsfelder und ein gemeinsamer Stabilitätsmechanismus zum Schutz gegen Schwankungen auf den Kapitalmärk- ten etabliert. Diese Maßnahmen, welche sicherlich als Verbesserung der Schwachpunkte anzusehen sind, werden aber ohne den politischen Willen, eine stabile Finanzsituation zu schaffen, nicht ausreichen um die heikle Situation vieler europäischer Mitgliedsstaaten langfristig zu verbessern.46
In den Vereinigten Staaten kam frühzeitig die Ansicht auf, dass das politische System für die übermäßigen Haushaltsungleichgewichte mitverantwortlich ist. Es entstanden zunehmende Zweifel an der Nachhaltigkeit der bestehenden Finanzpo- litik.47 Das exzessive Ausnutzen der Fiskalillusion der Bürger für ideologische Zwecke und die Möglichkeit Nachfolgeregierungen durch strategische Verschul- dung zu behindern, führte zu einer steigenden Haushaltsverschuldung in den 1970er Jahren.48,49
Als Folge bekämpften auch die Vereinigten Staaten ihr Schuldenproblem frühzei- tig mit gesetzlichen Schuldenbegrenzungen.50 Diese beinhalteten bereits in den 1980er Jahren fixe Defizitziele und automatische Ausgabenkürzungen bei deren Verfehlung. Darin enthalten waren bedeutende Änderungen der Budgetregeln auf Bundesebene und damit ein Einschnitt des diskretionären Spielraums des Präsi- denten.51 Die Arbeit des Kongresses war zu dieser Zeit allerdings durch Instabili- tät und Anpassung geprägt, wodurch die Vorhaben aufgeweicht wurden und sie letztendlich ihre Zielsetzung verfehlten.52 Die Konsensfähigkeit im amerikani- schen Zweiparteiensystem hat im Laufe der Jahre durch scheinbar unverrückbare Extrempositionen stark abgenommen.53,54 Die USA sind ein prägnantes Beispiel dafür, wie nicht-bundeshaushaltliche Symptome über die Rolle der Regierung in wirtschaftlich volatilen Zeiten und der Umgang mit schwerem Marktversagen, die veranschlagten Defizitziele trotz institutioneller Vorgaben verfehlen lässt.55 Des- halb werden die amerikanischen Konsolidierungsbestrebungen in der Literatur auch unterschiedlich erfolgreich bewertet. Als Kritikpunkt wird besonders die Möglichkeit die Budgetregeln durch eine „kreative Buchführung“ zu umgehen oftmals angemahnt.56
[...]
1 Vgl. (Obinger, 2012), S. 442ff.
2 Die Staatsausgabenquote beschreibt den Anteil der staatlichen Ausgaben eines Landes bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt.
3 Vgl. (Corneo, 2012), S. 11.
4 Vgl. Abbildung 1 mit einem Anstieg der Staatsausgabenquote in allen betrachteten Ländern im Zeitraum von 2007 bis 2009, welcher besonders in den USA sehr ausgeprägt war.
5 Vgl. zu den Grundzügen des Keynesianismus (Keynes, 2009). Unter die staatlichen Ausgabenprogramme fällt beispielsweise die deutsche Verschrottungsprämie für Altautos als Bestandteil des Konjunkturpakets II aus dem Jahr 2009.
6 Unter den Maßnahmen der in den Jahren 2008 und 2009 verabschiedeten Konjunkturpakete befinden sich unter anderem die Senkung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Kranken- und Arbeitslosenversicherung.
7 Vgl. (Bundesfinanzministerium, 2013a). Zum Vergleich betrug der Bereich der sozialen Sicherung im Jahre 1984 noch 32,5 % der Ausgaben am Bundeshaushalt.
8 Vgl. (Kaufmann, 1991), S. 27.
9 Vgl. (Becker & Fuest, 2006), S. 359.
10 Vgl. (Becker & Fuest, 2006), S. 359.
11 Vgl. (Corneo, 2012), S. 13.
12 Die Zinszahlungen machen nach Angaben des (Bundesfinanzministeriums, 2013b) im Bundeshaushalt für das Jahr 2013 10,5 % der Gesamtausgaben aus und belaufen sich absolut ausgedrückt auf über 31 Milliarden Euro.
13 Die Wachstumstheorie des öffentlichen Sektors wird in Kapitel 2.2.4 theoretisch näher be- schrieben.
14 Vgl. (Richter, 2006), S. 3. Eine typische Reaktion auf die Erhöhung einer speziellen Gütersteuer ist ein Preisanstieg des betreffenden Gutes (Preiswirkung) und ein Absinken des Konsums (Men- genwirkung). Ausweichreaktion treten auch bei der Einkommensbesteuerung auf, wenn durch deren Steigerung die Arbeitszeit zwecks der nicht besteuerten Freizeit substituiert wird.
15 Vgl. (Richter, 2006), S. 4.
16 Vgl. (Richter, 2006), S. 4.
17 Unter den Effizienzverlusten der Besteuerung wird der Realeinkommensverlust des privaten Sektors verstanden, welcher typischerweise das Steueraufkommen übersteigt. Der Fiskus nimmt also weniger Steuern ein als der private Sektor an Realeinkommen verliert.
18 Vgl. (Blum & Ragnitz, 2009), S. 23.
19 Vgl. (Glomb, 2010), S. 187.
20 Vgl. (Kastrop, Meister-Scheufelen, & Sudhof, 2010), S.356.
21 Vgl. (Becker, 1990), S. 27.
22 Zahlen der 12. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung nehmen in der Basisannahme aus dem Jahr 2009 einen Anstieg der Lebenserwartung bei Jungen um 8 Jahre und bei Mädchen um 7 Jahre bis ins Jahr 2060 an. Dies führt in Kombination mit einer gleichbleibenden Geburtenhäufig- keit von 1,4 Kindern pro Frau und einem jährlichen Wanderungssaldo von 100000 Menschen zu einem Anstieg des Altenquotienten (Anteil Menschen über 65 Jahren zum Anteil der Erwerbsbe- völkerung im Alter von 15 bis 65 Jahren) von 34 im Jahre 2010 auf 53 im Jahre 2030.
23 Die Verstärkungseffekte auch „crowding-in Effekte“ resultieren aus der durch die gestiegenen Staatsausgaben steigende Nachfrage nach Gütern. Was sich in einer Erhöhung der privaten Investi- tionen zur Güterbereitstellung wiederspiegelt. Die Komplementarität lässt jedoch eine unbegrenzte Erweiterung der Ausgaben rechtfertigen, weshalb hier die Finanzierungsseite eine wichtige Rolle spielt.
24 Vgl. (Schratzenstaller, 2013) zu den Grenzen der Vergleichbarkeit und der Aussagekraft von Staatsquoten.
25 Vgl. (Beck, 2004), S. 11.
26 Vgl. (Becker & Fuest, 2006), S. 356.
27 Für die Daten der Bundesrepublik Deutschland wird im Jahr 1995 aus Gründen der Vergleichbarkeit die Schuldenübernahme der Treuhandanstalt der DDR ausgeklammert. Ansonsten würde der Wert der Staatsausgabenquote auf 54,9 % ansteigen. Auch die Erlöse der Versteigerung der Mobilfunklizenzen im Jahr 2000 werden aus Gründen des Einmaleffekts ausgeklammert. Dadurch ergäbe sich einen Wert für die Staatsausgabenquote von 45,1 %.
28 Vgl. (Becker & Fuest, 2006), S. 358.
29 Vgl. (Kromphardt, 2006), S. 363.
30 Vgl. (Beck, 2004), S. 11.
31 Nach Daten des (Bundesfinanzministerium, 2013b) beträgt die Nettokreditaufnahme des Bunde- haushaltes im Jahre 2013 25,1 Milliarden Euro, was über 8 % der Gesamtausgaben ausmacht.
32 Nach Daten des (Bundesfinanzministeriums, 2013c) beträgt der explizit ausgewiesene Schul- denstand der öffentlichen Haushalte der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2013 2,03 Billionen Euro.
33 Vgl. (Beck, 2004), S. 14.
34 Vgl. (Colombier, 2006), S. 529. Der Verdrängungseffekt auch als „crowding-out Effekt“ bezeichnet beschreibt die Verdrängung privater Investitionen durch die staatlichen Aktivitäten.
35 Vgl. (Beck, 2004), S. 13.
36 Die Staatsschuldenquote beschreibt die Entwicklung der staatlichen Verschuldung als Anteil am Bruttoinlandsprodukt.
37 Vgl. dazu die Entwicklung der Staatsausgabenquote für Schweden in Abbildung 1.
38 Vgl. (Beck, 2004), S. 11.
39 Vgl. (Glomb, 2010), S. 191.
40 Die Bruttoverschuldung in Relation zum BIP ist in den 17 Euroraum-Länder nach Daten von (Eurostat, 2013) seit dem Jahr 2000 von 68,2 % auf 90,6 % im Jahr 2012 angewachsen.
41 Die Konvergenzkriterien im Vertrag von Maastricht betragen 3% des BIP jährlichem Verschul- dungsspielraum und 60% des BIP maximaler staatlicher Verschuldungsgrenze. Im Jahr 2013 ver- fehlen 12 der 17 Euroraum-Länder die Kriterien der maximalen staatlichen Verschuldungsgrenze.
42 Zur Stabilisierung der nationalen Schuldenquote auf 60 % des BIP und einem gleichzeitigen jährlichen Haushaltsdefizit von 3 % des BIP bedarf es eines nominalen jährlichen Wirtschaftswachstums von 5 % des BIP.
43 Vgl. (Josten, 2002), S.221.
44 Vgl. (Hildebrandt, 2009), S. 147.
45 Vgl. (Hildebrandt, 2009), S. 140.
46 Vgl. (Becker & Löchel, 2012), S. 300ff.
47 Vgl. (Kirchgässner, 2002) zur Verwendung des Begriffs Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik.
48 Vgl. (Schaltegger, 2002), S. 371.
49 Die Fiskalillusion beschreibt die falsche Wahrnehmung der Individuen über die wahren Kosten einer schuldfinanzierten Ausgabenpolitik. Sie resultiert aus dem späteren Zeitraum der Belastung und einem zu geringen Abdiskontierungsfaktor der anfallenden Steuern.
50 Auf der Bundesebene waren die ersten Gesetzgebungsvorhaben um die Schuldenproblematik zu begrenzen der „Gramm-Rudman-Hollings-Act“ von 1985 und der „Budget-Enforcement-Act“ von 1990 und gehen bis heute über in den „Statutory-Pay-As-You-Go-Act“ von 2010.
51 Vgl. (Schaltegger, 2002), S. 374.
52 Vgl. (Leloup, Graham, & Barwick, 1987), S. 101.
53 Vgl. (Janeba, 2011), S. 19.
54 Es sei beispielhaft das von vielen Republikanern unterstützte radikale „Americans for Tax Re- form“ Forum, welches im Jahre 1985 gegründet wurde genannt. Dieses lehnt unter anderem jegli- che Steuererhöhungen grundsätzlich ab und trägt maßgeblich zur Blockadehaltung im Kongress bei.
55 Vgl. (Caidan, 1991), S. 48.
56 Vgl. (Schaltegger, 2002), S. 372.