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Examensarbeit, 2012
47 Seiten, Note: 1,0
1. Einleitung
1.1 Ausgangspunkt und Ziele der Untersuchung
1.2 Aufbau der Arbeit
2. Theoretischer Bezug zur Lerntheorie
2.1 Metakognition als Bestandteil selbstständigen Lernens
2.2 Lern- und Problemlösestrategien
3. Lerngruppe und Lernstandsdiagnose
3.1 Lerngruppenanalyse
3.2 Fragestellung
4. Konzeption des Förderkonzepts und Überblick über die Förderbausteine
4.1 Das Konzept
4.2 Diagnostische Datenerhebung mittels Lerntagebüchern und Fragebögen
4.3 Überblick über die Förderbausteine
5. Exemplarische Stundenkonzepte
5.1 Bewusstmachung der verschiedenen Problemlösestrategien
5.2 Mathematisierung, Sondierung und Rückwärtsarbeiten
5.3 Textverständnis und Umgang mit Texten
6. Individualdiagnosen nach Abschluss der Förderphasen
6.1 Schülergruppe A: leistungsstark, gute Selbstreflexion
6.2 Schülergruppe B: mittlere Leistungsstärke, schlechte Selbstreflexion
6.3 Schülergruppe C: leistungsschwach, schlechte Selbstreflexion
7. Fazit
7.1 Evaluation des Förderkonzepts
7.2 Ausblick auf Weiterarbeit
Literaturverzeichnis
Anhang
In der vorliegenden Arbeit soll am Beispiel einer 6. Klasse untersucht und dargestellt werden, inwieweit Metakognition bei der Bearbeitung und Lösung von mathematischen Problemaufgaben hilfreich sein kann. Diese in ihrer Relevanz für Lernerfolg häufig ver- nachlässigte Auseinandersetzung mit den eigenen kognitiven Prozessen soll hier den Schülerinnen und Schülern1 im Zusammenhang mit sinnvollen kleinschrittigen Prob- lemlösestrategien als potentiell hilfreiches Problemlöseverfahren nähergebracht werden. Dabei wird zum einen beleuchtet, inwiefern leistungsschwache S. mit einem wenig entwickelten Selbstkonzept in Mathematik von metakognitiven Verfahren profitieren können, zum anderen soll aber auch an leistungsstarken S. überprüft werden, ob ihre gute mathematische Problemlösefähigkeit mit ausgeprägten metakognitiven Strategien einhergeht. Da diese 6. Klasse von beiden Gruppen, insbesondere von der erstgenann- ten, eine Reihe von S. bietet, wurde sie speziell ausgewählt, um mit ihr Möglichkeiten und Grenzen metakognitiver Verfahren in Bezug auf mathematische Problemlösepro- zesse zu erproben.
Da sich die vorliegende Arbeit ganz allgemein mit Metakognition, konkreter mit der Prozessbeobachtung bei der Bearbeitung mathematischer Probleme, beschäftigt, muss zunächst einmal geklärt werden, was genau unter dem Begriff „Metakognition“ ver- standen wird und welche Problemlösestrategien in diesem Zusammenhang als geeignet angesehen werden. In der sich anschließenden Lerngruppenbeschreibung und einer ers- ten Datenerhebung bezüglich aktuell verwendeter Problemlösestrategien der S. verdeut- licht sich die Lern- und Problemausgangslage, aus der sich die zu fördernden Kompe- tenzen sowie die in dieser Arbeit zu erörternde Fragestellung ableiten. Wie diese Kom- petenzen gefördert werden sollen, wird daraufhin in der Beschreibung des Förderkon- zepts erläutert. Da einen wesentlichen Bestandteil dessen die persönliche Prozessbe- obachtung darstellt, welche zudem mit einem hohen Grad an Selbstreflexion verbunden ist, werden anschließend die Funktion und Auswahl des Lerntagebuchs als Dokumen- tarmedium erläutert. Die Datenerhebung mit Hilfe dieses Diagnoseinstruments bildet außerdem die Grundlage für den weiteren Aufbau und Fortgang der Einheit. Von dieser werden ferner bedeutsame Stunden beschrieben. Nachfolgend wird für ausgewählte S. bzw. Gruppen dargestellt, wie erfolgreich, effektiv und bewusst sie die unterschiedli- chen Problemlösestrategien ausüben, ihre Problemlöseprozesse reflektieren und inwie- weit dies mit ihrer Problemlösekompetenz korreliert. Die Entwicklung des gesamten Klassenverhaltens innerhalb der Einheit in Bezug auf den Umgang mit Aufgaben wird zusätzlich betrachtet, indem die Ergebnisse gleichartiger Fragebögen, die zu Beginn und nach Beendigung der Einheit von den S. ausgefüllt wurden, evaluiert und miteinander verglichen werden. Abschließend folgt ein Fazit, in dem Nutzen und Grenzen von Me- takognition im Schulunterricht, insbesondere bei der Bearbeitung mathematischer Prob- lemaufgaben, diskutiert werden.
„ Non vitae, sed scholae discimus - Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir “ 2 . Dieses altbekannte Seneca-Zitat beschreibt einmal mehr auf ironische Weise die allseits postulierte Tatsache, dass die Schule die Institution ist und sein soll, die jeden Lernenden möglichst umfassend auf sein späteres Leben vorbereitet. Damit ist aller- dings nicht gemeint, dass der Lernende mit einem Maximalgrad an Allgemeinwissen und vorgefertigten Lösungen für spätere potentielle Problemsituationen ausgestattet wird. Vielmehr ist es in Anbetracht des späteren Mangels an Instruktionen und Hilfe- stellungen von außerhalb ein allgemeines Bildungsziel, für einen erfolgreichen und sich immer weiter fortsetzenden Prozess des lebenslangen Lernens, der sich im Wesentli- chen auf Lern- und Problemlösesituationen abseits formeller Unterrichtssituationen be- zieht, die Kompetenz zu erwerben, selbstständig lernen zu können. Um dieses hehre Ziel der vollständigen Selbststeuerung und Selbstregulation erreichen und im schuli- schen, privaten und beruflichen Leben Herausforderungen annehmen und sich diesen erfolgreich sowie verantwortungsvoll stellen zu können, sind die Aneignung und die möglichst umfangreiche Ausbildung einer Reihe von vornehmlich überfachlichen Schlüsselkompetenzen notwendig, die sich in den Bildungsstandards als Personale, So- zial-, Lern- und Sprachkompetenz darstellen.
Das Zusammenspiel dieser Kompetenzen gipfelt im erfolgreichen selbstregulierten Lernen, das Schiefele und Pekrun (1996) wie folgt beschreiben:
„Selbstreguliertes Lernen ist eine Form des Lernens, bei der die Person in Abhängigkeit von der Art ihrer Lernmotivation selbstbestimmt eine oder mehrere Selbststeuerungsmaßnahmen (kognitiver, metakognitiver, volitionaler oder verhaltensmäßiger Art) ergreift und den Fortgang des Lernens selbst überwacht.“i (Schiefele & Pekrun, 1996, S. 258)
„Kognition“ (lat.: cognoscere: erkennen / wissen) beschreibt hier Erkenntnisfunktionen, zu denen Denken, Problemlösen, Intelligenzleistungen, aber auch Aufmerksamkeit, Ge- dächtnis, Lernen und Wissen gehören. Unter Metakognition werden demnach aufgrund der altsprachlichen Herkunft des Wortes (griech.: meta = hinter) die Phänomene ver- standen, die sich „hinter“ den Kognitionen befinden, sodass hier die Bereiche der Kog- nition also selbst zum Lerngegenstand gemacht werden, weshalb Metakognition auch häufig als „Denken über Denken“ bezeichnet wird.ii Nach Flavell (1979) betrifft meta- kognitives Wissen das deklarative bzw. konzeptuelle Wissen, das jemand über seine und die persönlichen Eigenschaften anderer, über das Verhalten und die Anforderungen innerhalb eines Prozesses sowie die verfügbaren Strategien und Handlungsfolgen in einer Lern- oder Problemlösesituation hat.iii Metakognition umfasst nach Brown (1984) jedoch neben dem metakognitiven Wissen ebenso den exekutiven bzw. prozeduralen Steuerungs- und Kontrollprozess, der Planung, Regulierung und Bewertung sowie die ständige Überprüfung des Arbeitsprozesses mit seinen Zwischen- und Endergebnissen beinhaltet.iv Kurz bezeichnet Metakognition also den meist bewussten Einsatz der Fä- higkeit, die eigene mentale Aktivität zu überwachen, zu steuern, zu organisieren und zu reflektieren.v
Im Sinne des selbstständigen Lernens wird der gesamte Lernprozess von den Lernenden selbst geplant und durchgeführt. Hierzu gehören die Vorbereitung, in der Ziele gesetzt werden, auf Vorwissen zurückgegriffen und geplant wird, die Durchführung, in der mit entsprechender Konzentration und Motivation Lernstrategien und -methoden bewusst genutzt werden und schließlich die Reflexion, zu der nicht nur die Überwachung, Aus- wertung und Überprüfung der Vorgehensweise und der Ergebnisse, sondern auch die eigene Bewertung zählen.vi Hier wird deutlich, dass Metakognition alle drei Bereiche des selbstständigen Lernens tangiert und damit die Reflexion des kompletten Lernpro- zesses darstellt. Sie hilft somit dabei, die wichtigen überfachlichen Kompetenzen zu erwerben, kognitive Möglichkeiten auszuschöpfen sowie Leistungen zu verbessern und dient neben der Kognition dem Verständnis, der Vorbereitung und Durchführung von Handlungen.
Selbstständiges Lernen äußert sich nach Tschekan (2011) darin, dass „die Kinder kom- plexe Aufgaben bewältigen, sich mit Sachverhalten auseinandersetzen, Probleme lösen usw. und dabei die dafür geeignete Strategie entwickeln; dies gegebenenfalls mithilfe anderer tun und das Lernen beobachten, reflektieren und bewusst entscheiden.“vi (Tschekan, 2011, S. 90) Damit diese Vorgehensweisen zur Bewältigung der entspre- chenden komplexen Situationen gelingen können, ist es zwingend notwendig, dass sich die Lernenden einen großen Pool an unterschiedlichen situationsspezifischen Strategien aneignen. Diese definiert Lompscher wie folgt: „Lernstrategien sind mehr oder weniger komplexe, unterschiedlich weit generalisierte bzw. generalisierbare, bewusst oder auch unbewusst eingesetzte Vorgehensweisen zur Realisierung von Lernzielen, zur Bewälti- gung von Lernanforderungen.“vii (Lompscher, 1994, S. 115) Hierunter fallen unter an- derem auch die Lernstrategien, die für das Lernen, die Problemlösefähigkeit und allge- mein in der Schule, insbesondere im Mathematikunterricht, von Bedeutung sind und neben der Metakognition im Fokus dieser Arbeit stehen. Hierzu zählen Strategien, die dabei helfen, Probleme zu lösen, mathematisch zu argumentieren, mathematische Situa- tionen im Alltag zu erkennen und zu modellieren sowie Texte zu verarbeiten.
Nach Schiefele und Wild (1994) können Lernstrategien in kognitive, metakognitive und ressourcenbezogene Strategien unterteilt werden. Während die kognitiven Strategien etwa die Informationsaufnahme, -speicherung und -verarbeitung, Organisation, kriti- sches Prüfen und das Wiederholen umfassen und damit wichtig für das allgemeine Ler- nen sind, sind die metakognitiven Strategien unverzichtbar für Problemlöseprozesse. Zu ihnen zählen Planung, Überwachung und Regulation des Lernprozesses sowie prozess- begleitende Kontrollmechanismen. Die ressourcenbezogenen Strategien beziehen sich sowohl auf interne Variablen wie Konzentration, Anstrengung oder Zeitmanagement, als auch auf externe, zu denen unter anderem die Gestaltung der Lernumgebung und die Beanspruchung von Literatur oder Hilfe anderer Personen gehören.viii Diese Lernstrate- gien werden hauptsächlich durch Methoden im entsprechenden Bereich repräsentiert. So sind kognitive Lernmethoden solche, die sich mit den Lerninhalten auseinandersetzen und die leicht mit den als Operatoren bekannten Aufforderungsverben (nennen, verglei- chen, untersuchen, etc.) beschrieben werden können. Zu diesen Memorier-, Elaborati- ons- und Transformationsmethoden gehören innerhalb des Lernprozesses beispielsweise das Sammeln, Verarbeiten und Anwenden von Informationen. Ressourcenbezogene Strategien lassen sich vornehmlich mit der Durchführung sozial-kommunikativer Me- thoden erlernen und der Förderung von Zusammenarbeit, gemeinsamem Austausch, Kritik, Fragen und Erklärungen untereinander verbessern. Metakognitive Lernmethoden hingegen tragen durch Planung, Überwachung und Reflexion des Lernprozesses dazu bei, diesen selbstständig zu gestalten und werden deshalb auch als „Methoden zum Ler- nen-Lernen“ oder „Stützmethoden“ bezeichnet. Mit dieser Reflexion des Lernprozesses und des entsprechenden Lernprodukts sowie der daraus resultierenden Schlussfolgerung für das weitere Handeln bilden sie das wesentliche Merkmal selbstständigen Lernens. Metakognitives Wissen soll also den Lernenden die bewusste Entscheidung ermögli- chen, bestimmte Strategien zu ändern oder beizubehalten, indem sie sich vergegenwär- tigen, aus welchen Gründen sie bestimmte Lerninhalte bzw. Probleme mehr oder weni- ger erfolgreich gelernt bzw. gelöst haben. Innerhalb des Einsatzes von Strategien unter- scheiden Swartz und Perkins (1989) vier Ebenen der Metakognition: Die Unbewusste Metakognition beschreibt die Tatsache, dass Lernende eine bestimmte Strategie unbe- wusst durchführen und wiederholen, weil sich das Verhalten als erfolgreich erwiesen hat. Auf der Ebene der Bewussten Metakognition wissen Lernende um die Wirkung ihrer eingesetzten Strategien und setzen diese deshalb gezielt ein. Haben sie die Ebene der Strategischen Metakognition erreicht, sind sie in der Lage, ihre Strategien auch auf andere Bereiche zu übertragen und dort effektiv einzusetzen. Die höchste Ebene der Metakognition, die sogenannte Reflexive Metakognition, haben Lernende dann erreicht, wenn sie über die Verbesserung ihrer Strategien nachdenken und diese gezielt steuern.ix Um die Problemlösefähigkeit zu fördern und eine möglichst hohe Ebene der Metakogni- tion zu erreichen, ist es notwendig, die geistigen Tätigkeiten innerhalb von Problemlö- seprozessen und deren Qualität zu beachten und zu steigern. Hierzu gehören laut Lompscher (1975) die Planmäßigkeit, wozu die Zielgerichtetheit einer Handlung und die Zerlegung des Problems in Teilkomponenten zählen, die Exaktheit, wie etwa die Erfassung der Aufgabenstellung und die Trennung von Wesentlichem und Unwesentli- chem, die Selbstständigkeit, die sich auf Eigenständigkeit beim Formulieren, Lösen und Evaluieren des Problems beziehen, die Aktivität, also der Grad der Auseinandersetzung mit der Aufgabe und deren Lösung und schließlich die geistige Beweglichkeit.x In Be- zug auf den mathematischen Kontext werden nach Bruder (2000) unter letztgenanntem Aspekt sowohl die Reduktion und Vereinfachung der Problemsituation, die Reversibili- tät mit der Umkehrung von Gedankengängen und Problemlöseschritten, die Aspektbetrachtung als gleichzeitiges Beachten mehrerer Aspekte sowie die Erkennung und Variation von Abhängigkeiten als auch der Wechsel von Annahmen und Kriterien und die Umstrukturierung eines Sachverhalts, also der Aspektwechsel, verstanden.xi Gerade die TIMS-Studie hat verdeutlicht, dass deutsche S. im Wesentlichen in der Lage sind, mathematische Routineaufgaben zu lösen, allerdings häufig Defizite in ihrer ma- thematischen Problemlösekompetenz aufweisen.xii Dieses Defizit, das insbesondere aus einem Mangel an geistiger Beweglichkeit resultiert, lässt sich laut Bruder und Müller (1990) durch Aneignung von Vorgehensweisen, die bei geistig beweglicheren S. mit einer dementsprechend höheren Problemlösekompetenz zu intuitiven Lösungsansätzen und -wegen führen, teilweise kompensieren.xiii Dies kann etwa durch Aneignung heuris- tischer Strategien (z.B. Vorwärts- und Rückwärtsarbeiten) und Hilfsmittel (z.B. pro- blembezogene Zeichnungen), sowie eine größere Methodenbewusstheit erfolgen.xiv In Kombination und in wechselseitiger Unterstützung damit müssen während des Bearbei- tungs- und Löseprozesses mathematischer Probleme bestimmte metakognitive Aktivitä- ten ablaufen, um eine möglichst erfolgreiche Problemlösung zu ermöglichen. Veenman (2000) formuliert diese wie folgt: 1) vollständiges Lesen der Problemstellung, 2) Aus- wahl relevanter Daten, 3) Paraphrasierung wonach gefragt wurde, 4) Anfertigen einer problembezogenen Zeichnung, 5) Vermutung einer möglichen Lösung, 6) Überlegung der Vorgehensweise, bevor tatsächlich gerechnet wird, 7) systematische Ausarbeitung eines Plans, 8) rechnerische Genauigkeit, 9) Vermeidung von Flüchtigkeitsfehlern (z.B. Zahlendrehern), 10) planmäßiges Aufschreiben der Problemlöseschritte, 11) Kontrolle des gegenwärtigen Prozesses, 12) Überprüfung der Antwort (auf Sinnhaftigkeit / durch Probe).xv In dieser Form sollen sie auch den S. der Bewusstmachung ihres Denkens und Handelns innerhalb mathematischer Problemlöseprozesse dienen (siehe Anhang3 VI).
Seit dem zweiten Halbjahr der 5. Klasse unterrichte ich die Klasse 6b im Fach Mathe- matik. Ich unterrichte sehr gerne in der Klasse und schätze unser gegenseitiges Verhält- nis als positiv ein. Das vorherrschende Arbeitsklima ist in weiten Strecken angenehm und konstruktiv, auch wenn es einer Reihe von S. immer noch schwerfällt, sich an fest- gelegte Gesprächsregeln zu halten, sodass sie immer wieder ohne Meldung oder explizi- te Aufforderung Beiträge zum Besten geben, die sowohl fachlicher als auch fachfremder Art sind. Das Interesse an der Mathematik, die Motivation und das Engagement für das Fach sind in der Klasse sowohl bei einigen Jungen als auch bei einer Reihe Mädchen recht hoch. Etwa ein Viertel der Klasse ist als mathematisch leistungsstark einzustufen, beteiligt sich rege am Unterrichtsgeschehen und bestimmt dieses wesentlich mit. Hierzu gehören beispielsweise A.D., A.S., C.S., J.B., L.M., N.W., N.F. und T.M., wobei allen voran C.S. und A.D. stets mit quantitativ und qualitativ hervorragenden Beiträgen be- stechen, sie also die Spitze derjenigen darstellen, die bereits eine ausgeprägte Problem- lösekompetenz und Fähigkeit zur Mathematisierung besitzen. Neben einem breiten Mit- telfeld mit durchschnittlicher Leistung gibt es einige wenige S., wie etwa B.W. und M.F., die sich wenig bis gar nicht in den Unterricht einbringen und zudem fachliche Schwierigkeiten oder im Falle der besonders schweigsamen S. T.G. und V.T. eine man- gelnde Sprachkompetenz haben. Besonders M.F. weist offensichtliche Mängel in den Bereichen des mathematischen Kommunizierens, Argumentierens, Problemlösens und dem Umgang mit Fachsprache auf, da er häufig seine Vorgehensweisen nur schlecht beschreiben und begründen, die Lösungswege anderer nur schwer nachvollziehen kann und bei Problemaufgaben alleine häufig keinen mathematischen Ansatz findet. Insge- samt macht dies die Klasse zu einer durchschnittlich leistungsstarken Lerngruppe. Dies spiegelt sich auch in den Ergebnissen der Klassenarbeiten recht zuverlässig wider, die meist bei einem Schnitt von etwa 2,7 liegen.
Überraschend schwach fiel im Vergleich hierzu mit einem Notendurchschnitt von nur 3,6 das Ergebnis der letzten Arbeit (s.A. VII) aus. Der Grund hierfür ist vermutlich, dass ein Schwerpunkt in dieser Arbeit abseits der bloßen mathematischen Kalkulation auf den fachlichen Kompetenzbereichen des mathematischen Kommunizierens und Argu- mentierens, also dem Beschreiben und Begründen von Vorgehensweisen und Strate- gien, dem Formulieren sowie der Problemlösekompetenz in Bezug auf alltägliche Prob- lemstellungen lag, womit der Großteil der Klasse offensichtliche Schwierigkeiten hatte. Dies weist neben dem fachlichen Defizit also ebenso auf jene im Bereich der überfach- lichen Lernkompetenz hin. Außerdem lässt sich anhand der Arbeiten gut erkennen, dass viele S. ihre Ergebnisse nicht reflektieren, wenn sie beispielsweise ihr Ergebnis in der Einheit m angeben, obwohl nach der Berechnung einer Fläche gefragt war oder bei der Addition zweier Brüche als Ergebnis einen Bruch erhalten, der bereits im zu berechnen- den Ausdruck auftritt. Des Weiteren erzielen viele S., eingeschlossen einiger leistungs- starker, oft deshalb Punkte nicht, weil sie Aufgabenstellungen nicht vollständig oder ungenau lesen und deshalb Aufgaben lückenhaft oder nur unzureichend bearbeiten.
Bei einem Blick in die Hefte fällt auf, dass manche S. (besonders R.v.S. und K.H.) im- mer noch Probleme damit haben, sich zu organisieren sowie ordentlich und sorgfältig zu arbeiten bzw. Ergebnisse und Lösungsschritte angemessen und ausführlich zu doku- mentieren.
Einige S. weisen gerade in Bezug auf Selbstorganisation und gemeinsame Bearbeitung von Aufgaben noch ein kindliches, unsicheres und unbeholfenes Verhalten auf, was sich darin zeigt, dass sie häufig organisatorische Fragen stellen, die noch dazu oft aus dem Unterrichtskontext gerissen bzw. nicht von sonderlich hoher Relevanz sind. Hin und wieder kommt es außerdem vor, dass S. (z.B. B.A., C.W., N.W., R.v.S.) während des Unterrichts von ihrem Platz aufstehen, um sich mit anderen S. als den Sitznachbarn über Aufgaben auszutauschen. Dies ist u.a. ein Zeichen dafür, dass die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen einzelnen S., gerade auch zwischen Jungen und Mädchen, in einigen Fällen noch schlecht funktioniert, da sich die S. sehr an vorherrschenden Sym- pathien und Antipathien orientieren und über diese während der Arbeitsprozesse noch nicht hinwegsehen können. Anstatt sich mit dem Nachbarn auszutauschen, dessen Mei- nung einzuholen und diese zu respektieren, agieren einige S. sehr lehrerzentriert und wenden sich bei Fragen schnell an den Lehrer, teilweise sogar ohne zuvor die Aufgabe genauer gelesen oder selbstständig intensiver darüber nachgedacht zu haben. Die As- pekte der Sprach- und Lernkompetenz, genau zu lesen, wesentliche Informationen aus Aufgaben herauszuziehen und in Problemlöseprozessen selbstständig Entscheidungen zu treffen, sind bei diesen S. zum Teil noch wenig ausgeprägt. Andere wiederum, so- wohl leistungsstarke als auch -schwache S., arbeiten auch während Partnerarbeitsphasen hauptsächlich alleine (wie etwa A.D., B.A., K.H., M.F., R.v.S., V.T.), weil sie entweder die Hilfe nicht nötig haben, von ihren Sitznachbarn nicht beachtet werden oder den Sinn der Partnerarbeit nicht verstehen und reflektieren. Dies ist wohl zum Teil der bereits erwähnten Tatsache zuzuschreiben, dass die S. nicht mit „unerwünschten“ Sitznachbarn arbeiten können oder wollen, was besonders dann auffällt, wenn S. durch krankheitsbe- dingten Ausfall ihres Sitznachbarn für die entsprechende Stunde einen anderen zuge- wiesen bekommen.
Dennoch sind die S. mit der Methode der Partnerarbeit im Mathematikunterricht sehr gut vertraut, die regelmäßig angewandt wird, um die Förderung der Sozialkompetenz, insbesondere der Teamfähigkeit und Kooperation, aber auch der Rücksichtnahme und Solidarität weiter voranzutreiben. Aus diesem Grund fällt es allerdings vielen S. mitt- lerweile häufig schwerer, ganz für sich alleine zu arbeiten, völlig ohne Hilfestellun- gen von außen auszukommen und damit auf den Austausch mit anderen vollständig zu verzichten, sodass sie sich in Einzelarbeitsphasen schwer tun und hier schnell damit beginnen, sich mit ihren Mitschülern und Mitschülerinnen4 auszutauschen.
Auf Grundlage dieser Lernstandsdiagnose stellt sich also die Frage, wie die S. dieser Lerngruppe in erster Linie in ihrer Selbstständigkeit in Bezug auf ihre Problemlöse- und Reflexionsfähigkeit gefördert werden können, um damit insbesondere im Mathematik- unterricht eine Leistungssteigerung zu erzielen. Auf der fachlichen Ebene bedeutet dies eine Steigerung der Kompetenz des mathematischen Problemlösens. Dies betrifft im Bereich der überfachlichen Kompetenzen demnach innerhalb des Personalen Kompe- tenzbereichs vor allem ihre Selbstregulierung sowie ihre Problemlöse- und Arbeitskom- petenz aus dem Bereich der Lernkompetenz. Die Schwierigkeiten beim Lösen von ma- thematischen Problemen sind vermutlich darauf zurückzuführen, dass die S. entweder nicht über ausreichendes metakognitives Wissen und entsprechende Kontrolle verfügen, oder nicht zu deren spontanen Anwendung in der Lage sind, weshalb es dieses Mediati- ons- bzw. Produktionsdefizit zu beheben gilt.xvi Damit einhergehend müssen die S. au- ßerdem in ihrer Lesekompetenz aus dem Sprachkompetenzbereich sowie in ihrer Sozi- alkompetenz gestärkt werden.
Gleichzeitig sollte eine Förderung im Bereich der stellenweise noch schwach ausge- prägten mathematischen Kommunikations- und Argumentationskompetenz erfolgen.
(Siehe 4.3, „Ü bersichtüber die Förderbausteine “ )
Wie in den theoretischen Ausführungen bereits dargelegt, können innerhalb von Problemlöseprozessen ablaufende metakognitive Aktivitäten und damit einhergehend bestimmte verwendete Strategien und Methoden die Fähigkeit des selbstregulierten Lernens steigern. Deshalb soll nachfolgend untersucht und dargelegt werden, ob und wie S. mit einem wenig entwickelten Selbstkonzept in Mathematik über metakognitive Verfahren gefördert werden und in der Entwicklung ihrer Problemlösefähigkeit von metakognitiven Strategien profitieren können.
[...]
1 Im Folgenden mit „S.“ abgekürzt.
2 Moralische Briefe an Lucilius (Epistulae morales ad Lucilium), XVII, 106, 12.
3 Im Folgenden mit „s.A.“ abgekürzt.
4 Im Folgenden mit „Mits.“ abgekürzt.