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Diplomarbeit, 2004
120 Seiten, Note: 1,0
1. Zusammenfassung
2. Einführung
3. Vertiefung
3.1. Einordnung des Begriffes Personalmanagement
3.2. Personalführung – Führungsstile – Führungserfolg
3.2.1. Führungsstile im Überblick
3.2.1.1. Die XY-Theorie
3.2.1.2. Das Führungskontinuum
3.2.1.3. Das managerial grid
3.2.1.4. Die situative-kooperative Reifegradtheorie
3.2.1.5. kaizen – der japanische Weg
3.2.1.6. Zusammenfassende Kritik der Theorien
3.3. Führungserfolg
3.3.1. Leistung
3.3.1.1. Leistung im unternehmerischen Sinne
3.3.2. Motivation
3.3.3. Inhaltstheorien
3.3.3.1. Maslow
3.3.3.2. Alderfer
3.3.3.3. Herzberg
3.3.3.4. McClelland
3.3.4. Prozesstheorien
3.3.4.1. Vroom
3.3.4.2. Locke
3.3.4.3. Porter/Lawler
3.3.4.4. Kritische Würdigung der Prozesstheorien
3.3.5. Sprenger
3.3.6. Exkurs: Vertrauen und Loyalität
3.3.6.1. Vertrauen
3.3.6.2. Loyalität
3.3.7. Exkurs: Beziehung, Kommunikation, Wissen
3.3.7.1. Beziehungen
3.3.7.2. Kommunikation
3.3.7.3. Wissen
3.3.8. Exkurs: Frustration, Stress, Burn-Out
3.3.8.1. Frustration
3.3.8.2. Stress
3.3.8.3. Burn-Out
3.4. Erfolgreiches Führungsverhalten
3.4.1. Feedback
3.4.2. Die ideale Führungskraft
3.4.3. Führungsmethoden
3.4.3.1. Methoden zur Vertrauensförderung
3.4.3.2. Methoden zur Förderung von Kommunikation und Wissenstransfer
3.4.3.3. Methoden zur Gestaltung anderer Faktoren
4. Führung in sozialen Organisationen
4.1. Besondere Mitarbeiter(-führung) in sozialen Organisationen
4.1.1. Motivation von Sozialarbeitern
4.1.2. Qualifikation von Sozialarbeitern
4.1.3. Führungsmethoden für die soziale Praxis
5. Kleiner Leitfaden für die Führungskraft
5.1. Erste Worte und ein Beispiel
5.2. Wie führe ich erfolgreich?
5.3. Grundlegende Entscheidungen
5.3.1. Vertrauenskultur
5.3.1.1. Wie erzeuge ich Vertrauen?
5.3.1.2. Wie gehe ich mit enttäuschtem Vertrauen um?
5.3.1.3. Vertrauen im sozialen Unternehmen
5.3.2. Empowerment als Führungskonzept
5.3.2.1. Wie führe ich Empowerment ein?
5.3.3. Kommunikationskultur
5.4. Stress, Frustration und Burn-Out
5.4.1. Wie entstehen Stress, Frustration und Burn-Out ?
5.4.2. Wie kann ich Stress, Frustration und Burn-Out verhindern?
5.4.3. Wie gehe ich mit Stress, Frustration und Burn-Out um, wenn sie bereits entstanden sind?
5.5. Wie gehe ich mit „Problemfällen“ im Betrieb um?
5.6. Wie messe ich meinen Erfolg?
5.7. Wie bezahle ich meine Mitarbeiterinnen?
5.8. Zusammenfassung
5.9. Wie überzeuge ich meine Mitarbeiterinnen von meiner Führungsphilosophie?
Diese Diplomarbeit soll einen Überblick über gängige Führungs- und Motivationstheorien geben und Zusammenhänge zwischen Motivation, Leistung und Führung erläutern. Auf diesen Grundlagen werden Methoden und Kriterien für erfolgreiches Führen erarbeitet. Diese werden auf ihre Anwendbarkeit in der Praxis Sozialer Arbeit untersucht. Der Praxisteil stellt einen kurzen Leitfaden für zukünftige Führungskräfte in Betrieben der Sozialen Arbeit dar, in den die zuvor diskutierten Theorien einfließen, aber nicht noch einmal vorgestellt werden.
Alte wie neue Führungs- und Motivationstheorien werden auf das ihnen zu Grunde liegende Menschenbild und auf ihre Relevanz für die heutige Praxis untersucht. Im weiteren Verlauf soll eine grundlegende Untersuchung wichtiger Aspekte der Führungs- und Motivationstheorien auf ihre gemeinsamen (Erfolgs-)Nenner hin geschehen. Es folgen Exkurse zu drei Themenkomplexen: Beziehung, Kommunikation und Wissen, Vertrauen und Loyalität sowie Stress, Frustration und Burn-Out. Auf Grundlage der vorangegangenen Untersuchungen sollen dann konkrete Führungsmethoden dargestellt werden. Im Anschluss an diese generellen Grundlagen soll eine konkretere Anwendbarkeit der vorgestellten Theorien und Methoden auf Unternehmen Sozialer Arbeit geprüft werden, indem diese Unternehmen mit ihren spezifischen Möglichkeiten und Schwierigkeiten dargestellt werden, und die daraus resultierenden Unterschiede der Führungspraxis auf die vorgestellten Theorien und Methoden reflektiert werden.
Der Praxisteil ist so gestaltet, dass er separat gelesen werden kann; er beschreibt erfolgreiche Führungsmethoden und notwendige Einstellungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Führungskraft. Die hier gegebenen Ratschläge werden nicht umfassend begründet, sondern verweisen auf die entsprechenden Kapitel des Theorieteils bzw. auf andere, verwendete oder weiterführende Literatur.
Ein Bereich der beruflichen Praxis, der – gegeben den Fall – für Sozialarbeiter[1] interessant wird, ist die Frage: Was mache ich, wenn ich plötzlich leitender Mitarbeiter bin? Auf diese Frage gibt es während des Studiums keine Vorbereitung. Man könnte zwar argumentieren, dass nicht aus jedem Studenten einmal ein Manager oder auch nur ein leitender Mitarbeiter wird. Damit löst man jedoch nicht das Problem, dass viele Sozialarbeiter unvorbereitet auf diese neue Rolle sind, woraus in den wenigsten Fällen ein gutes Führungsverhalten resultiert.
Gerade Sozialarbeitern, die im Studium viel über Gruppenarbeit und Gleichberechtigung, Konsensentscheidungen, Basisdemokratie und Hierarchielosigkeit gelernt haben, fällt es oft schwer, Mitarbeitern klare Führungssignale zu geben – besonders, wenn sie vorher zu ebendiesen Mitarbeitern gehörten, und aus dem Kollegenkreis in eine Führungsposition aufgestiegen sind.[2] Im Vorwort zum „Hand Book for Social Care Managers“ schreibt Lady Gillian Wagner:
„Manager werden sehr häufig auf Grund ihrer Kompetenzen im Ausüben ihrer Tätigkeit befördert, mit wenig oder gar keiner Anleitung, wie sie ihrer neuen Verantwortung gerecht werden können.“[3]
Eine frischgebackenene Führungskraft[4] eines Betriebs der sozialen Arbeit steht also nun eine Hierarchie-Ebene über ihren ehemaligen Kollegen. Sie tut nicht mehr die Dinge, deren gute Ausführung ihr die neue Position einbrachten, sondern steht vor der Aufgabe, ihre ehemaligen Kollegen anzuleiten, ihnen Weisungen zu erteilen und sie im Falle eines Fehlers darauf hinzuweisen. Diese Qualifikation hat die Führungskraft nicht während des Studiums gelernt, sie kennt nicht die einschlägige Literatur aus der Betriebswirtschaftslehre, denn wer hat neben dem Studium noch dafür Zeit? Vielleicht hat die Führungskraft, im Idealfall, bereits eine Arbeitsgruppe angeleitet. So gut wie nie hat sie während ihres Studiums Techniken an die Hand bekommen, die eine Führungskraft benötigt. Die daraus häufig resultierende Unprofessionalität führt zu Unsicherheit der Mitarbeiter und der Führungskraft und damit zu Produktivitätsverlust.
So kann man lesen, dass 18 Prozent der deutschen Arbeitnehmer innerlich gekündigt haben und ganze 70 Prozent angeben, nur noch „Dienst nach Vorschrift“ zu machen – und dass als hauptsächlicher Grund hierfür der „unfähige Chef“, der direkte Vorgesetzte angegeben wird. Mitarbeiter mit dieser Haltung bleiben ihrem Job durchschnittlich ca. elf Tage wegen Krankheit fern – Mitarbeiter, die Spaß an ihrem Job haben, nur fünf.[5] Die Brisanz unausgebildeter bzw. unfähiger Führungskräfte darf also nicht unterschätzt werden.
In der freien Wirtschaft werden leitende Angestellte häufig nicht mehr aus dem Mitarbeiterstamm, sondern von außen, teilweise direkt aus dem Managerseminar einschlägiger Hochschulen rekrutiert; sie haben Führungstechniken gelernt und haben das interdisziplinäre Fachwissen (beispielsweise aus der Sozialpsychologie), das erfolgreiches Führen in vielen Fällen erst möglich macht. Oder sie entstammen firmen- oder gesellschaftsinternen Trainee -Programmen, die gezielt junge Hochschulabsolventen u.ä. zum Führungsnachwuchs ausbilden.
Personalführungskompetenz wird nicht mehr (rein) als etwas Angeborenes gesehen (Charisma), sondern als eine Fähigkeit, die erlernt werden kann.[6] Die Möglichkeiten, dies zu lernen, sind allerdings für Sozialarbeiter rar gesät.
Aufgabenfelder jeden Managements sind leistungswirtschaftliche (Produktion, Technik, Marketing), finanzwirtschaftliche, informationswirtschaftliche und personalwirtschaftliche Konzepte, die das Management so lenken soll, dass der Betriebszweck optimal erfüllt wird.[7]
Personalmanagement hat die Aufgabe, den Personalbedarf zu planen, den Personaleinsatz zu organisieren, das Personal zu entwickeln und zu führen.[8]
Management findet auf drei funktionalen Ebenen statt[9]. Die oberste Ebene bildet das normative Management; hier werden Konzepte wie Unternehmensphilosophie, Corporate Identity, Unternehmensgrundsätze und Zukunftsvisionen erarbeitet, die dem täglichen Geschäft des Unternehmens zu Grunde liegen. Personalmanagement auf dieser Ebene befasst sich mit der Umsetzung dieser Konzepte auf den Umgang mit den Mitarbeitern.
Die mittlere Ebene bildet das strategische Management. Hier werden die normativen Vorgaben der Unternehmensleitung auf die operative Ebene der entgültigen Umsetzung umgedacht. Personalmanagement auf dieser Ebene befasst sich mit Personalplanung und -weiterbildung im Hinblick auf die Ziele des Unternehmens.
Die unterste Ebene des Managements bildet das operative Management. Hier werden aus den Vorgaben des strategischen Managements unter Einhaltung der normativen Konzepte konkrete Einzelmaßnahmen entwickelt und angewandt, welche die Verwirklichung der Gesamtziele des Unternehmens betreiben. Personalmanagement findet hier „am Menschen“ statt: Hier werden nicht nur Zahlen im Personalstamm vergrößert oder verkleinert, sondern hier besteht Interaktion zwischen Führungskraft und geführtem Mitarbeiter. Auf diese Ebene, und im speziellen den Bereich der direkten Personalführung werde ich mich im Folgenden konzentrieren.
Auch hier möchte ich mit einer Begriffsdefinition anfangen. In der Literatur gibt es eine Fülle von Definitionen des Begriffes Führung, aus denen ich einige beispielhaft herausgenommen habe:
„Führung ist richtungsweisendes und steuerndes Einwirken auf das Verhalten anderer Menschen, um eine Zielvorstellung zu verwirklichen; es umfasst den Einsatz materieller Mittel. Ein wesentliches Merkmal erfolgreicher Führung ist ihre Dynamik.“[10]
„Führung ist jede zielbezogene, interpersonelle Verhaltensbeeinflussung mit Hilfe von Kommunikationsprozessen.“[11]
„Beabsichtigte und zielgerichtete Beeinflussung von Organisationsmitgliedern wird als Führung bezeichnet.“[12]
„Führung im Sinne sozialer Beeinflussung wird in der sozialen Wirklichkeit in mehrere Richtungen ausgeübt. Man kann unterscheiden: 1. Führen der eigenen Vorgesetzten (nach oben führen), 2. Führen der Kollegen (horizontal führen), 3. Führen im Kontext (umfeldbezogene Führung), 4. Führen der eigenen Person und 5. Führen der Mitarbeiter (Führen im klassischen Sinn).“[13]
„Führen ist eine kraftvolle Mischung aus Strategie und Vertrauen. Aber wenn Du ohne eines von beiden auskommen musst, verzichte auf die Strategie.“[14]
Zusammengefasst geht es bei Führung um zwei Beteiligte: Einen der führt, und einen oder mehrere, die geführt werden. Das Verhalten der Geführten wird nach den gängigsten Theorien[15] vom Führenden zielgerichtet beeinflusst. Das Ziel der Führung ist die Verwirklichung der Unternehmensziele, in unterschiedlichem Umfang auch soziale Zufriedenheit und individuelle Selbstentfaltung. Das Bündel der Methoden, die eine gegebene Führungskraft einsetzt, nennt man Führungsverhalten oder auch Führungsstil (wobei in der Literatur beide Begriffe teils synonym, teils auch mit unterschiedlicher Bedeutung gebraucht werden: Führungsstil als der Führung zu Grunde liegende Einstellung, und Führungsverhalten als tatsächlich zu beobachtendes Verhalten der Führungskraft. Letzterem werde ich mich anschließen.)
Es gibt so viele Führungsstile und so unterschiedliches Führungsverhalten, wie es Führende gibt. Der Großteil der Fachliteratur versucht, diese Vielfalt durch verschiedene Raster ratifizierbar zu machen. Im Folgenden soll ein Überblick über verschiedene Theorien der Personalführung, das zu Grunde liegende Menschenbild und ihre Anwendung in der Praxis gegeben werden.
Professionelle Personalführung zeichnet sich in erster Linie durch Klarheit, sowohl im methodischen (Führungsstil und -verhalten) als auch im persönlichen Bereich (Nähe-Distanz-Verhalten) aus. Während verschiedene Führungsstile in der Literatur klar umrissen sind, gibt es in der Praxis unendlich viele Ausformungen der unterschiedlichen Ansätze. Moderne Führungstheorien konzentrieren sich zum großen Teil auf ein bipolares Bild der Führungsstile, in dem die beiden Gegensätze „autoritärer“ bzw. „kooperativer“ Führungsstil heißen. Die wichtigsten Führungstheorien seien hier kurz beschrieben:
Douglas McGregor stellte 1960 fest, dass Führungskräfte ihrem Führungsverhalten verschiedene Menschenbilder zu Grunde legen. Die beiden häufigsten Persönlichkeitsbilder und die daraus entstehenden Führungsstile nannte er Theorie X und Theorie Y.[16]
Theorie X geht von einem faulen, nur durch Geld zur Arbeit zu motivierenden Mitarbeiter[17] aus, der nur an seinem eigenen Vorteil interessiert ist und ständig kontrolliert werden muss, um nicht nur gemäß seinen Interessen und damit gegen die Unternehmensinteressen zu handeln. Führungsmittel gemäß dieses Menschenbildes sind umfassende Kontrollen und die Vorenthaltung aller bis auf die für den Arbeitsprozess wichtigsten Informationen.
Das dieser Theorie zu Grunde liegende Menschenbild wird in der heutigen Diskussion als der Wirklichkeit unangemessen verurteilt, hat aber in einigen (Führungs-)Köpfen noch Bestand, da sich eine Führung nach diesem Konzept schnell im Sinne einer self fulfilling prophecy auf das Verhalten der Mitarbeiter auswirkt. Ein in diesem Stil geführtes Unternehmen zeichnet sich durch einen hohen Grad von Misstrauen und Unmündigkeit aus. Es herrschen klare, teils starre Hierarchien und große Inflexibilität. Unternehmen dieser Struktur findet man in der westlichen (Wirtschafts-) Welt hauptsächlich in Behörden und in „alten“ Industriezweigen wie Kohlegruben und Schwerindustrie – in Unternehmen also, die ein Marktmonopol haben, oder in denen schnelle Reaktionen auf Geschehnisse am Markt zu Gunsten von Sicherheit und Stabilität geopfert werden. Auf Grund der in allen Wirtschaftszweigen um sich greifenden Globalisierung und den damit verbundenen notwendigen Reaktionsgeschwindigkeiten ist dieser Führungsstil und die Unternehmen, die ihn betreiben, nicht mehr zeitgemäß und in vielen Bereichen im Abnehmen begriffen. Da sich aber ein gerade in dieser Lebensphase gelerntes Verhalten nur schwer und langsam ändern lässt, und andererseits auch immer noch Unternehmen existieren, die keinen sichtbaren Misserfolg durch diesen Führungsstil erleiden, wird es wohl noch eine Weile dauern, bis die Theorie X ebendas wird: Eine Theorie ohne unternehmerische Praxis.
Der Theorie Y liegt das Bild eines Menschen zu Grunde, der, von der Sinnhaftigkeit der Unternehmensziele überzeugt, sie wie seine eigenen Ziele verfolgt, wenn er von seinen Vorgesetzten mit den dafür geeigneten Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten ausgestattet wird. Das Führungsverhalten folgt hier einer linearen Gleichung: Input von Aufgaben und Kompetenzen = Output von Leistung.
Beiden Theorien liegt ein recht einseitiges, der Komplexität eines Menschen nicht gerecht werdendes Bild zu Grunde, weshalb sie in der modernen Diskussion als unangemessen betrachtet werden. Das Menschenbild Y scheint auf den ersten Blick den modernen Theorien und Methoden nicht unähnlich, besonders, wenn man an Initiativen wie Corporate Identity u.ä. denkt, die je darauf abzielen, im Mitarbeiter ein Verständnis für den Sinn seiner Arbeit zu erzeugen. Genauer betrachtet ist jedoch auch dieses Menschenbild zu einfach strukturiert, indem es linearen Vorstellungen menschlichen Verhaltens folgt, die in der Realität nicht existieren – menschliches Verhalten ist komplex!
Das Menschenbild X geht von einem sehr unselbständigen, unmündigen Mitarbeiter aus, der nicht zu viel der Unternehmenspolitik und –ziele kennen soll, da er sie sonst zu seinen Gunsten ausnutzen würde, um so wenig wie möglich arbeiten zu müssen. Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass es dem Menschen zutiefst innewohnt, etwas Sinnvolles leisten zu wollen, um damit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Problematisch wird das Praktizieren des von der Theorie X geprägten Führungsstils, wenn dieser Führungsstil durch einen anderen abgelöst wird. Wie oben bereits angesprochen, verhält sich – je nach Betrieb – ein mehr oder weniger großer Teil des Mitarbeiterstammes gemäß der Typisierung X (Stichwort „Beamtenmentalität“), die durch einen Wechsel zu einer kooperativeren, demokratischeren Führung verunsichert werden. Ein Modell mittel- bis langfristiger Änderung ist die unten beschriebene situative-kooperative Reifegradtheorie.
1958 veröffentlichten Robert Tannenbaum und Warren H. Schmidt ein Modell[18], nach dem sich Führungsverhalten in ein Schema aus sieben Möglichkeiten einordnen ließen. Maßstab für die Zuordnung war der Entscheidungsspielraum der Beteiligten. Dieses Modell wird der Unmöglichkeit, die Vielfalt der Führungsstile eindeutig einem autoritären oder kooperativen Konzept nach der XY-Theorie zuzuordnen, gerecht, indem es die Führungsstile abstuft.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Das Führungskontinuum nach Tannenbaum und Schmidt
Kritisch möchte ich hier auf die häufige Diskrepanz zwischen Selbstbild (von der Führungskraft beabsichtigter Führungsstil) und Fremdbild (von der Gruppe wahrgenommenes Führungsverhalten) hinweisen. So besteht gerade bei Führungsstil 2 oder 3 die Gefahr, dass die Beteiligung der Gruppe häufig ein pseudo-demokratisches Alibi für eine Entscheidung ist, welche die Führungsperson ohnehin bereits getroffen hat.
Dem Führungskontinuum liegt in seiner Absicht kein Menschenbild zu Grunde; es sagt nichts über die Befindlichkeiten der Beteiligten, sondern nur über die (wahrgenommene) Realität aus, und versucht diese zu katalogisieren. Die einzelnen Kategorien lassen allerdings auf das vorherrschende Menschenbild im Unternehmen schließen.
Robert R. Blake und Jane S. Mouton entwickelten 1964 dieses Verhaltensgitter (wörtl.: „Führungs-Koordinatensystem“), das von ihnen als Messinstrument für Verhaltenstraining bei Managementseminaren eingesetzt wird.[19]
Aus diesem Gitter ergeben sich 81 verschiedene Führungsstile, die je nach Einordnung in das Koordinatensystem eher aufgaben- oder mitarbeiterorientiert sind.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Das managerial grid von Blake und Mouton
Blake und Mouton greifen in ihren Schulungen fünf Typen heraus.
- Der 1.1 -oder laissez-faire -Führungsstil ist von Desinteresse geprägt. Diese Führungsperson gibt keine eigenen Anweisungen, sondern gibt nur Anordnung der höheren Ebene unkommentiert weiter. Er übernimmt keine Verantwortung, weder für seine Mitarbeiter noch für auftretende Fehler.
- Die 1.9 -Führungsperson hat sich in dem Widerspruch zwischen bestmöglicher Erfüllung der Unternehmensziele und bestmöglicher Erfüllung der individuellen Ziele für letztere entschieden. Er entspricht dem Typen des social emotional leader [20], der die Arbeitsbedingungen so gestaltet, dass die Mitarbeiter individuelles Wohlergehen und eine freundliche Atmosphäre erleben.
- Der 9.1 -Führungsmensch (oder nach Wagner & Rex der task leader) hat den obengenannten Widerspruch zwischen individuellen und Unternehmenszielen zu Gunsten des Unternehmens entschieden. Sein Führungsverhalten ist ausschließlich sachbezogen, alle Aufgaben sind vorgeplant und ihre korrekte Ausführung wird kontinuierlich kontrolliert. Er zeigt keinerlei Sozialkompetenz und führt außerordentlich autoritär.
- Der 5.5 -Führungsstil (der middle-of-the-road-manager) ist gekennzeichnet von Pragmatismus und Kompromissen. Eine solche Führungsperson wickelt alle Aufgaben routiniert und auf traditionelle Weise ab, da Extrempositionen wie 1.9 oder 9.1 ihrer Meinung nach ohnehin keine Chance auf Realisierung haben. Sie engagiert sich kaum, sondern wartet erst den allgemeinen Trend einer neuen Entwicklung ab.
- Der 9.9 -Führungsstil, die volle Verwirklichung der Betriebsaufgaben unter voller Berücksichtigung der Interessen der Mitarbeiter, wird als das beste Modell angesehen. Eine solche Führungsperson versucht jederzeit, die Mitarbeiter sachlich und persönlich im Höchstmaß zu motivieren, für jedes Problem die zweckdienlichste Lösung zu finden, und Selbständigkeit und Eigenverantwortung der Mitarbeiter zu fördern.
Eine derartig eindeutige Fixierung auf einen möglichen Führungsstil als den besten und jederzeit anzustrebenden Ansatz vernachlässigt allerdings sowohl situative Gegebenheiten als auch die Befindlichkeit der Geführten (z.B. wie oben angesprochen einen Mitarbeiterstamm, der autoritäre Führung gewohnt ist). Ein weiterer, häufig geäußerter Kritikpunkt ist die Persönlichkeitsabhängigkeit des Modells. Allerdings wird in der neueren Diskussion davon ausgegangen, dass Führungsverhalten nicht oder nur in geringem Maße auf angeborenen Fähigkeiten (Charisma) basiert, sondern gelernt werden kann.
Das managerial grid teilt Führungskräften je nach Position im Koordinatensystem verschiedensten Menschenbildern zu; es lässt aber keine Möglichkeit der Veränderung zu – einmal der laissez-faire -Vorgesetzte, immer der laissez-faire -Vorgesetzte. Diese Inflexibilität greift das folgende Modell auf: Es entwickelt das grid weiter, um die Komponente „Verhaltensänderung“ mit einzubeziehen.
Paul Hersey und Kenneth Blanchard entwickelten 1972 das Verhaltensgitter von Blake und Mouton weiter, indem sie eine Zeit-Komponente einführten.[21] Das Gitter wird nicht mehr in 81 Quadranten, sondern in vier Matrixfelder aufgeteilt.
Angepasst an den Reifegrad der Mitarbeiter (z.B. in einem Betrieb mit „Theorie X-Mitarbeitern“), sollte die Führungskraft sich in diesem Gitter bewegen, und zwar in einer Glockenkurve, die von rechts nach links verläuft:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Die Matrix der situativen-kooperativen Reifegradtheorie
- Telling (Unterweisen) ist nach Hersey und Blanchard bei einem geringen Reifegrad der Mitarbeiter (z.B. nachdem eine autoritäre Führungsperson abgelöst wurde) ein Führungsstil mit präzisen Zielformulierungen, bei dem die Führungsperson aber gleichzeitig die Mitarbeiter in ihrer Reifeentwicklung unterstützt.
- Selling (Überzeugen) bedeutet, dass der Mitarbeiter durch die Führungskraft von den Unternehmenszielen so überzeugt ist, dass er sie mit objektiven, sachgemäßen Entscheidungen selbständig verfolgt.
- Participating (Teilhabe): Hier sind die Mitarbeiter ein Teil des Entscheidungsprozesses, indem sie mitreden, die Führungskraft beraten und bei der Entscheidungsfindung mit abstimmen.
- Delegating (Delegieren) ist die Endstufe des Modells. Der Mitarbeiter ist aufgrund seines hohen Reifegrades selbständig und bedarf weder Kontrolle noch Motivation durch die Führungskraft, da er dies bereits verinnerlicht hat.
Kritisch ist zu diesem Modell zu bemerken, dass es hohe Ansprüche an die Lernfähigkeit und die Reife von Mitarbeitern und Führung stellt. Auch die Aussicht, sich selber quasi überflüssig zu machen (wenn man am Ende alles delegiert hat), kommt vielleicht nicht jeder Führungskraft recht. Auch haben es gut gemeinte Ansätze oder Umsetzungen einer Verhaltensänderung schwer, gegen eingefahrene mentale Muster anzukommen. Eine Ausformung dieses Modells ist der weiter unten besprochene Empowerment -Ansatz.[22]
Der sich entwickelnde Mitarbeiter und auch Manager ist ein dem menschlichen Verhalten angemessenes Menschenbild. Es geht davon aus, dass in einem beiderseitigen Lernprozess ein „Er-Wachsen“ stattfindet, das in selbständigen und mündigen Beziehungspartnern endet.
Ein völlig neues Konzept der Personalführung wurde entdeckt, als sich die westliche Welt den erstaunlichen Erfolgen der japanischen Wirtschaft und ihren Ursachen zuwandte.
kaizen ist das japanische Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung. Japanische Unternehmen machen es sich zur Aufgabe, nicht nur jeden Fehler, sondern auch jeden erfolgreichen Ablauf ständig auf Verbesserungsmöglichkeiten zu überprüfen. Das zu Grunde liegende Prinzip lautet:
„Erfolg ist die Mutter des Misserfolgs.“[23]
Gemeint ist hiermit, dass man sich nicht auf den Lorbeeren des Erfolges ausruhen darf, da man sonst Gefahr läuft, das erfolgreiche Konzept nicht marktgemäß weiterzuentwickeln oder es nicht durch kontinuierliche Verbesserung noch erfolgreicher zu machen.
kaizen spielt sich auf allen Ebenen japanischer Unternehmen ab. Es ist stark mit der japanischen Mentalität verbunden, die durch ein hohes Maß an Gruppenbezogenheit geprägt ist. In einem Arbeitsgruppenmeeting wird das zuletzt bearbeitete Projekt oder auch der aktuelle Arbeitsprozess besprochen und bis ins kleinste Detail auf Fehler untersucht. Hierbei geht es nicht darum, denjenigen, der einen Fehler gemacht hat, bloßzustellen oder auch nur verantwortlich zu machen (ein großer Unterschied des japanischen Unternehmertums: Schuld hat immer die Führungskraft, wenn in ihrer Gruppe etwas nicht funktioniert). Es geht vielmehr darum, den Fehler als solchen aufzudecken, seine Ursachen zu ermitteln, und sicherzustellen, dass der Prozess an dieser Stelle optimiert wird. Westliche Beobachter dieses Prinzips fiel auf, dass das Eingestehen von Fehlern für den japanischen Mitarbeiter nicht mit Schamgefühl verbunden war und dass auch der Rest der Gruppe nur darauf bedacht war, geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen, anstatt Schuld zuzuweisen.[24]
Andererseits ist es in japanischen Unternehmen nicht üblich, zu loben oder zu danken. Ein gut ausgeführtes Projekt, ein erfolgreiches Produkt wird nicht mit positiver Rückmeldung verbunden, sondern auf der nächsten Gruppensitzung wiederum auf Optimierungsmöglichkeiten untersucht. Diese Praxis ist für westliche Vorstellungen befremdlich. Hier wird gerade die Menge unmittelbaren, sowohl positiven als auch konstruktiv-kritischen Feedbacks als der wichtigste unterscheidende Faktor von Arbeit und Spiel angesehen: Je höher der Feedback-Anteil, desto mehr „Spaß“ bzw. Spielcharakter nimmt die Arbeit an.[25]
In japanischen Unternehmen spielt die Arbeitsgruppe als Einheit eine weit größere Rolle als im Westen; man könnte fast der gesamten japanischen Gesellschaft eine starke Gruppenmentalität unterstellen. Soziologische Untersuchungen machen dies am begrenzten Lebensraum auf den japanischen Inseln fest, was zu einer starken Betonung des Gemeinwohls auf Kosten der Interessen des Individuums führte. In diesem Zusammenhang ist auch der hohe Grad der Identifikation japanischer Mitarbeiter mit ihrem Unternehmen zu sehen. Auf beiden Seiten existiert der Wunsch, das Arbeitsverhältnis möglichst langfristig zu erhalten – zum Wohle des Unternehmen und des Mitarbeiters. Diese beiden Ziele werden in Japan weit weniger divergent gesehen als im Westen.
Auch wenn kaizen nicht der einzige Grund des japanischen Erfolges ist, lohnt es sich doch, über die Möglichkeiten der Umsetzung von kaizen -Prinzipien in einem Unternehmen nachzudenken. Insbesondere das Klima eines unbedrohlichen, kritikfreundlichen, prozess- (nicht fehler-!) orientieren Umfeldes kann sich sehr positiv auf die Lage der Mitarbeiter auswirken. In Verbindung hiermit wird weiter unten auf das Thema „Vertrauen im Unternehmen“ eingegangen werden.
Allen genannten Modellen ist gemeinsam, dass sie den kooperativen Führungsstil als überlegen und einzig dem modernen, demokratischen Menschen angemessen betrachten. Es sind auch nur wenige Situationen vorstellbar, in denen ein autoritärer Führungsstil von Vorteil ist, beispielsweise in Gefahrensituationen (Feuerwehr, Bundeswehr o.ä.) oder in Organisationen mit Mitarbeitern geringer Motivation und/oder Reife (wobei auch solche Organisationen nach dem Reifegrad-Modell dazulernen können). Ganz allgemein kommt es bei beiden Führungsstilen, aber insbesondere bei der autoritären Führungsweise, wesentlich darauf an, dass die Führungskraft einen hohen Grad an fachlicher und sozialer Kompetenz aufweist. Insbesondere kommunikative Fähigkeiten und ein Gespür der wechselseitigen Bedingtheiten der Beziehung Mitarbeiter-Führungskraft gehören zu den wesentlichen Merkmalen, die eine Führungskraft auszeichnen sollten.
Das Wesentliche an erfolgreicher Führung ist immer die individualisierende, auf einem anerkennenden Menschenbild basierende Sichtweise. Sprenger, auf dessen Publikationen ich weiter unten eingehen werde, kritisiert scharf die Forderung heutiger Personalkräfte nach „How to“s, nach Rezepten, wie sie mit ihren Mitarbeitern umgehen, wie sie diese einordnen sollen. Dies untergräbt, so Sprenger, das Selbstbild der Mitarbeiter, die sich als mündige, selbstbewusste Personen wahrnehmen und ein feines Gespür dafür haben, wenn der Vorgesetzte wieder nur neue Techniken an ihnen „ausprobieren“ will, ohne sich Gedanken darüber zu machen, was diese durchschaute Taktik in den Mitarbeitern anrichtet.[26]
Das heutige Menschenbild geht nach vielen soziologischen Untersuchungen davon aus, dass der Mensch sinnvolle Arbeit zum Bestreiten seines Lebensunterhaltes ebenso braucht wie die Erfüllung seiner grundlegenderen Bedürfnisse. Grundsätzlich ist also allgemein unumstritten, dass ein Mensch arbeiten, etwas leisten will. Um dieses Leisten-Wollen genauer zu verstehen, und aus diesem Verständnis funktionierende Führungsmethoden abzuleiten, werden im folgenden Kapitel die Begriffe Leistung, Motivation und Führung dargestellt und verknüpft.
Erfolgreiches Führen ist von verschiedenen Faktoren abhängig und, je nach Ziel, auf verschiedene Weise messbar.
Führen ist ergebnisorientiert. Leistungsergebnisse (Produktivität, Effektivität, Effizienz) sind einfach in Geldeinheiten messbar, die soziale Zufriedenheit (das Betriebsklima) ist – bereits schwieriger – durch Beobachtung erkennbar, und der individuelle Entwicklungsprozess der Mitarbeiter ist fast gar nicht messbar, trägt aber erheblich zum Erfolg des Unternehmens bei.
Mitarbeiter zu führen bedeutet, ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Arbeitsleistung den Unternehmenszielen entsprechend einzusetzen. Wie oben bereits erklärt, will der Mensch etwas Sinnvolles leisten, gerade wenn diese Leistung ihn befähigt, ein weitgehend selbstbestimmtes Leben zu führen, da er durch seinen Arbeitslohn finanzielle Unabhängigkeit erlangt.
In der Einführung wurde angesprochen, dass in den meisten Fällen die innere Kündigung, das Schreckgespenst aller Führungskräfte, auf Problemen mit (z.B. wahrgenommene Unfähigkeit) der Führungskraft beruht. Der Umfang, in dem Mitarbeiter in dieser Studie angaben, bereits innerlich gekündigt zu haben, variiert zwar von Unternehmen zu Unternehmen, aber erfolgreiche Personalführung darf dieses Phänomen nicht unterschätzen oder gar ausblenden.
Um die innere Kündigung bzw. den Verlust des Engagements der Mitarbeiters zu verhindern, muss die Führungskraft die Arbeitsbedingungen für den Mitarbeiter möglichst so gestalten, dass dieser ungehindert seinen Leistungswillen einsetzen kann.
Ich möchte zunächst den Begriff der Leistung genauer erklären, um deutlich zu machen, was genau das Unternehmen von einem Mitarbeiter erwartet, wenn es von seiner Arbeitsleistung spricht.
Leistung entsteht aus drei Faktoren:
- Leistungsbereitschaft: Der im Menschen liegende Wille, etwas zu leisten
- Leistungsfähigkeit: Das aus den geistigen und körperlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten des Menschen resultierende Imstandesein, etwas zu leisten
- Leistungsmöglichkeit: Die dem Menschen zur Verfügung gestellte Umgebung, in der er seine Leistung einsetzt[27]
Genauer betrachtet liegen zwei dieser Faktoren, a) und b), immanent im Menschen bzw. auf ein Unternehmen bezogen im Mitarbeiter; die Umwelt, bzw. im unternehmerischen Sinn die Führungskraft kann an diesen Faktoren nichts oder nur wenig ändern. Der einzige Faktor, der von der Umwelt bzw. der Führungskraft direkt beeinflusst werden kann, ist der letzte, die Leistungs möglichkeit. Hier geht es darum, von Unternehmensseite her dem Mitarbeiter die Umgebung zur Verfügung zu stellen, in der es ihm möglich ist, seine Leistungsbereitschaft und -fähigkeit einzusetzen: Das geht von der Bereitstellung von Arbeitsraum über Arbeitsmittel bis hin zu anderen Mitarbeitern, die eventuell anfallende weitere Arbeit übernehmen. Es geht hier aber auch um die Schaffung eines Betriebsklimas, in dem ein effektiver Einsatz der Leistung des Mitarbeiters möglich ist. In diesem weiten Feld sollte sich Führung abspielen. Ob sie das tut, soll anhand der Theorien in den folgenden Kapiteln geklärt werden. Dort soll auch der Begriff der Motivation erklärt und den oben genannten Leistungsfaktoren zugeordnet werden.
Die Leistung eines Mitarbeiters im Betrieb ist meist fremdbestimmt; d.h., ein anderer als der Leistende bestimmt, was wie und warum geleistet werden soll und überträgt die Ausführung auf den Leistenden. Ziel der im Betrieb erbrachten Leistung ist in der Regel die langfristige Gewinnmaximierung. Dieses Ziel deckt sich im seltensten Fall (z.B. bei selbständigen Unternehmern) mit den persönlichen Zielen des Leistenden.[28] Daher kann man postulieren, dass in den meisten Fällen Leistung nicht aus einem persönlichen, inneren Bedürfnis des Leistenden erbracht, sondern als Mittel zur Erreichung anderer Ziele dient (Entgeldmaximierung, Arbeitsplatzsicherung, Statussicherung, Interaktion).[29] Leistung dient dem Leistenden selber aber normalerweise immer als ein Mittel, eine Belohnung, ein Erfolgserlebnis zu haben. Dieses Erfolgserlebnis ist geknüpft an die wahrgenommene Schwierigkeit der Leistung und an die wahrgenommene Wertigkeit des zu erreichenden Zieles.
Im Unternehmen ist die Verbindung Leistungserbringung ↔ Belohnung gestört, da das Ergebnis nicht mehr direkt erlebt werden kann, sobald ein Arbeitsprozess in kleinere Schritte und auf mehrere Mitarbeiter aufgeteilt wird (Entfremdung). Im besten Falle ist das Erbringen von Leistung dann an ein Gefühl des Erfolges des Unternehmens geknüpft. Dies erfordert allerdings eine hohe Abstraktionsleistung des Mitarbeiters, da in allen außer den kleinsten Unternehmen die Arbeit des Einzelnen völlig entkoppelt vom Unternehmenszweck erscheint – die zunehmende Entfremdung bewirkt, dass der Mitarbeiter sein Erfolgserlebnis nicht mehr am Erblicken eines Endproduktes festmachen kann, sondern im oben genannten abstrahierenden Vorgang ein anderes Erlebnis (z.B. gute Unternehmensbilanzen, so sie ihm denn genannt werden) mit der Erfüllung seiner Leistung gleichsetzen muss, woraus er dann sein „Belohnungsgefühl“ bezieht.
Viele Unternehmen versuchen, ihren Mitarbeitern mit Konzepten wie Corporate Identity o.ä. ein Bündel von Unternehmenszielen an die Hand zu geben, das diesen Abstraktionsprozess erleichtern soll, indem es dem Mitarbeiter ermöglicht, zu sagen: „Wenn ich diese Aufgabe erfülle, diene ich diesem Unternehmensziel, das ich kenne und gut finde.“ Hiermit soll eine Annahme oder Internalisierung der Unternehmensziele durch die Mitarbeiter, und so eine höhere Leistung, erreicht werden.
Das Leistungsverhalten eines Mitarbeiters wird also von der Leistungsmotivation, aber auch von seinem Leistungsvermögen und seinen Arbeitsbedingungen bestimmt. Die Zusammenhänge können wie folgt dargestellt werden:[30]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Leistungsverhalten und -motivation nach Wagner & Rex
Das grau gekennzeichnete Feld ist das subjektive Empfinden im Mitarbeiter, die black box, die von außen nicht einsehbar ist. Hier werden äußere, objektive Anreize in innere, subjektive Anreize (b) umgewandelt, und zwar auf Grundlage der individuellen Bedürfnisse (a), die befriedigt werden sollen. Mit den zusätzlichen Variablen der Erwartungswahrscheinlichkeit (c) und der Selbsteinschätzung (d) entsteht ein bestimmter Grad der Motivation, der in Verbindung mit dem Leistungsvermögen des Mitarbeiters und den Arbeitsbedingungen, denen er unterliegt, sein Leistungsverhalten ergibt. Im Feedback auf das Ergebnis des Leistungsverhaltens verknüpft die Führungskraft den Erfolg mit den objektiven Anreizen, die sie dem Mitarbeiter gegeben hatte, und dieser verknüpft sie mit den subjektiven Anreizen, die er sich selbst geschaffen hatte, und mit der Motivation, die er empfindet. Ist der Erfolg ausgeblieben, entsteht Enttäuschung – das elementare Bedürfnis des Erfolgserlebnisses, der Belohnung bleibt aus, die innere Motivation kann leiden. Erlebt der Mitarbeiter diese Nichtbefriedigung nachhaltig, oder als seiner Veränderungskompetenz nicht unterliegend (beispielsweise in unzulänglichen Arbeitsbedingungen), so stellt sich Frustration ein. Erlebt der Mitarbeiter sich als überfordert, z.B. durch unzureichende Arbeitsbedingungen, fehlende Qualifikation, strukturelle Belastungsfaktoren o.ä., so stellt sich Stress ein. Durch strukturell bedingtes Wiederholen dieser Frustrations- bzw. Stress-Erlebnisse kommt es zu negativen Folgen wie innerer Kündigung, wirklicher Kündigung, Fluktuation bzw. hohen Krankenständen, Burn-Out u.ä.
Man erkennt auch in dieser Abbildung, dass sowohl Leistungsbereitschaft wie auch Leistungsvermögen nicht von der Führungskraft beeinflusst werden können. Viele gängige Motivationstheorien setzen allerdings an ebendiesen Faktoren, insbesondere den objektiven und subjektiven Anreizen an.
Motivation ist der Zustand der Leistungsbereitschaft, im betrieblichen Sinn also die Bereitschaft, im Sinne des Unternehmens zu handeln.
Man redet von extrinsischer (von außen kommender) und intrinsischer (von innen kommender), und von positiver und negativer Motivation. Beide Konzepte kann man in der Motivationsmatrix zusammenführen:
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Abb. 5: Die Motivationsmatrix
Weiterhin unterscheidet man zwischen Inhaltstheorien (Fragestellung hierbei: Was und welche Faktoren motivieren Individuen?), die aus der Beobachtung und subjektiven Beschreibung menschlichen Verhaltens Schlüsse über dessen Ursachen ziehen, und zu denen folgende gezählt werden:
- Bedürfnispyramide (Maslow)
- ERG-Theorie (Alderfer)
- Zwei-Faktoren-Theorie (Herzberg)
- Leistungsmotivationstheorie (McClelland/Atkinson)
und Prozesstheorien, die Verhaltenswirkungen auf Annahmen über die Verknüpfung bestimmter Variablen zurückführen. Hierzu rechnet man:
- Valenz-Instrumentalitäts-Erwartungs-Theorie (Vroom)
- Weg-Ziel-Theorie (Locke)
- Motivationsmodell (Porter/Lawler)
Das Problem von Inhaltstheorien ist die Vernachlässigung der kognitiven Komponente und der Situationskomponente. Zielkriterien sind lediglich Produktivität (Arbeitsqualität, Fluktuation, Absentismus) und Gesundheitszustand der Mitarbeiter (Krankenstand, Arbeitsunfälle).
Inhaltstheorien können zwar Denkanstöße liefern, welches Motiv möglicherweise für ein bestimmtes Verhalten ursächlich ist, jedoch können sie nicht erklären, wie ein bestimmtes Verhalten zustande kommt. Der Schlüssel zum Verständnis motivierten Verhaltens liegt in der Erweiterung der Inhalts- zu Prozesstheorien.
Die einzelnen Theorien sollen im folgenden Abschnitt erläutert werden.
Einige grundlegende Worte vorweg:
Motivationstheorien als Grundlagen von Personalführung gehen davon aus, dass die Befriedigung von Bedürfnissen Antrieb für menschliches Verhalten ist[31], und dass das Erkennen der Bedürfnisse, ihrer Rangordnung (Valenz) und die Ermöglichung ihrer Erfüllung wichtige Instrumente der Führungskraft sind. Motivation kann nach den gängigsten Führungstheorien von der Führungskraft auf unterschiedliche Weise erzeugt werden: Jeder Mensch hat bestimmte Bedürfnisse, die er verwirklichen möchte, und einen bestimmten Rahmen, in dem er dazu bereit bzw. in der Lage ist, Leistung zu erbringen, um diese Bedürfnisse zu erfüllen. Gibt das Unternehmen/die Führungskraft ihm die Möglichkeit dazu, indem es ihm seinem Rahmen angemessene Aufgaben überträgt, wird er diese auch ausfüllen.
Die meisten Motivationstheorien legen ein psychologisches, generalisierendes Menschenbild zu Grunde; der Mensch wird auf ein „Bedürfnisbündel“ reduziert, an dessen Schrauben (=Bedürfnissen) es zu drehen gilt, um den Output (=Leistung) zu maximieren. Diese Kritik einer derartigen Denkweise stammt von Reinhard Sprenger, dessen Theorie zum Schluss dieser Darstellungen vorgestellt werden wird. Obwohl ich mich dieser Kritik, wenn auch nicht vorbehaltlos, anschließe, werde ich die „älteren“ Theorien erst einmal ohne Bezug auf Sprengers Ausführungen darstellen, und erst zum Schluss auf seine Ideen eingehen.
Die Bedürfnispyramide von Maslow[32] bietet einen ersten Erklärungsansatz für den Zusammenhang von Bedürfnissen und Motivation. Maslow ist ein Vertreter humanistischer Psychologie, die davon ausgeht, dass Menschen von Natur aus nicht durch Triebe oder Instinkte noch rein durch Umweltdeterminanten gesteuert werden, sondern aktiv nach Selbstverwirklichung und dem „Guten“ streben.[33] Die humanistische Psychologie orientiert sich am Erleben des Subjekts, nicht auf sein beobachtetes Verhalten, und versucht, Muster zu erkennen. Maslows Bedürfnispyramide ist ein Postulat mit wenig empirischem Rückhalt, was auch bereits von Zeitgenossen kritisiert wurde. Er stellt zwei Motivationsformen einander gegenüber:
- Mangelbedürfnisse, die die Menschen veranlassen, ihr physische oder psychisches Gleichgewicht zu erneuern, und
- Wachstumsbedürfnisse, die die Menschen veranlassen, ihr „altes Ich“ zu transzendieren.
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Abb. 6: Die Bedürfnispyramide nach Maslow
Maslow geht von einer linearen Bedürfnisbefriedigung von unten nach oben aus. So lange die niedrigen Bedürfnisse nicht befriedigt sind, kommen die höheren Bedürfnisse nicht ins Spiel.
Er geht weiterhin davon aus, dass diese Bedürfnisse angeboren sind, aber durch Umfeldeinflüsse und Sozialisation in ihrer Ausprägung variiert werden.
Gedacht für Erziehung und Therapie, fand diese Theorie bei Praktikern dieser Bereiche großen Anklang, da sie einen optimistischen Ansatz im Gegensatz zu bisherigen Erklärungsmodellen menschlichen Verhaltens bot.
[...]
[1] ich benutze aus Gründen der Lesbarkeit im Folgenden die männliche Schreibweise.
[2] zur Wechselwirkung gruppen- und führungsdynamischer Prozesse s. Wagner, K./Rex, B. (1998) Praktische Personalführung. Wiesbaden: Gabler. S.114-116.
[3] Harris, J.; Kelly, D. (1991). Hand Book for Social Care Managers. Aldershot: Gower. Übers. d. Verf.
[4] Stellvertretend für die verschiedenen anderen Bezeichnungen dieser Tätigkeit benutze ich diese, da sie am besten den Beruf eines für Mitarbeiter leitend und verantwortlich Tätigen beschreibt.
[5] vgl. Bericht der Frankfurter Rundschau, 20.01.04. Die dort und hier erwähnten Zahlen stammen aus einer Studie der Unternehmensforschungsorganisation Gallup.
[6] vgl. Gonschorrek, U. (1997) Personalmanagement. Berlin: Spitz.
[7] vgl. Gonschorrek (1997)
[8] vgl. Puch, H. J.; Westermeyer, K. (1999): Managementkonzepte: Eine Einführung für soziale Berufe. Freiburg im Breisgau: Lambertus
[9] vgl. Gonschorrek (1997)
[10] Heeres-Dienst-Vorschrift 100/200, o.J. Nr. 101.
[11] Baumgarten, R. (1977). Führungsstile und Führungstechniken. Berlin: de Gruyter. S. 7
[12] Weber, W./Mayrhofer, W./Niehüser, W. (1993). Grundbegriffe der Personalwirtschaft. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. S. 15
[13] Gonschorrek (1997) S. 66.
[14] Schwarzkopf, Gen. H. N., zit. n. Sprenger, R. (2002). Vertrauen führt. Frankfurt/Main: Campus Verlag. S. 50.
[15] eine Ausnahme bildet hier Reinhard Sprenger, auf dessen Theorien ich weiter unten eingehe.
[16] McGregor, D. (1970) Der Mensch im Unternehmen. Düsseldorf, Wien: Ecos. zit. n. Neuberger, O. (1995) Führen und geführt werden. Stuttgart: Enke.
[17] vgl. dieses Menschenbild mit Taylors “homo oeconomicus”: Taylor, F. W. (1911) The Principles of Scientific Management. New York: de Gruyter.
[18] Tannenbaum, R. /Schmidt, W. H. (1958) How to choose a leadership pattern. In: Harvard Business Review. zit. n. Neuberger (1995)
[19] Blake, R. R./Mouton, J. S. (1980) Verhaltenspsychologie im Betrieb, erste erweiterte Neuauflage, Düsseldorf/Wien: Econ. zit. n. Neuberger (1995)
[20] Nach Wagner und Rex teilt sich die Führungsrolle in Gruppen teilweise in zwei leaders, nämlich den „Tüchtigsten“ (task leader) und den Sympathieführer (social emotional leader). Nach: Wagner & Rex (1998) S.109.
[21] Hersey, P./Blanchard, K. (1972). Management of Organizational Behavior: Utilizing Human Resources. Englewood Cliffs: Prentice Hall. zit. n. Neuberger (1995)
[22] vgl. Abschnitt 3.4.3.3.
[23] vgl. Rehfeld, J. E. (1995). Das Beste aus Fernost und West. Landsberg/Rhein: verlag moderne industrie. S. 36.
[24] vgl. Rehfeld (1995) S. 32 ff. und S. 88 ff.
[25] vgl. ebd., S. 24.
[26] Sprenger R. (20001). Mythos Motivation. Wege aus einer Sackgasse. Frankfurt / Main: Campus. Limitierte Jubiläumsausgabe.
[27] vgl. Sprenger (20001) S. 185.
[28] Korndörfer, W. (1999). Unternehmensführungslehre. Wiesbaden: Gabler (9.Aufl.) S. 216
[29] vgl. ebd., S. 217
[30] Auf Grund ihrer Größe wurde die Abbildung auf die nächste Seite verschoben.
[31] vgl. Korndörfer (1999), S. 220
[32] Maslow, A. H. (1954). Motivation and Personality. New York: De Gruyter. zit. n. Gonschorrek (1997)
[33] Zimbardo, P.G. (1995) Psychologie. Berlin u.a.O.: Springer (6.Aufl.) S. 12 u. S. 415