Fachbuch, 2014
78 Seiten
Der große Vogel des Westens
Bild auf der vorhergehenden Seite:
Lebensbild von Hesperornis,
angefertigt von dem Berliner Tiermaler Heinrich Harder (1858 - 1935)
Allen Ornithologen und Pal ä ornithologen gewidmet
Hesperornis - Der große Vogel des Westens 4
Ausschnitt aus einem Lebensbild von Hesperornis von Joseph Smit (1836 - 1929)
aus dem Werk „ Creatures of Other Days “ (1894), England
5 Hesperornis - Der große Vogel des Westens
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
Vogel mit Zähnen
Ein Vogel, der nicht mehr fliegen, dafür aber gut schwimmen und tau- chen konnte, steht im Mittelpunkt des Taschenbuches „Hesperornis - Der große Vogel des Westens“. Dieser von der Schnabelspitze bis zum Fußende bis zu 1,80 Meter lange Tauchvogel lebte in der Oberkreidezeit vor etwa 83,5 bis 78 Millionen Jahren an einem Flachmeer, das Nord- amerika von Norden nach Süden durchzog. Er war ein Zeitgenosse von Flugsauriern, Meeressauriern und Dinosauriern, die damals die Lüfte, das Meer und das Land bevölkerten. Wie der Urvogel Archaeopteryx aus der Oberjurazeit vor rund 150 Millionen Jahren in Bayern trug auch Hesperornis noch Zähne im Schnabel. Die Entdeckung von Hesperornis fällt in die Zeit der legendären „Knochenkriege“ bzw. „Knochenschlachten“ zwischen den amerikanischen Paläontologen Othniel Charles Marsh (1831-1899) und Edward Drinker Cope (1840- 1897). Jene beiden Wissenschaftler lieferten sich etwa drei Jahrzehnte lang einen erbitterten Wettstreit um möglichst viele Dinosaurier-Fun- de in den USA. Verfasser des Taschenbuches „Hesperornis - Der große Vogel des Westens“ ist der Wiesbadener Wissenschaftsautor Ernst Probst, der zahlreiche Werke über urzeitliche Tiere geschrieben hat.
Deutscher Biologe, Naturforscher, Philosoph und Physiker Ernst Haeckel (1834 - 1919)
In der Kreidezeit vor etwa 110 bis 66 Mi llionen Jahren lebten in Nordamerika, Asien, Europa und Antarktika flugunfähige Vögel, die teilweise eine beachtliche Größe erreichten. Ihr Brustbein war noch gut entwickelt, ihr Kiel reduziert und ihre Flügel waren zurückgebildet. Diese bis zu 2,20 Meter langen Vögel hatten sich allmählich auf eine tauchende Lebensweise spezialisiert. Offenbar fischten sie in Flachmeeren, die während der Kreidezeit einen großen Teil von Nordamerika bedeckten. Zeitgenossen von ihnen waren Dinosaurier, Flugsaurier und Meeressaurier.
Die flugunfähigen Tauchvögel und andere Vögel aus der Kreidezeit trugen in ihrem Schnabel einfache, spitze Zähne, die sich zum Ergreifen von Fischen und Tintenfischen eigneten. Früher hat man Vögel mit bezahnten Kiefern aus der Kreidezeit als „Kreidezahnvögel“, „Zahnvögel“ (Odontornithen) oder „Fischvögel“ (Ichthyornithen) bezeichnet. Doch diese Begriffe gelten inzwischen als überholt.
Heute ordnet man die kreidezeitlichen Tauchvögel den Ornithurae („Vogel-Schwänze“) zu. Diesen Begriff hat 1866 der deutsche Biologe, Naturforscher, Philosoph und Physiker Ernst Haeckel (1834-1919) geprägt. Zur Gruppe der Ornithurae gehören alle echten Vögel mit kurzer Schwanzform. Sie unterscheidet sich damit vom ungefähr taubengroßen Urvogel Archaeopteryx mit langem Schwanz aus der Oberjurazeit vor rund 150 Millionen Jahren. Haeckel rechnete Archaeopteryx einer anderen Gruppe namens Sauriurae zu. Außerdem zählen die erwähnten Tauchvögel zur Ordnung der Hesperornithiformes, die 1889 erstmals von dem deutschen Anatom und Ornithologen Max Carl Anton Fürbringer (1846-1920) wissenschaftlich beschrieben wurde.
Zur Ordnung der Hesperornithiformes rechnet man die Familien Baptornithidae, Enaliornithidae und Hesperornithidae. Fossile Reste von Hesperornithiformes hat man in Nordamerika (Kansas und Alaska in den USA, Saskatchewan in Kanada), Europa
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
Amerikanischer Bankier und Unternehmer George Peabody (1795 - 1869)
(Großbritannien, Schweden, Russland, Ukraine), Asien (Kasachstan, Mongolei) und Antarktika gefunden. Die meisten Arten existierten in der Oberkreidezeit. Zu den größeren Hesperornithiformes gehören die Gattungen Canadaga und Hesperornis aus der Familie der Hesperornithidae. Mittelgroß war die umstrittene Gattung Coniornis. Klein waren die Gattungen Baptiornis und Parahesperornis.
Hesperornis
Die Entdeckung des bis zu 1,80 Meter langen Tauchvogels Hesperornis aus der Oberkreidezeit vor etwa 83,5 bis 78 Millionen Jahren im westlichen Nordamerika fällt in die Zeit der berühmten „Knochenkriege“ bzw. „Knochenschlachten“ („Bone Wars“) zwischen den amerikanischen Paläontologen Othniel Charles Marsh (1831-1899) und Edward Drinker Cope (1840-1897). Etwa drei Jahrzehnte lang lieferten sich die beiden Wissenschaftler einen erbitterten Wettstreit um möglichst viele Dinosaurier-Funde. Während dieser Fehde entdeckten die Beiden 142 Dinosaurier-Arten. Der neun Jahre ältere Marsh war ein Neffe des schwerreichen Bankiers und Unternehmers George Peabody (1795- 1869) und wurde von diesem großzügig finanziell unterstützt.
Ab 1866 arbeitete Othniel Charles Marsh als Professor für Pa- läontologie an der „Yale University“ in New Haven (Connecticut). 1866 trug sein spendabler Onkel George Peabody mit einer Stiftung zur Gründung des nach ihm benannten „Peabody Museum of Natural History“ in New Haven bei, das 1876 eröffnet wurde. Dieses Haus ist ein Naturkundemuseum der „Yale University“. Ebenfalls 1866 ge- gründet wurde das „Peabody Museum of Archeology and Ethnologie“, das zur „Harvard University“ in Cambridge (Massachusetts) gehört. Für dieses Museum stiftete George Peabody die für damalige Verhältnisse sehr hohe Summe von 150.000 US-Dollar. Von 1866 bis zu seinem Tod nach einer Lungenentzündung im Jahre 1899 fungierte Marsh als Direktor des „Peabody Museum of Natural History“ in New Haven.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
Amerikanischer Pal ä ontologe
Othniel Charles Marsh (1831 - 1899)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
Amerikanischer Pal ä ontologe
Edward Drinker Cope (1840 - 1897)
Hesperornis - Der große Vogel des Westens 12
Kampf zwischen einem Mosasaurus ( „ Echse von der Maas “ ) und zwei Ichthyosauriern (Fischsaurier).
Gem ä lde von Heinrich Harder (1858 - 1935) aus dem Buch „ Wunder der Urwelt “ (1912) von Wilhelm B ö lsche (1861 - 1939). Die im Meer lebenden Mosasaurier existierten in der Oberkreidezeit
vor 83,6 bis 66 Millionen Jahren in Europa und Nordamerika.
Edward Drinker Cope erhielt 1865 von der „Academy of Natural Sciences“ in Philadelphia den Posten als Kustos, den er bis 1873 bekleidete. Von 1864 bis 1867 war er Professor für Naturgeschichte am privaten „Haverford College“ in Haverford (Pennsylvania). 1884 wurde er Kustos am „National Museum of Natural History“ in Washington. Zwischen 1889 und 1897 betätigte er sich als Professor für Geologie und Paläontologie an der „University of Pennsylvania“. Ab 1895 übernahm er auch noch die Professur für Zoologie und vergleichende Anatomie. 1896 wählte man ihn zum Präsidenten der „American Association for the Advancement of Science“ in Washington. So lange er lebte, hat er sich mit Marsh nicht mehr versöhnt. 1897 erlag Cope einem Nierenversagen.
Vor seinem Tod hatte Cope bestimmt, sein Körper solle der Wissenschaft zur Verfügung gestellt werden, weil dieser das Typusexemplar des Homo sapiens darstellen sollte. Bei der Präparation und Zusammenstellung seines Körpers stellte man jedoch Anzeichen einer beginnenden Geschlechtskrankheit (Syphyllis) fest, weswegen sein Leichnam im Archiv verschwand.
Irgendwann in den 1860-er Jahren, als in den USA der „Amerikanische Bürgerkrieg“ (1861-1865) tobte, sind sich Marsh und Cope in Europa begegnet. Marsh studierte in Deutschland Paläontologie und Anatomie in Berlin, Heidelberg und Breslau. Cope unternahm auf Wunsch seines Vaters Auslandsreisen und hielt sich drei Jahre lang in Europa auf. Anfangs hatten Marsh und Cope großen Respekt voreinander und waren Freunde. Nach der Rückkehr aus Europa las Marsh verschiedene Artikel von Cope über dessen aus einer Mergelgrube an der Küste von New Jersey geborgene Fossilien. Daraufhin schlug Marsh vor, sie sollten diese Gruben zusammen untersuchen, worauf Cope einging. Die Beiden schätzten sich einander so sehr, dass sie Funde nach dem jeweils anderen benannten. Cope benannte eine Echse als Colosteus marshii und Marsh bezeichnete ein Meeresreptil als Mosasaurus copeanus.
Die Fehde zwischen Othniel Charles Marsh und Edward Drinker Cope begann vielleicht damit, dass Cope bei der Rekonstruktion des 1868 in
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
Unkorrekte Zeichnung von Edward Drinker Cope in „ The American Naturalist “ von 1869
mit zwei Elasmosaurus (links vorne und rechts hinten) mit vertauschtem Hals und Schwanz
Bild auf Seite 15:
Studio des britischen Rekonstruktionsexperten Benjamin Waterhouse Hawkins (1807 - 1894) in Sydenham (S ü d-London)
15 Hesperornis - Der große Vogel des Westens
Hesperornis - Der große Vogel des Westens 16
Bill Cody (1846 - 1917), genannt „ Buffalo Bill “ (rechts) zusammen mit dem Indianerh ä uptling und Medizinmann Sitting Bull (um 1831 - 1890)
bei einem Auftritt 1895 in Montreal (Kanada)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
Kansas entdeckten langhalsigen Meeresreptils Elasmosaurus platyrus im Jahre 1869 irrtümlich den Schädel statt auf den Hals an das Schwanzende setzte. Cope hatte diesen Elasmosaurus nicht selbst entdeckt, sonst wäre ihm dieser peinliche Fehler wohl nicht unterlaufen. Die fossilen Reste des Elasmosaurus waren nach Philadelphia geschickt worden, wo Cope sie untersuchte und beschrieb. Die Knochen des Elasmosaurus kamen in einer Zeit an, als der britische Rekonstruk- tionsexperte Benjamin Waterhouse Hawkins (1807-1894) auf der Suche nach urzeitlichen Reptilien für sein „Paläontologisches Museum“ in den USA eintraf. Kaum hatte Cope die Beschreibung des Elas- mosaurus geliefert, baute Hawkins in New York City bereits ein lebensgroßes Modell von Elasmosaurus auf. Als Marsh den Fehler von Cope bemerkte, lachte er lauthals darüber. Cope war deswegen tief gekränkt und meinte, man würde ihm diesen Fehler ewig anlasten. Jener Vorfall, der in der Wissenschaft nicht besonders beachtet wurde, löste vermutlich die erbitterte Fehde zwischen Cope und Marsh aus. Cope soll sein Irrtum und die Reaktion von Marsh darauf so mitgenommen haben, dass er es dem Kollegen heimzahlen wollte. Bei der Suche nach fossilen Resten von Sauriern und Dinosauriern in den USA wollte fortan jeder der Beste sein. Dabei wandten sie auch zweifelhafte Methoden wie Bestechungsversuche, Falschinformationen und Spionage an. Zuletzt ließ Marsh sogar Knochenreste, die nach hastiger Ausbeutung einer Fundstelle übriggeblieben waren, durch seine Suchmannschaft zerstören, nur damit sie nicht in die Hände von Cope fielen.
Von 1870 bis 1873 leitete Marsh alljährlich die „Yale College Scientific Expedition“ bei der Suche nach Fossilien in den USA. Bei der ersten dieser insgesamt vier Expeditionen begleiteten ihn 1870 elf Studenten sowie eine militärische Eskorte der „Fifth Cavalry“ mit zwei Lieutenants, zwei indianischen Führern und zwei Armee-Scouts. Anders als die Kavalleristen waren die Studenten zuvor noch nie länger auf einem Pferd geritten. Einer der beiden Scouts war kein Geringerer als Bill Cody (1846-1917), genannt „Buffalo Bill“, der sich als Büffeljäger und Begründer des Showbusiness“ einen Namen machte und ein Leben
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
Lebensbild des Flugsauriers Pteranodon, geschaffen von dem Berliner Tiermaler Heinrich Harder (1858 - 1935)
lang ein Freund von Marsh war. Am Loup Fork River, einem Nebenfluss des Platte River in Nebraska, fand die Expedition fossile Reste von sechs frühen Pferde-Arten, zwei verschiedenen Nashörnern, von einem Kamel und anderen Säugetieren.
Nach Grabungen in Wyoming und Colorado kam Marsh zu einer vielversprechenden Fossilienfundstelle am Smoky Hill River im westlichen Kansas. Am Thanksgiving-Feiertag im November 1870 speisten die Expeditionsteilnehmer dort bei einem Dinner, nachdem zuvor Coyoten ihre Mulis gehetzt hatten. Am Smoky Hill River untersuchte das Grabungsteam kalkige Ablagerungen („Smoky Hill Chalk“) aus der Oberkreidezeit, deren Alter heute mit etwa 87 bis 82 Millionen Jahren angegeben wird. Der „Smoky Hill Chalk“ liegt über dem geologisch älteren „Fort Hays Limestone“. Beide gehören zur Niobrara-Formation („Niobrara Chalk“).
1870 entdeckte Marsh in Kansas das erste Skelett eines Flugsauriers in Nordamerika, den er 1876 als Pteranodon („zahnloser Flügel“) bezeichnete. Im Gegensatz zu anderen Flugsauriern trug Pteranodon keine Zähne im Schnabel. In Europa hatten der Franzose George Cuvier bereits 1809 den Flugsaurier Pterodactylus („Flugfinger“), der Deutsche Hermann von Meyer 1846 Rhamphorhynchus („Schnabel- Schnauze“) und der Brite Richard Owen 1859 Dimorphodon („zwei Arten von Zähnen“) wissenschaftlich beschrieben. Als größte Art der Gattung Pteranodon gilt die Art Pteranodon sternbergi mit einer Flügelspannweite bis zu neun Metern. Zumindest was die Größe betrifft, übertraf der riesige Flugsaurier Pteranodon aus Nordamerika seine „Konkurrenten“ aus Europa. Die größte Art von Pterodactylus erreichte eine Flügelspannweite bis zu 75 Zentimetern. Rhamphorhynchus brachte es zu einer Flügelspannweite bis zu maximal 1,75 Metern. Im bitterkalten Dezember 1870 fand Marsh im Kalkgestein am Smoky Hill River in Kansas ein Schienbein-Fragment („YPM 1205“) von einem fossilen Vogel, dessen wahre Natur er aber nicht erkannte. Dabei handelte es sich, wie man heute weiß, um den ersten Fund eines Hesperornis. Auch die Expedition von Marsh im Dezember 1870 wurde
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
Lebensbild des Flugsauriers Pterodactylus,
geschaffen von dem Tiermaler F. John im Jahre 1902
Bild auf Seite 21:
Lebensbild der Flugsaurier Rhamphorhynchus (oben), Pterodactylus und Scaphognathus (unten), geschaffen von Charles Whymper (1853 - 1941)
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