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Masterarbeit, 2014
81 Seiten, Note: 2
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Zentrale Fragestellung
1.4 Aufbau der Arbeit
2 Betriebliches Gesundheitsmanagement
2.1 Entwicklung des Betrieblichen Gesundheitsmanagements
2.1.1 Von der industriellen Fertigung zur Dienstleistungsgesellschaft
2.1.2 Modernes betriebliches Gesundheitsmanagement
2.2 Begrifflichkeiten im betrieblichen Gesundheitsmanagement
2.2.1 Verhaltens- und Verhältnisorientierung
2.2.2 Absentismus - Präsentismus
3 Neurobiologie in der Arbeitswelt
3.1 Grundlagen
3.1.1 Einleitung
3.1.2 Botenstoffe - Hormone
3.1.3 Anatomie
3.1.4 Spiegelneurone
3.2 Das soziale Gehirn
3.2.1 Kooperation
3.2.2 Lernen
4 Gesundheit - Krankheit
4.1 Definition Gesundheit
4.1.1 Definition WHO
4.1.2 Ottawa Charta
4.1.3 Jakarta Charta
4.1.4 Salutogenese
4.2 Exemplarische Krankheitsbilder
4.2.1 Stress
4.2.2 Burnout - Syndrom
4.2.3 Boreout
4.2.4 Depression
4.2.5 Psychosomatische Erkrankungen
4.2.6 Suchterkrankungen
5 Psychosoziales Gesundheitsmanagement in der Praxis
5.1 Einflussfaktoren auf die psychosoziale Gesundheit
5.1.1 Belastung – Beanspruchung – Erholung
5.1.2 Gesunde Führung und Unternehmenskultur
5.1.3 Mitarbeiterzufriedenheit – Gesundheit: Widerspruch oderunabdingbare Bedingung?
5.2 Daten und Analysen
5.2.1 Krankheitsbedingte Fehlzeiten bei psychischen Erkrankungen
5.2.2 Kosten für Unternehmen und Volkswirtschaft
5.2.3 Nutzen und Grenzen
5.3 Beispiel aus der Praxis
5.3.1 Gesundheitsmanagement Zürich Versicherung Österreich
6 Zusammenfassung und Ausblick
6.1 Zukunft und Fazit
6.1.1 Zukünftige Wege im Betrieblichen Gesundheitsmanagement
6.1.2 Fazit – Nachwort
7 Literaturverzeichnis
8 Danksagung
Abbildung 1: Entwicklung der Zahl der ArbeitnehmerInnen nach Wirtschaftssektoren zwischen 1995 und 2008
Abbildung 2: Aufgabenfelder der betrieblichen Gesundheitspolitik
Abbildung 3: Direkte und indirekte Kosten arbeitsbedingter Erkrankungen
Abbildung 4: Prozentualer Wandel der AU-Fälle nach Krankheitsarten in den Jahren 1997 bis 2007
Abbildung 5: Betriebliche Gesundheitsförderung: personenbezogene und bedingungsbezogene Interventionen
Abbildung 6: Wirkungsweise gesundheitlicher Gefährdung durch psychische Belastungen
Abbildung 7: Gründe für Präsentismus
Abbildung 8: Limbisches System und Hypothalamus
Abbildung 9: Anatomie limbisches System
Abbildung 10: Das allgemeine Adaptionssyndrom
Abbildung 11: Rücken- und Muskelschmerzen in Abhängigkeit von berichtetem Stress für 2005
Abbildung 12: Psychische Belastung und Beanspruchung
Abbildung 13: Belastungen in Organisationen
Abbildung 14: Indikatoren zu den psychischen Anforderungen unselbstständig Beschäftigter zwischen 15 und 64 Jahren (%)
Abbildung 15: Belastungsgründe
Abbildung 16: Betriebliche Maßnahmen zur Förderung der Work-Life-Balance
Abbildung 17: Aufbau und Beispielaussagen des Instruments Health-oriented Leadership
Abbildung 18: Durchschnittliche Krankenstandstage nach Krankheitsgruppen Österreich
Abbildung 19: Entwicklung der psychischen Krankheiten, Krankenstandstage pro Kopf, Österreich
Abbildung 20: Übersicht: Schätzung der Kosten in Zusammenhang mit Unfällen und Krankheiten unselbstständig Beschäftigter, 2010
Abbildung 21: Krankheits- bzw. unfallbedingte Abwesenheitstage und volkswirtschaftliche Kosten von 2001 bis 2010 in Deutschland
Abbildung 22: Schätzung der Behandlungskosten der unselbstständig Beschäftigten im Jahr 2004
Abbildung 23: Work Ability Index
Krankheit und Gesundheit beschäftigen die Menschen heute mehr denn je, so der mediale Eindruck. Menschen werden immer älter, die aus der Forschung stammenden Erkenntnisse immer besser und genauer und es tun sich immer neue Krankheitsbilder auf, immer mehr rückt die Abhängigkeit von Körper und Psyche in den Mittelpunkt der meisten Krankheiten bzw. der Gesunderhaltung.
Ob ein Mensch krank oder gesund ist, hat nicht ausschließlich Folgen für ihn als Person. Wie ein Stein, den man ins Wasser wirft, zieht die Krankheit Kreise in die Gesellschaft. Die Kreise, die ein kranker Mensch zieht (Ausfall der Arbeitskraft, eventuell Versorgung der Familie, Diagnose- und Therapiekosten, etc.) müssen finanziert werden. Durch dessen Arbeitgeber, Krankenkassen, Sozialversicherung, Politik, Wirtschaft. Marode Krankenkassen sind zwar abstrakt gedacht „nur“ Sache des Staates, doch wer ist der Staat? Im Grunde jeder einzelne Einwohner.
Unsere Gesellschaft wird immer älter. Vor der Lücke, die sich durch eine Überalterung der Bevölkerung und immer weiter sinkende Geburtenraten ergibt, wird seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten gewarnt. Gleichzeitig sinkt nach wie vor die Nachfrage an reiferen Mitarbeitern am Arbeitsmarkt, ideale Kandidaten sind jung, gut ausgebildet und vor allem: billig.
Was hat dies nun mit dem Thema der vorliegenden Arbeit zu tun? Man kann, nach Ansicht der Verfasserin, ein Thema nur dann ausreichend erfassen und bearbeiten, wenn man es in seinem systemischen Zusammenhang erkennt. Nichts hat eine Wirkung ohne Ursache und umgekehrt. Jede Zelle eines Körpers hat ihren Platz und ihre Funktion. So bald sie erkrankt oder ausfällt, hat dies unmittelbare Auswirkungen auf den gesamten Organismus. Dies kann auch ein natürlicher Erneuerungsprozess sein. In jedem Kreislauf ist es notwendig, dass das Alte dem Neuen Platz macht. Wenn dies jedoch auf einen pathologischen Prozess zurückzuführen ist, krankt nach und nach der Organismus.
Ein Unternehmen ist Teil eines großen Ganzen, unserer Wirtschaft. Wenn große Unternehmen „erkranken“ kann dies die gesamte Weltwirtschaft in eine Krise stürzen, mit weitreichenden politischen und sozialen Folgen für jeden. Diese Tatsache wird oft übersehen. Laut einer kürzlich durchgeführten Studie beläuft sich der volkswirtschaftliche Schaden von psychischen Erkrankungen in Österreich auf sieben Milliarden Euro pro Jahr.[1]
Auch ein kleines Unternehmen ist Lieferant und Abnehmer für andere Unternehmen, Teil eines Organs im Organismus Wirtschaft. Wenn man nun hier auf die „Zellebene“ geht, besteht ein Unternehmen aus Menschen. Jeder Mitarbeiter ist Teil des Ganzen, trägt mit seiner Arbeit zum gesunden Ablauf bei. Was passiert nun, wenn diese „Zelle“, ein Mitarbeiter erkrankt? In erster Linie muss seine Arbeit natürlich weiterhin erfüllt werden, durch andere Mitarbeiter. Passiert dies öfters oder über einen längeren Zeitraum, sind auch diese Mitarbeiter irgendwann überlastet. Möglicherweise benötigt das Unternehmen eine Ersatzkraft. Der erkrankte Mitarbeiter kostet dem Unternehmen selbstverständlich mehr, als ein gesunder, durch Krankenkassen, Arzt- und Therapiekosten. Wenn man hier nicht von einer Erkältung o.ä. spricht, sondern z.B. einem Burnout, das einen Ausfall von mehr als einem Jahr nach sich ziehen kann, ist der Schaden nicht gering.
Die Gesundheit seiner Mitarbeiter sollte daher eines der obersten Ziele in einem Unternehmen darstellen. Denn wie soll man Kennzahlen erreichen, wenn die Mitarbeiter, auf deren Arbeit man angewiesen ist, dieselbige nicht erfüllen können?
Neue Mitarbeiter zu finden ist verbunden mit Zeit- und Arbeitsaufwand, die Einschulung benötigt ebenso Kapazitäten und bis eine neue Arbeitskraft eine reguläre Performance erbringt, vergehen je nach Anforderungen unter Umständen Monate.
Die Ursachen von Krankenständen haben sich zunehmend in Richtung psychische und psychosomatische Erkrankungen verschoben. Depressionen, Burnout, Herzinfarkt, Magengeschwüre, selbst bei Krebs ist die Auswirkung von dauerhaftem Stress mittlerweile unumstritten. Dauerhafte Über- aber auch Unterforderung führt ebenso zu gesundheitsschädlichem Verhalten wie Rauchen oder übermäßiger Alkoholkonsum.
Einerseits liegt die Verantwortung natürlich bei jedem Individuum, selbst auf seine Gesundheit zu achten. Andererseits verbringen wir mehr Zeit in unserem Beruf als in unserem Privatleben, das Unternehmen ist ein wichtiger Lebensbereich. Fühle ich mich hier auf Dauer unwohl, bin völlig fehl am Platz oder überfordert, wird mich das irgendwann krank machen. Wann und wie hängt von der einzelnen Person ab.
Ein Unternehmen trägt auch eine gewisse Verantwortung für seine Mitarbeiter. Im Sinne des Unternehmens (Kosten–Nutzenseitig, als auch aus sozialer Verantwortung) ist es, alles von seiner Seite Mögliche zu tun, um den Mitarbeiter gesund zu erhalten, nicht nur physisch sondern auch psychisch.
Um die Möglichkeit zur Gesunderhaltung, die Chancen, Kosten und Nutzen handelt die vorliegende Arbeit.
Die Verfasserin möchte zum Einen die wirtschaftliche Notwendigkeit eines Umdenkens im betrieblichen Gesundheitsmanagement aufzeigen, zum Anderen, dass mit verhältnismäßig kleinen Maßnahmen bzw. durch ein Umdenken im Umgang innerhalb eines Unternehmens, es zu spürbaren Verbesserungen kommt. Die Tatsache, dass es trotz laufender Verbesserungen im Arbeitsalltag in den letzten Jahrzehnten immer mehr unzufriedene und überlastete Mitarbeiter gibt, soll zur Diskussion gestellt werden. Es wird aufgezeigt, dass psychosoziales Gesundheitsmanagement nicht gleich bedeutend ist mit wöchentlichen Obstkörben oder „Sitz gesund“-Kursen, sondern sich sehr viel mehr im alltäglichen Bereich bewegt, wie der richtigen Auswahl von Mitarbeitern, der individuellen Führung oder der Unternehmenskultur.
Mitarbeiter gesund zu erhalten ist gerade aus unternehmerischer Sicht essentiell. Es hat in diesem Sinne weniger mit einer sozialen Geste, als mit einem kalkulatorischen Vorteil zu tun. Untermauert werden diese Theorien durch statistische Fakten.
Das Zentrum der Arbeit bilden die Fragen, ob und wie individuelle Führung, richtige Wahl des Arbeitsumfeldes sowie optimale Auslastung einen maßgeblichen Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeiter haben und wie sich das in Kostenfaktoren niederschlägt.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich thematisch in zwei Teile. Den Beginn bildet ein Überblick über das Thema Betriebliches Gesundheitsmanagement als Teil des Human Ressource Managements, als auch medizinisches Grundlagenwissen, das zum Verständnis der Zusammenhänge von Nöten ist. Es wurde daher bewusst auf bestimmte Details näher eingegangen bzw. verzichtet, wenn es nicht für den Inhalt dieser Arbeit relevant ist. Im zweiten Teil liegt die Konzentration auf statistischen Werten und deren Interpretation sowie den sich daraus ergebenden Konsequenzen und Handlungsempfehlungen für die Praxis.
Im Sinne eines besseren Leseflusses wurde in nachfolgender Arbeit durchgehend die männliche Form verwendet.
Die Arbeitswelt der Industrienationen hat sich, besonders in den letzten Jahrzehnten nicht zuletzt durch enormen technologischen Fortschritt, völlig verändert.
Von der Konzentration auf die Agrarproduktion über die starke industrielle Ausrichtung besonders im 19. Jahrhundert (Fordismus, Taylorismus) bis hin zum Sozialstaat der Nachkriegszeit.[2]
Seit den 80er Jahren liegt die Konzentration sehr stark auf Kapitalorientiertheit. Hier kamen Schlagworte wie „shareholder value“ (nach Alfred Rappaport, „Creating shareholder value“, 1986)[3] auf. Der Soziologe Richard Sennett nennt es „Die Kultur des neuen Kapitalismus“.[4]
Nach der klassischen Einteilung der Wirtschaftssektoren in primären, sekundären und tertiären Sektor als Produktion, Güterverarbeitung und Dienstleistung, befinden wir uns eindeutig mehr und mehr in einer Dienstleistungsgesellschaft.[5]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Entwicklung der Zahl der ArbeitnehmerInnen nach Wirtschaftssektoren zwischen 1995 und 2008[6]
Dieser Strukturwandel bringt nicht nur andere Qualifikationsanforderungen an Mitarbeiter in jeder Ebene mit sich. Lernen, Wissen und Kooperation („Zwischenmenschlichkeit“) bekommen einen immer höheren Stellenwert.
Durch neue Beanspruchungen im Arbeitsumfeld, die immer mehr verschwimmenden Grenzen von Arbeit und Freizeit („always-on“) rücken auch andere Krankheitsbilder in den Fokus. Psychische Belastungen, Erkrankungen und deren Auswirkungen nehmen sukzessive zu.[7]
Die immer mehr vorrückende und tonangebende „Generation Y“ (Generation 1980-1995) schafft aus diesen Anforderungen aber auch Chancen: Studien belegen deutlich, dass die Möglichkeit den Arbeitsplatz und –ort frei zu wählen, Mitarbeiter kreativer, produktiver und effizienter arbeiten lässt.[8]
Im Gegensatz dazu erhöht wenig Autonomie gepaart mit hoher Verantwortung das Krankheitsrisiko[9], was aus salutogenetischer Sicht durchaus Sinn macht (comprehensability).
Diese Generation fordert auch ein Umdenken der Arbeitgeber: weg von Kontrolle und Arbeits(erfolgs)bemessung nach Zeit, hin zu mehr Vertrauen, sinnstiftender Arbeit und leistungsorientierter Bezahlung.[10] Dies bedeutet nicht nur neues Denken in der Führung, sondern auch im betrieblichen Gesundheitsmanagement. Eine andere Art der Arbeit, eine neue Generation an Mitarbeitern, eine völlig veränderte Umwelt erfordern ein Umdenken im Gesundheitsmanagement. Mitarbeiter können nicht mit den selben Methoden wie vor 30 Jahren gesund und leistungsbereit erhalten werden, wenn sich die Arbeitsanforderungen völlig verändert haben.
Ausgehend vom Wandel der Arbeitswelt, als auch vom definierten Gesundheitsbegriff seit der Verabschiedung der Ottawa Charta durch die WHO, haben sich die Aufgaben des ursprünglichen Arbeitsschutzes hin zu einem betrieblichen Gesundheitsmanagement stark verändert.
Durch die Charta wurde dazu aufgerufen u.a. gesundheitsförderliche Lebenswelten – Settings – zu schaffen. Dazu gehört maßgeblich auch der Arbeitsplatz.[11]
Statt dem vom Arbeitsschutz primär verfolgten Ziel der Vermeidung von Unfällen sowie Arbeitsschutzmaßnahmen in Hinblick auf Ausrüstung, Lärm, Arbeitszeiten u.ä. steht nun eine aktive Gesunderhaltung der Mitarbeiter im Vordergrund.[12]
Modernes Gesundheitsmanagement geht weit über die schlichte Einhaltung von Rechtsvorschriften hinaus. Es geht dabei darum, dem Mitarbeiter ein Arbeitsumfeld und ein Aufgabenfeld zu bieten, dass ihn in seiner Leistungsfähigkeit unterstützt und damit zur Gesunderhaltung psychisch und folglich physisch, beiträgt.[13]
„Obwohl beide Strategien Gesundheit intendieren, macht es für die Art der Zieldefinition und die Auswahl der Strategien einen Unterschied, ob der Fokus auf die Unterstützung von Potenzialen oder auf die Vermeidung von Schäden gerichtet ist.“[14]
Faller unterscheidet in diesem Beitrag auch zwischen betrieblicher Gesundheitsförderung und dem Gesundheitsmanagement. Sie bezieht sich hierbei auf Badura, der insofern unterscheidet, dass betriebliche Gesundheitsförderung häufig aus einzelnen, kurzfristigen Maßnahmen zur Verhaltensmodifikation besteht, dem gegenüber Gesundheitsmanagement eine Entwicklung von Prozessen und Strategien zur gesundheitsförderlichen Gestaltung von Arbeitsplatz, Organisation und Verhalten in der Arbeit zum Ziel hat.[15]
Aus Sicht der Unternehmer ist der Nutzen klar höhere Produktivität, zufriedenere Kunden, höhere Attraktivität als Arbeitgeber und damit einhergehend, ein besseres Image.[16]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Aufgabenfelder der betrieblichen Gesundheitspolitik[17]
Von zentraler Bedeutung ist der ökonomische (berechenbare) Nutzen für ein Unternehmen. Hier divergieren die Zahlen mitunter. Bödeker zitiert amerikanische Studien die zeigten, dass durch betriebliche Gesundheitsförderung sowohl Krankheitskosten als auch die krankheitsbedingten Fehlzeiten um durchschnittlich 26% reduziert werden können. Als Kosten – Nutzen Verhältnis von Krankheitskosten werden Faktoren von 1:2 bis 1:6, bei den Fehlzeiten zwischen 1:3 und 1:10 angegeben, was sich bei nur einem investierten Euro schon sehr postiv rechnet. Im selben Beitrag werden Kosten arbeitsbedingter Erkrankungen von 43,9 Milliarden Euro angeführt, wovon 33,4 Milliarden auf krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit entfallen und 10,5 Milliarden auf arbeitsbedingte Frühberentung.[18]
In Zeiten von schwer angeschlagenen Staatskassen quer durch Europa bedeutet dies ein massives Handlungsfeld.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Direkte und indirekte Kosten arbeitsbedingter Erkrankungen[19]
Wichtig ist hier auch wieder die Entwicklung der Krankheitsbilder der letzten Jahrzehnte zu berücksichtigen.
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Abbildung 4: Prozentualer Wandel der AU-Fälle nach Krankheitsarten in den Jahren 1997 bis 2007[20]
Es zeigt sich eine eindeutige Zunahme an psychischen Erkrankungen. Dabei sind psychosomatisch bedingte Erkrankungen noch nicht berücksichtigt.
Zu berücksichtigen ist auch, dass die Anzahl der Krankenstandstage bei psychischen Erkrankungen deutlich höher liegt als im Mittel aller Diagnosen.[21]
Demnach muss modernes Betriebliches Gesundheitsmanagement wesentlich weiter und tiefer gehen als reine Verhaltensmaßnahmen zur Gesundheitsförderung zu setzen.
Die Verfasserin orientiert sich hier an der Idee von Badura, dass systematisch betriebenes Gesundheitsmanagement einen wichtigen Beitrag leistet zur besseren Wettbewerbsfähigkeit und Verhinderung von Leistungsschwäche und Insolvenz eines Unternehmens.
Es soll Gesundheit fördern durch eine mitarbeiterorientierte Gestaltung von Kultur, Arbeitsklima und Führung, Prozess- und Koordinierungskosten senken durch höheres Vertrauen und bessere Kommunikation und nicht zuletzt Fehlzeiten und Fluktuation senken durch eine höhere Identifikation mit Arbeit und Organisation, was auch Fehlerraten reduziert und wiederum die Kundenzufriedenheit steigert.[22]
Zwei häufig verwendete Begriffe des BGM sind die Verhaltens- und Verhältnisorientierung, wobei erstere personenbezogene Interventionen beschreibt und zweitere bedingungsbezogene.[23]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Betriebliche Gesundheitsförderung: personenbezogene und bedingungsbezogene Interventionen [24]
Gerade in Bezug auf psychosoziales Gesundheitsmanagement haben bedingungsbezogene Maßnahmen einen wichtigen Stellenwert. Wie die Arbeit inhaltlich als auch organisatorisch gestaltet ist, hat eine massive Wirkung auf die Entstehung von Überbeanspruchung und Stress mit all seinen körperlichen Folgen.[25]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Wirkungsweise gesundheitlicher Gefährdung durch psychische Belastungen[26]
Verhaltensorientierte BGM Maßnahmen zielen darauf ab, zur Stärkung der individuellen Ressourcen beizutragen. Dies kann z.B. über Trainings zum verbesserten Umgang mit Stress passieren, Stärkung von sozialen Netzwerken etc.
Verhältnisorientierte Maßnahmen setzen in der Organisation selbst an, sind in dem Sinne also tiefgreifender und verändern somit die Rahmenbedingungen der Arbeit.[27]
Zusammenfassend kann man sagen, dass beide Maßnahmen zusammenspielen sollten, der Verhältnisorientierung aber der Vorrang gehört.
Das krankheitsbedingte Fernbleiben der Arbeit durch den Mitarbeiter – Absentismus – war lange Zeit ein beliebter Ansatzpunkt für Maßnahmen des BGM. Krankenstandstage sind leicht messbar. Sie sind jedoch relativ zu betrachten in ihrer Aussagekraft, wie „gesund“ und leistungsfähig eine Organisation tatsächlich ist.[28]
Wichtig ist es hier zu hinterfragen, welche Ursachen diese Fehlzeiten haben. Nach Oppolzer lassen sie sich in zwei Kategorien unterteilen: krankheitsbedingte und motivationsbedingte. Beides läuft Hand in Hand. Bei einer leichten gesundheitlichen Beeinträchtigung entscheidet die Einstellung zur Arbeit (Arbeitsmoral, Verantwortung) wesentlich mit, ob ein Mitarbeiter sich krank meldet oder doch zur Arbeit erscheint.[29]
Der sogenannte Präsentismus wird leicht vernachlässigt bzw. unterschätzt. Damit wird eine Produktivitätseinbuße durch eingeschränkte Arbeitsfähigkeit aufgrund psychischer und physischer Beeinträchtigungen definiert. Der Mitarbeiter ist körperlich anwesend, jedoch nur bei geringer bis zu keiner Arbeitsleistung.
Die finanziellen Einbußen, die dadurch verursacht werden, sind nicht zu unterschätzen. Laut einer amerikanischen Studie liegen die Produktivitätsverluste bei Präsentismus bei 84%, bei Absentismus bei 16%.[30]
Eine Studie der Firma Dow Chemical beziffert pro Beschäftigten 661$ an Kosten bedingt durch Fehlzeiten, 2.278$ durch medizinische Behandlungen und ganze 6.771$ durch eingeschränkte Arbeitsfähigkeit.[31]
Insgsamt werden die Kosten durch krankheitsbedingte Minderleistung in den USA auf ca. 150 Milliarden Dollar jährlich geschätzt.[32]
Präsentismus wird, gerade bei Arbeitsplatzunsicherheit, immer häufiger. Er wirkt sich jedoch nicht nur langläufig negativ auf die Gesundheit aus, sondern auch negativ auf Konzentration, Kreativität und Produktivität, dafür steigen Unfallgefahr und Fehlerhäufigkeit an.[33]
Nicht nur die Angst vor Jobverlust, auch ein missverstandenes Verantwortungs- und Pflichtgefühl der Firma/Arbeit gegenüber, das Gefühl nicht ausfallen zu „dürfen“ u.ä. tragen dazu bei, in jedem Zustand zur Arbeit zu gehen. Langläufig kann dies den Weg ins Burnout bedeuten, aber auch eine erhöhte Herzinfarktgefahr mit sich bringen.[34]
Motive, krank zur Arbeit zu gehen variieren geschlechtsspezifisch nur geringfügig. Abgeleitet von der folgenden Abbildung könnte man den Schluss ziehen, dass Frauen sich mehr verantwortlich fühlen, keine Arbeit liegen zu lassen, Männer dafür eher auch mit „kleinen“ Erkrankungen noch zur Arbeit erscheinen.[35]
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Abbildung 7: Gründe für Präsentismus[36]
Inwiefern hier auch der soziale Druck der vorherrschenden Leistungsgesellschaft eine Rolle spielt, sei dahingestellt. Präsentismus ist für ein umfassendes BGM ein wichtiger Ansatzpunkt.
1990 – 1999 wurde als das Jahrzehnt des Gehirns bezeichnet.[37] Neurobiologie, Gehirnscans und mehr oder weniger wissenschaftliche Belege der Gehirnforschung schmücken zahlreiche Artikel und bereichern den Inhalt unzähliger aktueller Bücher, von (Lebens)Ratgebern, Fachliteratur aus der Wirtschaft bis hin zum gehirngerechten Lernen [Eigenbeobachtung der Verfasserin der Masterarbeit im Zuge der Recherchen zu diesem Thema.].
Nicht weg zu diskutieren ist der derzeit enorme Fortschritt in dieser, eigentlich relativ jungen Wissenschaft und welche Möglichkeiten sich dadurch bieten, das Gehirn, die Psyche und somit den Menschen hinsichtlich seiner Handlungen und Motive besser zu verstehen.
Das menschliche Gehirn befindet sich mit und durch den Körper in einem wechselseitigen Austausch sowohl innerhalb des Organismus, etwa durch Hormon-, Immun- und Nervensystem, als auch über die Sinneswahrnehmungen und Interaktionen mit der Umwelt. Was langläufig als „Geist“ zusammengefasst wird, entspringt in seiner Gesamtheit aus der Wechselwirkung und dem Austausch dieser Systeme. Zum Teil wird die Umwelt erst durch die geistige Aktivität erschaffen.[38]
Um diese Zusammenhänge etwas genauer zu erläutern:
Beinahe jeder Muskel, jedes Gelenk, jedes innere Organ, jeder Körperteil kann über das periphere Nervensystem direkt oder über das Rückenmark Signale an das Gehirn schicken.[39]
Die Funktionsweise des Gehirns kann entweder direkt oder durch Aktivierung bestimmter Hirnregionen durch chemische Stoffe beeinflusst werden, die durch Körperaktivität erzeugt werden.[40]
Das Gehirn kann natürlich ebenso in entgegengesetzter Richtung, durch die Nerven, Einwirkung nehmen. Dies geschieht entweder über das autonome oder das willkürliche Nervensystem. Signale des autonomen Nervensystems entstehen in evolutionär älteren Regionen wie der Amygdala, dem Gyrus cinguli, dem Hypothalamus und dem Gehirnstamm. Signale des willkürlichen Nervensystems finden ihren Ursprung in motorischen Rindenfeldern und subkortikalen motorischen Kernen.[41]
Abgesehen davon wirkt das Gehirn über zahlreiche chemische Stoffe, die in den Blutkreislauf ausgeschüttet werden, wie Hormone, Transmitter und Modulatoren, auf den Körper ein.[42]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8: Limbisches System und Hypothalamus[43]
Über all diese Systeme werden unser Körper und unsere Psyche beeinflusst. Oder anders gesagt beeinflussen sich Körper und Psyche so stets wechselseitig. Somit trägt Grundlagenwissen in der Neurobiologie erheblich zu einem besseren und genaueren Verständnis von Krankheit und Gesundheit bei.
Es werden im Folgenden einige wichtige Botenstoffe und Gehirnregionen, sowie deren Einfluss auf Körper und Psyche kurz beschrieben.
Oxytocin gilt als Vertrauens- und Einfühlungshormon.[44] Es beeinflusst eine große Bandbreite von Putz-, Fortbewegungs-, Fortpflanzungs- und mütterlichen Verhaltensweisen. Wichtiger jedoch: es bahnt soziale Interaktionen und fördert Bindungen.[45] „Oxytocin erzeugt das Gefühl einer angenehmen Entspannung (...)“.[46]
Man kann seine Wirkung durchaus mit der von Heroin vergleichen.[47]
Es gibt viele Hinweise darauf, dass es einen enormen Beitrag dazu liefert, dass Menschen soziale Kontakte brauchen und sich jede positiv erlebte Form von zwischenmenschlicher Beziehung stark auf die Gesundheit des Einzelnen auswirkt. Durch seine entspannende Wirkung ist es ein wichtiger Protagonist in der Prävention der negativen Auswirkungen von Stress, Druck und Angst. Es sorgt für körperliche und psychische Entspannung, beruhigt das biologische Stresssystem, senkt dabei den Blutdruck und dämpft die Angstzentren im Gehirn.[48]
Dopamin gilt unter anderem als „Glückshormon“. Es wird über das Motivationszentrum des Gehirns ausgeschüttet und entfaltet eine Wirkung, die der einer Dopingdroge gleicht. Es steigert Konzentration sowie die Handlungsbereitschaft, psychisch als auch physisch durch Beeinflussung der motorischen Handlungsfähigkeit.[49]
Dopamin und Oxytocin treten oft in Kooperation auf, speziell dann, wenn Motivation an soziale Interaktionen geknüpft ist.[50]
Die Bezeichnung der endogenen Opioide (Endorphine) definiert drei Substanzgruppen mit ähnlicher Wirkung: Endorphine, Enkephaline und Dynorphine.[51]
Je nach Ausgangspunkt der Ausschüttung wird Dopamin von Botenstoffen begleitet, sogenannten endogenen Opioiden, deren Wirkung der von Opium oder Heroin entspricht, allerdings ohne einschläfernden oder betäubenden Effekt. Sie wirken auf das Emotionszentrum im Gehirn, haben eine positive psychische Wirkung auf emotionale Gestimmtheit, Selbstwahrnehmung, Lebensfreude und eine ebenso stärkende physische Wirkung auf das Immunsystem und besonders die Schmerztoleranz.[52]
Die Auswirkung von Adrenalin ist fast jedem Menschen (bewusst) bekannt. In Stresssituationen (positiv wie negativ) stellt es den Körper auf den Flucht- oder Kampfmodus ein. Dazu gehören erhöhtes Schwitzen, Blutgefäße in Haut, Muskeln und Gehirn sowie im viszeralen System verengen sich, Blutzucker und Blutdruck als auch Herzrate erhöhen sich.[53]
Cortisol (Glucocortico(ster)oide) haben eine vielfältige Wirkung. Im Kohlenhydrat– und Aminosäurestoffwechsel erhöht Cortisol die Glucosekonzentration im Blut. Im Herz-Kreislaufsystem führt es zu einer Verstärkung der Herzkraft und Gefäßverengung, außerdem führt es zu einer vermehrten Adrenalinbildung im Nebennierenmark. Glucocorticoide wirken auch antientzündlich und antiallergisch. Die normale Cortisol-Konzentration unterliegt einem Tag-Nacht Rhythmus. Vermehrt wird es unter körperlicher oder psychischer Belastung ausgeschüttet, was sich auch in der Wirkung zeigt (erhöhte Herzleistung, mobilisierter Energiestoffwechsel, etc.).[54] Seine Ausschüttung wird durch das CRH (Corticotropin-Releasing-Hormone) im Hypothalamus in Gang gesetzt. Es verbessert u.a. die Bereitstellung von Glucose.[55] Einen wichtigen Einfluss hat es auch auf das Immunsystem und wirkt ebenso auf zahlreiche Gene, die es aktivieren oder deaktivieren kann.[56]
Das limbische System ist maßgeblich an motiviertem Verhalten, emotionalen Zuständen und Gedächtnisprozessen beteiligt. Davon abgesehen regelt es Körpertemperatur, Blutdruck, Blutzuckerspiegel sowie andere Aspekte des Körperhaushalts. Es besteht aus dem Hippocampus, dem Hypothalamus und der Amygdala.[57]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 9: Anatomie limbisches System[58]
Der Hypothalamus koordiniert in seiner Hauptfunktion alle vegetativen (nicht bewusst kontrollierbaren Körperfunktionen wie Puls, Blutdruck, Muskeltonus, etc.) und die meisten endokrinen (hormonellen) Prozesse.[59] Abgesehen davon integriert er „die Regelung des inneren Milieus, des Schlaf-Wach-Rhythmus, körperlicher und geistiger Entwicklung und Fortpflanzung“.[60]
Die Amygdala dient der emotionalen Kontrolle als auch der Formung von emotionalen Gedächtnisinhalten.[61] Im Besonderen ist sie an Angstverhalten, vor allem wenn es sich um erlerntes Verhalten handelt, beteiligt.[62] Ebenso spielt sie eine Rolle bei Aggressionen, besonders im sozialen Bereich.[63]
Nach moderner Definition zählt auch der Gyrus cinguli zum limbischen System. Er verarbeitet Schmerzen und reguliert Affekte, beeinflusst Aufmerksamkeit und Konzentration.[64] Auch finden sich in diesem Bereich Spiegelneurone [Spezielle Nervenzellen, die für Empathie und das Nachempfinden von z.B. Schmerz zuständig sind. Sie werden im Verlauf der Arbeit noch näher erklärt. ], die Menschen Schmerzen, die einem anderen zugefügt werden, nachempfinden lassen.[65]
Dies stellt natürlich nur einen sehr groben Überblick eines hoch komplexen Systems dar. Zusammenfassend sieht man allerdings deutlich, dass der Mensch über enorme Ressourcen in der positiven (gesundheitlichen) Stimulation besitzt, die intern über das Gehirn und von außen über die Umwelt, genauer gesagt Beziehungen, Stress, Motivation etc. beeinflusst werden. In weiterer Folge wird sich zeigen, wie sich dieses Wissen im Gesundheitsmanagement nutzen lässt.
Spiegelneurone wurden während eines Experiments mit Affen durch Giacomo Rizolatti, Professor für Physiologie an der Universität Parma, und seinen Mitarbeitern im Jahr 1996 entdeckt. Sie fanden heraus, dass die reine Beobachtung von Handlungen im Gehirn dieselbe Aktivität hervorruft wie bei der tatsächlichen Ausführung der Handlung. Nicht nur das Beobachten, auch ein Geräusch, das für eine Handlung typisch ist, lässt dieselben neuronalen Verschaltungen aktiv werden.[66]
Dies betrifft ebenso Emotionen. Nehmen wir z.B. Ekel oder Schmerz wahr, aktiviert dies im Gehirn dieselben Areale wie bei einem tatsächlichen, eigenen Empfinden.[67]
Diese Entdeckung hat eine enorme Auswirkung auf das Verständnis von Empathie und Mitgefühl. Spiegelneurone agieren im Prinzip wie ein Flugsimulator. Menschen sind dadurch im Stande ihr Gegenüber intuitiv zu verstehen und nachzuempfinden und zwar buchstäblich. Denn das Gehirn unterscheidet nicht, ob man selbst der Handelnde ist oder nur der Beobachter. Dies geschieht simultan, unwillkürlich ohne jede kognitive Beteiligung.[68]
„Spiegelneurone können beobachtete Teile einer Szene zu einer wahrscheinlich zu erwartenden Gesamtsequenz ergänzen.“[69]
Das heißt, Menschen sind nicht nur in der Lage, den anderen intuitiv zu verstehen, sie können den wahrscheinlichen Ausgang einer Handlung vorhersagen, allerdings nur im Rahmen ihrer eigenen Erfahrungen und Vorstellungen.[70]
Das System selbst ist natürlich nicht unfehlbar. Es kann bewusst getäuscht werden und auch aufgrund wiederkehrender schlechter Erfahrungen Vorhersagen beeinträchtigen, was aber auch beim rationalen Denken der Fall ist. Wichtig ist eine sinnvolle Ausgewogenheit beider „Systeme“.[71]
Stress, Druck und Angst setzen die Aktivität von Spiegelneuronen stark herab. Das gesamte Vermögen, sich in einen anderen einzufühlen, die Intuition sowie das Handlungsvermögen werden stark eingeschränkt. Dies betrifft natürlich auch alle zwischenmenschlichen Konflikte im Arbeitsumfeld. Unter Druck und Stress sind keine konstruktiven Lösungen mehr möglich. Da Spiegelneurone auch eine wichtige Rolle beim Lernen spielen sinkt auch diese Fähigkeit mit Zunahme der vorher angeführten Faktoren.[72]
Aus Sicht der Neurobiologie ist der Mensch für Kooperation und soziale Resonanz konstruiert.[73] „Kern aller menschlichen Motivation ist es, zwischenmenschliche Anerkennung, Wertschätzung, Zuwendung oder Zuneigung zu finden und zu geben.“[74]
Auf den Zusammenhang von Motivations- und Belohnungssystem und dem damit verbundenen Antrieb kam man aufgrund der Forschung zu Suchterkrankungen. Menschen mit Suchterkrankungen scheuen beinahe keine Mühen um an die nächste Dosis ihres Suchtmittels zu kommen, was auf einen enormen Antrieb schließen lässt.[75]
Die Zentrale des Motivationssystems löst bei Aktivierung vereinfacht gesprochen, die Freisetzung von drei Stoffen aus: Dopamin, endogene Opioide und Oxytocin.[76] Die Wirkung dieser Stoffe wurde vorher näher beschrieben.
Aufgrund von Studien z.B. von Thomas Insel weiß man mittlerweile, dass nichts dieses Motivationssystem so sehr aktiviert wie der Wunsch, von anderen wahrgenommen zu werden, als auch die Aussicht auf das Erleben von positiver Zuwendung.[77] Der Umkehrschluss, der ebenso bereits durch Forschungen belegt ist: Wird einem Individuum soziale Isolation aufgezwungen, bringt das das gesamte Motivationssystem zum Erliegen. Das geht bis hin zur Abschaltung bestimmter Gene.[78]
Im Grunde kann man sagen, dass jedes von Menschen verfolgte Ziel, sei es beruflich, finanziell, mittels Ausbildung oder Anschaffungen ausgeprägt, der Motivation nach dem Erhalt bzw Erwerb von zwischenmenschlichen Beziehungen folgt. Dieses Bemühen als Person wahrgenommen zu werden, steht mitunter sogar über dem Selbsterhaltungstrieb.[79]
Auch hier spielen Spiegelneurone eine wichtige Rolle. Soziale Ausgrenzung, das Fehlen von Resonanz und Spiegelung führt zu messbaren und mitunter bleibenden biologischen Veränderungen der Stresshormone sowie zu einer Hochregulierung der mit Stress assoziierten Gene.[80]
Auf die Konsequenzen für den beruflichen Alltag wird in weiterer Folge näher eingegangen, man kann sich jedoch bereits ein sehr gutes Bild machen, was dies im Arbeitsalltag zur Gesundheitsvorsorge und Mitarbeitermotivation bedeutet.
Der Begriff „Lernen“ ist für die meisten Menschen recht negativ besetzt. Hat er doch etwas mit Schule, Noten und Prüfungen zu tun. Dabei ist der Mensch beinahe für nichts besser geschaffen, als zu lernen. Nur passiert dies nicht immer in dem Kontext, in dem der Begriff besetzt ist.[81]
Der Mensch ist dank seines Gehirns extrem flexibel. Er kann sich auf verschiedenste Umgebungen, Aufgaben und Probleme einstellen – er ist spezialisiert darauf, zu lernen.[82]
Lange Zeit ging man davon aus, dass das Gehirn ab dem Zeitpunkt des Erwachsenenalters im Großen und Ganzen sich nicht weiter verändert. Was man bis dahin gelernt hat, ist vorhanden, der Rest bildet nur noch einen Aufputz. Nach dem Motto: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr.
Das Gehirn ist jedoch nicht statisch sondern von plastischer Natur, man spricht in diesem Zusammenhang von Neuroplastizität.[83]
Lernen besteht „(..)neurobiologisch betrachtet in der Veränderung der Stärke der synaptischen Verbindungen zwischen Nervenzellen.“[84] Das bedeutet, dass das Gehirn ein Leben lang veränderbar ist, Lernen also ein lebenslanger Prozess ist.
Wichtig ist auch die Unterscheidung von kognitivem Lernen und sozialem Lernen. Wie vorher beschrieben, ist der Mensch ein Lebewesen, das auf Kooperation angewiesen ist. Aber auch den Umgang bzw. die Gesetzmäßigkeiten einer Gemeinschaft müssen erlernt werden, vergleichbar mit der Grammatik einer Sprache. Durch Erfahrung und Rückmeldung innerhalb einer sozialen Gruppe lernt man, wie man sich wann zu verhalten hat.[85]
Auch hier greifen sowohl Spiegelneurone als auch das Motivationssystem. Erstere um dem Menschen Rückmeldung zu geben und auf die anderen einzugehen, zweitere um überhaupt die Bereitschaft, den Antrieb zu schaffen, mit anderen zu kooperieren.[86]
Emotionen haben einen großen Einfluss auf das Lernen.[87] Stress und Druck minimieren die Fähigkeit, erlernte Inhalte zu behalten und vor allem diese situationsbezogen anzuwenden. In Angstsituationen aktiviert sich die Amygdala und das Gehirn schaltet weg von kreativen Lösungen hin zu bekannten Routinen.[88]
Von einem Mitarbeiter, der Angst hat und dauerhaftem, für ihn nicht bewältigbarem Stress ausgesetzt ist (auf die unterschiedlichen Qualitäten von Stress wird später noch eingegangen), kreative und konstruktive Lösungen und Ideen zu fordern, ist schon aufgrund dessen nicht nur unsinnig, es ist schlicht biologisch nicht möglich. Die Herausforderung besteht darin, Mitarbeiter in dieser Form der Belastbarkeit zu selektieren. Wie sich am salutogenetischem Modell, das in Folge erklärt wird, zeigt, ist Stress eine sehr individuelle Wahrnehmung.
Die offizielle Definition der WHO (World Health Organisation) von 1948 lautet:
„Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity“.[89]
Ausformuliert: „Gesundheit ist ein Zustand völligen psychischen, physischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen. Sich des bestmöglichen Gesundheitszustandes zu erfreuen, ist ein Grundrecht jedes Menschen, ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der politischen Überzeugung, der wirtschaftlichen oder sozialen Stellung."[90]
Durch diese Definition wurde der Blickwinkel von einem Zustand, krank oder gesund, hin zu einem laufenden, dynamischen Prozess der Gesunderhaltung verschoben.
Die erste internationale Konferenz zur Gesundheitsförderung verabschiedete am 21.11.1986 die „Ottawa Charta“. Die Konferenz selbst galt als Antwort auf die wachsenden Erwartungen und Anforderungen an die öffentliche Gesundheitsbewegung, besonders im Hinblick auf die Interessen der Industrieländer.[91]
Die Charta selbst hat auch einen sehr hohen moralischen Charakter. Es wird besonders dazu aufgerufen, sowohl politisch als auch sozial Möglichkeiten und Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Menschen ermöglicht, gesund zu bleiben.[92]
[...]
[1] Vgl. (Die Presse, 2014).
[2] Vgl. (Bauer, Arbeit , 2013), S. 113ff.
[3] Vgl. (finanzen.net GmbH, 2011).
[4] (Bauer, Arbeit , 2013), S. 124.
[5] Vgl. (Badura, Walter, & Hehlmann, 2010), S. 16.
[6] Quelle: (Biffl, Faustmann, Gabriel, Leoni, Mayrhuber, & Rückert, 2012), S. 5.
[7] Vgl. (Badura, Walter, & Hehlmann, 2010), S. 16.
[8] Vgl. (Bund, 2014).
[9] Vgl. (Bund, 2014).
[10] Vgl. (Bund, 2014).
[11] Vgl. Karl Kuhn in (Faller, 2012), S. 27f.
[12] Vgl. (Badura, Walter, & Hehlmann, 2010), S. 3.
[13] Vgl. (Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, 2010).
[14] Faller in (Faller, 2012), S. 22.
[15] Vgl. Badura nach Faller (Faller, 2012), S 20.
[16] Vgl. (Badura, Walter, & Hehlmann, 2010), S. 2.
[17] Quelle: (Badura, Walter, & Hehlmann, Betriebliche Gesundheitspolitik - Der Weg zurgesunden Organisation, 2010), S. 2.
[18] Vgl. Bödeker in (Faller, 2012), S. 180.
[19] Quelle: (Badura, Walter, & Hehlmann, Betriebliche Gesundheitspolitik - Der Weg zurgesunden Organisation, 2010), S. 15.
[20] Quelle: (Badura, Walter, & Hehlmann, Betriebliche Gesundheitspolitik - Der Weg zurgesunden Organisation, 2010), S. 12.
[21] Vgl. Badura & Hehlmann zitiert in (Ulich & Wülser, 2012), S. 8.
[22] Vgl. (Badura, Walter, & Hehlmann, 2010), S. 6.
[23] Vgl. (Ulich & Wülser, 2012), S. 16.
[24] Quelle: (Ulich & Wülser, 2012), S. 16.
[25] Vgl. (Oppolzer, 2010), S. 106.
[26] Quelle: (Oppolzer, 2010), S. 106.
[27] Vgl. (Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen, 2012).
[28] Vgl. (Badura, Walter, & Hehlmann, 2010), S.4.
[29] Vgl. (Oppolzer, 2010), S. 195. als auch (Ulich & Wülser, 2012), S.144f.
[30] Vgl. (Oppolzer, 2010), S190f.
[31] Vgl. (Badura, Walter, & Hehlmann, 2010), S. 4.
[32] Vgl. (Oppolzer, 2010), S. 190.
[33] Vgl. (Ulich & Wülser, 2012), S. 146f.
[34] Vgl. (Ulich & Wülser, 2012), S. 147ff.
[35] Vgl. K.Zok in (Badura, Schröder, & Vetter, Fehlzeiten-Report 2007, 2008), S. 135.
[36] Quelle: (Badura, Schröder, & Vetter, Fehlzeiten-Report 2007, 2008), S. 135.
[37] Vgl. (Library of congress, 2000).
[38] Vgl. (Damasio, 2012), S. 18.
[39] Vgl. (Damasio, 2012), S. 129.
[40] Vgl. (Damasio, 2012), S. 129.
[41] Vgl. (Damasio, 2012), S.129.
[42] Vgl. (Damasio, 2012), S.129.
[43] Quelle: (Silbernagl & Despopoulos, 2001), S. 331.
[44] Vgl. (Bauer, Arbeit , 2013), S.28.
[45] Vgl. (Damasio, 2012), S. 172.
[46] (Goleman, Soziale Intelligenz 2008), S. 246.
[47] Vgl. (Goleman, Soziale Intelligenz 2008), S. 246.
[48] Vgl. (Bauer, Prinzip Menschlichkeit 2008), S. 52.
[49] Vgl. (Bauer, Prinzip Menschlichkeit, 2008), S.31 als auch (Bauer, Arbeit, 2013), S. 28.
[50] Vgl. (Bauer, Prinzip Menschlichkeit, 2008), S. 48f.
[51] Vgl. (Bauer, Prinzip Menschlichkeit, 2008), S. 32.
[52] Vgl. (Bauer, Prinzip Menschlichkeit, 2008), S. 32 als auch (Bauer, Arbeit , 2013), S. 28.
[53] Vgl. (Gerrig & Zimbardo, 2008), S. 469f.
[54] Vgl. (Silbernagl & Despopoulos, 2001), S. 296.
[55] Vgl. (Bauer, Arbeit , 2013), S.229.
[56] Vgl. (Bauer, Das Gedächtnis des Körpers, 2002), S.38.
[57] Vgl. (Gerrig & Zimbardo, 2008), S.92.
[58] Quelle: (Bear, Connors, & Paradiso, 2008), S. 134.
[59] Vgl. (Silbernagl & Despopoulos, 2001), S. 330.
[60] (Silbernagl & Despopoulos, 2001), S. 330.
[61] Vgl. (Gerrig & Zimbardo, 2008), S. 93.
[62] Vgl. (Bear, Connors, & Paradiso, 2008), S.644f.
[63] Vgl. (Bear, Connors, & Paradiso, 2008), S. 646ff.
[64] Vgl. (Osterath, 2011).
[65] (Bauer, Warum ich fühle, was du fühlst, 2005), S. 46ff.
[66] Vgl. (Bauer, Warum ich fühle, was du fühlst, 2005), S. 21ff.
[67] Vgl. (Rizzolatti & Sinigaglia, 2008), S. 15.
[68] Vgl. (Rizzolatti & Sinigaglia, 2008), S. 26ff.
[69] (Bauer, Prinzip Menschlichkeit, 2008), S. 31.
[70] Vgl. (Bauer, Prinzip Menschlichkeit, 2008), S. 31f.
[71] Vgl. (Bauer, Warum ich fühle, was du fühlst, 2005), S. 33f.
[72] Vgl. (Bauer, Warum ich fühle, was du fühlst, 2005), S. 34f.
[73] Vgl. (Bauer, Prinzip Menschlichkeit, 2008), S. 23.
[74] (Bauer, Prinzip Menschlichkeit, 2008), S.23.
[75] Vgl. (Bauer, Prinzip Menschlichkeit, 2008), S. 26ff.
[76] Vgl. (Bauer, Prinzip Menschlichkeit, 2008), S. 30ff.
[77] Vgl. (Bauer, Prinzip Menschlichkeit, 2008), S. 35ff.
[78] Vgl. (Bauer, Prinzip Menschlichkeit, 2008), S. 38.
[79] Vgl. (Bauer, Prinzip Menschlichkeit, 2008), S. 39.
[80] Vgl. (Bauer, Warum ich fühle, was du fühlst, 2005), S. 105ff.
[81] Vgl. (Spitzer, 2009), S. 10ff.
[82] Vgl. (Spitzer, 2009), S. 14.
[83] Vgl. (Spitzer, 2009), S. 94.
[84] (Spitzer, 2009), S.94.
[85] Vgl. (Spitzer, 2009), S. 291ff.
[86] Fazit der Verfasserin der Arbeit.
[87] Vgl. (Spitzer, 2009), S. 157ff.
[88] Vgl. (Spitzer, 2009), S. 161ff.
[89] (World Health Organisation, 1946).
[90] (Bundesministerium für Gesundheit, 2010).
[91] Vgl. (World Health Organisation, 1986), S. 1.
[92] Vgl. (World Health Organisation, 1986), S. 1.