Bachelorarbeit, 2014
45 Seiten, Note: 1,7
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Methodik und Aufbau
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Das Bürokratisierungsmodell in Deutschland
2.1.1 Bürger und Staat im bürokratischen Modell
2.1.2 Bürokratieabbau als Prozess der Verwaltungs- und Staatsmodernisierung
3. Politische Zielsetzung und Rahmenbedingungen
3.1 Definition, Bedeutung und Verortung im gesamtheitlichen Kontext
3.2 Der heutige Stand von E-Government in Deutschland
3.2.1 Politische Zielsetzung, umgesetzte Programme und Initiativen
3.2.2 Deutschland im europäischen Vergleich
3.3 Determinanten der Rahmenbedingungen
3.3.1 Rechtliche Grundlagen
3.3.2 Technische Grundlagen
3.3.3 Erwartungshaltungen der deutschen Bürger
4. Probleme und Hindernisse
4.1 Management und Finanzierung
4.2 Mangelnde Standardisierungen
4.2.1 Defizitäre Interoperabilität
4.2.2 Das föderale System als Beispiel für einen erschwerten Verwaltungsstrukturwandel
4.3 Das Problem erschwerter Kommunikation zwischen Bürger und Verwaltung
4.3.1 Datenschutz und Privatsphäre
4.3.2 Weitere Faktoren
5. Lösungsansätze einer E-Government-Strategie
6. Fazit und Ausblick
Literatur- und Quellenverzeichnis:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das heutige Zeitalter ist geprägt durch den Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnik (IKT). Der Wandel von der herkömmlichen Industriegesellschaft zu einer Informationsgesellschaft brachte nicht nur eine Veränderung in die zunehmend dynamische Umwelt mit sich, vielmehr führte er auch zu weitreichenden Konsequenzen für Staat und Verwaltung.
Die fortschreitende Entwicklung der Computer- und Internettechnologie hat bis jetzt technischen Fortschritt mit sich gebracht, der vor einigen Jahren noch nahezu undenkbar gewesen wäre. Auch die öffentliche Verwaltung bleibt davon nicht ausgenommen. Im Zuge einer Reformierung und Modernisierung der Verwaltung kann sich der Staat der modernen Internettechnologie bedienen und verfügt somit über zahlreiche Möglichkeiten eines Ausbaus des öffentlichen Sektors.
Ein Schlagwort im Zuge von Verwaltungsmodernisierung ist das sogenannte Electronic Government (kurz: E-Government). Wörtlich übersetzt als „elektronische Regierung“ oder „Verwaltung“ ist der Begriff seit mittlerweile knapp zwei Jahrzehnten ein Gegenstand bei Reformbemühungen des öffentlichen Sektors und setzt sich zum Ziel, die Leistungsfähigkeit von Staat und Verwaltung zu stärken. Das Potential erweist sich als vielfältig: Neben einer Steigerung der Effizienz und einer Rationalisierung von Verwaltungstätigkeiten, soll weiterhin die Dienstleistungsqualität gegenüber der Bevölkerung verbessert werden sowie eine Verbesserung der Transparenz öffentlichen Handelns generiert werden. Die Regierung widmet sich vermehrt einer flächendeckenden Durchsetzung von E-Government. Zahlreiche entwickelte Initiativen und Programme sind der Beweis dafür, welchen Stellenwert das Instrument der Verwaltungsmodernisierung mittlerweile erreicht hat.
Nicht nur in Deutschland, sondern auch auf internationaler Ebene erlangt E-Government einen hohen Stellenwert. Die Politik sieht in diesem Werkzeug ein Hilfsmittel zur Leistungssteigerung der öffentlichen Stellen.
Aktuelle Studien zeigen, dass Deutschland bei der Nutzung der breiten Palette an E-Government-Angeboten nicht nur hinter den Erwartungen zurückbleibt, vielmehr sind die Nutzerzahlen seit 2012 gesunken.[1] Auch im Vergleich mit anderen, europäischen Ländern rangiert Deutschland lediglich im Mittelfeld.[2]
Bislang sind eine Vielzahl an Anstrengungen zur Verbesserung der Leistung im öffentlichen Sektor unternommen worden, jedoch sind die bei den umgesetzten Aktionsprogrammen gesetzten Ziele und Erfolge oft ausgeblieben. Defizite und Mängel werden erst im Nachhinein erkennbar. Bei den Versuchen E-Government als primäres Instrument der Verwaltungsmodernisierung einzubringen, tauchen auf allen Ebenen Probleme auf. Diese teilen sich in Staat, Wirtschaft, Verwaltung und Bürger[3] auf. Einerseits hat die Regierung mit einer erfolgreichen Planung, Finanzierung und Umsetzung zu kämpfen, andererseits bestehen weitreichende Diskrepanzen in der Kommunikation zwischen Bürger und Verwaltung.
Aufgrund der hohen politischen Aufmerksamkeit ist auch eine entsprechende Auseinandersetzung mit dem Thema E-Government in der Wissenschaft vorhanden. Es handelt sich zwar um eine relativ neue Thematik in der Netz- und Verwaltungspolitik, dennoch ist ein großes Interesse seitens der Verwaltungswissenschaft vorhanden. Zahlreiche Forschungseinrichtungen haben sich dem Zweig der Verwaltungsmodernisierung gewidmet und Fallstudien und Rankings herausgegeben. In diesem Zusammenhang werden in Fachliteratur und –aufsätzen sowie auf Fachtagungen oft die Verwaltungswissenschaftler Klaus Lenk und Jörn von Lucke genannt. Beide haben sich in ihren Ausführungen zu E-Government auf diesem Teilgebiet der Forschung einen Namen gemacht und widmen sich in ihren Bestrebungen einer zukunftsfähigen öffentlichen Verwaltung. Dementsprechend wird sich in der folgenden Arbeit auch des Öfteren auf sie bezogen.
Die meisten Publikationen zum Thema E-Government beinhalten das weitreichende Potential und die bisher erlangten Erfolge, jedoch gehen nur die wenigstens auf Grenzen und Problematiken ein. Folglich soll diese Arbeit die Hindernisse bei der Umsetzung von E-Government zum Inhalt haben. Es stellen sich die Fragen, warum E-Government in Deutschland hinter den Erwartungen zurückbleibt und welche Aspekte eine volle Ausschöpfung verhindern. Gerade vor dem aktuellen Hintergrund eines Rückgangs der Nutzung von E-Government-Angeboten ist es wichtig zu erfahren, in welchen Bereichen der Verwaltungsmodernisierung die Reformprozesse abgenommen haben. Des Weiteren sollen auf Basis der herausgearbeiteten Punkte, Lösungsansätze vorgestellt und analysiert werden. Als Untersuchungsgegenstand bietet sich Deutschland an, da hier besondere Widrigkeiten und Rahmenbedingungen vorherrschen, die nicht mit anderen europäischen Ländern vergleichbar sind. Diese besonderen Rahmenbedingungen gilt es auszumachen und weitergehend zu analysieren.
Die Arbeit bedient sich einem analytisch-deskriptiven Forschungsansatz. Anhand einer Auswahl bestehender Literatur aus relevanten Monographien, Fachaufsätzen und aktuellen Studien werden die zu untersuchenden Aspekte gefiltert und näher durchleuchtet.
Um die Forschungsfragen hinreichend beantworten zu können, bedarf es zunächst einer Analyse bestehender, theoretischer Grundlagen. Folglich wird zu Beginn des Hauptteils dieser Arbeit das Bürokratisierungsmodell in Deutschland vorgestellt. Inhaltlich beschäftigt sich das Kapitel mit dem Begriff der modernen Bürokratie, welcher durch den Soziologen Max Weber geprägt wurde, um im Anschluss die Akteure Bürger und Staat im bürokratischen Modell zu verorten. Zusätzlich soll der Begriff der Verwaltungsmodernisierung näher erläutert werden, da sich E-Government als ein Prozess bestehender Staats- und Verwaltungsmodernisierung sieht.
Der zweite Teil der Arbeit setzt sich mit E-Government als solchem auseinander. Dazu werden Definitionen und die Verortung des Begriffes eingehend betrachtet, um sich im gesamten Kontext der Thematik besser zurechtzufinden. Damit E-Government erfolgreich umgesetzt werden kann, bedarf es der Beachtung seines Umfeldes. Dieses teilt sich in rechtliche und technische Rahmenbedingungen sowie die Erwartungshaltung der deutschen Bevölkerung auf. Erst eine Einhaltung der Bedingungen ermöglicht die Ausübung von E-Government und stellt somit die Basis und den Grundstein für Maßnahmen im Prozess der Verwaltungsmodernisierung dar.
Der darauffolgende Teil widmet sich explizit den Problemen und Hindernissen, welche Teil der Forschungsfrage sind. An dieser Stelle werden die selbst gewählten Determinanten eingehend analysiert und bewertet. Diese setzen sich aus Problemen in Management und Politik und fehlenden Standardisierungsmaßnahmen zusammen. Dem Problem erschwerter Kommunikation zwischen Bürger und Verwaltung wird ein eigenes Kapitel zuteil, da sich dieser Aspekt als eine zumeist unterschätzte Determinante bei den Herausforderungen des E-Government erweist. Besonders aufgrund aktueller Vorkommnisse im Datenschutzskandal ist der Unterpunkt der Privatsphäre separat aufgeführt. Dieser stellt sich als ein entscheidender Faktor bei der nachlassenden Nutzung von E-Government-Angeboten heraus.
Anhand der herausgearbeiteten Ergebnisse werden im letzten Teil Lösungsansätze vorgestellt und kritisch hinterfragt, um im abschließenden Fazit die Arbeit zusammenzufassen und einen kurzen Ausblick auf die Zukunft von E-Government zu geben.
Um E-Government im Gesamtkonstrukt besser verorten zu können, ist es zunächst unablässig, die theoretischen Grundgedanken zu diesem Thema darzulegen. Dementsprechend wird im Folgenden das deutsche Bürokratisierungsmodell und der damit einhergehende Verwaltungsprozess vorgestellt. E-Government kann zweifelsohne als ein wichtiger Baustein der Staatsmodernisierung und des Bürokratieabbaus angesehen werden.
Ebenso relevant ist eine Durchleuchtung der Beziehungen zwischen den „Institutionen“ Bürger, Staat und Bürokratie. Diese Begriffe und deren Verhältnis zueinander stellen die Basis für den Leitgedanken einer funktionellen Implementierung von E-Government dar.
Der Begriff der Bürokratie ist im politischen System von Demokratien allgegenwärtig. Im Allgemeinen wird die Beschreibung der Verwaltung als solche definiert. Max Weber stellte dazu eine eigene Theorie dar, in der er sie als ein unverzichtbares Element und als eine notwendige Entwicklung des modernen Staates sieht.[4] Die Bürokratie ist somit der Idealtypus einer legalen und vor allem rationalen Herrschaft und besticht unter anderem durch folgende, wesentliche Merkmale:[5]
Die Verwaltung erfüllt die Exekutivfunktionen des Staates und ist somit eine eigenständige Organisation.
Die Verwaltung ist ein öffentlicher Dienst und deren Mittel liegen nicht in Händen von Privatpersonen, sondern obliegen dem Staat.
Die Ausübung eines Amtes wird als Beruf ausgeübt und erfolgt nach Regeln und Gesetzen, welche von übergeordneten Instanzen gesetzt und zur rechtmäßigen Einhaltung überwacht werden.
Bürokratie bedeutet Formalisierung und Schriftlichkeit.
Daraus wird ersichtlich, dass die Bürokratisierung eine wesentliche Bedingung für die Modernisierung des Staates und einer Entwicklung zum demokratischen Wohlfahrtsstaat war. Die vormodernen Verwaltungsstäbe, in denen beispielsweise die Verwaltung ausschließlich der Verfügungsgewalt des Herrschers oblag, mussten einem fortschrittlicheren Modell weichen.
Die moderne bürokratische Verwaltung generiert Vorteile für Staat und zugleich für das Verhältnis zwischen ihm und dem Bürger. Der Staat profitiert einerseits durch die zustande gekommene Effektivitäts- und Effizienzsteigerung, andererseits ermöglicht sie die „Lenkung großtechnischer Systeme der Infrastruktur.“[6] An dieser Stelle greift auch der Bürger in das Geschehen ein. Dieser gibt sich als Adressat aus und die bürokratische Verwaltung wird für ihn durch die Gewährleistung einer Formalisierung und Regelbindung berechenbarer. Daraus resultiert eine verbesserte Kommunikation zwischen dem Bürger und dem Staat (bzw. der in Form von Verwaltungen zugehörigen Institutionen). Gesetzesbindungen und Kontrollierbarkeit wirken demokratiefördernd, da sich die bürokratische Verwaltung als eine Institution zur Durchsetzung von Gesetzen und Programmen sieht, welche erst durch demokratische Verfahren ermöglicht werden.[7]
Diese Aspekte assoziieren zunächst eine positive Bewertung der Bürokratie. Jedoch sind sie eher als eine Begründung dafür anzusehen, warum sich die Verwaltungsreform im modernen Staat durchsetzen konnte. Die wirklich positiven Aspekte, wie die bereits genannte Berechenbarkeit von Entscheidungen, Vorkehrungen gegen Korruption und professionellem Handeln verblassen schnell angesichts der negativ annektierten, öffentlichen Meinung gegenüber der deutschen Bürokratie.[8] Bürokratiekritik und die damit verbundene Entbürokratisierung haben nicht nur in Deutschland eine lange Tradition.[9] Heutzutage wird der Begriff Bürokratie gerne mit ineffizienter Verwaltung gleichgesetzt, da sie weniger die Belange des gemeinen Bürgers als vielmehr die Eigeninteressen der Beamten verkörpert. Jedoch lässt sich festhalten, dass die Bürokratie ein notwendiger Bestandteil des modernen Staates ist und somit den Anforderungen eines demokratischen Wohlfahrtsstaates entspricht.[10]
Da in dieser Arbeit jedoch der Begriff E-Government als ein Prozess der Verwaltungsmodernisierung vorgestellt wird, soll sich im Folgenden mit dem Bürokratieabbau als ein Teil der Verwaltungsmodernisierung auseinandergesetzt und nicht weiter auf die Vorteile des bürokratischen Modells eingegangen werden.
„Es gibt wohl nichts, was die Verwaltung beständiger beschäftigt, als ihre eigene Modernisierung.“[11] Somit ist es auch wenig verwunderlich, dass dieses Thema ein immerzu aktuelles und beständiges ist. In der heutigen Zeit stößt das Weber‘sche Modell der öffentlichen Verwaltung an seine Grenzen. Die zurückliegenden, gesellschaftlichen Herausforderungen lassen sich mit den komplexen Anforderungen, welche sich durch eine hohe dynamische und vor allem technologische Umwelt charakterisieren, nicht länger bewältigen.[12] Mobilität und Schnelligkeit stehen den Begriffen Gleichheit und Langsamkeit gegenüber. Ein mittlerweile veraltetes Bürokratiemodell kann die neuen Herausforderungen im modernen Informations- und Kommunikationszeitalter nicht länger erfüllen. Gründe für das Versagen bürokratischer Steuerungsmechanismen gibt es zuhauf, sind aber nicht Gegenstand dieser Arbeit.[13] Vielmehr relevant ist eine Minderung des gesamtheitlichen bürokratischen Aufwands, um sich der angesprochenen, aktuellen Komplexität und Mobilität in der Verwaltungsmodernisierung stellen zu können.
Ein demokratischer und sozialer Rechtsstaat kann nicht gänzlich auf Bürokratie verzichten. In Gesellschaften, welche sich durch nachhaltige Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen und der Wahrung des sozialen Friedens auszeichnen, besteht immer ein Bedarf an politisch-administrativen Regelungen.[14] Bürokratieabbau soll, wie viele ursprünglich annehmen, nicht ausschließlich das Verringern überflüssiger Formalia, konsequenter Regeleinhaltung oder die mehrfache Informationseinkunft der immer selben Daten bezeichnen, sondern ist darunter vielmehr eine Sicherung staatlicher Handlungsfähigkeit zu verstehen und eben nicht deren Demontage.
In diesem Zusammenhang ist in der Fachliteratur oft vom Begriff „Better Regulation“ die Rede.[15] Dieser kann vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der Regulierung als eine bessere Vollzugspraxis verstanden werden. Dabei geht es um effektive und effiziente Aufgabenerfüllung. Statt rein rechtstechnischer Vereinfachung und Konsolidierung von Vorschriften soll dem Bürger und der Wirtschaft eine breite Palette von Maßnahmen zur Reduktion von Verwaltungslasten begegnen.[16] Es öffnet sich somit der Blick für eine moderne Regulierungskultur, die sich zum Ziel nimmt, die Adressaten weniger zu belasten. Ansatzpunkte für „Better Regulation“ lassen sich unter anderem in Kommunikationsstrategien, Gestaltung von Anreizen und Strategien der Organisationsgestaltung finden.[17] Diese Umakzentuierung, also die Distanzierung von einer bloßen Deregulierung, birgt erhebliche Chancen.
Und an dieser Stelle erhält der Begriff E-Government eine Verortung. Als ein nicht zu unterschätzender Baustein des Bürokratieabbaus und dessen Verbesserung in der Kommunikation zwischen der Verwaltung und den Bürgern kann E-Government sich zu einem wichtigen Schlüssel zur Staats- und Verwaltungsmodernisierung entwickeln.[18] Dabei handelt es sich nicht nur um eine kurzweilige Modeerscheinung, sondern es bildet sich eine neue Strategie und ein Instrument zur Erneuerung der öffentlichen Verwaltung unter veränderten Rahmenbedingungen.
Diese Rahmenbedingungen stehen im Einklang mit der neuen Informations- und Kommunikationstechnologie. E-Government lässt sich vom traditionellen Einsatz der IKT abgrenzen und versteht sich somit als eine neue Qualitätsstufe in der Informatisierung der öffentlichen Verwaltung.[19] Genauer bedeutet das, dass nicht nur die Geschäftsprozesse von Behörden unterstützt werden, sondern handelt es sich dabei um eine weitreichende Neugestaltung der öffentlichen Leistungserbringung. E-Government konnte jedoch erst durch den fortwährenden Modernisierungsprozess der Informationstechnik herausgebildet werden. Gekennzeichnet durch Vernetzung, einem Fortschritt der Sicherung von Informationssystemen, Kompatibilität von Hard- und Software sowie einer hohen Bedienungsfreundlichkeit etabliert sich E-Government als ein Hebel für Neugestaltung der Prozesse und Strukturen der öffentlichen Verwaltung. Die Begriffe E-Government und Verwaltungsmodernisierung sind keine alternativen Handlungskonzepte, sondern fungieren interdependent.[20] Die OECD, welche schon vor geraumer Zeit die Verbesserung der Leistungsfähigkeit öffentlicher Stellen befürwortete, formuliert es in seiner E-Government Studie folgendermaßen:
„E-Government is an enabler, not an end in itself. It needs to be integrated into broader policy and service goals, broader public management reform processes and broader information society activity.“[21]
Dies bedeutet somit, dass E-Government nicht als Selbstläufer und autarkes Programm funktioniert, sondern in den Modernisierungsprozess von Verwaltungen zu integrieren ist.
Um diesen Prozess besser nachvollziehen zu können, wird im folgenden Hauptteil der Begriff E-Government in all seinen Facetten ausführlich erläutert.
In diesem Teil der Arbeit wird sich mit dem Begriff E-Government als solcher auseinandergesetzt. Zunächst wird der Begriff definiert und zugeordnet. Dazu werden artverwandte Begriffe und deren Beziehung zu E-Government im gesamtheitlichen Kontext erklärt. Da es sich in Anbetracht der Aktualität und Relevanz des Themas um einen Schlüsselbegriff der Netzpolitik handelt, wird zudem der heutige Stellenwert in Verbindung mit politischer Zielsetzung näher beleuchtet, um abschließend die relevanten Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Etablierung von E-Government anzubringen.
Der Terminus E-Government ist ein sehr junger Begriff, der demzufolge unterschiedlich interpretiert wird. Eindeutige Definitionen gibt es bislang keine. Sinngemäß lässt sich E-Government mit einer „elektronischen öffentlichen Verwaltung und Regierung“ übersetzen. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) definiert es in seinem E-Government-Glossar folgendermaßen pragmatisch:
Unter „Electronic Government“ („E-Government“) verstehen wir die Nutzung elektronischer Informations- und Kommunikationstechnik zur Einbeziehung des Kunden in das Handeln von Regierung und öffentlicher Verwaltung.“[22]
Eine präzise bewertete und in der Fachliteratur häufig verwendete Definition, auf welche sich auch im Folgenden bezogen wird, ist die sogenannte Speyrer Definition. Diese beschreibt E-Government als die
„(…) Abwicklung geschäftlicher Prozesse im Zusammenhang mit Regieren und Verwalten (Government) mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechniken über elektronische Medien“.[23]
Darin werden sämtliche Aktivitäten der Verwaltung, beginnend bei der Internetseite und der Selbstdarstellung, bis hin zu vollständig abgebildeten Verwaltungsverfahren erfasst. Bund, Länder und Kommunen werden ebenfalls eingeschlossen.
Die Herausforderung von E-Government liegt in der Möglichkeit, Verwaltungsdienstleistungen in jedweder Form (orts-, zeit- und papiergebunden) für den Bürger erbringen zu können.[24] Es bietet sich somit die Chance, Effektivität und Effizienz der Verwaltung so weit zu gestalten, dass damit eine Bürgerfreundlichkeit, verbunden mit Transparenz und einer dadurch entstandenen Beteiligungsfreude, erreicht werden kann.
Es soll sich dabei aber nicht nur auf Verwaltungsdienstleistungen bezogen werden, sondern beinhaltet auch Anwendungen aus der sogenannten „E-Democracy“. Damit wird der Einsatz neuer Medien zum Austausch politischer Information und stärkerer Partizipation („E-Participation“), bis zu der Möglichkeit zur Durchführung elektronischer Wahlen („E-Voting“) beschrieben.[25] In diesem Kontext lässt sich auch der übergeordnete Begriff „E-Governance“ finden. Fälschlicherweise werden die Begriffe E-Government und E-Governance oft synonym verwendet, obwohl beide einen unterschiedlichen Schwerpunkt haben: Während sich E-Governance gesamtheitlich auf den Gebrauch von IKT zur Leitung und Steuerung eines gesellschaftlichen Bereiches konzentriert, sieht sich E-Government mehr als ein Element der E-Governance-Anwendungen, da es sich hierbei um die Nutzung der IKT in öffentlichen Einrichtungen zur Erbringung öffentlicher Dienstleistungen handelt.[26]
Moderne IKT birgt enormes Potential und bringt erhebliche Veränderungen für Bürger, Wirtschaft und den öffentlichen Sektor mit sich. Zu den unmittelbaren Zielen lassen sich der verbesserte Zugang zu Informationen, Beschleunigung jedweder Prozesse zwischen den Akteuren, Erleichterung der Kontaktaufnahme und Erhöhung der Transparenz öffentlicher Einrichtungen unter der Prämisse der Ausübung demokratischer Rechte und politischer Partizipation aufzählen.[27] Die Zielsetzung ist breit gefächert; divergiert und überschneidet sich teilweise auch. Da aber zahlreiche Akteure in den Prozess involviert sind, rechtfertigen sich solche Überlappungen und Abweichungen.
In Deutschland wird das Gesamtspektrum jedoch erst ansatzweise umgesetzt und konzentriert sich vorrangig auf die Optimierung der Verwaltungsdienstleistungen. Allgemein umfasst E-Government verschiedene Beziehungsverhältnisse. Diese Prozesse finden innerhalb des öffentlichen Sektors, als auch zwischen diesem und der Gesellschaft statt (siehe Tabelle 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Beziehungsmatrix von E-Government (verkürzte Darstellung aus Reinermann/Von Lucke).[28]
Relevant sind die Beziehungen Government to Government (G2G), Government to Business (G2B) und Government to Citizen (G2C).
G2G beinhaltet die horizontale Integration der drei Staatsgewalten Exekutive, Judikative und Legislative und auf vertikaler Ebene die relevanten Staatsebenen von Bund, Länder und Kommunen.[29] Durch verschiedene Kommunikationstechniken innerhalb und zwischen den Verwaltungen wird die Kommunikation elektronisch unterstützt. Hierbei werden viele E-Government-Anwendungen eingesetzt. Als Beispiele lassen sich die Kommunikation zwischen Kommunen und Finanzbehörden bei der Kfz-Steuermitteilung oder der Datenaustausch zwischen Herkunftsgemeinde und Zuzugsgemeinde bei einem Wohnungsumzug anbringen.[30]
G2B verinnerlicht die Beziehungen zwischen der Verwaltung und der Wirtschaft. Dazu zählen alle elektronischen Interaktionsprozesse zwischen diesen Akteuren. So können diese als Informationsbereitsteller für Unternehmen durch Verwaltungsportale genutzt werden oder aber können Unternehmen Aufgaben bei der Abwicklung von Online-Dienstleistungen bedienen. Als Beispiel lassen sich hier Autohäuser anführen, die von sich aus Kfz-Zulassungen erteilen und in Kontakt mit den zugehörigen, meist publikumsintensiven Ämtern stehen.
Die Ebene G2C umfasst die Interaktionen zwischen Verwaltung und ihren Bürgern. Die Ambitionen liegen hier bei der Inanspruchnahme öffentlicher Dienstleistungen durch die Bürger oder aber bei einer Teilhabe am politischen Prozess. In diesen Bereich fallen auch die Ausübung ziviler Rechte und Pflichten des Bürgers gegenüber der verfassungsgebenden Gewalt einer Demokratie.[31] An dieser Stelle offenbart sich der sichtbare Teil von E-Government für die Bürger. Die Interaktionsmöglichkeiten sind bei der G2C vielfältig ausgeprägt. Sie reichen vom simplen Abrufen einer Internetseite von Ämtern zur Informationsbeschaffung (z.B. Öffnungszeiten) bis hin zu komplexeren Vorgängen, in denen mehrere Faktoren im Interaktionsprozess berücksichtigt werden (z.B. Anmeldung eines Gewerbes mit zusätzlicher elektronischer Signatur[32] und elektronischen Bezahlungsmöglichkeiten). Auf diese G2C-Verflechtung wird das Hauptaugenmerk gelegt.
Auf der Seite der politischen Akteure ist der Einsatz der neuen Medien und der IKT nicht nur heutzutage, sondern auch in der Zukunft ein Thema von besonderem Interesse. Mittlerweile ist jedem bekannt, dass das Internet kein „kurzfristiges“ Phänomen ist, sondern vielmehr ein wichtiges Instrument, welches es in Bezug auf Politik und Demokratie richtig zu nutzen gilt. Zusammen mit anderen Kommunikationstechnologien ist das Ziel eine bessere Einbindung der Bürger in politische Prozesse des Regierens und Verwaltens zu erreichen.[33] Dementsprechend stellt sich die wesentliche Frage, inwiefern dies in Deutschland bereits gelungen und wie weit der Prozess einer erfolgreichen Einbettung von E-Government fortgeschritten ist. Dazu werden im Folgenden wichtige Initiativen vorgestellt und ein kurzer Vergleich mit anderen Ländern angebracht, um ein besseres Verständnis vom Entwicklungsstand in Deutschland zu erhalten.[34]
Deutschlands Verwaltung basiert, wie bereits angeführt, auf dem bürokratischen Modell (siehe Kapitel 2.1.1). In den letzten Jahrzehnten geriet dieses vor dem Hintergrund von Dysfunktionalitäten der Strukturen und Steuerungselementen zunehmend unter beträchtlichen Modernisierungsdruck. Reformen der deutschen Verwaltung wurden zur Notwendigkeit. Als ein Modernisierungselement wird E-Government zunehmend ein integraler Bestandteil der deutschen Verwaltungsmodernisierung. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist E-Government auf allen Ebenen des Staates vorzufinden.
[...]
[1] Vgl. Initiative D21 (2013b): S. 3.
[2] Vgl. Nolte/Boenigk/Bösener (2012): S. 342.
[3] Im Folgenden soll der Begriff „Bürger“ in diesem Kontext als Privatperson verstanden werden.
[4] Anm. d. Verf.: Die Bürokratietheorie von Max Weber ist ein wesentlicher Bestandteil seines Hauptwerks „Wirtschaft und Gesellschaft“ und wird aufgrund der Komplexität im Folgenden nur verkürzt beschrieben.
[5] Vgl. Weber (1922): S. 124 ff.
[6] Vgl. Benz (2008): S. 158.
[7] Ebd.
[8] Vgl. Brüggemeier/Lenk (2011): S. 11.
[9] Vgl. Klages (2011): S. 99.
[10] Vgl. Benz (2008): S. 159.
[11] Schmitt (2007): S. 173.
[12] Vgl. Benkhadda (2010): S. 1.
[13] Hierzu näher: Blanke/Von Bandemer/Nullmeier/Wewer (2005): Handbuch zur Verwaltungsreform.
[14] Vgl. Brüggemeier/Lenk (2011): S. 11.
[15] Anm. d. Verf.: Wörtliche Übersetzung des Begriffs: „Bessere Rechtssetzung“ (oder Regulation). Dies erklärt jedoch nicht den Begriff in seiner eigentlichen Gesamtheit. Siehe dazu: Brüggemeier/Lenk (2011): S. 12.
[16] Vgl. Lenk (2011): S. 42 f.
[17] Vgl. Brüggemeier (2010): S. 93.
[18] Vgl. Banner (2010): S. 73.
[19] Vgl. Benkhadda (2010): S. 6 f.
[20] Ebd. S. 7.
[21] OECD (2003): S. 19.
[22] BSI (2006): S. 3.
[23] Liese (2010): S. 19.
[24] Vgl. Schlatmann (2007): S.379.
[25] Vgl. Kargar/Rüß/vom Scheidt (2005): S. 136 f.
[26] Vgl.: Benkhadda (2010): S. 33.
[27] Vgl.: Von Lucke (2003): S. 144 ff.
[28] Vgl.: Reinermann/Von Lucke (2002): S. 2.
[29] Vgl. Scheer, Kruppke, Heib (2003): S. 28.
[30] Vgl. Benkhadda (2010): S. 38.
[31] Vgl. Scheer/Kruppke/Heib (2003): S. 28.
[32] Nach § 2 Signaturgesetz (SigG) definiert sich die elektronische Signatur folgendermaßen: „Daten in elektronischer Form, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verknüpft sind und die zur Authentifizierung dienen.“ Abrufbar unter http://www.gesetze-im-internet.de/sigg_2001/__2.html (zuletzt abgerufen am 30.07.2014).
[33] Vgl. Von Lucke (2003): S. 63.
[34] Anm. d. Verf.: Aufgrund des in der deutschen Verfassung verankerten Prinzips der föderalen Selbständigkeit gibt es eine Fülle von Programmen und Initiativen zur Realisierung von Verwaltungsmodernisierung auf allen Regierungsebenen. In dieser Arbeit beschränkt sich der Autor jedoch ausschließlich auf relevante Umsetzungen nationaler Ebene.
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