Masterarbeit, 2011
120 Seiten, Note: 1,7
1. Einleitung
2. I. Konstruktionsphase/ Begründungsrahmen der Lerneinheit
2.1 Begriffsklärung Berufliches Selbstverständnis
2.2 Gesellschaftliche Position
2.3 Gesetzliche Vorgaben
2.3.1 Hebammengesetz
2.3.2 Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Hebammen
2.4 Berufspolitische und bildungspolitische Position
2.5 Leitziele für die Lerneinheit
3. II. Konstruktionsphase/ Analysen der Tragweite der Lerneinheit
3.1 Analyse der Handlungsfelder
3.1.1 Handlungsfelder von Hebammen allgemein
3.1.2. Gestaltung der Berufsausführung
3.1.3 Vorbehaltene Tätigkeiten und Hinzuziehungspflicht der Hebamme/ des Arztes
3.1.4 Effekte aus §4 des HebG für Hebammen in der heutigen Zeit
3.1.5Anforderungen an Hebammen durch neuere Entwicklungen in der heutigen Zeit
3.2 Curriculare Vorgaben
3.3 Analyse der Lernvoraussetzungen
3.3.1 Allgemeine Lernvoraussetzungen auf kognitiver Ebene
3.3.2Allgemeine Lernvoraussetzungen auf affektiver Ebene
3.3.3Allgemeine Lernvoraussetzungen auf psychomotorischer Ebene
3.4 Analyse der wissenschaftlichen Disziplin
3.4.1 Profession / Professionalisierung
3.4.2 Klärung des Begriffs Profession
3.4.3 Aspekte aus der Professionssoziologie zum allgemeinen Verständnis
3.4.3.1 Systemtheoretische Ansätze
3.4.3.2 Professionalisierung als Prozess
3.4.3.3 Der geschlechterhierarchische Einfluss bei der Entwicklung von Professionen
3.4.3.4 Theoretische Skizze einer revidierten Theorie professionalisierten Handelns nach Ulrich Oevermann
3.4.3.4.1 Der Bezug der Theorie Oevermanns zum Hebammenberuf
3.4.4 Entwicklung des Berufsstandes unter dem Aspekt der Theorie Oevermanns zum professionellen Handeln
3.4.4.1 Geburtshilfliche Tätigkeit im Altertum
3.4.4.2 Geburtshilfliche Tätigkeit im Mittelalter
3.4.4.3 Geburtshilfliche Tätigkeit in der frühen Neuzeit
3.4.4.4 Geburtshilfliche Tätigkeit im 18. – 19. Jahrhundert
3.4.4.5 Hebammentätigkeit im Wandel der Geburtshilfe des 20. Jahrhunderts
3.4.4.5.1 Entwicklungen der Hebammentätigkeit nach dem 2. Weltkrieg
3.5 Resultierende Qualifikationen
4. III. Konstruktionsphase/ Beschreibung der Lerneinheit
4.1 Curriculare Einbettung der geplanten LE in der Ausbildung
4.2 Didaktische Reduktion
4.3 Didaktisch-methodische Überlegungen
4.3.1 Kompetenzerwerb durch die zu unterrichtende Lerneinheit
4.3.2 Angewandte Sozialformen für die zu unterrichtende Lerneinheit
4.3.2.1 Frontalunterricht
4.3.2.2 Gruppenunterricht oder Gruppenarbeit
4.3.3 Erläuterung von geeigneten Methoden für die zu unterrichtende Lerneinheit
4.3.3.1 Brainstorming
4.3.3.2 Die Arbeitsform des Unterrichtsgesprächs in seiner methodischen/ didaktischen Anwendung
4.3.3.2.1 Lehrerzentrierte Unterrichtsgespräche
4.3.3.2.2 Schülerzentrierte Unterrichtsgespräche
4.3.3.3. Rollenspiele
4.3.3.4 Wand-Collagen und Präsentation
4.3.3.5 Expertenbefragung
4.3.3.6 Pro- und Kontradiskussion in der Sitzordnung der Fish-Bowl- Methode
4.3.4 Tabellarische Verlaufsplanung der exemplarischen Lerneinheit
4.3.5 Erläuterungen zur Verlaufsplanung der exemplarischen Lerneinheit
4.3.5.1 Organisatorische Aspekte
4.3.5.2 Strukturelle Rahmenbedingungen
4.4 Überlegungen zur Lernzielkontrolle
5. IV. Konstruktionsphase/ Überlegungen zur Implementation – Evaluation
6. Resümee und Ausblick
7. Quellenverzeichnis
7.1 Rechtsquellenverzeichnis
7.2 Literaturverzeichnis
Tabelle 1: Theoretische Skizze einer revidierten Theorie professionalisierten Handelns nach Ulrich Oevermann
Tabelle 2: Inhalts-, Methoden- und didaktische Planungsübersicht
Begriffsklärung:
Wochenbett: Das Wochenbett beginnt zwei Stunden nach der Geburt und endet sechs bis acht Wochen danach (vgl. Meybohm, Nieder, 2001, S. 273).
Specula: Instrumente, die zur Untersuchung in die Scheide eingeführt werden (vgl. Banaschek et al., 2011).
Katheter: Dünner Schlauch zur Einführung in Körperorgane (vgl. Banaschek et al., 2011).
Präeklampsie: Form eines schwangerschaftsspezifischen Krankheitsprozesses unbekannter Ursache (vgl. Merz. In: Beckermann Perl, 2004).
Letalität: Hier im Zusammenhang: Todesfälle von präoperativ gesunden risikofreien Frauen, im ursächlichen Zusammenhang mit einem Kaiserschnitt (vgl. Strauss Heer, 2006).
Vulva: Äußere weibliche Geschlechtsteile (vgl. Banaschek et al., 2011).
Dammschutz: Handgriff zur Verhinderung einer Schädigung des Gewebes zwischen Scheide und After bei der Geburt des kindlichen Kopfes (vgl. Perl Helm. In: Beckermann Perl, 2004).
Altertum: Frühgeschichte bis ca. 6. Jhd. n. chr. (vgl. Piepenbrink, 2006).
Mittelalter: Ca. 6. bis 15.Jhd. n. Chr. (vgl. Lubich, 2010).
Frühe Neuzeit: Ca. 15. bis 18. Jahrhundert (vgl. Erbe, 2007).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Trotz nach wie vor geltenden fächerorientierten gesetzlichen Bestimmungen für die Ausbildung von Hebammen, findet eine Wandlung innerhalb der Ausbildungssituation statt. Im Zuge sich entwickelnder gesellschaftlicher Veränderungen dehnen sich auch bildungspolitische Überlegungen auf die Ausbildungssituation von Hebammen aus. Die Ausbildung ist verstärkt darauf auszurichten, Lernprozesse handlungsorientiert zu gestalten. In Zeiten einer rasanten Produktion neuen Wissens kann eine Ausbildung nicht mehr nur der Vermittlung von Faktenwissen dienen. Vielmehr ist sie darauf auszurichten, Lernende auch in ihrer Persönlichkeitsbildung zu fördern, um sie darin zu stärken, die sich wandelnden beruflichen Anforderungen bewältigen zu können. Zum Erreichen von Handlungskompetenz ist ein fächerübergreifender Unterricht, in Form von Lerneinheiten, der die Lernenden in die Lernprozesse berufsbezogen einbindet, anzustreben (vgl. Dörpinghaus et al., 2005).
Die hier vorliegende Arbeit ist ein Beitrag, die Entwicklung eines professionellen Selbstverständnisses bei den Lernenden zu fördern. Die, in dieser Arbeit dazu entwickelte LE kann von Lehrenden an Institutionen der Hebammenausbildung genutzt werden. Da es in Deutschland, bis auf wenige Ausnahmen, keine einheitlichen Ausbildungscurricula für Hebammen gibt, wurde sich bei der Entwicklung dieser LE daher an der empfehlenden Ausbildungsrichtlinie für staatlich anerkannte Hebammenschulen in NRW orientiert. Die hier dargestellte LE ist in dieser Form nicht in der Ausbildungsrichtlinie enthalten und wurde daher gänzlich neu konzipiert. Ihre Entwicklung erfolgt nach den 4 Konstruktionsphasen des Curriculumprozesses nach Knigge-Demal (1998) in Anlehnung an Siebert (1974).
Die erste Konstruktionsphase zeigt den Begründungsrahmen der LE hinsichtlich gesellschaftlicher, berufs- und bildungspolitischer Bedingungen auf, aus denen sich entsprechende Leitziele für die LE ergeben. In der zweiten Konstruktionsphase erfolgt die, für die LE relevante Analyse der Handlungsfelder von Hebammen. Nach einem Überblick über die vorhandenen curricular verbindlichen Vorgaben und den zu erwartenden Lernvoraussetzungen der Auszubildenden, wird die Thematik in ihrer unterrichtsbezogenen Relevanz dargestellt. Für die hier zu unterrichtenden LE wird sich dazu auf die Darstellung professionssoziologischer Aspekte und deren Relevanz in der geschichtlichen Entwicklung des Hebammenstandes bezogen. In der dritten Konstruktionsphase erfolgt darauf aufbauend die Planung der zu unterrichtenden LE unter methodisch und didaktisch zu berücksichtigen Aspekten. Die vierte und letzte Konstruktionsphase beschreibt Überlegungen zur Evaluation, die bei der Implementation der LE zu berücksichtigen sind. Die Evaluation der LE ist hier von besonderem Interesse, das es sich um eine gänzlich neue Konzeption handelt, die ggf. einer Revision bedarf, für die sich auf Ergebnisse aus der Evaluation gestützt werden muss.
Zu Gunsten des Textflusses der Arbeit, wird auf eine Unterscheidung von männlichen oder weiblichen Formen weitgehend verzichtet. Da die geplante LE für die Hebammenausbildung bestimmt ist und dieser Beruf in Deutschland eine Frauendomäne darstellt, wird vornehmlich die weibliche Form Verwendung finden (vgl. Zoege von Manteuffel, 2002). Das männliche Geschlecht ist aber jeweils mitbedacht. Auch Bezeichnungen für Personenkreise, in denen Hebammen beruflich fungieren, werden zu Gunsten des Textflusses verwand und schließen alle in Frage kommenden Bezeichnungen ein.
Zu Beginn des Begründungsrahmens für die zu unterrichtende LE soll zunächst der Begriff des beruflichen Selbstverständnisses geklärt werden.
Ein berufliches Selbstverständnis entwickelt sich bereits bei dem ersten Wunsch einer Person, einen bestimmten Beruf ergreifen zu wollen. Die Person verbindet dabei mit ihrem Berufswunsch bestimmte gesellschaftlich geprägte Vorstellungen zu dem, was der Beruf für sie darstellt, bzw. beinhaltet. Ihre Deutungen dazu sind zu diesem Zeitpunkt größtenteils durch das, was die ausgesuchte Berufsgruppe nach außen hin präsentiert, geprägt. Sie stützen sich auf teils idealistische und im Zuge der Industrialisierung teils funktionelle Berufsauffassungen. Der idealistische Gedankengang begründet sich dabei durch die Möglichkeit zur Verwirklichung eigener und gesellschaftlicher Ideale, der funktionelle Gedankengang beruht auf dem Hintergrund der Existenzsicherung (vgl. Stöhr Trumpetter, 2006). Im Verlauf der Ausbildung und auch im weiteren Berufsleben verändert sich jedoch dieses vorhandene berufliche Selbstverständnis.
Verdeutlichen lässt sich dies, wenn man für das Wort Selbstverständnis, die geltenden Synonyme Selbstinterpretation, Selbstbehauptung und Selbstdeutung näher betrachtet. Aus diesen lässt sich schließen dass es sich nicht nur um ein sich-selbst-verstehen können handelt, sondern vielmehr um ein sich-erklären-können, sich-selbst-kritisch-einschätzen-können. Diese weiter führenden Synonyme verdeutlichen, dass ein berufliches Selbstverständnis nicht aus messbaren Qualifikationen entspringt, sondern einer kritischen Auseinandersetzung mit beruflichen Anforderungen und eigenen Absichten. Dies geschieht allerdings nicht nur in der Ausbildung zum Beruf, sondern entspricht eher einem beruflichen Sozialisationsprozess. Die Aneignung und Veränderung von arbeitsrelevanten Motiven, Orientierungen und Deutungsmustern, tragen dabei wesentlich zur Persönlichkeitsentwicklung bei (vgl. Stöhr Trumpetter, 2006).
Einen erheblichen Einfluss auf das berufliche Selbstverständnis hat dabei aber nicht nur die eigene Persönlichkeit. Es wird vielmehr auch durch die Prägung der eigenen Berufsgruppe und vor allem auch durch die gesellschaftliche Fremdzuschreibung des Berufsbildes gefärbt (vgl. ebd., 2006). Das Berufsbild der Hebamme hat dabei in seiner Geschichte verschiedene Entwicklungen durchlaufen, die sich nachhaltig auf das heutige Berufsbild ausgewirkt haben. Eine genauere Betrachtung hierzu erfolgt unter den Punkten 3.3 ff Analyse der wissenschaftlichen Disziplinen. Die auf das Selbstverständnis Einfluss nehmende gesellschaftliche Position zum Berufsbild der Hebammen heute wird im Folgenden näher betrachtet.
Generell lässt sich sagen, dass eine vorhandene berufliche Identifizierung dazu beiträgt, kompetent aufzutreten, wodurch eine Hebamme ihren zu betreuenden Personen ein Gefühl von Sicherheit vermitteln kann. Ihr berufliches Selbstverständnis wirkt sich dabei begünstigend auf eine intrinsische und extrinsische Berufsmotivation aus, um ein kompetentes Auftreten zu ermöglichen.
Dieses Auftreten ist für den Handlungsrahmen, in dem Hebammen fungieren, die Grundlage um eine vertraute Basis für die stattfindenden Interaktionen zwischen Ratsuchenden und Helfender zu schaffen (vgl. Olk, 1986). Für die Rat suchenden Frauen und Familien ist dieses Vertrauen in die betreuende helfende Hebamme enorm wichtig, da sie innerhalb ihrer Tätigkeit sehr intime und familiäre Bereiche betritt.
Frauen haben in Deutschland mit Beginn der Schwangerschaft, bei der Geburt, bis zum Ende des Wochenbetts und oft auch darüber hinaus Anspruch auf die Betreuung durch Hebammen (RVO, § 195). Hebammen haben dabei innerhalb ihres Tätigkeitsrahmens zumeist einen umfassenden Einblick in die soziale Umgebung und die häuslichen Verhältnisse (vgl. 3.1.2). Die Nähe zu den Frauen und Familien und ein kompetentes Auftreten mögen ein Grund sein, warum bei einer Befragung 71% angaben, dass ihnen Gespräche mit Hebammen dienlich seien, sich auf ihre neue Lebenssituation einzustellen. Dies war ein Ergebnis, welches eine 2006 durchgeführte Studie zu dem Thema: Was junge Familien heute brauchen aufzeigte (vgl. Stierle, 2006).
Um Hebammen für ihre Aufgaben innerhalb ihres Tätigkeitsrahmens in der Gesellschaft auszubilden, bedarf es einer fundierten Qualifikation. Hiefür ist die geplante LE ein Beitrag, den angehenden Hebammen ein Fundament zur Entfaltung der eigenen beruflichen Identifizierung zu geben und als Konsequenz daraus ein überzeugtes und stärkendes Handeln zu ermöglichen.
Für die gesetzliche Untermauerung des Begründungsrahmens muss zur Planung der LE das Hebammengesetz und die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Hebammen hinzugezogen werden.
Der Beruf der Hebamme ist in Deutschland ein staatlich anerkannter Beruf und entsprechend durch das Hebammengesetz vom 4. Juli 1985 und den seither vorgenommenen Änderungen geregelt.
In diesem heißt es nach § 1, dass es einer Erlaubnis zur Berufsbezeichnung Hebamme bedarf und weiter unter § 2, dass die Erlaubnis nur auf Antrag gestellt wird, wenn die Antragstellerin die gesetzlich vorgeschriebene Ausbildungszeit abgeleistet und die staatliche Prüfung bestanden hat. Die vorgeschriebene Ausbildungszeit beträgt dabei nach § 6 drei Jahre und findet in staatlich anerkannten Hebammenschulen an Krankenhäusern und nach der Einführung von Modellklauseln auch an Fachhochschulen statt (vgl. § 6 Abs. (3), HebG, 2010).
Das zu erreichende Ausbildungsziel ist dabei unter §5 formuliert:
Die Ausbildung soll insbesondere dazu befähigen, Frauen während der Schwangerschaft, der Geburt und dem Wochenbett Rat zu erteilen und die notwendige Fürsorge zu gewähren, normale Geburten zu leiten, Komplikationen des Geburtsverlaufs zu erkennen, Neugeborene zu versorgen, den Wochenbettverlauf zu überwachen und eine Dokumentation über den Geburtsverlauf anzufertigen. (§ 5, HebG, 2010)
Zur Erreichung dieses Ausbildungsziels ist in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung unter § 1 festgeschrieben, dass unter Anlage 1 zu § 1 Abs.1 vorgegebene Inhalte in mindestens 1.600 Stunden theoretischen und praktischen Unterrichts zu vermitteln sind. Für die zu unterrichtende LE ist hierbei insbesondere von Interesse, dass die Legitimation der Thematik unter Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 den Inhalten 1.1 Hebammengesetz, Geschichte des Berufs unter Punkt 1 Beufs-, Gesetzes- und Staatsbürgerkunde, unter Punkt 4 den Grundlagen für die Hebammentätigkeit und unter Punkt 13 der Sprache und Schrifttum einzuordnen ist (vgl. HebAPrV, 2007).
Die Inhalte selbst jedoch, deren Vermittlung und Vorgaben über zu erreichende Lernziele obliegen dabei dem Ermessen der einzelnen Schulen. Dadurch kommt es zu großen Unterschieden zwischen den einzelnen Schulen (vgl. Zoege von Manteuffel, 2002).
Die Anwendung von vorhandenen Lehrplänen, wie bspw. der Empfehlenden Ausbildungsrichtlinie für staatlich anerkannte Hebammenschulen in NRW, ist freiwillig (vgl. Dörpinghaus et al., 2005). Eine Ausnahme bilden dabei die Bundesländer Bayern und Sachsen. In Bayern unterstehen Hebammenschulen als Berufsfachschulen dem Kultusministerium, wodurch hier ein Bayrisches Curriculum, entworfen von 5 Schulen in Zusammenarbeit mit Ärzten, Verbindlichkeit besitzt. Dieses wurde ebenfalls vom Bundesland Sachsen übernommen (vgl. ebd., 2002).
Für die Relevanz der zu unterrichtende LE innerhalb der Ausbildung sei erwähnt, dass die Berufs-, Gesetzes- und Staatsbürgerkunde zudem unter § 5 HebAPrV als Unterrichtsfach einen Teil der schriftlichen Abschlussprüfung für Hebammen darstellt. Für dieses ist eine Prüfungszeit von 60 Minuten vorgesehen (vgl. HebAPrV, 2007).
Im Rahmen bildungspolitischer und berufspolitischer Veränderungen, arbeitet der DHV (Deutscher Hebammen Verband) derzeit an einem modularisiertem Curriculum zur Hebammenausbildung. Dem Verband ist es ein zentrales Anliegen, fundiert ausgebildete Hebammen hervorzubringen, die sich auch für berufspolitische Veränderungen engagieren und stark machen. Im Zuge dessen sind hierzu vom pädagogischen Fachbeirat des DHV neue Kompetenzprofile für die Hebammenausbildung formuliert worden. In diesen wird bspw. unter Kompetenz 4 gefordert, dass eine Hebamme ihr professionelles Wissen kontinuierlich überprüft und entwickelt. Dies ist nötig, damit sie unter sich ändernden gesellschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Bedingungen eine effektive Versorgung gewährleisten kann. In der weiteren Auffächerung heißt es unter den Punkten 4.1 dass eine Hebamme ihre praktische Tätigkeit in Beziehung zur gültigen Gesetzgebung und ihrem Ethikkodex beurteilt und unter Punkt 4.2, dass sie ihre eigenen Werte und Überzeugungen erkennt, ohne sie auf andere zu übertragen. Ebenso wird in der formulierten Kompetenz 8 gefordert, dass Hebammen die Entwicklung und das Ansehen des Berufsstandes fördern. Des Weiteren setzt sie sich dabei für die Interessen des Berufsstandes ein, beteiligt sich an der Weiterentwicklung des Berufsbildes und informiert die Öffentlichkeit über Entwicklungen und Anliegen des Berufsstandes (vgl. Braun et al., 2005). Diese neu formulierten Kompetenzprofile implizieren, dass es in der Hebammenausbildung nicht mehr darum gehen kann, reines Fachwissen zu vermitteln, die ein Abfragen von Daten, Zahlen und Fakten ermöglichen. Es wird vielmehr erwartet, dass bei den angehenden Hebammen eine kritische Reflexion des eigenen Handelns, ein Bewusstsein ihrer Wirkung nach außen und der Bildung eines beruflichen Selbstverständnisses erreicht wird. Somit wird der Persönlichkeitsentwicklung der Lernenden in der Ausbildung ein hoher Stellenwert eingeräumt. Sie wird aus pädagogischer Sicht als aktiv und kritisch Lernende gesehen und in ihrer Handlungskompetenz gestärkt. (vgl. Dörpinghaus et. al, 2005). Die Bedeutsamkeit dieser Sichtweise wird klar, wenn man bedenkt, dass die Hebammenausbildung in Deutschland zum größten Teil in Kliniken mit hierarchischen Strukturen stattfindet, in denen die Eigenständigkeit des Hebammenberufs mitunter in den Hintergrund rücken kann, und unterstreicht die Triftigkeit einer emanzipierenden Ausbildung (vgl. Zoege von Manteuffel, 2002).
Die gesetzliche Untermauerung der gegebenen Eigenständigkeit des Hebammenberufes ist bspw. in § 4 des Hebammengesetzes und den entsprechenden Berufsordnungen der einzelnen Länder verankert. Darin heißt es sinngemäß, dass eine Hebamme immer zu einer Geburt hinzuzuziehen ist, während sie selbst, vorausgesetzt es handelt sich um eine physiologisch verlaufende Geburt, diese in Eigenständigkeit leiten kann. In den Ausführungen zum Hebammengesetz heißt es zudem weiter, das der Kompetenzbereich für Hebammen die gesamte Schwangerschaft und das Wochenbett mit einschließt (vgl. 3.1.3).
Damit Hebammen ihrem Auftrag für eine weitere Professionalisierung des Berufsstandes zu sorgen, nachkommen können, ist es erforderlich, dass sich bei ihnen eine Bindung an ihre Profession ausbildet, ihre Motivation also nicht ausschließlich funktionellen Charakters ist. Ein explizites Bewusstsein über die historische Bedeutung des eigenen Berufes kann sich förderlich auf die Bildung eines eigenen Interesses der Lernenden am Erhalt der Selbstbestimmung des Hebammenberufs auswirken, was ein Beitrag für den Ethikkodex für Hebammen des DHV wäre, in dem es heißt:
„Hebammen arbeiten in einer gesellschaftlichen Verantwortung und begleiten Frauen, Kinder, Partner und Familien besonders während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Die Menschenwürde und die Rechte der Frau sind wesentliche Maßstäbe für ihr Handeln. Eine qualifizierte Ausbildung befähigt sie dazu“ (DHV, 1992, [online]).
Für die Erfüllung des Ethikkodex braucht es starke Hebammen, die sich unter Einbeziehung aller gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und politischen Aspekte für die Interessen der von ihnen betreuten Frauen und Familien einsetzen. Im Zuge aktueller bildungs- und berufspolitischer Veränderungen entstehen derzeit diesbezüglich duale Studiengänge für Hebammenwissenschaften an den Hochschulen in Deutschland. Durch diese ist es teilweise möglich, schon während der Ausbildung parallel den Grad des Bachelor of Science in Midwifery zu erlangen. Zudem können Hebammen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung ebenfalls ein Studium
absolvieren, um sich auf wissenschaftlicher Ebene weiterzubilden. In einer Stellungnahme des DHV heißt es dazu, dass es durch eine grundständige, akademische Hebammenausbildung zu einer Anpassung an das veränderte Anforderungsprofil, einer zeitgemäßen Qualifizierung und einer Angleichung an den europäischen Bildungs-, Arbeits- und Dienstleistungsmarkt kommt (vgl. Braun et al., 2011).
Aus dem Begründungsrahmen der LE ergeben sich Leitziele, denen die zu unterrichtende LE verpflichtet ist. Diese Leitziele sind in ihrer Grundform der Modularisierung der Pflegeausbildung – Leitziele und Qualifikationen des transnationalen Pflegecurriculums entnommen, welches im Rahmen eines Projektes, unter der Leitung von Frau Prof. Dr. B. Knigge-Demal und Frau Prof. Dr. A. Nauerth (2002) entstanden ist. Bei der Formulierung der Leitziele wird eine Anpassung des pflegespezifischen Hintergrundes auf eine hebammenspezifische Formulierung berücksichtigt.
Aus dem spezifischen gesellschaftlichen Auftrag gegenüber den Adressaten für die Betreuung durch Hebammen ergeben sich folgende Anforderungen für den Beruf:
- Die kritische Analyse gesellschaftlicher und institutioneller Bedingungen, die die körperliche und geistige Unversehrtheit und die Würde gefährden könnten
- Die Teilnahme an und die Gestaltung von relevanten gesellschaftlichen Prozessen, die sich auf Betreuung und Gesundheit beziehen.
Bezogen auf das berufliche Selbstverständnis soll die Ausbildung für Hebammen folgenden Leitzielen verpflichtet sein:
- Dem effizienten und effektiven Handeln unter Einhaltung ethischer Prinzipien
- Der Übernahme von Verantwortung für die Weiterentwicklung der eigenen Kompetenz und für die Entwicklung des Berufes.
Bezogen auf das Bildungsverständnis soll die Ausbildung für Hebammen folgenden Leitzielen verpflichtet sein:
- Der Förderung von selbstgesteuerten Lern- und Bildungsprozessen
- Der Reflexion und Evaluation des eigenen Handelns
- Der Förderung der Mitbestimmung in berufs- und gesundheitspolitischen Interessen.
Das Handlungsfeld von Hebammen bestimmt sich innerhalb ihrer beruflichen Tätigkeit durch die gesundheitliche Betreuung von Schwangeren, Gebärenden, Wöchnerinnen und Säuglingen. Die internationale Hebammenvereinigung (ICM), hat den Beruf der Hebamme folgendermaßen definiert:
Die Hebamme ist eine verantwortungsbewusste, zuverlässige professionelle Fachkraft, die partnerschaftlich mit Frauen zusammenarbeitet und ihnen die erforderliche Unterstützung, Betreuung und Beratung während Schwangerschaft, Geburt und im Wochenbett gewährt. Sie leitet eigenverantwortlich die Geburt und betreut das Neugeborene und den Säugling. Die Arbeit der Hebamme umfasst präventive Maßnahmen, die Förderung der normalen Geburt, das Erkennen von Komplikationen bei Mutter und Kind, die Gewährleistung notwendiger medizinischer Behandlung oder anderer angemessener Unterstützung sowie die Durchführung von Notfallmaßnahmen. Die Hebamme hat eine wichtige Aufgabe in der Gesundheitsberatung, nicht nur für Frauen, auch innerhalb der Familie und der Gesellschaft. Diese Arbeit sollte vor der Geburt beginnen, die Vorbereitung auf die Elternschaft einbeziehen, wie auch Hinweise zur Gesundheit, Sexualität und zur Entwicklung des Kindes beinhalten. Eine Hebamme kann in verschiedenen Bereichen praktizieren, einschließlich Hausgeburtshilfe und Gemeindearbeit, in Krankenhäusern, Kliniken oder in Gesundheitseinrichtungen. (ICM, 2005, [online])
Entsprechend dieser Definition arbeitet eine in Deutschland tätige Hebamme in einem vielfältigen Wirkungskreis. Sie kann Frauen bereits mit Beginn einer Schwangerschaft betreuen. Sie steht dabei für Fragen zur Ernährung und Lebensführung zur Verfügung, kann die gesamte Durchführung der Schwangerenvorsorgeuntersuchungen entsprechend der Mutterschaftsrichtlinien übernehmen, leistet Hilfe bei Schwangerschaftsbeschwerden und bereitet die Frauen oder Paare einzeln oder in Gruppen auf die Geburt vor. Unter der Geburt leitet die Hebamme die Frau an, unterstützt sie bei den Wehen, ergreift geburtsförderliche Maßnahmen, observiert den Gesundheitszustand der Mutter und des Ungeborenen und leitet schließlich die
Nachgeburtsphase. Im Wochenbett überwacht die Hebamme den Gesundheitszustand der Mutter und des Kindes, sowie dessen Entwicklung. Sie leitet zum Stillen oder zur Flaschenernährung an, ergreift wundheilungsfördernde Maßnahmen und berät die Eltern individuell in ihrer neuen Lebenssituation. Eine Betreuung durch Hebammen ist bis zu 8 Wochen nach der Geburt, bei vorliegenden Schwierigkeiten, wie bspw. Gedeihstörungen des Kindes, auf ärztliche Anordnung auch darüber hinaus möglich. Zu erwähnen sei an dieser Stelle, dass sich die Geburt nicht nur auf die Geburt eines reifen Neugeborenen bezieht, sondern Hebammenhilfe auch für die Wochenbettbetreuung nach einer Fehl- oder Totgeburt vorgesehen ist. Zudem können Hebammen zu den bereits oben erwähnten Geburtsvorbereitungskursen (Geburtsvorbereitung in Gruppen) auch Rückbildungsgymnastik-, Babymassage- oder Säuglingspflegekurse, sowie Schwangeren- und Babyschwimmen oder spezielle Eltern-Kind-Gruppen anbieten (vgl. Zoege von Manteuffel, 2002)
Es gibt generell zunächst zwei unterschiedliche Möglichkeiten, wie Hebammen ihren Beruf ausüben können: die angestellte Form, meist in der Klinik oder auch in gynäkologischen Praxen, oder als freie, selbstständige Hebamme. Laut statistischem Bundesamt Destatis waren im Jahr 2006 bereits die Hälfte aller in Deutschland tätigen Hebammen in der ambulanten Gesundheitsversorgung als Freiberuflerinnen tätig. Dies sei allerdings nicht auf zunehmende Geburtenzahlen zurückzuführen, die bekanntlich seit mehreren Jahren rückläufig sind, sondern mit der verkürzten, Krankenhausliegedauer in Verbindung zu setzen. Verließ 1997 eine Mutter nach einer normal verlaufenden Entbindung noch nach durchschnittlichen 5 Tagen das Krankenhaus, so tat sie es im Jahr 2006 bereits nach 3,3 Tagen. Durch diese veränderte Gegebenheit benötigen Mütter/ Paare eine verstärkte Betreuung durch eine ambulant tätige Hebamme, zu deren Aufgaben auch medizinische Vorsorgeuntersuchungen und die Geburtsvorbereitung gehören (vgl. Afentakis, 2008).
Arbeitet eine Hebamme in einem angestellten Verhältnis, hat sie zumeist feste Dienstzeiten und bezieht ein tariflich geregeltes Einkommen. Als angestellte Hebamme ist sie vorwiegend in gynäkologischen Praxen, im Kreissaal oder auf der Wochenbettstation im Krankenhaus tätig. Als Freiberufliche organisiert sie ihre Arbeitszeiten selbst, soweit diese planbar sind und rechnet über die Hebammengebührenverordnung direkt mit den Krankenkassen ab. Viele Hebammen arbeiten dazu in einer Mischform aus angestelltem Verhältnis und Freiberuflichkeit. Sie sind teilweise in einer Klinik oder Praxis angestellt und arbeiten zusätzlich als
Freiberufliche in der ambulanten Betreuung (vgl. Zoege von Manteuffel, 2002) . Sie geben Kurse oder führen außerhalb ihrer Dienstzeiten Schwangerenbetreuung und Wochenbettbesuche durch.
Zudem gibt es Beleghebammen, die einen Vertrag mit einem Krankenhaus haben, in dem festgesetzt ist, dass sie die Räumlichkeiten nutzen darf. Die finanzielle Abrechnung ist dabei von Krankenhaus zu Krankenhaus sehr unterschiedlich in Vertragsformen geregelt (vgl. ebd., 2002). Für die zwischenmenschliche Beziehung der Hebamme zu ihren zu betreuenden Personen bedeutet dies eine grundlegend andere Voraussetzung. Die Hebamme kennt die Frau/werdenden Eltern bereits aus der Schwangerschaft. Wenn die Geburt beginnt, betreut die Hebamme sie ggf. zunächst eine zeitlang zuhause, bis es sinnvoll erscheint in die Klinik zu fahren. Die Hebamme betreut dort die Frau/werdenden Eltern weiter, bis das Kind und die Plazenta geboren sind und eine Verlegung nach hause oder auf die Entbindungsstation möglich ist. Die Frau trifft bei dieser Betreuungsform also nicht auf ein ihr unbekanntes Gesicht, wenn sie im Krankenhaus eintrifft und hat im Normalfall auch keinen Wechsel der betreuenden Hebamme während der Geburt. Eine ähnliche Gegebenheit trifft auch bei der Geburtshausenbindung oder Hausgeburt zu, nur dass hierbei in der Regel kein Aufenthalt in der Klinik stattfindet. Im Gegensatz zu der Betreuung durch Hebammen bei Beleg-, Geburtshaus- oder Hausgeburten fordert die Tätigkeit in der Klinik ein enormes Maß an Empatiefähigkeit seitens der Dienst habenden Hebamme. In der Regel begegnet diese der Frau/ den Eltern in der Klinik zum ersten Mal. Die Frau lernt also ihre betreuende Person in einem Moment kennen, in dem sie sehr auf Zuwendung und Beistand angewiesen ist. Die Hebamme wiederum kennt weder die Lebenssituation der Frau/Eltern, noch sind ihr ihre Empfindungen und Wünsche bezüglich der anstehenden Geburt vertraut. Es ist also an ihr, neben den medizinisch relevanten Befunderhebungen ebenso einen persönlichen Zugang zu der Frau/den Eltern zu erreichen, um daraus ein für die Geburt nötiges professionelles Arbeitsbündnis entstehen zu lassen (vgl. Pairman, 1997)
Die Arbeit von Hebammen innerhalb ihrer freiberuflichen ambulanten Tätigkeit impliziert, dass sie fast immer sehr gute Kenntnisse über die individuellen Lebensumstände ihrer zu betreuenden Personen besitzen. Sei es, wenn sie diese in der Schwangerschaft, zur Hilfe bei Beschwerden und Vorsorgen zu hause aufsuchen oder auch Besuche im Wochenbett leisten. Sie können dabei durch die Nähe zu den sozialen Lebensbereichen der Frauen und ihrer Familien, Schwangerenvor- und Nachsorge praktischer, lebensnäher, effektiver und effizienter gestalten als in der arzt- und kliniktypischen Komm-Struktur. Die Einbeziehung der häuslichen
Verhältnisse und Lebenssituationen bewirken den besten Hintergrund für eine lebensnahe Betreuung (vgl. Collatz, 1993).
Diese eigenverantwortliche Form des Arbeitens als Hebamme ist möglich, da in Deutschland in erster Linie Hebammen für die physiologische Geburt zuständig sind und es ihnen ebenfalls erlaubt ist, physiologisch verlaufende Schwangerschaften und Wochenbettbetreuungen zu leiten (vgl. Horschitz Kurtenbach, 2003). Eine nähere Erläuterung hierzu folgt im nachstehenden Abschnitt 3.1.3.
Die vorbehaltenen Tätigkeiten und die Hinzuziehungspflicht von Hebammen, bzw. Ärzten sind vorerst folgendermaßen im Hebammengesetz festgehalten:
HebG §4, II. Abschnitt, Vorbehaltene Tätigkeiten, Hinzuziehungspflicht des Arztes:
(1) Zur Leistung von Geburtshilfe sind, abgesehen von Notfällen, außer Ärztinnen und Ärzten nur Personen mit einer Erlaubnis der Berufsbezeichnung ‚Hebamme’ oder ‚Entbindungspfleger’ ... berechtigt. Die Ärztin und der Arzt sind verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass bei einer Entbindung eine Hebamme oder ein Entbindungspfleger zugezogen wird. (2) Geburtshilfe im Sinne des Abs. 1 umfasst Überwachung des Geburtsvorgangs von Beginn der Wehen an, Hilfe bei der Geburt und Überwachung des Wochenbettverlaufs. (HebG, §4, 2010)
Da diese gesetzliche Regelung allerdings häufig missverstanden wird und zudem nur unzureichend die Tragweite von Hebammentätigkeit widerspiegelt, haben Horschitz und Kurtenbach (2003) hierzu nähere Erläuterungen verfasst. Sie stützen sich dabei auch auf die hinzuzuziehenden geltenden Berufsordnungen der einzelnen Länder in Deutschland und bestehende Gerichtsurteile bezüglich dieser Thematik. Aus diesen Erläuterungen zu §4 des Hebammengesetzes geht hervor, dass bei der Formulierung Die Ärztin und der Arzt sind verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass bei einer Entbindung eine Hebamme … hinzugezogen wird, diese Verpflichtung in umgekehrter Weise bei einer normal verlaufenden Entbindung nicht besteht. Das Gegenteil ist der Fall. Eine Hebamme darf eine normal verlaufende Entbindung allein, ohne die Hinzuziehung eines Arztes/ einer Ärztin leiten. Bei Komplikationen jedoch, hat sie einen Arzt hinzuzuziehen. In diesem Fall leitet die Ärztin/der Arzt die Geburt und die Hebamme ist deren Weisungen unterworfen. Zieht eine Hebamme, wie in Kliniken üblich, einen Arzt zur Geburt hinzu, so stehen sie gleichberechtigt nebeneinander. In beiden Fällen, bei einer hebammen- oder arztgeleiteten Entbindung reicht die Verantwortung der Hebamme allerdings soweit, dass sie für getroffene Fehlentscheidungen mithaftet (vgl. ebd., 2003).
Die Kompetenzüberschneidungen zwischen Ärzten und Hebammen sind allerdings nicht nur auf den Bereich der Geburtshilfe begrenzt. Wie bereits erwähnt sind Hebammen verpflichtet, beim Auftreten von Pathologien einen Arzt/eine Ärztin hinzuzuziehen. Dies gilt selbstverständlich auch während der Betreuung in der Schwangerschaft oder im Wochenbett.[1]
Die Hebamme folgt in einem solchen Fall den Anordnungen des Arztes/der Ärztin und führt dabei zudem, nach für sie geltenden Bestimmungen der Heilkunde, die Betreuung weiter im häuslichen Umfeld der Frau durch. Diese Handhabung verdeutlicht die unterschiedlichen Arbeits- und Therapieschwerpunkte von beiden Berufsgruppen. Während Ärzten/ Ärztinnen eher die Therapie von pathologischen Veränderungen obliegt, ist der Schwerpunkt von Hebammen eher in der Gesundheitsberatung zu finden. Traditionell bedingt arbeiten Hebammen dabei aus der Perspektive der Gesunderhaltung, bei auftretenden Komplikationen prospektiv mit Hausmitteln und Naturheilkundeverfahren (vgl. ebd., 2003).
Auch mit anderen Berufsgruppen kommt es im Tätigkeitsbereich von Hebammen zur Zusammenarbeit und zu Kompetenzüberschneidungen. Dies wären bspw. in der Betreuung von frühgeborenen oder fehlgebildeten Säuglingen die Zusammenarbeit mit Kinderärzten und Physio- oder Ergotherapeuten oder auch die Betreuung von Risikoschwangerschaften in enger Zusammenarbeit mit Gynäkologen (vgl. Zoege von Manteuffel, 2002).
Für das zuletzt erwähnte Beispiel zur Betreuung in der Schwangerschaft seien nochmals die Erläuterungen von Horschitz und Kurtenbach zu §4 des HebG angeführt. Sie verweisen auf die hier fehlende gesetzliche Verankerung zur Zuständigkeit von Hebammen im Schwangerschaftsverlauf. Die Begründung dafür ist jedoch darin zu finden, dass die vorbehaltenen Tätigkeiten im Bereich der Schwangerenvorsorge in der Gesetzesänderung im Jahr 2002 noch nicht normiert wurden. Der Gesetzgeber befürchtete damals, dass dadurch eine Reihe anderer nichtärztlicher Heilberufe, wie z.B. Diätassistenten, aus diesem Bereich verdrängt werden könnten. Aus Berufskreisen der Hebammen wird allerdings eine solche gesetzliche Normierung für den Bereich der vorbehaltenen Tätigkeiten gefordert. Horschitz und Kurtenbach verweisen dabei weiterführend auf eine Studie des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (1978), die zu folgendem Ergebnis kam:
Gesundheitliche Aufklärung über Lebensweise und Ernährung in der Schwangerschaft, Stillen, Geburtsvorbereitung, Selbstbeobachtung, Schwangerschaftsrisiken, Familienplanung gehören zu den Aufgaben, für die Hebammen besonders geeignet sind und die in ärztlichen Praxen im Allgemeinen nicht im notwendigen Umfang durchgeführt werden. Hebammen sollen diese Beratungen individuell während Sprechstunde und Hausbesuch und in Kursen durchführen. (Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, 1978; zit. n. Horschitz Kurtenbach, 2003, S. 36)
Wie bereits im vorangehenden Abschnitt 3.1.3 erwähnt, kommt es in den Tätigkeitsfeldern von Hebammen und im Speziellen auch im Bereich der Geburtshilfe zu Kompetenzüberschneidungen mit Ärzten/Ärztinnen. Wenn hier auch wie oben ausführlich erläutert wurde, die Zuständigkeiten gesetzlich definiert sind, kommt es gerade in der klinischen Praxis oft zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen Ärzten/Ärztinnen und Hebammen. Da es in Kliniken üblich ist, für die Anwesenheit von Arzt oder Ärztin auch bei normal verlaufenden Entbindungen zu sorgen, kann es leicht zu einem Interessenkonflikt durch Meinungsverschiedenheiten kommen. Mögliche Ursachen dafür sind einerseits in den bestehenden hierarchischen Krankenhausstrukturen zu finden, in denen Ärzte/Ärztinnen es gewohnt sind, die Entscheidenden/ Anordnenden zu sein, andererseits spielen zudem die in 3.1.3 erwähnten jeweilig unterschiedlichen Therapieschwerpunkte eine Rolle. Die Hebamme sieht sich in ihrer Funktion als Gesundheitsberaterin eher als Begleiterin denn als Leiterin der Geburt. Sie sieht eine Geburt zunächst als einen physiologischen Prozess an. Ihr primäres Anliegen dabei ist, die Frau in ihrer Wehenarbeit in einer ruhigen Atmosphäre zu unterstützen und sie zu motivieren, ihr Kind aus eigener Kraft zu gebären. Die Frau soll dadurch eine Stärkung des eigenen Selbstvertrauens erfahren und zusammen mit ihrem Partner/ Begleitperson ein möglichst harmonisches Geburtserlebnis haben. Gleichzeitig observiert sie als Fachfrau sehr genau den Geburtsverlauf, um bei eintretenden Komplikationen entsprechend zu reagieren. Nach ihrem Berufsverständnis, eine Geburt erstmal als ein natürliches Geschehen zu betrachten, steht sie medizinischen Interventionen zumeist kritisch
gegenüber (vgl. Schücking Schwarz, 2001a). Der Arzt/ die Ärztin hingegen betrachtet eine Geburt zumeist aufgrund seines/ihres Therapieschwerpunktes der Behandlung von Pathologie und der nicht Vorhersagbarkeit des Ablaufs einer Geburt a priori als potenzielle Risikogeburt (vgl. Berg Ulsenheimer, 2006). Durch diese Auffassung ist eine Umwandlung der Geburtshilfe in Geburtsmedizin schnell möglich und hat eine entsprechende intensive technische Überwachung und medizinische Interventionen, wie bspw. die Verwendung von wehenfördernden Mitteln zur Folge. Tatsächlich konnten Schücking und Schwarz (2001b) bei einer Analyse niedersächsischer Perinataldaten belegen, dass im Jahr 1999 nur 6,7 % aller Klinikgeburten ohne jegliche Interventionen abliefen. Solche medizinischen Interventionen können allerdings gravierende negative Auswirkungen auf das Geburtserleben der Frau haben. Technische Überwachung und der Einsatz von Medikamenten können leicht das Gefühl bei der Gebärenden auslösen, fremdbestimmt zu sein und nicht ohne Hilfe von außen ihr Kind auf die Welt bringen zu können (vgl. Duden, 2001).
Diese unterschiedlichen Auffassungen von Geburtshilfe aus berufsethischer Sicht können somit schnell zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Ärzten/Ärztinnen und Hebammen führen. Erschwerend hinzukommt dabei, dass die Leitung einer normal verlaufenden Entbindung zwar Hebammen obliegt, sie aber bei ärztlicher Anwesenheit mit diesem/dieser gleichberechtigt nebeneinander stehen und entsprechend beide die Verantwortung tragen (vgl. Zoege von Manteuffel, 2002).
Die Hebamme sieht sich in ihrer Rolle als Begleiterin und versucht partnerschaftlich ganz individuell auf die Interessen der Gebärenden einzugehen (vgl. Definition der Hebamme des ICM, 2005). Dabei kann es nötig sein, dass sie sich, wenn die geburtshilfliche Situation es zulässt, für die Rechte der Frau auch gegen die Meinung des Arztes/der Ärztin durchsetzt. Um allerdings ein entsprechendes professionelles Engagement zu zeigen, bedarf es neben vorhandener fachlicher und psychosozialer Kompetenz auch ein hohes Maß an beruflichem Selbstverständnis. Nur durch die Bindung an die eigene Profession kann es möglich sein, sich entgegen der Einstellung einer ansonsten im Krankenhaus vorgesetzten Person zu bekräftigen, zumal eine Hebamme beim Auftreten von Komplikationen wiederum an einen Arzt/ eine Ärztin und einer kooperativen Zusammenarbeit gebunden ist (vgl. 3.1.3).
Die Bedeutung der möglichen Entstehungen solcher Situationen verdeutlicht sich durch die genauere Betrachtung des Geburtsgeschehens in Deutschland. Zunächst einmal muss diesbezüglich festgehalten werden, dass annähernd alle Kinder in Deutschland in Kliniken geboren werden. Die QUAG (Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe) hat für das Jahr 2009 die außerklinisch geborenen Kinder mit einem Wert von 1,68% bezogen auf die
Anzahl aller in diesem Jahr Geborenen ermittelt. Ergeben hat sich dieser Wert aus den Angaben des statistischen Bundesamtes zur Gesamtzahl der geborenen Kinder, abzüglich der in Klinik geborenen. Als außerklinisch geboren werden dabei Kinder bezeichnet, die bei Hausgeburten (78,5%), in hebammengeleiteten Einrichtungen (21,4%) und in Arztpraxen (0,2%) das Licht der Welt erblickten (vgl. Loytved, 2009). Wie bereits unter 3.1.3 erwähnt, besteht die Norm, dass bei jeder Geburt eine Hebamme hinzugezogen werden muss. Im Jahr 2009 wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 667.464 Kinder geboren, davon 656.265 in Kliniken (vgl. QUAG, 2011). Anhand der hohen Zahl der Klinikgeburten verdeutlicht sich, wie häufig Hebammen innerhalb ihrer geburtshilflichen Tätigkeit der möglichen Situation eines Interessenkonflikts zwischen der eigenen Profession und der von Ärzten/ Ärztinnen begegnen können.
Wie im vorangegangenen Abschnitt erwähnt, ist die Anzahl der außerklinischen Geburten in Deutschland sehr gering. Einerseits ist dies nach wie vor auf die Auswirkungen der Technisierung der Medizin zurückzuführen, die Geburtshilfe in der Nachkriegszeit von zuhause in die Klinik verlagerte (vgl. Zoege von Manteuffel, 2002). Andererseits sind nur wenige Hebammen bereit, das hohe Maß der Eigenverantwortlichkeit und die immense Belastung der ständigen Bereitschaft für Geburten auf sich zu nehmen. Ständig erreichbar sein zu müssen, bedeutet für Hebammen eine gravierende Einschränkung ihrer Freizeit und damit im Privatleben. Hinzu kommt, dass die Haftpflichtprämien für die außerklinische Geburtshilfe, die Hebammen selbstständig abschließen, enorm gestiegen sind, bei gleichzeitig stagnierend geringen Gebühren, die hierfür berechnet werden können. Dies hatte im Jahr 2010 zur Folge, dass ca. 15% der freiberuflichen Hebammen die außerklinische Geburtshilfe aufgegeben haben. Aktuell laufen deutschlandweite Protestaktionen von Hebammen, die sich über die Landesverbände organisieren, um auf diese Umstände aufmerksam zu machen (vgl. Wolber, 2011).
Ganz im Gegensatz zur außerklinischen Geburtshilfe steht die Thematik des Wunschkaiserschnittes. Die deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe definiert einen Kaiserschnitt auf Wunsch oder auch eine sogenannte Wunschsectio darüber, dass diese ohne medizinische Indikation durchgeführt wird. Eine genaue Angabe über die Anzahl der Wunschsectios von allen durchgeführten Kaiserschnitten kann leider nicht gemacht werden, da für viele Ärzte/Ärztinnen die persönlichen Gründe der Frau ausreichen, um eine Indikation für eine primäre, also zeitlich geplante Sectio zu stellen. Daher taucht die Indikation Wunschsectio nur selten
auf (vgl. AWMF, 2001). Eine Kaiserschnittrate von 31,3 % aller geborenen Kinder im Jahr 2009 lässt allerdings erahnen, dass die Grenze zwischen medizinischer Indikation und persönlicher Gründe durchaus fließend sein kann (vgl. Bölt, 2011).
Für die Tätigkeit von Hebammen kann in diesem Zusammenhang jedoch festgehalten werden, dass sich damit ein Entscheidungsfeld für Frauen eröffnet, dem Hebammen kompetent beratend begegnen müssen (vgl. Zoege von Manteuffel, 2002). Dabei können sie leicht in einen berufsethischen Zwiespalt geraten. Auf der einen Seite wissen sie um die 2-3-mal höhere mütterliche Letalität bei einem Kaiserschnitt gegenüber einer Spontangeburt (vgl. Strauss Heer, 2006). Hinzu kommt, dass sie aus ihrer Grundhaltung heraus eine Geburt prinzipiell als einen natürlichen Vorgang betrachten (vgl. 3.1.4), der für die Entwicklung des Kindes und die Bindung zwischen Mutter und Kind von enormer Bedeutung ist (vgl. Lang, 2009). Auf der anderen Seite haben sie eine Frau vor sich, die einer Geburt eventuell mit Ängsten begegnet und deren Selbstbestimmung von der Hebamme geachtet und unterstützt wird.
Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Entscheidung für oder gegen einen Wunschkaiserschnitt ist die Tatsache, dass die Frau im Falle einer Durchführung eines solchen in Folgeschwangerschaften als Risikoschwangere gemäß den geltenden Bestimmungen der Mutterschaftsrichtlinien gilt (vgl. Glaubitz de Wall, 2000). Diese Bestimmungen wurden 1966 zur Schwangerenvorsorge eingeführt und dienen seither längst nicht mehr der Erkennung von lebensbedrohlichen Schwangerschaftserkrankungen, wie bspw. der Präeklampsie. Über sie werden inzwischen die überwiegende Mehrheit der Schwangeren als Risikoschwangere definiert, was entsprechend eine engmaschige Überwachung beim Facharzt/bei der Fachärztin zur Folge hat (vgl. Zoege von Manteuffel, 2002). Die daraus resultierende Pathologisierung und Medikalisierung der Schwangerschaft führt bei den Frauen dazu, dass sie verunsichert sind und Ängste entwickeln, statt guter Hoffnung zu sein (vgl. Urbschat, 2001). Für Hebammen bedeutet dies oft, dass sich Frauen nach einem Arztbesuch an sie wenden, um nach Rat und Aufklärung zu suchen und um Hilfe zu bitten (vgl. Zoege von Manteuffel, 1993). Auch hier zeigt sich wieder die unter Punkt 3.1.4 erläuterte unterschiedliche Sichtweise der ärztlichen Berufsgruppe und der von Hebammen. Während der ärztliche Focus hinsichtlich der Schwangerenvorsorge in dem Betrachten eines zu kontrollierendem Risikozustandes liegt, sieht die Hebamme eine Schwangerschaft als einen natürlichen Prozess im Leben von Frauen (vgl. Feldhaus-Plumin, 2005).
Ein zusätzlicher, mittlerweile fester Bestandteil in der Schwangerenvorsorge ist die Pränataldiagnostik, die Frauen und Paare in gravierende Entscheidungskonflikte stürzen kann. So ist es bspw. möglich, bereits in einer ersten Routineuntersuchung nach dem Feststellen der
Schwangerschaft per Ultraschall die so genannte Nackentransparenz beim Fetus zu messen. Dabei wird untersucht, ob sich eine übermäßige Flüssigkeitsansammlung im Nacken des Fetus gebildet hat, die ggf. vermuten lässt, dass das Kind statistisch gesehen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine chromosomale Fehlbildung oder einen Herzfehler haben kann (vgl. Baltzer et al., 2010). Dies ist nur ein Beispiel für die Möglichkeiten der Erkennung von Fehlbildungen des Ungeborenen durch die zunehmende Technisierung innerhalb der Medizin. Festzuhalten ist allerdings, dass es bei allen Untersuchungsmethoden vielmehr um die Selektion von fehlgebildeten Kindern als um die Behandlung von Krankheiten geht (vgl. Zoege von Manteuffel, 2002). So ist es in Deutschland gesetzlich möglich, einen Schwangerschaftsabbruch aus medizinischer Indikation durchzuführen, solange die Geburt nicht begonnen hat. Demnach also, bevor Geburtswehen eingesetzt haben oder ein Blasensprung erfolgt ist (vgl. Feldhaus-Plumin, 2005). Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass ein Schwangerschaftsabbruch aus medizinischer Indikation auch noch am Geburtstermin möglich ist. In diesem Fall erfolgt dann eine Tötung des Kindes im Mutterleib mittels Applikation von Medikamenten durch die Bauchdecke der Mutter in das Ungeborene. Anschließend wird dann die Geburt medikamentös eingeleitet, um das tote Kind zu gebären. Ist die Entscheidung gegen das mutmaßlich fehlgebildete Kind zu einem Zeitpunkt der Schwangerschaft getroffen, in dem es außerhalb des Mutterleibes ohne Hilfe nicht überlebensfähig ist, so wird entsprechend nur die Ausstoßung des Embryos durch Medikamente erzielt. Dies kann über mehrere Tage dauern und nicht selten versterben die Kinder erst nach der Geburt (vgl. ebd., 2005). Die Hinzuziehungspflicht von Hebammen gilt auch bei dieser Art von Geburten. Es ist eine große ethische, moralische und vielleicht auch religiöse Herausforderung, sich als Hebamme zu entscheiden, ob sie in einer Klinik, in der Schwangerschaftsabbrüche aus medizinischer Indikation durchgeführt werden, tätig sein möchte. Während sie aber die Entscheidung, dort zu arbeiten selbst treffen kann, wird sie innerhalb ihrer Tätigkeit bei der Betreuung von Schwangeren sowohl direkt als auch indirekt von den Auswirkungen der Pränataldiagnostik betroffen sein. Somit kommen Hebammen nicht umhin, die Konsequenzen ärztlichen Handelns mit zu tragen, ohne dabei den eigenen Standpunkt zu verlieren (vgl. Frühauf, 1991). Es ist zu einer Aufgabe von Hebammen geworden, Eltern bei der Entscheidungsfindung für oder gegen die Durchführung von Pränataldiagnostik oder auch für oder gegen die Durchführung eines medizinisch induziertem Schwangerschaftsabbruchs zu beraten, bzw. sie dabei zu begleiten. Die Begleitung oder Beratung stellt dabei für Hebammen eine große Herausforderung dar, insbesondere, wenn sie für sich selbst eine andere Entscheidung treffen würden oder sogar aus eigener Überzeugung die Pränataldiagnostik ablehnen. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Profession und dem
eigenen beruflichen Selbstverständnis ist dabei unabdingbar, um als Begleiterin von Frauen/Paaren, die ihre ganz eigene individuelle Lebensperspektive haben, adäquat erfüllen zu können.
Wie bereits unter dem Abschnitt 2.3.2 ausführlich erläutert, bestehen für Hebammenschulen und Fachhochschulen für Hebammenwissenschaft keine festen curricularen Verbindlichkeiten. Für die zu unterrichtende LE ist demnach zunächst lediglich obligat, das sie gemäß dem HebG im Bereich der Berufs-, Gesetzes- und Staatsbürgerkunde, der Grundlagen für die Hebammentätigkeit und von Sprache und Schriftum anzusiedeln ist (vgl. 2.3.2). Wie weiterführend unter Abschnitt 2.4 erläutert wurde, entstehen aktuell Möglichkeiten, die Hebammenausbildung in Form eines Studiums zu absolvieren. Auch hier muss sich aber gegenwärtig an die gesetzliche Vorgabe des HebG und der HebAPrV gehalten werden.
Der Deutsche Hebammenverband kritisiert diese derzeitigen Umstände und merkt an, dass weder die Berufsgesetze, noch die Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen ein strukturiertes Ausbildungscurriculum definieren. In einem Positionspapier heißt es entsprechend, dass die Einrichtung additiver Studiengänge und primär qualifizierender Studiengänge ein wichtiger Schritt sind, um eine zukunftsorientierte Berufsbildung anzustoßen (vgl. Braun et al., 2011).
Im folgenden Abschnitt wird nun eine Analyse der Lernvoraussetzungen vorgenommen, die die Lernenden zur Durchführung der geplanten LE mitbringen. Nach ausführlicher Literaturrecherche lassen sich die im Folgenden beschriebenen Erläuterungen leider nicht mit Daten aus der Forschung belegen, so dass diese auf Erfahrungswerte der Verfasserin beruhen. Lediglich aus der Landesgesundheitsberichterstattung (2010) lässt sich aufzeigen, dass die Ausbildungsquote hinsichtlich genehmigter Ausbildungsplätze und deren Besetzung von Hebammen in NRW mit 93,9 % sehr hoch ist. Die durchschnittliche Ausbildungserfolgsquote von 80,4 % weist auf einen hohen Anteil erfolgreicher Ausbildungsabschlüsse (vgl. MAGS, 2010). Erfahrungsgemäß stellt sich die Alterstruktur der Lernenden an Institutionen des Hebammenwesenssehr unterschiedlich dar. Als Zugangsvoraussetzung gilt eine absolvierte Schulbildung mit ggf. entsprechender Ergänzung einer weiteren berufbezogenen Bildung, wie in §7 des HebG erläutert. Dabei ist es möglich, dass von den ausbildenden Institutionen eine höhere Ausprägung an Lebenserfahrung geschätzt wird. Zudem stellt sich die Gruppengröße in den einzelnen Kursen der Institutionen mit 12 – 30 Lernenden sehr unterschiedlich dar (vgl. DHV, 2011).
Die Analyse der zu erwartenden Lernvoraussetzungen erfolgt zu dem Zweck der übersichtlichen Strukturierung unter der Perspektive des Dimensionierungsrasters für Lernziele nach B. Bloom et al.(1986) (vgl. Schwendenwein, 2000).
Durch die aktuellen bildungs- und berufspolitischen Entwicklungen (vgl . 2.4) und der damit verbundenen Akademisierung der Hebammenausbildung, ist davon auszugehen, dass die Auszubildenden zumeist eine Fachhochschul- oder Hochschulreife aufweisen und Analysen diesbezüglich konnten diese Annahme bestätigen (vgl. Zoege Manteuffel, 2002). Durch das Absolvieren der Oberstufe und aus bereits stattgefundenen Unterrichten innerhalb der Ausbildung/ des Studiums sind die Lernenden es gewohnt, Inhalte eigenständig oder in Gruppen zu erarbeiten. Sie sind in der Lage, diese dem Klassenverband vorzutragen und auch Handouts zur Weitergabe am Computer zu erstellen. Zudem haben alle Lernenden während ihrer Schullaufbahn Erfahrungen in Unterrichtsfächern wie Geschichte, Werte und Normen oder Ethik gesammelt, wodurch ihnen die Begegnung mit hier vorgesehen Inhalten nicht gänzlich neu sein wird (vgl. KMK, 2011).
Als Interessen fördernder Aspekt bezüglich der zu unterrichtenden LE, kann die unter 2.3.2 erläuterte Prüfungsrelevanz betrachtet werden. Erfahrungsgemäß erhöht dies die Motivation und Lernbereitschaft für die zu unterrichtenden Inhalte bei den Lernenden.
Diese Voraussetzungen zusammen mit den bereits in der Ausbildung gemachten Erfahrungen empfehlen sich in der geplanten LE zu nutzen.
Bevor die Lernenden sich an einer Hebammenschule beworben haben, haben sie sich mit dem Beruf Hebamme auseinander gesetzt. Ihre Deutungen haben sich dabei auf das gestützt, was die Berufsgruppe nach außen hin präsentiert (vgl. 2.1). Einige Lernende werden zu diesem Zweck aus Interesse ihre Mutter, Oma oder Freundin gefragt haben, wie sie ihr Geburtserlebnis empfunden haben. Wenn sie selbst bereits Kinder haben, werden sie sich erinnern, wie sie selbst den Vorgang der Geburt erlebt haben. Bei Befragungen ihrer Oma und Mutter, wirdihnen gegebenenfalls, je nach dem, welchem Geburtsjahrgang sie angehören (erst in den 50/60’er Jahren erfolgte die Verlegung der Hausgeburten in die Klinik) aufgefallen sein, wie unterschiedlich sich die Settings auf das Geburtserleben auswirken können. Bei diesem Vergleich, zwischen der eigenen Geburt, der ihrer Mutter oder Oma und dem was die Lernenden in der jetzigen Ausbildung im Krankenhaus erleben, dürfte zusätzlich der immense
Unterschied in dem Umgang mit Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett aufgefallen sein. Wenn sie selbst schon geboren haben, sind sie vielleicht sehr direkt von dem Berufsbild der Hebamme geprägt worden.
Einige werden, zudem bevor sie ihre Ausbildung begonnen haben, zur Orientierung Praktika bei freiberuflich tätigen Hebammen absolviert haben. Andere wiederum haben vielleicht bisher nur Tätigkeiten von Hebammen in der Klinik bei Praktika oder während ihres Kreissaal-Einsatzes erlebt. Eventuell werden einige bereits auf Hebammentagungen etc. erlebt haben, wie sich Hebammen untereinander im Verband organisieren.
Die gemachten Erfahrungen im Bereich der Hebammentätigkeiten können bei den einzelnen Lernenden wie im vorangegangenen Abschnitt erwähnt sehr unterschiedlich sein. Bisher haben sie alle aber Hebammen während ihrer Tätigkeit, teils in der Klinik, teils auch schon während absolvierter Praktika in der freiberuflichen Arbeit beobachtet.
Sie sind durch ihre bisherige praktische Ausbildungserfahrung im Krankenhaus in der Lage, unterschiedliche Handlungsmuster einzelner Hebammen zu differenzieren und können entsprechend eine gewisse Erwartungshaltung für Instruktionen ableiten. Dennoch wird die überwiegende Mehrheit der Lernenden zum jetzigen Zeitpunkt versuchen, innerhalb der Handlungen von Hebammen das beobachtbare Verhalten zu kopieren (vgl. Schwendenwein, 2000).
Die zu unterrichtende LE wird ein Beitrag sein, den Lernenden eine erweiterte Perspektive auf den Hebammenberuf zu verdeutlichen. Es wird ihnen helfen, mit einem veränderten Bewusstsein über das Berufsbild zukünftige Beobachtungen in ihr eigenes Verständnis zu integrieren.
In diesem Abschnitt geht es um die Darstellung, was eine Profession überhaupt kenn- und auszeichnet. Die soziologische Professionalisierungsdebatte reicht bis weit ins letzte Jahrhundert und darüber hinaus und scheint auch heute noch nicht endgültig beendet. Da diese Debatte aus soziologischer Sicht aber nicht Teil dieser Arbeit sein soll, wird auf eine ausführliche Darstellung aller Einfluss nehmenden Thesen und Modelle verzichtet. Stattdessen erfolgt eine kurze zusammenfassende Erläuterung einiger Theorien, dessen Aspekte bei der historischen Betrachtung der Entwicklung des Hebammenberufs als relevant einzustufen sind und somit zu einem Verständnis der Thematik beitragen. Ein besonderer Focus liegt dabei auf der Theorie Oevermanns, da seine Überlegungen zum Professionalisierungsbedarf der therapeutischen Berufe
insbesondere die aktuellen Entwicklungen der zunehmenden Akademisierung der Ausbildung entscheidend untermauern. Die Darstellung der Theorien, bzw. einiger Aspekte daraus erfolgt absichtlich unkritisch, da eine kritische Betrachtung dieser Theorien nicht Teil der zu unterrichtenden LE ist. Eine umfassende kritische Auseinandersetzung hat Zoege von Manteuffel (2002) in Hebammenausbildung - eine Untersuchung zur Qualifizierung von Hebammen vor dem Hintergrund der soziologischen Professionalisierungsdebatte vollzogen.
Zunächst zur Wortbedeutung des Begriffs Profession: Es stammt aus dem lateinischen und bedeutet übersetzt Beruf, Berufung oder auch Gewerbe (vgl. Alsleben, 2004).
Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein prägten die Vorstellungen von Professionen Berufe mit einer langen Wissenstradition, nämlich die Theologen, Mediziner und Juristen (vgl. Stichweh, 1994). Im Laufe der Geschichte aber kam es zu einer immer größeren Ausweitung dieser Berufe in neue Funktionsbereiche, Fachwissenschaften und Fachkulturen und damit zu der Bildung von weiteren Professionen. Dabei scheint es bei der Durchsetzung ihres Monopols für bestimmte Dienstleistungen immer um eine berufliche Aufwertung im Sinne von mehr Ausbildung und staatlicher Anerkennung zu gehen. Professionen bilden sich also in einem Professionalisierungsprozess, dessen Initiator die Berufsgruppe selbst ist, um einen Marktzugang erfolgreich zu kontrollieren (vgl. Combe Helsper, 1997). Aus soziologischer Sichtweise kann von Professionen nur in den Bereichen der Rechtspflege, der Medizin und der Theologie gesprochen werden. Begründung findet dies darin, dass Professionen ein besonderer Arbeitsbereich zugestanden wird, in dem sie besondere Aufgaben in gesellschaftlichen Bereichen übernehmen. Dies sind Aufgaben, die immer dort entstehen, wo „…es sich um ein existentielles, ohne spezialisiertes Wissen nicht mehr bewältigbares Problem einer individuellen Klientel … handelt … deren Bewältigung aber auch aus dem Blickwinkel der Allgemeinheit als bestandwichtige Reproduktionsgrundlage des Lebens in einer Gesellschaft angesehen und anerkannt werden muss“ (ebd., 1997, S. 21). Es muss also ein Problem vorliegen, dessen Lösung einerseits sowohl individuell, als auch gesellschaftlich von großer Wichtigkeit ist und das andererseits zu seiner Lösung Wissensbestände und Techniken erfordert, die dem Laien gewöhnlich nicht zugänglich sind.
In den systemtheoretischen Ansätzen wird davon ausgegangen, dass Professionen Aufgaben in der Gesellschaft zu erfüllen haben. In der strukturfunktionalistischen Sichtweise, als deren wichtige Vertreter Parsons (1939, 1951, 1968) und Goode (1967, 1977) zu erwähnen sind, ist davon auszugehen, dass Professionen durch die Übernahme dieser Aufgaben gleichzeitig Rechte und Pflichten zugeteilt werden. Zu den Rechten gehört eine vornehmliche Autonomie, also Selbstkontrolle des Berufstandes und zudem ein zugestandenes überdurchschnittliches Einkommen. Als Pflicht gilt im Umkehrschluss eine gewisse Orientierung am Allgemeinwohl (vgl. Mieg. In: Rauner, 2005). Parsons zufolge sind Professionen ein wichtiger Bestandteil moderner Gesellschaften, da „…viele der wichtigsten Züge unserer Gesellschaft weitgehend von einem reibungslosen Funktionieren der akademischen Berufe abhängig sind. Sowohl die Entwicklung, als auch die praktische Anwendung von natur- und geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen wird vorwiegend von den akademischen Berufen getragen“ (Parsons, 1968; zit. n. Kneer Schroer, 2010, S. 363).
Die objektive Berufssituation, also das zu erwartende hohe Einkommen und die gesellschaftliche Anerkennung, lenken dabei den Professionellen in seinem Handeln in die sozial erwünschte Richtung (vgl. Pfadenhauer Sander. In: Kneer Schroer, 2010).
In der machttheoretischen Sichtweise, in dessen Zusammenhang die Namen Johnson (1967, 1977) und Larsson (1977) zu erwähnen sind, gelten Professionen als wirtschaftlich-gesellschaftliche Machtträger. Durch die Kontrolle ihrer Berufsfelder definieren sie vorhandene gesellschaftliche Bedürfnisse und auch die entsprechenden Leistungen ihres Berufsstandes zur Erfüllung dieser. Die Orientierung am Gemeinwohl dient somit lediglich der Legitimation des Aufstiegs eines Berufsstandes (vgl. Mieg. In: Rauner, 2005).
Aus dem deutschsprachigem Raum soll an dieser Stelle Stichweh (1996) als Systemtheoretiker erwähnt werden. Dieser schreibt Professionen eine gesellschaftsgeschichtliche Bedeutung zu. Er spricht davon, dass sich in Funktionssystemen Leistungsrollen und Komplementärrollen heraus bilden, in denen bspw. Ärzte als Leitprofessionen die Leistungsrollen und Patienten die Komplementärrollen übernehmen. Aber eben nicht in allen Funktionssystemen findet sich eine Profession, die die Leistungsrolle übernimmt (vgl. ebd, 2005).
Innerhalb der Professionalisierungsdebatte wurde zudem immer wieder versucht, Professionalisierung als Prozess zu belegen. Wilensky (1964) beschrieb einen solchen Prozess im Folgenden:
1. Ein Job wird eine Vollzeittätigkeit, 2. es gibt eine Ausbildungsstätte, 3. es gibt einen Studiengang, 4. ein lokaler Berufsverband entsteht, 5. ein nationaler Berufsverband entsteht, 6. die staatliche Anerkennung erfolgt, 7. ein berufsethischer Kodex kommt auf.
Abbot (1991) konnte daneben aufzeigen, das dieser Prozess auch in unterschiedlicher Reihenfolge ablaufen kann (vgl. Rauner, 2005).
Anhand eines solchen Merkmalskatalogs prägte Etzioni (1969) den Begriff der Semi-Professionen. Im Focus seiner Betrachtung lagen dabei unter anderem vor allem auch Ärzte und Krankenschwestern, dessen Geschlechtsbezeichnung im Jahr 1969 den damals herrschenden Bedingungen entsprechend angebracht scheint. Nach der Ansicht von Etzioni, bedarf es als Profession dazu, eine mindestens 5-jährige Ausbildung zu absolvieren, in der Lage zu sein, Wissen sowohl zu erzeugen, als auch anzuwenden, über eine autonome Selbstkontrolle innerhalb der eigenen Berufsgruppe, sowie über die Kontrolle von Ausbildungsinhalten zu verfügen. Zudem obliegt es Professionellen, eigenständige Entscheidungen zu treffen. Semi-Professionelle seien entsprechend in einer wesentlich kürzeren Zeit ausgebildet und kommunizieren das erlernte Wissen lediglich, ohne es produziert zu haben. Zudem führen sie lediglich Entscheidungen aus und fällen diese nicht selbst und werden dabei von den Professionsangehörigen und Institutionen, in denen sie arbeiten, kontrolliert. In seinen weiteren Ausführungen bringt er dann erstmals den Aspekt der Geschlechterhierarchie ein, in dem er den typischen Professionellen als männlich und die typische Semi-Professionelle als weiblich bezeichnet. Er stellt dann noch weitere vorsichtige Überlegungen bezüglich der Ursache dessen an, führt diese jedoch nicht weiter aus (vgl. Zoege von Manteuffel, 2002).
Wetterer (1993) klärt diese Überlegungen Etzionis auf, indem sie zu Recht darauf verweist, dass Frauen der Zugang zu Professionen, wie bspw. einem Medizinstudium, bis ins letzte Jahrhundert hinein verschlossen blieb. Vielmehr erhielten Frauen eine Degradierung in typische Frauenberufe, wie z.B. dem Hebammenberuf und Assistenzberufe, wie z.B. der Krankenpflege. Durch eine Verbündung mit Staat und Kirche konnten die Mediziner sich das Recht sichern, eine männliche Monopolstellung im Bereich der Heilkunde einzunehmen. Frauen hingegen wurde durch die Zuschreibung typischer weiblicher Eigenschaften eine Nicht-Eignung zum Arztberuf unterstellt (vgl. Wetterer, 1993).
Somit hatte der Geschlechteraspekt einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung von Berufsständen auf dem Weg der Professionalisierung und folglich im Speziellen auch auf die Entwicklung des Hebammenstandes.
Nach diesem kurzen Einblick in soziologische Ansätze der Professionstheorien, erfolgt nun eine Erläuterung des jüngeren Ansatzes von Ulrich Oevermann. Der besondere Focus wird auf diesen Ansatz gelegt, da Oevermann einen zur Zeit sehr relevanten Aspekt in seine Überlegungen einbezieht: Die Professionalisierungsfähigkeit und die Professionalisierungsbedürftigkeit von Berufen, für die er insbesondere die therapeutischen Berufe in Betracht zieht, zu denen, wenn auch etwas abstrakt, der Hebammenberuf gezählt werden kann (vgl. 3.1 ff). Im Folgenden wird seine Theorie allerdings nur sehr knapp in tabellarischer Form erläutert, um zu verdeutlichen, welche Aspekte hieraus für die geplante LE relevant und im Unterricht zu vermitteln sind. Umfassendere Erläuterungen der Theorie, die auch unter anderem die Bedeutung eines wissenschaftlichen Habitus für die derzeitig stattfindenden Professionalisierungsentwicklungen des Hebammenberufs aufzeigen, sind, um den Rahmen der Arbeit nicht zu übersteigen, unter Anhang 1 erklärt. Die generelle Haltung Oevermanns zur Ausbildung professionell Handelnder verdeutlicht seine folgende Aussage: „Die außerhalb der wissenschaftlichen Forschung tätigen…klientenbezogenen Professionen benötigen einen Forschungshabitus grundsätzlich allein deshalb schon, weil sie in der Lage sein müssen, die jederzeit mögliche Krise in der Anwendung standardisiertem Wissens und standardisierter Praktiken ihrer Expertise…selbstständig lösen zu können“ (Oevermann, 2003, S. 28).
Tabelle 1: Theoretische Skizze einer revidierten Theorie professionalisierten Handelns
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Zu Inhalt Tabelle: vgl. Oevermann. In: Combe Helsper, 1997)
[...]
[1] Zur Darstellung der Eigenverantwortlichkeit von Hebammen und den teilweise fließenden Grenzen zur Hinzuziehungspflicht haben Horschitz und Kurtenbach (2003) hierzu ein Beispiel aus einem Zwischenbericht des Instituts für Entwicklungsplanung und Strukturforschung der Universität Hannover (1991) herangezogen: Betreut eine Hebamme eine Frau im Wochenbett mit einem beginnenden Milchstau, so ist sie zunächst laut Berufsordnungen und Gebührenordnungen für Hebammen dazu berechtigt Hilfe zu leisten. Durch die stattfindenden Hausbesuche kann sie frühzeitig die Symptome entdecken und kennt zudem die Umgebung und damit eventuell vorhandene begünstigende Faktoren für einen Milchstau, wie z.B. Stress. Sie kann daher durch das frühzeitige Ergreifen von intervenierenden Maßnahmen, bspw. der Vermeidung von Stress oder dem häufigen Entleeren der Brust, gegebenenfalls eine ausgereifte Mastitis (Brustentzündung) verhindern. Leidet die Frau allerdings an einer akuten Mastitis mit Fieber, so ist die Hebamme verpflichtet einen Arzt/ eine Ärztin hinzuzuziehen. (Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung der Universität Hannover, 1991; In: Horschitz Kurtenbach, 2003, S. 37)
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