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Masterarbeit, 2014
121 Seiten, Note: 1,3
Abstract
Einleitung
I. Theoretischer Teil
1 Texte
1.1 Begriffsklärung
1.2 Umgang
1.3 Arten
1.4 Funktionen
1.5 Informationsverarbeitung
2 Bilder
2.1 Begriffsklärung
2.2 Umgang
2.3 Arten
2.4 Funktionen
2.5 Informationsverarbeitung
3 Gestaltungselemente von Texten und Bildern
3.1 Gestaltungsgesetze
3.2 Farben
3.3 Schriften
4 Visual Literacy
4.1 Medienkompetenz
4.2 Unterrichtsmedien
5 Kombinationsmöglichkeiten von Texten und Bildern
5.1 Komplementäre und redundante Kombinationen
5.1.1 Wissensstrukturformen
5.1.2 Lernen
5.2 Verbale und non-verbale Informationsverarbeitung
5.3 Probleme bei Text-Bild-Kombinationen
II. Konzeptioneller Teil ,
6 Handreichung zur Erstellung von Text-Bild-Materialien
6.1 Auswahl eines Bildungsganges: Berufliches Gymnasium ihr Gesundheit
6.2 Auswahl eines Inhaltsbereiches: Herz-Kreislauf-System und Arteriosklerose
6.3 Planungsraster zur Erstellung von Text-Bild-Materialien
6.3.1 Planungsraster und Text-Bild-Material 1 zum Herz-Kreislauf-System
6.3.2 Planungsraster und Text-Bild-Material 2 zum Gefäßsystem
6.3.3 Planungsraster und Text-Bild-Material 3 zum Krankheitsbild
6.3.4 Planungsraster und Text-Bild-Material 4 zur Krankheitsentstehung
6.3.5 Planungsraster und Text-Bild-Material 5 zu den Risikofaktoren
6.3.6 Planungsraster und Text-Bild-Material 6 zur Folgeerkrankung „Herzinfarkt“
6.4 Checkliste für Lehrende
Fazit
Literatur- und Quellenverzeichnis
Anhang
1 Themenanalyse zum Inhaltsbereich „Herz Kreislauf-System“
2 Vorläufiger Lehrplan (Auszüge): Berufliches Gymnasium NRW
3 Prüfliste zur Erstellung von Text-Bild-Materialien
4 Evaluationsbogen für Lehrende
Abbildung 1. Die drei Stufen des Lesens (eigene Darstellung; Inhalte nach Ballstaedt,
1994, S.12-13) 6
Abbildung 2. Klassifizierung von Texten nach Halbbauer et al. und Doelker (eigene Darstellung, Inhalte aus Halbbauer et al., 2010, S.16; Doelker, 2002, S.65-67) 9
Abbildung 3. Überblick über die Funktionen bei Texten (eigene Darstellung, Inhalte aus Straßner, 2002, S.18; Kroeber-Riel, 1996, S.14) 10
Abbildung 4. Kontinuum der kognitiven Verarbeitung bei Texten (eigene Darstellung, Inhalte aus Ballstaedt, 2012, S.30-40) 12
Abbildung 5. Klassifizierung der Bilderarten und ihrer Sorten (eigene Darstellung, Inhalte aus Schnotz, 2009, S.162; Schnotz, 2002, S.65-66) 18
Abbildung 6. Beispiel für ein logisches Bild „Stau = Einengung des Lumens bei Arteriosklerose“ (eigene Darstellung) 21
Abbildung 7. Kontinuum des Realitätsgrades von Bildarten (eigene Darstellung, Inhalte aus Schnotz, 2009, S.162; Straßner, 2002, S.17-18; Schneider, 1999, S.4-5) 23
Abbildung 8. Drei Fingerregel (Network, 2014) 24
Abbildung 9. Farbkreis (eigene Darstellung, modifiziert nach Franck & Stary, 2006, S.104) 30
Abbildung 10. Verhältnis der einzelnen Begrifflichkeiten - Visual Literacy,
Medienkompetenz, Bild- und Lesekompetenz (eigene Darstellung, Inhalte aus Schaper, 2012, S.32-33; Dörr & Strittmatter, 2002, S.34-35) 33
Abbildung 11. Zusammenhang zwischen Visual Literacy, Medienkompetenz sowie Lese- und Bildkompetenz (eigene Darstellung, Inhalte aus Dörr & Strittmatter, 2002, S.34-35; Schaper, 2012, S.31-32; Tulodziecki et al., 2010, S.181) 35
Abbildung 12. Determinanten des Lesekompetenz (eigene Darstellung, Inhalte aus BMBF, 2007, S.12-13) 36
Abbildung 13. Bestandteile der Bildkompetenz (eigene Darstellung, Inhalte aus Bamford, 2007, S.63-67) 38
Abbildung 14. Überblick Kombinationsmöglichkeiten (eigene Darstellung) 41
Abbildung 15. Grundformen der Wissensstrukturformen (eigene Darstellung, Inhalte aus Pahl & Ruppel, 2008, S.158; Schneider & Welling, 2005, S.364-365) 44
Abbildung 16. Stufen der Verarbeitung (eigene Darstellung, Inhalte aus Schnotz, 2002, S.68-69) 52
Abbildung 17. Das menschliche Gehirn - zwei Hemisphären und ihre Aufgaben (eigene Darstellung, modifiziert nach Toman, 2012, S.149) 54
Abbildung 18. Informationsverarbeitung im Drei-Speicher-Modell (eigene Darstellung, Inhalte aus Anderson, 2007, S.211) 56
Abbildung 19. Zugehörigkeiten der Anlagen am Berufskolleg (eigene Darstellung, Inhalte aus APO, 2013, S.4-42) 60
Abbildung 20. Lokalisation des Herzinfarktes (eigene Darstellung) 65
Tabelle 1: Verschiedene Vorgehensweisen beim Lesen und Erschließen eines Textes - ein Vergleich (eigene Darstellung) 7
Tabelle 2: Beispiele zu realistischen Bildern (eigene Darstellung, Inhalte aus Schneider, 1999, S.4-5) 19
Tabelle 3: Beispiele zu logischen Bildern (eigene Darstellung, Inhalte aus Straßner, 2002, S.13-16) 20
Tabelle 4: Beispiele zu Analogiebildern (eigene Darstellung, Inhalte aus Schnotz, 2009, S.162; Duwendag et al., 1999, S.19) 22
Tabelle 5: Überblick zu Text versus Bild (Inhalte aus Straßner, 2002, S.13-16; Ballstaedt, 2012, S.40-60 & Franck & Stary, 2006, S.11-20) 49
Tabelle 6: Unterscheidung zwischen Mono- und Multicodal (eigene Darstellung; Inhalte aus Weidenmann, 2002a, S.47) 53
Tabelle 7: Checkliste zur Erstellung von Text-Bild-Materialien (eigene Darstellung).. 87
Tabelle 8: Prüfliste - zu berücksichtigende Aspekte bei der Erstellung von Text-BildMaterial 111 „Mischwald ist besser als Monokultur“ (Hilbert Meyer, 2010, S.164)
In diversen Medien - wie Zeitungen, Fachzeitschriften, Schul- und Lehrbücher, Plakate, Fernsehsendungen sowie Internet, die uns im Alltag begegnen - werden wir mit Texten, Bildern und verschiedenen Kombinationen von beiden Medien konfrontiert. Vor allem Bilder nehmen im heutigen Zeitalter eine zentrale Rolle als Wissensvermittler ein und werden auch in Zukunft eine zunehmend wichtigere Bedeutung haben, da die nachrückende Generation vor allem „visuell eingestellt“ ist und darüber ihre zentralen Informationen bezieht bzw. beziehen wird. (Niehoff & Wenrich, 2007, S.21). Für das Verstehen von Bildern - insbesondere im naturwissenschaftlichen, medizinischen und pflegerischen Bereich - bedarf es auf Seiten des Gestalters als auch auf der Seite des Rezipienten einiger zentraler Kompetenzen, um die komplexen Phänomene, Abläufe und Zusammenhänge durch Bilder einerseits darzustellen und andererseits zu interpretieren, damit das intendierte Lehrziel auch beim Lernenden erreicht wird. Beim Einsatz von Bildern geht es häufig darum, Fakten auf vereinfachte Weise darzustellen. Auffällig ist jedoch, dass ein Bild häufig in der dekorierenden Komponente zu Texten eingesetzt wird (Niehoff & Wenrich, 2007, S.22-23). Dabei wird das Potenzial von Bildern häufig unterschätzt und demzufolge nicht voll ausgeschöpft. Werden hingegen komplexe Phänomene allein durch Texte beschrieben, konnte nachgewiesen werden, dass sie nicht zum anhaltenden Verständnis und zur Informationsspeicherung beisteuern. Erst eine sinnvolle Kombination von Text und Bild in Unterrichtsmaterialien kann zur optimalen Informationsaufnahme, -verarbeitung und -speicherung im Gedächtnis der Lernenden beitragen (Schnotz, 2009, S.164). Die Verwendung von geeigneten Text-BildKombinationen im Unterricht geschieht jedoch selten (Schneider & Walter, 1992, S.7). Demzufolge ist das Wissen über die geeigneten Kombinationsmöglichkeiten von Bildern und Texten für Lehrer und Lehrerinnen[1] eine notwendige Voraussetzung, damit effizientes und nachhaltiges Lehren und Lernen stattfinden kann (Niehoff & Wenrich, 2007, S.21-22).
Die vorliegende Arbeit verfolgt dementsprechend das Ziel, Grundlagen für eine professionelle Erstellung, einen qualifizierten Einsatz und einen effektiven Umgang von Text-Bild-Materialien im schulischen Kontext zu vermitteln. Dies wird in Form einer Handreichung für Lehrende gewährleistet. Des Weiteren soll der Frage nachgegangen werden, welche optimalen Kombinationsmöglichkeiten es themenspezifisch für den gezielten Einsatz von Texten und Bildern gibt und welche Gestaltungsaspekte beachtet werden müssen, damit ein leserfreundliches und gut assimilierbares Informationsmaterial entsteht.
Ausgehend von einer ausführlichen Erklärung der beiden Darstellungsformen Text und Bild im theoretischen Teil dieser Arbeit werden im weiteren Verlauf die unterschiedlichen inhaltlichen Beziehungen, die zwischen Texten und Bildern existieren, näher beleuchtet. Der Fokus liegt dabei auf den verschiedenen Informationsverarbeitungssystemen. Des Weiteren findet eine Konkretisierung möglicher Gestaltungsaspekte von Texten und Bildern statt. Ein weiteres Augenmerk wird der Visual Literacy geschenkt, indem die Differenzierung der Medienkompetenz in Bild- und Lesekompetenz sowie deren Einfluss auf den Prozess des Lernens näher erläutert werden. Der theoretische Teil schließt mit den Kombinationsmöglichkeiten von Texten und Bildern ab.
Im konzeptionellen Teil der Arbeit findet eine begründete Auswahl des Bildungsganges „Berufliches Gymnasium“ und der Thematik „Arteriosklerose“ statt. Daran anknüpfend wird eine Hilfestellung zur Erstellung von Text-Bild-Materialien in Form einer Handreichung entwickelt. Im letzten Teil der Arbeit erfolgt dann eine beispielhafte Umsetzung verschiedener Informationsmaterialien zur Thematik „Arteriosklerose“ aus dem Bereich des Herz-Kreislauf-Systems für den gewählten Bildungsgang.
Die vorliegende Arbeit schließt mit einem Fazit, das Schlussfolgerungen für den unterrichtlichen Einsatz aus Sicht der Lehrenden und Lernenden beinhaltet, ab.
Theoretischer Teil
Unter dem Begriff „Visualisieren“ wird die Darstellung von Sachverhalten verstanden. Ziel eines Visualisierungsprozesses ist es, „[...] den zu beschreibenden Sachverhalt oder Gegenstand einen Ausdruck zu verleihen, ihn abzubilden und so dem Adressaten, als Empfänger der geschaffenen Visualisierung, eine Vorstellung vom Inhalt zu vermitteln“ (Stary, 1997, S.8). Darüber hinaus helfen Visualisierungen, „[...] Aufmerksamkeit zu wecken und aufrecht zu erhalten, Zusammenhänge deutlich zu machen, ihre Kernaussagen hervorzuheben und [.] zentrale Botschaften beim Publikum nachhaltig zu verankern“ (Franck & Stary, 2006, S.20). Eine Auswahl in der didaktischen Aufbereitung trifft der Lehrende zwischen den Visualisierungsformen Text, Bild oder einer Kombination aus beiden. Grundsätzlich gilt die Empfehlung, bei abstrakten Sachverhalten Texte zu wählen sowie bei konkreten Sachverhalten Bilder zu verwenden (Stary, 1997, S.15). Andere Autoren behaupten genau das Gegenteil. Eine gezielte Kombination beider Visualisierungsformen zur Darbietung von Informationen stellt einen guten Kompromiss dar. Wobei die Entscheidung immer in Abhängigkeit von der Intention und der Thematik getroffen werden sollte. Wie dieses gelingen kann wird in den nachfolgenden Kapiteln näher erläutert.
Texte und Bilder können in unterschiedlicher Form visualisiert werden. Bei der Kombination beider Visualisierungsformen - also von Text und Bild - wird auf das „alte“ Anschauungsprinzip von Comenius zurückgegriffen. Dabei werden die Informationsaufnahme und -verarbeitung für den Betrachter[2] so anschaulich wie möglich gestaltet, damit die dargebotenen Informationen besser zu verstehen sind. Verstehen im Zusammenhang von Text und Bild bedeutet nach Mangold (2007, S.137-139) auch, dass durch geeignete Informationsstrukturen im Gedächtnis eine Basis gebildet wird, die es ermöglicht, dass Wissen in Zusammenhängen abgebildet wird und keine Lücken entstehen. Mit derartigen Phänomenen des Denkens und Lernens beschäftigt sich die Kognitionspsychologie (Anderson, 2007, S.186).
Im Rahmen der Wortsprache werden Texte in kontinuierliche (durchgängige Informationen) und diskontinuierliche (mit Lücken versehene) Texte unterschieden. Texte stellen neben Bildern eine mögliche Darstellungsform dar.
Texte dienen dazu Informationen aufzubereiten, damit diese zielgruppengerecht dargestellt werden können (Doelker, 2002, S.61). Sie stellen auf diese Weise eine Veröffentlichung des Autors dar (Ballstaedt, 1997, S.5). Nach Schnotz (2009, S.156) besteht ein Text aus Worten und Sätzen, die sich anschließend zu einem Gefüge bzw. einer Sammlung verschiedener Zeichen zusammensetzen. Diese Zeichen werden in Form von Substantiven, beschreibenden Adjektiven oder durch Verben und Präpositionen angeordnet dargeboten. Die einzelnen Satzbausteine werden in Relation zueinander gesetzt, sodass die Anordnung dieser einen Sinn ergibt (Schnotz, 2009, S.156). Straßner (2002, S.17) sieht in Texten die grundlegenden Einheiten der Sprache realisiert. Texte werden zudem durch ihre Reihenfolge sowie der syntaktischen Anlage des Textes (Muster, Art etc.) optisch wahrgenommen (Schnotz, 2009, S. 159).
Bei der Klassifikation von Texten werden einsträngige (= monogene) Texte von mehrsträngigen (= plurigene) Texten unterschieden (Doelker, 2002, S.64-65). Bei einem einsträngigen Text stammen die Zeichen aus einer Ebene. Dabei handelt es sich um einfache, z.B. auditive Darbietungen eines Textes wie ein Hörspiel. Die Wahrnehmung hierbei ist für den Sender dieselbe wie für den Empfänger (Doelker, 2002, S.64). Mehrsträngige Texte hingegen bedienen mehrere Ebenen, wie z.B. die visuelle und auditive Ebene (Doelker, 2002, S.64-65). Erst beim Empfänger werden unterschiedlich ankommende Reize aus den verschiedenen Ebenen zu einer geschlossenen Wahrnehmung von Informationen zusammengefügt (Doelker, 2002, S.65). Texte bieten demzufolge eine mögliche Form der Informationsdarbietung, indem sie aufbereitete Sachverhalte repräsentieren (Schnotz, 2009, S.156). Sie werden in Abhängigkeit von der Intention des Autors oder des Sprechers zu einer Thematik verfasst (Straßner, 2002, S.17). Außerdem dienen Texte dazu, einen Sachverhalt konkret und mit allen Details darzustellen. Ihre Informationsweitergabe ist unabhängig von dem beschriebenen Sachverhalt bzw. Inhalt sowie der Zeit (Schneider & Walter, 1992, S.15). Dies trägt dazu bei, dass Texte einen hohen Stellenwert in der Informationsvermittlung haben: Sie fungieren als Hilfsmittel, Informationen wie z.B. kulturelle Traditionen über Generationen festzuhalten (Schneider & Walter, 1992, S.15).
Neben der genannten Klassifizierung bestehen Texte zusätzlich aus deskriptionalen Repräsentationen, d.h. aus Sätzen zusammengefugter Wörter, die letztlich als Symbole eines Zeichensystems zu verstehen sind. Diese stehen mit dem von ihnen Bezeichneten in einem willkürlich festgelegten Verhältnis (Schnotz, 2009, S.159). Die willkürlich festgelegte Beziehung beruht auf Konventionen und nicht auf Ähnlichkeitsbeziehungen, da weder das grafische Wortbild noch das auditive Klangbild eines Wortes eine Ähnlichkeit zum bezeichneten Sachverhalt aufweisen (Schnotz, 2002, S.66).
Im Folgenden werden beispielhaft drei Modelle zur Erschließung von Texten vorgestellt. Halbbauer, Hungerkamp, Pigulla & Schneider (2010, S.16-20) gehen von vier Arbeitsschritten aus, die für ein Verständnis von Textinhalten elementar sind.
Im ersten Schritt wird der Text zügig überflogen, um eine schnelle Einarbeitung in die Thematik zu gewährleisten.
Im zweiten Schritt werden im Text Schlüsselbegriffe herausgesucht und diese anschließend markiert. Dieses Vorgehen ermöglicht das Herausstellen eines erkennbar roten Fadens im Text. Zudem dient es dem schnellen Behalten von Inhalten.
Im dritten Schritt ist es hilfreich, einzelne Inhalte des Textes z. B. am Seitenrand zusammenzufassen. Dieses Vorgehen, bei dem die Quintessenz eines Sinnabschnittes in eigenen Worten herausgearbeitet wird, führt zu einer tieferen Auseinandersetzung als allein nur Schlüsselbegriffe zu markieren.
Im vierten Schritt kann abschließend durch die vorherigen Schritte eine Gliederung erstellt werden.
Die beschriebene Abfolge von Teilschritten führt zur Texterschließung und somit zum besseren Verstehen und Behalten der Information aus dem Text.
Das Modell von Ballstaedt (1994, S.12-13) skizziert in diesem Zusammenhang ein dreistufiges Konzept, wobei der Fokus auf dem Lesevorgang liegt. Dieser gestufte Lesevorgang wird in der Abbildung 1, S.6 dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1. Die drei Stufen des Lesens (eigene Darstellung; Inhalte nach Ballstaedt, 1994, S.12-13).
Das Stufenmodell ist nach drei aufeinander folgenden Schritten aufgebaut: Erkennen von Wörtern, Verstehen von Sätzen und Satzfolgen sowie dem abschließenden Einbau in das Vorwissen (Ballstaedt, 1994, S.12-13).
Im ersten Schritt findet die Identifikation von Wörtern statt, wobei eine Anordnung dem konventionellen Schema - von links nach rechts - folgt. Diese Bedingung ist eine hilfreiche Voraussetzung zur schnelleren Worterkennung.
Im zweiten Schritt werden durch das Zusammenspiel von Syntax und Semantik die Wortfolgen aufeinander bezogen und in ein strukturiertes Gesamtgefüge gebracht.
Im dritten Schritt werden die gewonnenen Informationen aus den vorherigen Schritten in das vorhandene Wissen integriert.
Rüller beschreibt eine weitere Vorgehensweise wie Texte gelesen und verarbeitet werden (1999, S.14-15). Er kommt zu dem Schluss, dass Texte so aufbereitet sein müssen, dass kognitive Prozesse während des Lesens berücksichtigt werden können. Texte sollten demzufolge immer nach einem Stufenmodell gelesen und bearbeitet werden. Sein Stufenmodell sieht drei Schritte vor.
Im ersten Schritt werden nicht verstandene Begriffe und Inhalte unterstrichen und geklärt.
Im zweiten Schritt findet eine Unterscheidung und Zuordnung der Inhalte nach übergeordneten Kategorien wie beispielsweise Ziele oder Maßnahmen statt.
Im dritten Arbeitsschritt werden die Inhalte in übergeordnete Zusammenhänge verarbeitet und gespeichert.
Neben den aufgeführten Schritten zum Umgang mit Texten wird das Verstehen von Texten durch die Lesekompetenz beeinflusst (diese wird im Kapitel 4.1 erläutert). Tabelle 1, S.7) stellt die verschiedenen Vorgehensweisen beim Lesen und Erschließen von Texten, der oben aufgeführten Autoren zusammengefasst dar. Das Lesen umfasst demnach mehr als das Entschlüsseln von Zeichen und auch mehr als das Aneinanderreihen von Buchstaben in der richtigen Reihenfolge. Die Bedeutung der Wörter muss klar sein. Erst durch das Verstehen wird lesen zum Lesen.
Tabelle 1: Verschiedene Vorgehensweisen beim Lesen und Erschließen eines Textes - ein Vergleich (eigene Darstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1.3 Arten
Im Umgang mit Texten ist die Unterscheidung von Textarten nicht nur für den Rezipienten (Empfänger), sondern auch für den Effektor (Ersteller) von hoher Relevanz. Halbbauer et al. (2010, S.16) unterscheiden folgende Textarten:
-Sachtexte,
-Dokumente
-und Berichte.
Sachtexte informieren den Leser über Fakten. Sie sind strukturiert, eindeutig und objektiv gestaltet. Ausgewählte Beispiele sind Texte in Lehr- und Schulbüchern, Beschreibungen im Duden oder Reportagen. Die Textart der Dokumente umfasst allgemeine Schriftstücke, welche häufig amtlich sind. Hierzu gehören Urkunden oder Zeugnisse. Berichte hingegen beinhalten in der Regel einen Sachverhalt oder eine Handlung. Dieser Gegenstand wird aus Sicht einer Person beschrieben, ohne dass dabei eine Wertung vorgenommen wird. Bei der Erstellung eines Berichtes kann die Struktur von W-Fragen hilfreich sein. Hierzu gehören Fragen wie beispielsweise Wer?, Wo?, Wann?, Was?, Wie?. Ein ausgewähltes Beispiel für einen Bericht ist ein Zeitungsartikel. (Halbbauer et al., 2010, S.16).
Doelker (2002, S.65-67) nimmt eine weitere Klassifikation von Textarten vor. Er unterscheidet zwischen Gebrauchstexten, Dokumentarischen Texten, Fiktionalen Texten, Ludischen und Intentionalen Texten. Gebrauchstexte stellen Beschreibung dar, hierzu gehören z.B. Gebrauchsanweisungen. Dokumentarische Texte hingegen tragen ein Vermitteln von sachlichen Informationen an den Leser bzw. Lernenden heran (Doelker, 2002, S.65-66). Ein Beispiel hierfür ist ein Text in einem Schulbuch. Diese Definition nach Doelker ähnelt der vorher erwähnten Definition von Sachtexten nach Halbbauer et al. Fiktionale Texte sind durch die nicht überprüfbare Wirklichkeit gekennzeichnet. Nach Doelker (2002, S.66) kommen Fiktionale Texte „(...) ohne eine Referenz, ohne einen Referent in der Wirklichkeit“ nicht aus. Ein Beispiel hierfür sind Märchen oder Krimis. Ludische Texte folgen ihren eigenen Regeln sowie dem ästhetischen Selbstzweck (ebd., S.66). Hierzu gehören beispielsweise Spieldarbietungen, Wettspiele oder Ratespiele. Intentionale Texte verfolgen das Ziel einer absichtsvollen Informationsvermittlung in Form eines Textes wie bei Werbebotschaften oder einer Propaganda (Doelker, 2002, S.67).
Eine eindeutige Klassifizierung von Texten zu Textarten besteht nicht, da diese der Vielfalt in der Flora und Fauna gleicht.
In der vorliegenden Arbeit werden die Textarten nach Halbbauer et. al verwendet, da sie im Vergleich zu Doelker eine praxisnahe und vereinfachte Klassifizierung von Textarten vornehmen. Die nachstehende Abbildung 2, S.9 stellt die beiden Typisierungen dar, ohne einen inhaltlichen Vergleich.
Abbildung 2. Klassifizierung von Texten nach Halbbauer et al. und Doelker (eigene Darstellung, Inhalte aus Halbbauer et al., 2010, S.16; Doelker, 2002, S.65-67).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3. Überblick über die Funktionen bei Texten (eigene Darstellung, Inhalte aus Straßner, 2002, S.18; Kro-eber-Riel, 1996, S.14).
Sachtexte verfolgen primär das Ziel, bestimmte Sachverhalte und Informationen zu vermitteln (Straßner, 2002, S.18). Neben dieser Funktion beschreiben verschiedene Autoren weitere Funktionen von Texten. Hierzu gehört beispielsweise die vorgebende Funktion, die dem Text eine Struktur verleiht. Beispielhaft hierfür sind Urkunden, Verträge, Vollmachten und Gesetze. Hingegen verfügen Briefe, Emails sowie Kontakttexte über eine Kontaktfunktion. Eine gruppenindizierte Funktion findet sich bei Liedern und Erzählungen wieder. Bei lyrischen Texten wird die poetische oder literarische Funktion hervorgehoben. Zur selbstdarstellenden Funktion gehören Tagebücher oder Biografien. Texte mit auffordernder Funktion werden bei Werbetexten oder Parteiprogrammen verfolgt. Als weitere Funktion können Texte die bereits oben genannte Informationsfunktion, die durch einen Informationstransfer stattfindet, beinhalten. Beispiele hierfür sind Nachrichten, Berichte, Lehrtexte und wissenschaftliche Texte. (Straßner, 2002, S.18).
Da sich Emotionen in den meisten Fällen durch Texte schwer transportieren lassen wird auf den Einsatz bildhafter Elemente in Texten zurückgegriffen. Durch sie erhält der Text eine bildhafte Sprache, wodurch innere Bilder entstehen, die sich u.U. verhaltenswirksam auswirken. Ein Beispiel hierfür ist die dunkelhäutige Frau, welche ein inneres Bild vor dem geistigen Auge entstehen lässt. Texte fungieren in diesem Fall als Bildersatz und übernehmen damit die Emotions- funktion (Kroeber-Riel, 1996, S.14). Ein Text enthält nicht immer nur eine der beschriebenen Funktionen, sondern kann auch mehrere Funktionen übernehmen (Straßner, 2002, S.18). Die zu Beginn des Punktes dargestellte Abbildung 3, S.10 erfasst die genannten Funktionen.
Neben den aufgeführten Funktionen skizziert Straßner (2002, S.18) verschiedene Signale in Texten, deren Funktion darin besteht, auf ein bestimmtes Muster von Texten hinzuweisen. Witze werden häufig durch die Signale „Kennen Sie den schon“ eingeleitet. Bei Märchen fällt einem sofort die Einleitungsfloskel „Es war einmal“ ein. Gerichtsurteile werden in der folgenden Standardformulierung verkündet: „Im Namen des Volkes“.
Durch ein zeitlich aufeinanderfolgendes Lesen von Informationseinheiten werden im Gehirn semantische Zusammenhänge gebildet, die beim Lernenden zu entsprechenden Wissensstrukturen führen (Schneider & Walter, 1992, S.17). Um eine erfolgreiche Entwicklung von Wissensstrukturen zu gewährleisten, benötigt der Leser bzw. der Lernende gut entwickelte Decodierfähigkeiten (=Entschlüsselungsfähigkeiten) (Baurmann & Müller, 2007, S.58-60). Diese Decodierfähigkeiten beziehen sich auf das Verständnis und die Rezeption von Inhalten sowie auf Einzelthemen, thematische Zusammenhänge und sprachliche Gestaltungsmittel (Baurmann & Müller, 2007, S.60-63).
Von der visuellen Wahrnehmung bis hin zum Verstehen findet im Hinblick auf die Informationsverarbeitung von Texten ein umfangreicher Verarbeitungsprozess statt (Ballstaedt, 1997, S.30). Die kognitive Verarbeitung eines Textes wiederrum erfolgt auf unterschiedlichen, parallel ablaufenden und mentalen Verarbeitungsebenen, die sich wechselseitig ergänzen und ein Kontinuum bilden (Ballstaedt, 2012, S.31-37). Dieser Verarbeitungsprozess besteht aus fünf Ebenen der kognitiven Verarbeitung (Ballstaedt, 2012, S.30-40): Hierzu zählen die
-basalen,
-semantisch-syntaktischen,
-elaborativen,
-reduktiven,
-und rekonstruktiven Ebenen.
Die folgende Abbildung 4, S.12 gibt diesen Prozess noch einmal visualisiert wieder.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4. Kontinuum der kognitiven Verarbeitung bei Texten (eigene Darstellung, Inhalte aus Ballstaedt, 2012,S.30-40)
Unter der basalen Ebene wird das Verarbeiten von Buchstaben und Wörtern erörtert. Diese Prozesse der Wahrnehmung laufen automatisch ab, indem die Zeichen eines Textes visuell wahrgenommen werden (Ballstaedt, 2012, S.30-31). Die semantisch-syntaktische Ebene dient der Herstellung einer Text- und Verstehenskohärenz. Die erkannten Begriffe und Wörter werden in einen inhaltlichen Zusammenhang (=Kohärenz) gebracht (Ballstaedt, 2012, S.34). Zu den syntaktischen Mitteln gehört in der Regel die Grammatik wie z.B. der Satzbau. Das u.U. vorhandene Vorwissen gehört zu den semantischen Mitteln sowie die Bedeutung von Wörtern. Vorwissen kann Brücken bilden, obwohl der Text syntaktisch nicht miteinander verknüpft ist. Dennoch wirkt er für den Lesenden kohärent (Ballstaedt, 2012, S.35).
Bei der elaborativen Ebene werden neue Informationen mit dem vorhandenen Vorwissen der Lernenden verknüpft. Dabei geht diese Ebene in die Breite (Ballstaedt, 2012, S.36). Die reduktive Ebene führt zu Schlussfolgerungen; dies geschieht durch die Verdichtung von wesentlichen Inhalten. Bei der rekonstruktiven Ebene wird das erworbene Wissen schließlich genutzt und angewandt (Ballstaedt, 1997, S.38-39).
Bei einer derartigen kognitiven Verarbeitung von Texten durchlaufen Lernende die genannten Ebenen so lange bis eine Aufnahme der Informationen und Speicherung des Wissens vollzogen ist. Hier werden zunächst die visuellen Reize entziffert. Dabei ist eine leserliche Gestaltung des Textes hilfreich (Vergleich zur basalen Ebene). Anschließend erfolgt die Umstrukturierung von visuellen Reizen in die Lautsprache, um die Aktivierung von Begriffen zu gewährleisten. Nach dem allgemeinen Erfassen von Wörtern wird als nächstes das Verstehen der einzelnen Sätze generiert. Dies erfolgt, indem es vorerst zu einer, wie oben beschriebenen, syntaktischen Aufteilung der Einheiten kommt, zu einer anschließenden Darstellung von inhaltlichen Kontexten und folglich zu einer abschließenden Herstellung von Zusammenhängen (im Vergleich zur semantisch-syntaktischen Ebene) (Ballstaedt, 1997, S.34-36). Das erworbene Wissen wird im letzten Schritt in das bereits vorhandene Vorwissen eingebaut und durch eine vertiefende Verarbeitung neu strukturiert und gespeichert (im Vergleich zur reduktiven und rekonstruktiven Ebene) (Ball- staedt, 1997, S.38-40). Dabei kann das Vorwissen eines Individuums als eine Art Filterfunktion gesehen werden, das entscheidet, ob neues Wissen aufgenommen wird oder nicht (Mangold, 2007, S.162-163).
Im Rahmen der Bildsprache werden ikonische von symbolischen Darstellungen unterschieden. Zu ikonischen Darstellungen gehören Fotografien, Strichzeichnungen oder Piktogramme, welche konkrete Sachverhalte repräsentieren (Stary, 1997, S.17). Sie weisen eine hohe Ähnlichkeit mit dem abzubildenden Objekt auf (Stary, 1997, S.18). Demgegenüber weisen symbolische Darstellungen, zu denen beispielsweise Schemata oder Diagramme gehören, nur selten eine Ähnlichkeit mit dem abzubildenden Gegenstand auf. Sie beinhalten neben konkreten auch abstrakte Darstellungen.
In der Literatur werden Bilder als depiktionale Repräsentation definiert. Diese beschreiben eine realistische Ähnlichkeit oder eine gleiche Struktureigenschaft zwischen dem darzustellenden Sachverhalt bzw. Objekt und dem dargestellten Sachverhalt (Schnotz, 2009, S.161-162). Bilder gelten als authentisch, wenn sie nicht manipulierende Vorstellungen und Sachverhalte vermitteln (Straßner, 2002, S.13). Sie enthalten im Vergleich zu Texten keine expliziten Relationszeichen, sondern bedienen sich bestimmter Struktureigenschaften, mit denen sie den zu vermittelnden Sachverhalt darstellen (Schnotz, 2002, S.66-67). Der Betrachter kann dadurch schnell Wissen aufnehmen (Schnotz, 2002, S.67-68). Zusammenfassend sind Bilder nach Kroeber-Riel (1996, S.35) „[...] Aufzeichnungen eines realen oder fiktiven Gegenstandes, die dem Gegenstand ähnlich sind und deswegen wie der Gegenstand wahrgenommen werden können.“
Bilder sind im Allgemeinen:
-situativ
-authentisch
-informativ
-attraktiv
-wirklichkeitsnah
-aufmerksamkeitserregend
(Straßner, 2002, S.13-14)
Bilder bieten den Vorteil, dass sie Strukturen, Zusammenhänge, Beziehungen und Wechselwirkungen auf einen Blick darstellen können (Franck & Stary, 2006, S.11). Dies führt dazu, dass die Vorgänge, Sachverhalte und Informationen vorteilhafter im Gedächtnis des Betrachters gefestigt werden (Franck & Stary, 2006, S.11). Forschungsergebnisse belegen, dass durch eine bildhafte
Darstellung Informationen besser im Gedächtnis behalten werden (Kroeber-Riel, 1996, S.14). Durch die Experimente von Paivio wurde dieser Sachverhalt bestätigt (Kroeber-Riel, 1996, S.26). Er untersuchte das Erinnern von abstrakten und bildhaften Darstellungen im Vergleich zu konkreten Wörtern. Das Erinnern durch bildhafte Darstellungen weist einen erheblichen Vorteil gegenüber dem Erinnern durch konkrete Wörter auf (Kroeber-Riel, 1996, S.26). Ein weiterer Vorteil von Bildern ist die Möglichkeit eines internationalen Einsatzes, da sie selten sprachge- bunden dargestellt werden (Straßner, 2002, S.14-15). Diesen Vorteil machen sich besonders Firmen zunutze, z.B. bei der Entwicklung eines Markenzeichens (Straßner, 2002, S.14-16).
Bilder zu sehen bedeutet nicht sie auch gleichzeitig zu verstehen. Dadurch werden Bilder häufig in ihrer Auswahl und damit ihr sinnvoller Einsatz von Lehrenden unterschätzt. Entweder wird zu oberflächlich mit ihnen umgegangen oder sie werden nicht sorgfältig genug nach Sinn und Zweck ausgewählt. Bildern wird generell zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, sodass viele Lernende nicht über die Kompetenz verfügen, Bilder zu verstehen und zu deuten (Straßner, 2002, S.16). Die Aussage die ein Bild vermittelt ist erst dann erkenntlich, wenn das Bild vom Betrachter gelesen bzw. verstanden wird. Dies ist zum einen abhängig von dem, was ein Bild leistet (Franck & Stary, 2006, S.16-17). Zum anderen hängt es von der Kompetenz des Lernenden ab Bilder zu verstehen. Leider finden Bilder im schulischen Kontext zu wenig Berücksichtigung. Dabei sind es aber Bilder, die wir noch vor der Sprache in unserer Entwicklung interpretieren können (Bamford, 2007, S.56). Über Bilder entwickeln Menschen einen Sinn für Räumlichkeit sowie die Fähigkeit der Bildkompetenz (Bamford, 2007, S.56). Bilder ermöglichen dem Menschen Objekte bzw. Inhalte zu verarbeiten und in logische Kategorien zu ordnen. Damit fördern sie die kognitive Auseinandersetzung und Aktivierung des Denkens (Bamford, 2007, S.56- 57).
Wie ein Bild verstanden wird hängt laut Weidenmann von der Darstellungsart ab (Schnotz 2002, S.71). Je nach Darstellungsart kommt es zum ökologischen oder indikatorischen Bildverstehen. Das ökologische Bildverstehen wird beim Betrachten durch realistische Bilder hervorgerufen. Der Betrachter bedient sich bei der Aufnahme des Bildes kognitiver Schemata aus dem Alltag (Ballstaedt, 2012, S.32-33). Bei der Betrachtung von logischen Bildern findet das indikatorische Bildverstehen statt. Hierbei werden Überlegungen im Betrachter hervorgerufen, die sich auf den Sachverhalt beziehen. Das Bild wird in diesem Fall analysiert (Ballstaedt, 2012, S.33-35). Die allgemeine Kompetenz, Bilder zu verstehen, nimmt hierdurch zu. Diese Fähigkeit des Bildverstehens wird in der Literatur auch als Bildkompetenz bezeichnet. Zudem ist sie in der Wissenschaft auch als Begriff „Visual Literacy“ vorzufinden und gewinnt im pädagogischen Bereich immer mehr an Bedeutung.
Zudem bieten Bilder pro Zeiteinheit im Vergleich zu Texten viel mehr Informationen (Ballsta- edt, 2012, S.39). Ob ein Bild für den Betrachter sinnvoll, informativ und relevant ist, entscheidet die richtige Auswahl des Bildgestalters (Ballstaedt, 2012, S.39). Damit der Lernende Bilder schneller versteht gibt es eine Reihe von Schritten, die nacheinander durchlaufen werden müssen. Dadurch können bildhafte Informationen vom Lernenden aufgenommen, verarbeitet und gespeichert werden.
Im Folgenden werden, ähnlich wie beim Textverstehen, zwei Konzepte vorgestellt die der Bilderschließung dienen. Die Reihenfolge der Bilderschließung ähnelt dem Vorgang der Texterschließung nach Halbbauer et al. (2010, S.23).
Der erste Schritt 'Ansehen und Beschreiben' befasst sich mit der Betrachtung des Bildes und einer abschließenden beschreibenden Gesamtaussage. Dabei ist es hilfreich die Gesamtaussage schriftlich zu fixieren.
Der zweite Schritt 'Fragen klären' wird lediglich dann genutzt, wenn Inhalte noch unklar sind. Diese offenen Fragen können durch den Lehrenden, das Plenum oder über andere Informationsquellen geklärt werden.
Im dritten Schritt 'Bewerten und Interpretieren', werden die beiden vorausgegangenen Schritte in mentale Modelle überführt. Die ermittelten Daten bzw. Fakten werden vom Lernenden bewertet sowie mit Hilfe von gedanklichen Assoziationen und Hintergrundinformationen interpretiert, sodass diese in Erklärungen überführt werden können.
Im vierten Schritt 'Dokumentieren' werden die Erkenntnisse bzw. Ergebnisse aus der Beschreibung und der Beurteilung schriftlich festgehalten.
Ein komplementäres Konzept des Bildverstehens stellt Weidenmann (2002a, S.49-55) in folgenden hierarchisch ablaufenden Schritten dar:
Bei Weidemann erfolgt im ersten Schritt die Informationsverarbeitung der aufgenommen Informationen aus dem Bild. Dadurch wird das vorhandene Wissen bzw. das Vorwissen des Lerners aktiviert.
Die Konstruktion von mentalen Modellen findet im zweiten Schritt statt. Hier baut der Lernende die gewonnen Informationen in vorhandene Strukturen ein, welches zu einem erweiterten mentalen Modell führt.
Daraufhin folgt im dritten Schritt eine Interaktion von Wechselwirkungen zwischen dem Lernenden, der Darstellungsform des Bildes sowie der Aufgabe im Material.
Der vierte Schritt ist der Vorgang des Verstehens. Dieser führt durch bewusste oder unbewusste Prozesse zum Verständnis. Prozesse sind verstanden, wenn sie im Verstehensprozess des Lernenden verankert sind.
Es bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass sich die zwei Verstehensmodelle des Bildverstehens nach Halbbauer et al. und Weidenmann in ihrem Aufbau ähneln und daher einander ergänzend zu verwenden sind.
Bilder werden ähnlich wie Texte in Arten eingeteilt. Die Einteilung richtet sich dabei nach der realistischen Ähnlichkeitsbeziehung. Bezüglich der realistischen Ähnlichkeitsbeziehung zwischen darzustellendem Sachverhalt und Darstellung des Sachverhaltes in Form eines Bildes, lässt sich eine Unterteilung nach dem Grad ihrer realen Ähnlichkeitsbeziehung beschreiben (Kroeber- Riel, 1996, S.35-36). Dabei findet im Allgemeinen eine Unterteilung nach konkreten bis hin zu abstrakten Sachverhalten statt (Kroeber-Riel, 1996, S.35-36). Schnotz beschreibt eine eindeutige Unterscheidung in (siehe Abbildung 5, S.18):
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Tabelle 2: Beispiele zu realistischen Bildern (eigene Darstellung, Inhalte aus Schneider, 1999, S.4-5)
Logische Bilder besitzen hingegen keine konkret sichtbare Ähnlichkeit zu ihrem repräsentierten Sachverhalt oder Gegenstand. Sie sind durch abstrakte Struktureigenschaften gekennzeichnet.
Diese beruhen auf kulturellen Konventionen (Schnotz, 2002, S.66-67). Zu den logischen Bildern zählen beispielsweise folgende Sorten.
-Symbole
-Piktogramme
-Attrappen
-Diagramme
(Straßner, 2002, S.13-16)
Symbole nehmen innerhalb der logischen Bilder eine besondere Stellung ein und werden im Alltag häufig fälschlicherweise als Symbole bezeichnet. Dabei ist den Benutzern die eigentliche Bedeutung von Symbolen nicht geläufig. Die originäre Aufgabe von Symbolen ist es, Sachverhalte oder Objekte abstrakt darzustellen. Die eigentlichen Wurzeln liegen in der kulturellen Tradition begründet, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Sowohl Organisationen als auch Gemeinschaften bedienen sich diesen konventionalisierten Gepflogenheiten (Straßner, 2002, S.16), weil sie auf bestehende Symbole zurückgreifen. So wird das Symbol Herz, welches die Liebe symbolisiert, häufig trivialisiert dargestellt (Straßner, 2002, S.16).
Weitere Bildsorten von logischen Bildern sind in Tabelle 3, S.20-21 dargestellt.
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Tabelle 3: Beispiele zu logischen Bildern (eigene Darstellung, Inhalte aus Straßner, 2002, S.13-16)
Da es sich bei dieser Bildsorte um eine realitätsfernere Darstellung handelt wird sie häufig durch entsprechende textliche Erläuterungen komplementiert. Beispielhaft können stark stilisierte Gegenstände, Sachverhalte oder Objekte in Piktogrammen durch einfache Zeichenfiguren dargestellt und durch eine Bildunterschrift erläutert werden (Straßner, 2002, S.17-18). Deutlich wird dieses im entworfenen Bild in Abbildung 6, S.21.
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Abbildung 6. Beispiel für ein logisches Bild „Stau = Einengung des Lumens bei Arteriosklerose“ (eigene Darstel- lung).
Analogiebilder sind Abbildungen, die am stärksten von der Realität abweichen; demzufolge verfügen sie über eine hohe Abstraktion zum dargestellten Sachverhalt. Die Sachverhalte und Objekte aus den verschiedenen Wissensbereichen können in ihrer Darstellung zwei Bezüge aufweisen. Auf der einen Seite in Bezug auf die Struktur, auf der anderen Seite in Bezug auf die Funktion (Schnotz, 2009, S.162; Duwendag et al., 1999, S.19).
-Funktion eines Zahnrades, um damit die ineinandergreifende Aktivität beispielweise eines Gehirns darzustellen.
-Struktur eines Reißverschlusses, um damit beispielsweise die Basenzusammensetzung der Doppelhelix darzustellen.
Tabelle 4: Beispiele zu Analogiebildern (eigene Darstellung, Inhalte aus Schnotz, 2009, S.162; Duwendag et al 1999, S.19)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bei den Analogiebildern - ob Struktur oder Funktion - greift der Lernende auf bereits Bekanntes zurück und vergleicht diese vorhandene Information mit der dargebotenen Analogie. Dabei wird das vorhandene Wissen mit dem neuen Wissen der entsprechenden Analogie in Verbindung gesetzt (Duwendag et al., 1999, S.18-19). Erst dann ist es möglich, mentale Modelle aufzubauen. Wesentliche Hilfestellungen bieten sogenannte „Eselsbrücken“ (Analogiebrücken), die dazu beitragen das Dargestellte besser zu verstehen, zu verankern und wieder abzurufen.
Die Ähnlichkeitsbeziehung vom Dargestellten zum Bezeichneten nimmt von realistischen bzw. ikonischen Bildern über logische bzw. symbolische Bilder zu Analogiebildern ab. Der Realitätsbezug entfernt sich hier von einer zur anderen Bilderart kontinuierlich bzw. konsequent, welches durch die folgende Abbildung 7, S.23 verdeutlicht wird (Schneider, 1999, S.4-5).
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Abbildung 7. Kontinuum des Realitätsgrades von Bildarten (eigene Darstellung, Inhalte aus Schnotz, 2009, S.162;Straßner, 2002, S.17-18; Schneider, 1999, S.4-5).
Eine Funktion von Bildern besteht darin Motivation zu erzeugen. Diese Motivationsfunktion kann beim Betrachter Reize auslösen, welche die Aufmerksamkeit und/oder Neugierde auf das entsprechende Bild ziehen. Dabei kann beim Rezipienten eine bestimmte Reaktion ausgelöst werden, die sich in Lachen, Erschrockenheit, Betroffenheit, Nachdenklichkeit oder Trauer zeigt (Schnotz, 2009, S.163). Dieses Auslösen von Gefühlen wird der Emotionsfunktion von Bildern zugeschrieben. Dabei können die ausgelösten Gefühle sowohl als angenehm als auch als unangenehm empfunden werden (Doelker, 2002, S.38-39). Über Emotionen können Informationen längere Zeit im Gedächtnis verweilen (Doelker, 2002, S.57). Eine weitere beschriebene Funktion nach Stary (1997, S.17) ist die gedächtnisstützende Funktion. Sie fördert das Behalten und Erinnern von dargestellten Sachverhalten oder Informationen durch entsprechende Bildeffekte (Schneider, 1999, S.2-3). Beispielweise dient die bildhaft dargestellte Drei-Finger-Regel in der Elektrotechnik als Hilfe zur Richtungsangabe der magnetischen Feldlinien (siehe Abbildung 8, S.24).
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Abbildung 8. Drei Fingerregel (Network, 2014)
Bei der Strukturierungsfunktion liegt der Schwerpunkt auf der überblicksartigen Darstellung eines Sachverhaltes. Bilder ermöglichen eine strukturierte Darstellung, wodurch der Lerner eine rasche Orientierung über die beteiligten Elemente sowie den Verknüpfungen zwischen den Elementen erhält. Dadurch sind Strukturen und Zusammenhänge in einer Abbildung für den Betrachter auf einen Blick erkennbar (Franck & Stary, 2006, S.18). Bilder haben zudem eine Erklärungsfunktion (Stary, 1997, S.20-21), indem sie die verbale Sprache geeignet ergänzen (Schneider, 1999, S.3). Der Bedarf einer Erklärungsfunktion entsteht, wenn der Text unklar oder zu detailliert eingesetzt wird. Hierbei sei an die Verkehrsschilder im Straßenverkehr erinnert, die mit ihrer Darstellung eine eindeutige Botschaft vermitteln. Bei der Handlungssteuerungsfunktion wird dem Betrachter die Verständlichkeit von Handlungs- oder Bedienungsabläufen erleichtert. (Stary, 1997, S.18-23). Ein Beispiel hierfür sind z.B. Bauanleitungen von Möbeln (Franck & Stary, 2006, S.19). Zudem verfügen manche Bilder über eine Ordnungsfunktion, indem sie gliedernd sind und wesentliche Inhalte der Texte als Makrostruktur darstellen. Somit können komplexe Sachverhalte in einem Überblick dargestellt werden (Straßner, 2002, S.15-16). Diese Funktion ähnelt der Strukturierungsfunktion. Die dekorative Funktion dient allein der Illustration eines Bildes, um einen Sachverhalt zu veranschaulichen. Durch eine ästhetische Präsentation wird der Betrachter bzw. der Lernende gezielter angesprochen. Das wiederum entspricht der Motivationsfunktion, die bereits näher beschrieben wurde (Franck & Stary, 2006, S.19; Ballsta- edt, 2012, S.40-43).
Neben den bisher genannten Funktionen gibt es nach Weidenmann (2002b, S.84) noch drei weitere Funktionen die besonders bei ikonischen Bildern eingesetzt werden. Dazu gehört die Zeigefunktion, die auf etwas am Gegenstand hinweist oder auf den Gegenstand aufmerksam macht. Dabei kann die Aufmerksamkeit des Lernenden auf die kritischen Merkmale des Gegenstandes gelenkt werden (Weidenmann, 2002b, S.85-86). Bei der Situierungsfunktion wird ein Thema
für den Lernenden durch ein Szenarium dargestellt (Weidenmann, 2002b, S.86-87). Hierdurch werden in dem Lernenden bestimmte, für den Anlass entsprechende, Vorstellungen bzw. Alltagserfahrungen aktiviert. Diese werden mit der dargestellten Situation assoziiert (Weidenmann, 2002b, S.86-87). Bei der Konstruktionsfunktion werden unbekannte Inhalte und Sachverhalte durch anschauliche Modelle verständlich gemacht (Weidenmann, 2002b, S.87-88). Ein Beispiel hierfür ist die Darstellung der Herz funktion mit den dazugehörigen Blutgefäßen anhand einer Pumpe mit Schläuchen, welche als übertragbares Modell dienen kann.
Bilder übernehmen folglich vielfältige Funktionen, die nicht immer trennscharf beschrieben werden können. Häufig repräsentiert ein Bild auch mehrere Funktionen.
Allgemein werden beim Betrachten von Bildern bestimmte Informationen semantisch repräsentiert (Anderson, 2007, S.186). Bei Bildern sowie bei Texten gibt es viele verschiedene Abtastungsvorgänge, die bei optischen Repräsentationen eine Rolle spielen. Abtastungsvorgänge mit den Augen passieren in unregelmäßigen Sprüngen, die nicht bewusst vom Betrachter gesteuert werden können (Kroeber-Riel, 1996, S.55). Diese unregelmäßigen Sprünge, auch Sakkaden genannt, kommen zustande, indem der Blick für einen Moment auf einem Punkt (=Fixation) verweilt und anschließend weiter zum nächsten Punkt springt (Kroeber-Riel, 1996, S.55; Ballstaedt, 1997, S.31). Die einzelnen Fixationen werden im Gehirn zu einer Informationseinheit zusammengefügt (Kroeber-Riel, 1996, S.55). Zudem hat jede Person seine individuellen Sehgewohnheiten. Eine Person nimmt beispielsweise zuerst das Gesicht wahr, während eine andere Person als Erstes den Oberkörper wahrnimmt. Grundsätzlich sind verschiedene Aspekte bei der Wahrnehmung von Bildern durch den Betrachter zu berücksichtigen. Zum einen kommt es zur subjektiven Beurteilung, bei der darüber geurteilt wird, ob ein Sachverhalt sehr anschaulich oder gar nicht anschaulich ist. Diese Beurteilung beruht auf dem Vorwissen des jeweiligen Lernenden und beeinflusst diese. Jeder Lernende bringt hierbei sein individuelles Vorwissen, Erfahrungen, Erlebnisse sowie Erkenntnisse mit. Die Eigenschaft wie ein Sachverhalt (konkret oder abstrakt) dargestellt wird, beeinflusst ebenfalls die Wahrnehmung (Stary, 1997, S.15). Zum anderen wirken sich die persönliche Einstellung des Adressaten (Interesse, Motivation, Abwehrreaktion) sowie der Kontext, in dem der Sachverhalt eingebaut ist, auf die abschließende Beurteilung des Gegenstandes aus (Straßner, 2002, S.13; Stary, 1997, S.14). Franck und Stary (2006, S.12) sprechen in diesem Zusammenhang von einer Fähigkeit des „Bildlesens bzw.-verstehens“, um das vorliegende Bild deuten und interpretieren zu können (siehe Kapitel 4.1). Außerdem muss bei
[...]
[1] Auf die Verwendung von Doppelformen oder andere Kennzeichnungen für weibliche und männliche Personen wird verzichtet, um die Lesbarkeit und Übersichtlichkeit zu wahren. Mit allen im Text verwendeten Personenbezeichnungen sind stets beide Geschlechter gemeint.
[2] Im folgenden Verlauf wird der Begriff „Betrachter“ mit dem Begriff des „Lernenden“ synonym verwendet.