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Bachelorarbeit, 2015
49 Seiten, Note: 2,4
1 Einleitung
2 Was ist Intelligenz?
2.1 Intelligenzmodelle
2.2 Geschichte der Intelligenzdiagnostik
2.3 Intelligenztests
2.4 Zwischenfazit
3 Entwicklungspsychologischer Ansatz
3.1 Das Entwicklungsstufenmodell nach Piaget
3.2 Kritik an Piagets Modell
3.3 Neuere Entwicklungsmodelle
4 Neurobiologischer Ansatz
4.1 Das Gehirn
4.1.1 Das Großhirn
4.1.2 Das limbische System
4.1.3 Der Hirnstamm und das Kleinhirn
4.2 Lernen und Gedächtnis
5 Bewegungs-Neurowissenschaft
5.1 Sport fördert die Gehirndurchblutung
5.2 Sport fördert die Gehirnplastizität
5.3 Sport und Schulleistungen
6 Studien zu Sport und Intelligenz
6.1 Metaanalysen
6.2 Längsschnitt- und Quasiexperimentelle Studien
6.3 Interventionsstudien
6.4 Querschnittstudien
7 Fazit
8 Methodik
8.1 Herleitung des Themas und Forschungsfragen
8.2 Literaturrecherche
8.3 Selektionskriterien
9 Literaturverzeichnis
Abbildung.1.1: Altersverlauf flüssiger und kristalliner Intelligenz nach Cattell (Weiß, 2006, S.30)
Abbildung 1.2: Das Drei-Schichten-Modell nach Carroll (1993)
Abbildung 2.1: Normalverteilung des Intelligenzquotienten (hochbegabten-homepage, Stand: 14.11.14)
Abbildung 2.2: Die deutsche Klassifizierung erbrachter Punkte (hochbegabten-homepage, Stand: 14.11.14)
Abbildung 3.1: Beispielhafte Darstellung der bio-ökologischen Theorie von Bronfenbrenner
Abbildung 4.1 Die Großhirnrinde (Zimbardo, 2004, S.88)
Abbildung 4.2 Die Hauptstrukturen des Neurons (Zimbardo, 2004, S.98)
Tab. 1. Principles of Cortical Reorganization (Elbert & Rockstroh, 2004, p. 132)
Die vorliegende Bachelorarbeit beschäftigt sich mit der Thematik, ob und inwieweit sich sportliche Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen auf ihre Intelligenz auswirken. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf den Schulsport gelegt. Von Lehrerinnen und Lehrern sowie von vielen Eltern, Schülerinnen und Schülern wird der Sportunterricht im Vergleich zu Geistes- und Naturwissenschaften immer noch als minderwertig betrachtet. Auch das reformierte Schulsystem mit dem sog. „Turbo-Abitur“ trägt dazu bei, Sport fast ganz aus dem Unterrichtsalltag zu streichen. Das Leitziel an Schulen besteht darin, den Intellekt von Kindern und Jugendlichen so zu fördern, dass sie ein erfolgreiches und selbstständiges Leben führen können (Wanka, Richterhofen & Röwekamp, 2005). Sport leistet bei der Verfolgung dieses Ziels einen sehr wichtigen Beitrag, denn er fördert Kompetenzen wie Teamgeist, Fairness, Mit- sowie Leistungsverantwortung. Gleichzeitig ermöglicht dieser als einziges Bewegungsfach eine ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung und vermittelt den Weg zu einer gesundheitsfördernden Lebensführung.
Die vorliegende Arbeit will darlegen, dass bereits einige Nachweise für die positiven Zusammenhänge von sportlicher Aktivität und der Intelligenz existieren. Gerade dieser neue Blick auf den Fachbereich Sport könnte zu einer völlig neuen Wertschätzung dieses Faches führen.
Um überhaupt zu verstehen was der Begriff „Intelligenz“ bedeutet, wird im zweiten Kapitel dieser Arbeit genau darauf eingegangen wie dieser definiert ist (Kap. 2). Anschließend werden verschiedene Intelligenzmodelle dargelegt, an denen gezeigt werden soll, dass Intelligenz nicht einfach das Resultat eines Tests ist (Kap. 2.1). Der Intelligenzaspekt ist sehr vielschichtig und wird in der Forschung unterschiedlich betrachtet. Daraus resultieren dementsprechend auch verschiedene Möglichkeiten zur Messung der Intelligenz. Einen Überblick der geschichtlichen Entwicklung der Intelligenzdiagnostik wird deshalb in Kapitel 2.2 gegeben. Tests aus der damaligen Zeit (Anfang 20. Jahrhunderts) bilden noch heute den Grundstein aktueller Intelligenztests und sollen aus diesem Grund nicht außer Acht gelassen werden. Abschließend widmet sich dieses Kapitel einiger ausgewählter Intelligenztests und zeigt, wie sie versuchen, die Intelligenz eines Kindes bzw. Jugendlichen messbar zu machen (Kap. 2.3).
Um die geistige Entwicklung von Kindern verstehen zu können und welche Faktoren aus entwicklungspsychologischer Sicht dabei eine Rollen spielen, widmet sich die vorliegende Bachelorarbeit zum einem dem Entwicklungsstufenmodell nach Piaget (Kap. 3.1) und greift daran anschließend weiterentwickelte Modelle auf (Kap. 3.2). Ein Fokus wird dabei darauf gelegt, welche Faktoren für die kindliche Entwicklung eine Rolle spielen und wovon diese abhängig sind. Es werden hierzu die Meinungen des Empirismus’ und Nativismus’ gegenübergestellt (Kap. 3). Diese beiden Ansätze kindlicher Entwicklung vertreten die kontroversen Ansichten, dass Kinder entweder ohne jegliche Vorerfahrungen auf die Welt kommen und erst durch die Auseinandersetzung mit der Umwelt lernen (Empirismus) oder dass jedes Individuum schon in seiner Erbanlage das Grundgerüst für die Entwicklung besitzt und dieses im Laufe des Lebens immer weiter ausbaut (Nativismus) (Zimbardo, 2004).
Eine andere und jüngere Betrachtungsweise kindlicher Entwicklung stammt aus der Neurobiologie und untersucht, wie das Gehirn aufgebaut ist, welche Funktionen seine einzelnen Areale haben und vor allem wie es lernt (Kap. 4). Diese junge Wissenschaft erlangte ihren Durchbruch mit der Entdeckung der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) und der funktionellen Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) Anfang der 90er Jahre (Zimbardo, 2004). Dieses Kapitel soll außerdem Aufschluss darüber geben, was im Gehirn passiert, wenn neue Informationen eintreffen und wie abgespeicherte Informationen wieder abgerufen werden können (Kap. 4.2).
In Anlehnung an die Neurobiologie entstand die Bewegungsneurowissenschaft (Kap. 5). Dieser Zweig der Neurowissenschaft ist für die vorliegende Arbeit besonders relevant. In diesem Kapitel soll gezeigt werden, welche Auswirkungen körperliche Belastungen auf den Blutdurchfluss im Gehirn haben (Kap. 5.1). Mit den bildgebenden Verfahren konnte aber nicht nur der Blutdurchfluss sichtbar gemacht werden. Und so soll das Kapitel 5.2 Aufschluss darüber geben, welche Prozesse sich im Gehirn während und nach sportlicher Betätigung vollziehen. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Arbeit thematisiert haben, wie unser Gehirn und Kindern lernen. Der Fokus in Kapitel 5.3 soll dann auf den Schulsport gelegt werden. Es soll zeigen, dass Schulsport mehr leisten kann als nur der Gegenpol zu dem sonst starren Unterrichtsalltag zu sein. Dazu werden ausgewählte Studien dargelegt, die diesen Aspekt unterstreichen.
Im darauffolgenden Kapitel (Kap. 6) werden verschiedene Studientypen vorgestellt. Bei dem größten Teil dieser Studien liegt der Schwerpunkt vorwiegend auf dem Zusammenhang von Sport und den kognitiven Fähigkeiten oder der Intelligenz. Dieses Kapitel soll zeigen, ob es tatsächlich nachweisbare, wissenschaftlich fundierte Beweise für den Zusammenhang von Sport und Intelligenz bei Kindern und Jugendlichen gibt.
Das Fazit (Kap. 7) bildet den inhaltlichen Abschluss dieser Bachelorarbeit und reflektiert die gewonnenen Erkenntnisse.
Das Kapitel „Literaturrecherche“ (Kap. 8) legt abschließend dar, wie sich die Literatur der vorliegenden Arbeit zusammensetzt.
Intelligenz stellt in der heutigen Zeit ein wichtiges Persönlichkeitsmerkmal dar und wird in den Industrienationen häufig mit den Adjektiven „klug“ oder „schlau“ in Verbindung gebracht. Doch was genau bedeutet es, intelligent zu sein und wodurch kann bestimmt werden, wer intelligent ist und wer nicht?
Häufig und fälschlicherweise wird angenommen, dass ein Mensch intelligent ist, wenn dieser in einem Intelligenztest einen hohen Punktewert erzielt und ihm somit ein hoher Intelligenzquotient zugeordnet wird. Dieses Kapitel stellt einen Versuch dar, den Intelligenzbegriff genauer zu definieren und eine Erklärung dafür zu liefern, was es heißt, intelligent zu sein. Daran anschließend wird ein Überblick über unterschiedliche Intelligenzmodelle und deren Geschichte gegeben. Im darauf folgenden Unterkapitel werden ausgewählte aktuelle Intelligenztests beschrieben. Dabei soll auch erklärt werden, weshalb diese Aussagen über die Intelligenz treffen können.
Der Begriff „Intelligenz entstammt dem lateinischen Wort „intelligenta“ und wird mit „Erkennungsvermögen“ oder „Verstand“ übersetzt (vgl. Hanser, 2000, S.199).
Es gibt in der Literatur verschiedene Definitionen zu dem Intelligenzbegriff. Sternberg beschreibt Intelligenz als diejenigen mentalen Aktivitäten, die sowohl für die Anpassung an äußere Gegebenheiten, als auch für deren Veränderung und Auswahl notwendig sind... [I]ntelligenz reagiert nicht nur auf die Umwelt, sondern formt sie auch aktiv. Sie bietet Menschen die Möglichkeit, flexibel auf herausfordernde Situationen zu reagieren (Sternberg, 1997, S. 1030).
Nach dieser Definition kann Intelligenz in unterschiedlichen Dimensionen auftreten und auch nicht durch einen einzigen Test nachgewiesen werden. Eine andere Definition, die von 52 Forschern einheitlich hergeleitet wurde, besagt folgendes:
Intelligenz ist eine sehr allgemeine geistige Fähigkeit, die unter anderem die Fähigkeit zum schlussfolgernden Denken, zum Planen, zum Problemlösen, zum abstrakten Denken, zum verstehen komplexer Ideen, zum raschen Auffassen und zum Lernen aus Erfahrung einschließt (Gottfredson, 1997a, S. 13).
Mit Ausblick auf Kapitel 2.3 lässt sich an dieser Stelle anmerken, dass es aufgrund der großen Spannweite an Fähigkeiten schwer fallen könnte, ein geeignetes Messinstrument zu finden.
Die ersten Intelligenzmodelle und Definitionen wurden schon Anfang der 90er Jahre von Spearman (1904) und Thurstone (1938) entwickelt. Spearmans Zwei-Faktoren-Theorie besagt, dass jeder Mensch eine Grundintelligenz besitzt. Dieses Maß stellt er mit dem sog. general factor (kurz g) dar (Spearman, 1927). Bestimmt hat er diesen Faktor, in dem er die Leistungen von Menschen in verschiedenen Bereichen miteinander verglich. Er kam zu dem Ergebnis, dass Personen, die beispielsweise im Bereich des Verstehens von Begriffen sehr gut abgeschnitten haben, auch in anderen Bereichen gute Leistungen erbracht hatten. Daraus resultierte seine Annahme, die Leistungen als Gesamtes zu sehen und so ein Generalfaktor definiert werden kann. Nach Spearman hat jeder Mensch bei der Bewältigung von Testverfahren auch noch einen spezifischen Begabungsfaktor (s-Faktor), der von der Besonderheit der jeweiligen Aufgabe abhängig ist (Spearman, 1927).
Thurstone (1938) hingegen glaubte nicht an eine übergeordnete Grundintelligenz, die jeder Mensch besitzt. Er entwickelte das Modell der sieben Primärfähigkeiten. Seiner Ansicht nach bilden die Faktoren Wortflüssigkeit, Sprachverständnis, logische Schlussfolgerungen, räumliches Vorstellungsvermögen, rechnerisch-mathematische Fähigkeiten, Gedächtnisleistungen und Wahrnehmungs-geschwindigkeit alle nebeneinander die Intelligenz (Thurstone, 1938). Im Transfer zu Spearman würde das heißen, dass alle sieben Faktoren die sog. Grundintelligenz bilden und somit alle g-Faktoren für sich sind.
Cattell (1971), ein Schüler Spearmans, entwickelte dessen Idee weiter. Für Cattell existiert nicht nur die eine Grundintelligenz. Er unterscheidet zum einen die fluide Intelligenz (gf) von der kristallinen Intelligenz (gc) (Cattell, 1971). Die fluide Intelligenz hat jeder Mensch von Geburt an und sie wird instinktiv angewendet, ohne erlerntes Wissen zu aktivieren (Holling et al., 2004). Die kristalline Intelligenz wird im Laufe der Zeit durch Lern- und Umwelterfahrungen erworben. Dabei wird erlerntes und vertrautes Wissen beim Problemlösen angewendet (Cattell, 1971). Kristalline und fluide Intelligenz müssen seiner Meinung nach voneinander unterschieden werden, da sie sich entgegengesetzt voneinander im Laufe der Zeit entwickeln (vgl. Abb. 1). Während die fluide Intelligenz in seiner Grundform schon ab dem Zeitpunkt der Geburt vorhanden ist und ihren Höhenpunkt etwa im frühen Erwachsenenalter hat und dann abnimmt, wächst die kristalline Intelligenz kontinuierlich vom Zeitpunkt der Geburt bis hin ins hohe Alter (Cattell, 1971).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung.1.1: Altersverlauf flüssiger und kristalliner Intelligenz nach Cattell (Weiß, 2006, S.30)
Eine treffende Erklärung zum Zusammenspiel von fluider und kristalliner Intelligenz liefert Weiß (2006). Er sagt, „dass die kristalline Intelligenz die Sammlung gelernter Erkenntnisse bezeichnet, die sich ein Mensch angeeignet hat, indem er seine fluide Intelligenz beim Lernen angewandt hat“ (2006, S. 30).
Abschließend soll noch das Drei-Schichten-Modell von Carroll (1993) vorgestellt werden. Carroll versucht darin die verschiedenen vorangegangenen Modelle zu vereinen. Sein Modell kann als eine Art Pyramide gesehen werden, in der die Spitze, stratum III, die allgemeine Intelligenz im Sinne von Spearman bildet. Diese Stufe steuert alle komplexen kognitiven Prozesse und bildet somit die Grundlage für die danach folgende zweite Stufe (stratum II). Hier finden sich neben der fluiden und kristallinen Intelligenz auch spezifische Fähigkeiten im Sinne der Primär-faktoren wie z.B. die visuelle oder auditive Wahrnehmung. Auf der untersten Stufe, stratum I, finden sich die spezifischen Prozesse, welche von der allgemeinen Intelligenz und den Fähigkeiten aus der zweiten Stufe beeinflusst werden. Vergleichbar ist diese Stufe mit Spearmans s-Faktoren. Das Besondere an Carrolls Theorie ist, dass er die Intelligenz als einheitliche Eigenschaft anerkennt, aber sie gleichzeitig als aus verschiedenen zusammengesetzten Fähigkeiten sieht (Siegler et al., 2005). In Abbildung 1.2 ist Carrells Modell dargestellt. Anhand dieser lässt sich zeigen, wie weit der wissenschaftliche Kenntnisstand fortgeschritten ist und das hinter diesem Begriff weitaus mehr steckt als nur der ermittelte IQ-Wert eines Tests.
Wissenschaftler wie Robert Sternberg oder Howard Gardner fassen den Begriff der Intelligenz viel weiter und gehen von vielen Intelligenzaspekten aus, die miteinander interagieren. Diese Ansichten sind allerdings noch wenig empirisch erforscht und sind deshalb noch nicht im Konsens der wissenschaftlichen Betrachtung anerkannt.
Zusammenfand kann gesagt werden, dass Intelligenz veränderbar ist und mehrere Aspekte bei der Messung von Intelligenz eine Rolle spielen. Deshalb ist es sehr schwer, mit nur einem Test alle geistigen Fähigkeiten zu erfassen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1.2: Das Drei-Schichten-Modell nach Carroll (1993)
Die Idee, Intelligenz oder die intellektuelle Fähigkeit eines Menschen in einem Testverfahren aufzuzeigen, entwickelte sich Anfang des 20. Jahrhunderts in Frankreich. Das französische Schulministerium wollte zum Zwecke der Identifizierung leistungsschwacher Kinder einen Test entwickeln lassen, der nachweisbar dazu berechtigt, eben diese leistungsschwachen Kinder in eine Sonderschule einzuweisen. Das Schulministerium beauftragte dazu die beiden französischen Psychologen Alfred Binet und Théodore Simon. Zusammen entwickelten sie den ersten Intelligenztest namens Binet-Simon-Test, der erstmals 1905 zum Einsatz kam (Probst, 1963). Ihr Test wurde im Laufe der Zeit immer weiter verbessert und bildet noch heute die Grundlage für viele aktuelle Intelligenztests im Bereich für Kinder und Jugendliche. In ihrem Test werden die geistigen Kompetenzen anhand von genormten Testverfahren gemessen. Dazu vergleichen sie die Ergebnisse eines Einzeltests mit denen einer Vergleichsgruppe. Im Testverfahren wird zwischen Lebensalter und Intelligenzalter unterschieden. Das Intelligenzalter berechnet sich aus den im Test gelösten Aufgaben. Für jede Altersstufe gibt es sechs Aufgaben, wobei jede richtig gelöste Aufgabe zwei Lebensmonaten entspricht. Die Intelligenz wurde aus der Differenz zwischen Lebens- und Intelligenzalter errechnet (Probst, 1963). Kritik gab es allerdings begründet durch die Tatsache, dass ein durch den Test nachgewiesener Entwicklungsrückstand bei älteren Kindern kaum merkbar erscheint, aber bei jüngeren Kindern mit gleichen Differenzen im Testergebnis einen enormer Entwicklungsrückstand verursachen kann. Bei der Betrachtung des Modells wurde auch die soziale Herkunft der Kinder nicht berücksichtigt. Die meisten der damaligen Psychologen nahmen an, dass Intelligenz rein vererbbar und nicht von sozialen Faktoren beeinflussbar sei (Eyseneck, 2004). Ein Psychologe, der sich vehement gegen diese Aussage stellte, ist der Amerikaner Watson. Er war der Überzeugung, dass jeder Mensch bei der Geburt sämtliches Voraussetzungen besitzt, um ein gebildeter Mensch zu werden. Dazu stellt er fest:
Give me a dozen healthy infants, well-formed, and my own specified world to bring them up in and I’ll guarantee to take any one at random and train him to become any type of specialist I might select – doctor, lawyer, artist, merchant-chief and, yes, even beggar-man and thief, regardless of his talents, penchants, tendencies, abilities, vocations, and race of his ancestors. I am going beyond my facts and I admit it, but so have the advocates of the contrary and they have been doing it for many thousands of years (Watson, 1924, p. 104).
Um den Test gegenüber etwaiger Verfälschungen zu schützen, entwickelte der deutsche Psychologe William Stern (1911) den bis heute anerkannten Begriff des Intelligenzquotienten. Hier wird das Intelligenzalter durch das Lebensalter geteilt und dann mit 100 multipliziert (Stern, 1911). Damit wollte er zum einen ganze Zahlen erhalten und zum anderen den Test altersunabhängig gestalten. Dies funktionierte aber nur bedingt, da nach Beendigung der Schule nicht mehr so viel dazu gelernt wird wie innerhalb der Schulzeit und der IQ-Test nur bei einer stetig anwachsenden Leistungskurve wirklich aussagekräftige Ergebnisse liefert. Wechsler (1939) führte noch den Abweichungsquotienten ein, der den erzielten Punktewert nur mit den Leistungen der entsprechenden Altersgruppe vergleicht. Eine Standardabweichung von 15 Punkten wird bei einem Mittelwert von 100 Punkten immer mit einkalkuliert.
In der Abbildung 2.1 kann man nachvollziehen, ab wann ein Testergebnis überdurchschnittlich schlecht bzw. überdurchschnittlich gut ausfällt und wie die prozentualen Anteile dazu aussehen. In der darauf folgenden Abbildung 2.2 ist die damit verbundene Klassifizierung für Deutschland abgebildet.
In Abhängigkeit von dem Intelligenzquotienten lassen sich Aussagen über mögliche Schulerfolge und berufliche Möglichkeiten treffen. Studien haben zum Beispiel gezeigt, dass Schülerinnen und Schüler mit einem hohem IQ nicht so oft die Schule abbrechen wie Selbige mit einem niedrigen IQ (Sternberg et al., 2001). Sternberg konnte auch nachweisen, dass der soziale Status dadurch positiv korreliert und damit auch das Ansehen innerhalb einer sozialen Gruppe ansteigt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.1: Normalverteilung des Intelligenzquotienten (hochbegabten-homepage, Stand: 14.11.14)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.2: Die deutsche Klassifizierung erbrachter Punkte (hochbegabten-homepage, Stand: 14.11.14)
Nachdem der geschichtliche Hintergrund zur Intelligenztestentwicklung behandelt wurde, soll der nun folgende Abschnitt einen groben Überblick über aktuelle Intelligenztests geben. Diese werden in kurzer Form vorgestellt. Zunächst wird der Kaufman-Assessment Battery Test for Children (K-ABC, Melchers & Preuß, 2003 a+b) vorgestellt. Dieser Test findet seine Anwendung besonders bei Kindern und Jugendlichen mit Lern- und Leistungsbehinderung. Er wird aber auch als Individualtest eingesetzt, um die kognitive Leistungsfähigkeit bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 2;6 bis 12;5 zu erfassen (Kaufman & Kaufman, 1983). Der Test bedient sich der Theorien von Cattell und Horn, welche versuchen, die fluide von der kristallinen Intelligenz zu unterscheiden. Er untersucht außerdem die Informationsverarbeitung und ist in 16 Aufgaben gegliedert. Dabei werden drei Aspekte getestet. Im Bereich der fluiden Intelligenz wird einheitliches und ganzheitliches Denken erfasst. Beim einheitlichen Denken wird die fortlaufende Anordnung von Reizen betrachtet, während es beim ganzheitlichen Denken häufig um räumliche Vorstellungskraft geht. Außerdem spielen Gedächtnisleistungen eine wichtige Rolle. Für die kristalline Intelligenz wird bereits erlerntes Wissen abgefragt (Melchers & Preuß, 1991b). Nach Beendigung des Tests erhält man zum einen den Wert für die Gesamtbegabung der intellektuellen Fähigkeiten eines Kindes und zum anderen einen Wert für den Bereich der Fertigkeiten.
Cattells Theorie der fluiden und kristallinen Intelligenz hat auch im Grundintelligenztest CFT 1 und CFT 20-R seinen Ursprung. Während mit dem CFT 1 Kinder im Alter von 5,3–9,5 Jahren getestet werden (Weiß & Osterland, 1997), können mit dem CFT 20-R Kinder und Jugendliche von 8;5 bis zu 19;11 Jahren getestet werden (Weiß, 2006). Das Ziel des Tests besteht darin, zwischen kristalliner und fluider Intelligenz zu unterscheiden, mit besonderem Blick auf die fluide Intelligenz. Im Sinne des „culture-fair“ Tests wollte Cattell einen Test entwickeln, der von jedem Menschen auf der Erde ohne Sprachbarrieren oder Umwelt- und Lernfaktoren bewältigt werden kann, um so die Kulturfreiheit zu gewährleisten. Da für Cattell die fluide Intelligenz die Fähigkeit darstellt, ungewohnte und komplexe Situationen zu erkennen und zu verstehen, wurde er als Wahrnehmungstest entwickelt. Für die jüngeren Kinder besteht der Test aus fünf Untertests mit jeweils fünf Aufgaben und muss in einer vorgegeben Zeit bearbeitet werden. Für die Älteren gilt selbiges aber nur für vier Aufgaben, wobei es hier noch eine Kurz- und eine Langversion gibt. Das Besondere an diesem Test ist, dass er einfach anzuwenden ist und im Sinne des g-Faktors nach Cattell die Grundintelligenz auf sprachfreier Basis misst. Er wird im deutschen Raum bei Schulschwierigkeiten bzw. zur Überprüfung eines Sonderschulbedarfs eingesetzt.
Der nächste nennenswerte Test ist der Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Kinder (HAWIK-III; Tewes, Rossmann & Schallberger, 20020). Die deutschsprachige Fassung entstammt dem amerikanischen Wechsler Intelligence Scale for Children (WISC-III; Wechsler, 1991), der nach dessen amerikanischem Erfinder David Wechsler benannt ist. Er untersucht die kognitive Entwicklung von Kindern und Jugendlichen im Alter von 6 bis 16 Jahren. Dieser Individualtest richtet sich nach dem Intelligenzkonzept von Wechsler selbst und testet die Intelligenz nicht nur als einheitliches Konstrukt, sondern als mehrdimensionale Einheit aus verschiedenen Kompetenzen. Dabei versteht er die Intelligenz als die Fähigkeit „zweckvoll zu handeln, vernünftig zu denken und sich mit seiner Umwelt wirkungsvoll auseinander zusetzen“ (Manual, S. 21). Aspekte wie Handlungs-, Denk- und Planungskompetenzen werden in 13 verschiedenen Untertests überprüft, um sowohl die allgemeine Begabung als auch spezifische kognitive Kompetenzen zu erfassen. Der HAWIK-III gibt dementsprechend nicht nur Auskunft über den Allgemeinen-IQ, zusätzlich können noch der Verbal-IQ und der Handlungs-IQ gemessen werden. Der Test wird häufig in der neuropsychologischen Diagnostik verwendet, da er im Sinne eines Screenings Richtungshinweise geben kann, allerdings kann er keine präzisen Aussagen zu Extremergebnissen liefern Somit ist er ein gutes Instrument um einen Überblick über die kognitive Fertigkeiten zu erlangen, damit daraus weitere diagnostische Schritte eingeleitet werden können.
In Anlehnung an Wechslers HAWIK Test entwickelten Kubinger & Wurst 1985 das Adaptive Intelligenzdiagnostikum. Dazu soll die überarbeitete Version des AID 2 vorgestellt werden (Kubinger & Wurst, 2000). Intelligenz wird hier definiert als „das Bündel aller kognitiven Voraussetzungen, die notwendig sind, um Wissen zu erwerben und Handlungskompetenzen zu entwickeln“ (Manual, S.30). Im Gegensatz zum HAWIK-Test realisiert der Test das Prinzip des adaptiven Testens nach der Theorie des Rasch-Modells. Dabei werden den zu testenden Personen nur Aufgaben gemäß ihres Leistungsniveaus gestellt. Somit wird eine hohe Messgenauigkeit erreicht. Der Test kann für eine Altersgruppe von 6-15 Jahren angewandt werden und wird besonders in der Schulpsychologie, sowie in der Berufs- und Bildungsberatung eingesetzt. Eine Hochbegabung kann mit Hilfe dieses Tests bei Kindern und Jugendlichen ebenfalls festgestellt werden.
Zu erwähnen ist ebenfalls der von Snijders-Omen entwickelte non-verbale Intelligenztest (SON-R 2 ½ - 7; Tellegen et al., 1998). Besonders hervorzuheben ist hier, dass die Kinder für den Test weder lesen noch schreiben können müssen. In seiner Ursprungsform war der Test eigentlich für gehörlose Kinder gedacht und wurde dann weiterentwickelt, um mehr die fluide als die kristalline Intelligenz zu testen. Dabei versucht er zwei grundlegende Intelligenzaspekte zu erfassen: Zum einem die Handlungsfähigkeit und zum anderen die Denkfähigkeit. „Weitere Validierungsstudien zeigen, dass die Handlungsskala handlungsbezogene, perzeptive Aufgaben umfasst, die sich an das räumliche Verständnis und visumotorische Fähigkeiten richten“ (Holling et al., 2004, S. 101). Der Test ermöglicht es, Kinder mit Sprachproblemen oder Kinder ohne Deutsch als Muttersprache zu testen.
Zusammenfassend kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass die Intelligenztestmodelle genau so unterschiedlich sind wie ihre Erklärungsmodelle auf die sie sich berufen. Heutzutage entwickelt sich ein Trend, der den Begriff des IQ häufig fehlinterpretiert und damit Kinder, Jugendliche oder Erwachsene für ihr gesamtes Leben stigmatisiert. Der eigentliche Sinn und Zweck steht kaum noch im Vordergrund solcher Testungen. Binet entwickelte seinen Test zur Untersuchung, ob bei Kindern ein Förderbedarf besteht, um sie so in eine Förderschule einweisen zu lassen. Problematisch dabei ist damals wie heute, dass der IQ den Anspruch hat, ein Leben lang gültig zu sein. Gleichzeitig herrscht bei vielen Menschen auch immer noch der Glaube, Intelligenz sei rein erblich bedingt und könne nicht verändert werden. Doch was geschieht beispielsweise mit Zwillingen, die nach der Geburt getrennt werden? Haben beide nach mehreren Jahren trotzdem denselben IQ-Wert oder bestimmen die jeweiligen Umwelteinflüsse den IQ Wert zum großen Teil mit? Studien konnten beweisen, dass Intelligenz etwa zu 50% vererbt wird und zu 50% von den Umwelteinflüssen abhängig ist (Zimbardo, 2006). Ein neuer Ansatz, der das Hauptthema dieser Arbeit darstellt, versucht einen dieser Umwelteinflüsse genauer zu betrachten, nämlich, die Einflüsse sportlicher Aktivität auf die Intelligenz. Bevor die Arbeit im weiteren Verlauf der Frage nachgeht, ob und wie durch sportliche Aktivität die Intelligenz gesteigert werden kann, wird sie zunächst auf den Aufbau des Gehirns eingehen, um verstehen zu können, welche Bereiche unseres Gehirns eine Rolle bei der Intelligenz spielen.
Das vorliegende und nachfolgende Kapitel der Entwicklungspsychologie und der Neurobiologie sollen die Grundlagen für das Kapitel 5 schaffen. Die beiden Kapitel geben einen Einblick in die geistige Entwicklung des Kindes und die biologischen Prozesse im Gehirn, um neues Wissen zu erlernen.
Zunächst widmet sich die vorliegende Arbeit dem Begriff der Entwicklungspsychologie. Zimbardo (2004) definiert die Entwicklungspsychologie als eine Unterkategorie der Psychologie, die sich mit der körperlichen und geistigen Veränderung während der gesamten Lebensspanne befasst. Entwicklungspsychologen wollen erklären, wie und warum sich Organismen verändern. Im Laufe der Zeit wurde der Begriff der Entwicklung immer weiter gefasst und von (1959, S. 10) folgendermaßen definiert: „Entwicklung erscheint dann als eine Reihe von ... miteinander zusammenhängenden Veränderungen, die bestimmten Orten des zeitlichen Kontinuums eines individuellen Lebenslaufs zuzuordnen sind.“.
Die Grundannahme besteht darin, dass sich alle Aspekte des Lebens im Laufe der Zeit in einem ständigen Wandel bzw. Prozess befinden. Dabei strebt der Mensch immer die nächsthöhere Entwicklungsstufe an und versucht sich stetig zu verbessern. Entwicklung beschränkt sich dabei nicht nur auf eine bestimmte Lebensphase, sondern vollzieht sich während der gesamten Lebenspanne. In der Kindheit und im Jugendalter können die meisten Veränderungen festgestellt werden. In dieser Zeitspanne gibt es daher auch die meisten Kontroversen zwischen den Theorien der Entwicklung. Kann dieser Entwicklungssprung von einem Kleinkind hin zu einem jungen Erwachsenen mit Hilfe der Genetik beantwortet werden oder kommt es doch mehr auf die in der Umwelt gelernten Erfahrungen an? Es besteht hier also dieselbe Kontroverse, wie schon in der Intelligenzentwicklung. Nach der Sichtweise des britischen Philosophen John Locke (1988) kommen Säuglinge ohne jegliche Erfahrungen auf die Welt und eignen sich in der aktiven Auseinandersetzung mit der Umwelt ihr Wissen und ihre Fähigkeiten an. Diese Philosophie wird dem Empirismus zugeordnet (Zimbardo, 2004). Auf die entgegengesetzte Meinung beruft sich der Philosoph Jean-Jacques Rousseau. Er geht davon aus, dass jedes Individuum schon in seiner Erbanlage das Grundgerüst für die Entwicklung besitzt und dieses im Laufe des Lebens immer weiter ausgebaut wird. Diese Philosophie wird dem Nativismus beigeordnet. Es gibt zwei verschiedene Schwerpunkte in der Entwicklung, wobei sich diese Arbeit mit der kognitiven und nicht mit der motorischen Entwicklung befassen wird. Die erstgenannte „befasst sich mit der Entstehung und Veränderung der Prozesse und Produkte des Geistes“ (Zimbardo, 2004, S. 452).
Jean Piaget (1906-1980) war einer der ersten Psychologen, die es sich zur Aufgabe machten, willkürliches, kindliches Verhalten zu erklären. Auf dem Gebiet der Entwicklungspsychologie gilt er als Vorreiter und liefert mit seiner umfassenden Forschung die Grundlage für fast alle weiteren Theorien. Seine Ansätze wurden im Laufe der Zeit immer weiter korrigiert und verfeinert. Bevor sich die Arbeit punktuell mit seinem Entwicklungsstufenmodell befasst, werden zunächst die Grundlagen seiner Ansichten erläutert. Seine Theorie geht davon aus, dass die Entwicklung immer einem Wechselspiel zwischen Assimilation und Akkommodation obliegt. Assimilation und Akkommodation werden unter dem Oberbegriff der Adaption zusammengefasst, was zu verstehen ist als immer neu zu leistende Anpassung des Organismus‘ an seine Umwelt (Buggle, 1997). Mit dem Wechselspiel wird eine Art natürliche Balance gehalten, welches dem Äquilibrationsprinzip zuzuordnen ist (Weinert & Weinert, 2006). Im Folgenden werden die Begriffe der Assimilation und Akkommodation genauer betrachtet. Zunächst sei gesagt, dass beide Fähigkeiten nicht getrennt voneinander auftreten können, allerdings auch niemals nebeneinander (Wollny, 2002). Durch Reifung, Erfahrung und Erziehung werden sie angeregt und helfen dem Individuum bei der Entwicklung. Nach Piaget bedeutet der Begriff der Assimilation neue Informationen zu modifizieren, um es an die Bedürfnisse des Individuums anzupassen (Wollny, 2002). Akkommodation hingegen bezeichnet die Anpassung des eigenen Verhaltens an die Erfordernisse der Umwelt (Wollny, 2002). Mit der Akkommodation können neue Informationen umfassender aufgenommen werden. Zimbardo (2004) führt dazu das Beispiel vom Saugreflex eines Neugeborenen an. Das Kind hat von Natur aus den Saugreflex inne, muss den Mund allerdings noch an die Form der mütterlichen Brust anpassen. Sobald man auf die Flasche umstellt, greift das Kind auf vorhandene Informationen zurück, was dann zum Saugen am Gumminippel führt (Assimilation). Sobald sich die Flasche langsam leert, muss der Winkel verändert werden um weiter trinken zu können. Außerdem muss die Flasche anders als die Brust gefasst werden. Der Schritt von der Brust zur Flasche und später zum Strohhalm oder Glas benötigt Akkommodation. Sie kommt dann zu tragen, wenn die Assimilation nicht mehr ausreicht um eine neue Situation zu bewältigen.
Piaget geht in seinem Entwicklungsmodell davon aus, dass alle Kinder vier aufeinander folgende Entwicklungsphasen durchlaufen. Jedes Kind braucht dabei unterschiedlich lang um in die nächste Phase überzugehen, da Umwelteinflüsse hier ein fördernder oder aufhaltender Faktor sind Die einzelnen Phasen oder Stufen unterteilen sich noch einmal in verschiedene Episoden.
Die sensomotorische Periode:
Die erste Phase der kognitiven Entwicklung erstreckt sich von der Geburt bis etwa in das zweite Lebensjahr. Diese Phase ist unterteilt in sechs weitere Stufen und dadurch gekennzeichnet, dass fortlaufend die Koordinierung von immer komplexeren Schemata stattfindet (Solso, 2005). Zu Beginn herrschen noch die angeboren Mechanismen und Reflexe vor. Mit der Zeit werden sie aber immer weiter verfeinert, überarbeitet und an die Umwelt angepasst (Stufe 1: Übung angeborener Mechanismen (im ersten Lebensmonat)). Durch die angeborene Neugier des Kindes werden interessante Dinge wiederholt und verfestigt. Dabei werden die Fähigkeiten des Sehens und Greifens modifiziert und an die umliegenden Gegenstände angepasst (Akkommodation). Es entstehen sogenannte Zirkulärreaktionen oder auch Kreisreaktionen genannt (Stufe 2: primäre Zirkulärreaktion (ca. 1.-4. Monat)). In der dritten Stufe (sekundäre Zirkulärreaktion (ca. 4.-8. Monat)) beginnt das Kind eine Erkenntnis daraus zu gewinnen, dass in der immer gleich ausgeführten Handlung auch immer das gleich Ergebnis resultiert. Es beginnt nun auch aktiv nach aus dem Blickfeld verschwundenen Objekten zu suchen und wendet sich nicht sofort neuen Dingen zu (Objektpermanenz). Danach erlernt das Kind verschiedene Schemata zu kombinieren und es entstehen Gesamtverhaltenskomplexe (Stufe 4: Intentionale Verhalten (ca. 8.-12. Monat)). Im Alter von 12-18 Monaten erlernt das Kind durch aktives Experimentieren neue Handlungsschemata um seine Ziele zu erreichen. Sobald einzelne Handlungen nicht mehr wie gewünscht zum Erfolg führen, werden entweder Hilfsmittel zur Verstärkung benutzt oder ein komplett neuer Lösungsansatz angestrebt (Tertiäre Stufe). Sollte der neue Lösungsansatz zum Erfolg führen, werden alte Schemata dementsprechend weiterentwickelt und adaptiert. Akkommodationsprozesse werden dabei nicht mehr nur von der Umwelt vorgegeben, sondern aktiv angestrebt und schaffen somit eine ausgeprägte Differenzierung zwischen Assimilation und Akkommodation. In der letzten Stufe dieser Phase (Stufe 6: Übergang vom sensomotorischen Phase zur Vorstellung bzw. zur voroperationalen Phase (18.-24. Monat)) erkennt das Kind meist eine Konsequenz, die durch sein Handeln ausgelöst wird. Handlungen werden nun vorstellbar, sodass praktische Handlungen nicht mehr vollständig notwendig sind. Dieser kognitive Entwicklungsschritt markiert den Übergang zum Denken und ermöglicht es, neue Situationen schnell anzupassen (sensomotorische Phase nach Buggle, 1997).
Die ersten zwei Jahre sind insofern die wichtigsten, als das hier der Grundlage aller motorischen und intellektuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten gelegt wird. Die Verbindung von Wahrnehmung und Motorik ist in dieser Phase so eng wie zu keinem anderen Zeitpunkt der Entwicklung.
Die Periode des voroperationalen Denkens:
Diese Periode zieht sich vom zweiten Lebensjahr bis in das siebte hinein. Besonders prägnant sind hier die Fortschritte im kognitiven Bereich. Die Kinder können sich mögliche Handlungen im Kopf bewusst machen und werden somit immer unabhängiger von tatsächlich ausgeführten Handlungen (Solso, 2005). Außerdem sind sie nun in der Lage, vergangene Information abzurufen und für sich zu nutzen. Im Zuge dieser kognitiven Weiterentwicklung können Kinder nun auch über Probleme nachdenken und so einen Lösungsweg finden. Mit Anfang des zweiten Lebensjahres beginnt das Kind seine ersten Worte zu sprechen. Piaget fokussiert sich aber in dieser Periode eher auf die Fähigkeiten, die ein Kind nicht kann, als auf das was es kann. Charakteristisch für diese Zeit ist, dass das Kind zwar unterschiedliche Klassen identifizieren kann, aber innerhalb diesr Klasse keine Unterscheidungen kennt. Das Verständnis in diesem Alter ist noch sehr unreif und wird mit fortlaufender Zeit immer ausgereifter. So werden zum Beispiel von der Obergruppe Männer zu Beginn alle mit „Papa“ und alle Frauen mit „Mama“ angesprochen. Des Weiteren „unterliegen jüngere Kinder auch der Zentrierung - sie neigen dazu ihre Aufmerksamkeit auf die perzeptiv auffälligen Merkmale von Objekten zu fixieren“ (Zimbardo, 2004, S. 454). Dieser Aspekt zeigt sich beispielsweise in Piagets Versuch mit zwei unterschiedlich geformten Trinkgläsern. Wasser wird von einem Glas in das andere geschüttet. Das schmalere Glas hat nun einen höheren Pegel als das zweite Glas. Kinder assoziieren mit dem höheren Pegel gleichzeitig auch eine größere Menge Wasser. Sie sind also nicht in der Lage zu erkennen, dass die Menge an Wasser gleich geblieben ist (Zimabrdo, 2004). Ein letztes und wichtiges Merkmal beschreibt Piaget als Egozentrismus, Damit ist das Versagen der Fähigkeit gemeint, sich in andere Personen hinein zu versetzen (Solso, 2005). Die Kinder verstehen nicht, dass seine Mitmenschen auch andere Überzeugungen oder Denkweisen haben und sehen ihre Meinung als die Richtige an.
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