Masterarbeit, 2014
92 Seiten, Note: 1,7
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Motivation
1.2 Zielsetzung der Arbeit
1.3 Vorgehensweise
2 Terrorismus
2.1 Definitionen und Abgrenzungen des Begriffs „Terrorismus“
2.2 Terrorismus als weitweites Problem
2.3 Übersicht Terrorakte
2.4 Divergenz der Terrorgefahr zu anderen Gefahren
3 Versicherbarkeit von Terrorrisiken vor und nach dem 11. September 2001
3.1 Versicherung von Terrorrisiken vor dem 11. September 2001
3.2 Rückblick auf die Ereignisse vom 11. September 2001
3.3 (Finanz-)Wirtschaftliche Folgen der Terroranschläge vom 11. September 2001
3.4 Versicherung von Terrorrisiken nach dem 11. September 2001
3.5 Internationaler Vergleich von Terrorversicherungslösungen
4 Terrorversicherung in der Bundesrepublik Deutschland
4.1 Gründe für die Installation einer Terrorversicherung in Deutschland
4.2 EXTREMUS AG – staatlich unterstütze Terrorversicherungslösung in Deutschland
4.2.1 Aufbau und zentrale Aspekte der EXTREMUS AG
4.2.2 Aktuelle Situation in Deutschland
5 US-amerikanisches Programm zur Absicherung von Terrorschäden
5.1 Gründe für die Installation einer Terrorversicherung in den Vereinigten Staaten von Amerika
5.2 Aufbau des Terrorism Risk Insurance Program Reauthorization Acts (TRIPRA)
5.3 Zentrale Aspekte des US-amerikanischen Terrorprogramms
5.4 Verlängerung des Terrorism Risk Insurance Acts (TRIA)
5.4.1 TRIA-Erneuerung 2005 und 2007
5.4.2 Entscheidung über eine TRIA-Erneuerung 2014
6 Staatliche (Teil-)Haftung
6.1 Wettbewerbsrechtliche Betrachtung
6.2 Reduktion oder Einstellung der staatlichen (Teil-)Haftung
6.2.1 Argumente für eine Reduktion oder Einstellung der staatlichen Unterstützung
6.2.2 Argumente gegen eine Reduktion oder Einstellung der staatlichen Unterstützung
6.2.3 Reduktion oder Einstellung der staatlichen Unterstützung in Deutschland?
7 Schlussbetrachtung und offene Fragen
Literaturverzeichnis
Rechtsquellenverzeichnis
Anhang A – Lloyd’s of London
Anhang B – Interviews
Abb. 2-1: Auszüge Terror Map 2003
Abb. 2-2: Auszüge Terror Map 2014
Abb. 3-1: Schadenverteilung der Terroranschläge vom 11.09.2001 nach Sparten
Abb. 4-1: Deckungsmodell Terrorversicherung durch EXTREMUS in Deutschland
Abb. 5-1: Aufbau TRIPRA (Stand August 2014)
Abb. 5-2: Anteil, der in Anspruch genommenen Terrorversicherungen unter TRIA
Abb. 5-3: Programme unter TRIA (Stand August 2014)
Tab. 2-1: Die fünf Terroranschläge mit den meisten Todesopfern
Tab. 2-2: Die fünf teuersten Terroranschläge
Tab. 3-1: Kursentwicklungen von Versicherungskonzernen und des DAX
Tab. 3-2: Übersicht Terror-Pools weltweit
Tab. 4-1: Anteilseigner / Aktionäre EXTREMUS AG
Tab. 4-2: Übersicht Abgrenzungskriterien Terrorversicherung Deutschland
Tab. 5-1: Vergleich der Vorschläge zur TRIA-Erneuerung 2014
Tab. 7-1: Regelungen der Terrorversicherung in Deutschland und den USA
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Besonders heute, in einer Zeit der Globalisierung und des weltweiten Zusammenwachsens, wird es immer wichtiger, wirtschaftlich zu denken und zu handeln. Gleichzeitig steigt das Bedürfnis zur Sicherung des (unternehmerischen) Eigentums. Mechanismen zur Prävention gewisser Gefahren werden immer bedeutsamer. „Terrorismus“ ist aktuell und nicht zuletzt durch die Ereignisse am 11. September 2001 weltweit ein brisanter Begriff geworden, wenn es um (versicherungstechnische) Gefahren und die Angst der Menschen geht. Angst, insbesondere wenn sie auf materielle Dinge abzielt, kann – zum Teil – durch Versicherungsschutz gemindert werden. Heutzutage existieren weltweit zahlreiche Terrorversicherungslösungen, die eine staatliche Unterstützung genießen. Private Versicherungsunternehmen können in einigen dieser Staaten nur eingeschränkt ihrem Geschäft nachgehen, da der Staat dort eine gewisse Vormachtstellung in Bezug auf das Angebot von Terrorversicherung besitzt und durch diese oftmals große Teile des Marktes beherrscht.
Bis zum heutigen Tage existieren nur sehr wenige Untersuchungen zur Entwicklung der Terrorversicherung innerhalb Deutschlands in Verbindung mit staatlicher Unterstützung. Die meisten vorhandenen Untersuchungen beobachten nur den Zeitraum kurz nach Installation der staatlichen Unterstützung. Im US-amerikanischen Raum hingegen ist eine Vielzahl von Analysen, Forschungsergebnissen, Abhandlungen oder anderer schriftlicher Darlegungen zu dieser Thematik vorhanden. Begründet werden kann dies zum einen durch die Unmittelbarkeit des größten Terroranschlages in der Geschichte. Zum anderen wird zum Ende des Jahres (2014) eine Entscheidung für oder gegen eine Verlängerung der staatlichen Unterstützung in den Vereinigten Staaten von Amerika (United States of America – USA) fallen. Diese aktuell sehr konfliktgeladene Diskussion wird, mit teils wöchentlich erscheinenden Berichten, kontinuierlich thematisiert.
Auf Basis einer fundierten Analyse der Terrorversicherungsmärkte in Deutschland sowie den USA soll folgende Fragestellung in der vorliegenden Arbeit untersucht und kritisch bearbeitet werden:
Ist eine staatliche Unterstützung (vornehmlich in Deutschland und den USA) heutzutage noch notwendig? Falls ja, wäre zumindest eine Reduktion sinnvoll?
Ein Unterziel der Arbeit ist es, die folgenden drei Fragestellungen kritisch zu analysieren sowie die Erkenntnisse mit Experteninterviews zu validieren:
Wie wird die Entscheidung über die Verlängerung des US-amerikanischen Programms zum 31. Dezember 2014 voraussichtlich aussehen?
Was sind die Gründe für oder gegen eine Pflichtversicherung für Terrorismusrisiken?
Ist die staatliche Unterstützung im Bereich Terrorversicherung wettbewerbsrechtskonform?
In dieser Arbeit wird versucht, die Frage nach dem Zweck einer staatlich unterstützen Terrorversicherungslösung zu beantworten, Meinungen führender Experten darzulegen und daraus konkrete Handlungsempfehlungen abzuleiten. Aufgrund der aktuellen Thematik und der in den letzten Jahren kaum vorhandenen deutschen Veröffentlichungen werden zumeist US-amerikanische Berichte öffentlicher Institutionen (zum Beispiel (z. B.) US-President‘s Working Group) oder marktführender Unternehmen (z. B. AON Benfield oder Unternehmen der Marsh & McLennan Companies) zur kritischen Bewertung herangezogen
In Kapitel 2 werden zunächst grundlegende Begriffe definiert und die jeweiligen Themengebiete theoretisch abgegrenzt. Die Abweichung der Gefahr Terror im Vergleich zu anderen Versicherungsgefahren wird anhand eines Kriterienkataloges verdeutlicht.
Der Umgang mit der Versicherbarkeit von Terror vor und nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 wird in Kapitel 3 dargestellt sowie kritisch analysiert. Damit einhergehend erfolgt ein kurzer Rückblick auf die Geschehnisse sowie deren wirtschaftliche Folgen. Besonders wird auf die Schadenverteilung dieses Terrorschadens sowie auf die internationalen Terrorversicherungslösungen eingegangen.
Kapitel 4 und 5 setzen sich mit dem gegenwärtigen Stand auf dem Gebiet Terrorversicherungen innerhalb Deutschlands (Kapitel 4) sowie den USA (Kapitel 5) auf Basis einer Literaturrecherche mit aktuellen wissenschaftlichen Artikeln sowie Ergebnisberichten aktueller Arbeitsgruppen auseinander. Gründe für eine staatlich unterstützte Terrorversicherungslösung in den genannten Staaten werden dargestellt und deren Installation, Aufbau und Veränderungen analysiert. Kapitel 5 thematisiert außerdem die geplante Erneuerung des US-amerikanischen Programms zur Absicherung von Terrorschäden und stellt den aktuellen Stand der bevorstehenden Entscheidung dar.
Diese geplante Erneuerung wird in Kapitel 6 kritisch auf die Frage ihrer Sinnhaftigkeit hin geprüft. Die Konformität der staatlichen Unterstützung mit dem europäischen Wettbewerbsrecht wird geprüft. Infolgedessen wird innerhalb dieses Kapitels eine der oben genannten Kernfrage besprochen und mit Expertenmeinungen versucht, eine Handlungsempfehlung abzuleiten.
Kapitel 7 schließt die Arbeit mit einer Zusammenfassung ab. Weiterführende Fragestellungen, die angesichts des gesetzten Rahmens dieser Arbeit nicht bearbeitet werden konnten und Denkanstöße bieten sollen werden kurz aufgeführt. Auswirkungen der Entscheidung über eine Verlängerung des US-amerikanischen Programms zur Absicherung von Terrorschäden auf Deutschland werden abschließend anhand der Ergebnisse dargelegt.
Der Begriff Terrorismus lässt sich nicht eindeutig definieren. Es existiert eine Vielzahl von Terrorismusdefinitionen. Erst seit den verheerenden Terroranschlägen am 11. September 20011 erfuhr der Begriff Terrorismus eine weltweite Aufmerksamkeit. Seit diesem Zeitpunkt häuften sich auch diverse Definitionen; Terrorismus wurde verstärkt zu einem zentralen Untersuchungsgegenstand der Weltwirtschaft.2 Die vielleicht größte Schwierigkeit einer Definitionsfindung liegt darin, dass der Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch mit verschiedenen Taten und Ereignissen (unter anderem (u. a.) Bombenanschläge oder Ermordungen) verknüpft wird und somit jegliche Definition von eigenen politischen Vorstellungen sowie der individuellen Ideologie geprägt sein kann.3 Unter dieser Prämisse wurden in den vergangenen 13 Jahren diverse Publikationen zu dieser Thematik veröffentlicht. Dies führte zu einer hohen Anzahl an Definitionen, die wiederum kontrovers diskutiert werden. Bis zum heutigen Tag ist weltweit nicht abschließend geklärt, was genau Terrorismus darstellt beziehungsweise (bzw.) beschreibt. Im Folgenden werden nun alternative Definitionen vorgebracht sowie deren Unterschiede herausgestellt.
Politisch motivierte Gewalttaten – wie ein Terrorakt – wurden schon in der frühen Antike erwähnt, wobei sich der Begriff Terrorismus jedoch erst zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt etablierte.4 Damals wie heute, war die Einschüchterung ein vorrangiges Ziel jeglicher „Terrorakte“. Diese leitet sich aus dem Stammbegriff des Terrorismus ab: Terror. Terror stammt etymologisch vom Wort „Schrecken“ (lat. terror)5. Dieser Begriff wurde erst zu Zeiten der Französischen Revolution bekannt bzw. erstmalig schriftlich dokumentiert. Ende des 18. Jahrhunderts wurde der „Terror“ (franz. terreur) als staatliches Instrument von Maximilien de Robespierre missbraucht. Heutzutage wird zumeist die so genannte (sog.) „Terrorherrschaft“ erwähnt, die eine Periode der Französischen Revolution von Anfang Juni 1793 bis Ende Juli 1794 darstellt und zunächst nur bezogen auf diese Zeit, später aber allgemeiner verwendet wurde.6 Klar abgegrenzt werden müssen allerdings weiterhin die Begrifflichkeiten „Terror“ sowie „Terrorismus“. Das angefügte Suffix „-ismus“ bezeichnet oft eine Ideologie, bzw. eine ideologische Systematik hinter dem Wortstamm.7 Somit stellt der „Terrorismus“ grundlegend eine Systematik dar, welche die politisch motivierte Gewaltanwendung beinhaltet, wohingegen „Terror“ als Instrumentarium zum Schutz bestehender Macht angesehen werden kann.8 Eine allgemeingültige Definition des Begriffes Terrorismus beschreibt, dass es sich dabei um ein „geplantes, berechnetes und darum ein systematisches Tun“ 9 handelt.
Versicherungstechnisch wird Terrorismus bzw. werden Terrorakte in Deutschland gemäß (gem.) dem Ausschluss für Terrorakte in den Allgemeinen Bedingungen für die Feuerversicherung – Terrorausschluss – 2010 (AFB 2010) folgendermaßen definiert:
„Terrorakte sind jegliche Handlungen von Personen oder Personen-gruppen zur Erreichung politischer, religiöser, ethnischer oder ideologischer Ziele, die geeignet sind, Angst oder Schrecken in der Bevölkerung oder Teilen der Bevölkerung zu verbreiten und dadurch auf eine Regierung oder staatliche Einrichtungen Einfluss zu nehmen.“10
Exakt diesen Wortlaut führt ebenfalls die EXTREMUS Versicherungs-AG11 in ihren Allgemeinen Bedingungen für die Terrorversicherung (ATB 2008) an.12 Dies dient zur Vermeidung von Deckungslücken beim Prozess des Ausschlusses und des anschließenden Versicherns über EXTREMUS.
Auf dem Gebiet der Terrorismusforschung existieren gleichermaßen eigene Definitionen zu den hier relevanten Begrifflichkeiten. Die bekannteste determiniert Terrorismus als „Anwendung von Gewalt durch eine Gruppe […], die zu politischen oder religiösen Zwecken gewöhnlich gegen eine Regierung, zuweilen auch gegen andere ethnische Gruppen, Klassen, Religionen oder politische Bewegungen vorgeht“.13
Hierbei geht die Wissenschaft davon aus, dass ein wesentlicher Bestandteil in dieser Definition fehlt: der symbolische Charakter eines Terroraktes. Während in Deutschland die Definition von Terrorismus bzw. Terrorakten in den meisten industriellen Versicherungsbedingungen definiert ist, existieren in einigen Ländern Legaldefinitionen oder von übergeordneten bzw. staatlichen Institutionen publizierte allgemeingültige Definitionen.
Im Folgenden werden – vergleichend – Definitionen aus Großbritannien sowie aus den USA hervorgehoben, da diese beiden Staaten zu den bedeutendsten Versicherungsstaaten (besonders in Bezug auf Terrorversicherungen) zählen. Großbritannien besitzt schon seit über zwanzig Jahren einen versicherungstechnischen Absicherungsmechanismus gegen Terrorschäden; die USA mussten nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 ihre Deckung in Bezug auf Terrorakte völlig neu überdenken.14 Beide Staaten begannen unmittelbar nach ihren größten durch einen Terrorakt verursachten Schäden damit, Lösungen zu finden, um hohe Schadenerwartungswerte am Markt (oder an den Staat) zu streuen/zu verteilen.
In Großbritannien werden sämtliche Sachverhalte rund um das Thema Terror(-versicherung) vom Unternehmen „Pool Reinsurance Company Limited“ – kurz „Pool Re“ – organisiert und strukturiert. Bei Pool Re handelt es sich um einen 1993 gegründeten Rückversicherungspool auf Gegenseitigkeit.15 Mitgliedsunternehmen zedieren ihre Terrorismusrisiken aus der Feuer- sowie Feuerbetriebsunterbrechungsversicherung an Pool Re.16 In den dortigen Statuten wurden Terrorakte definiert als:
„acts of persons acting on behalf of, or in connection with any organisation which carries out activities directed towards the overthrowing or influencing, by force or violence, of Her Majesty’s government in the United Kingdom or any other government de jure or de facto.“ 17
Übersetzt bedeutet dies:
“Handlungen, die im Namen von oder in Zusammenhang mit Organisationen ausgeführt werden, die Tätigkeiten ausüben, die darauf abgezielt sind, einen gewaltsamen Sturz oder eine gewaltsame Beeinflussung (de jure18 oder de facto19 ) der königlichen Regierung des Vereinigten Königreiches oder einer anderen Regierung zu erzielen.“ 20
In den USA trat im Jahr 2002 der Terrorism Risk Insurance Act of 2002 in Kraft.21 Dieser besitzt keine eigene Definition des Begriffes Terrorakt, sondern fordert für einen entschädigungspflichtigen Schaden die Zertifizierung des Schadens bzw. des Terroraktes als „act of terrorism“ durch das Finanzministerium (Secretary of Treasury) in Übereinstimmung mit dem Außenministerium (Secretary of State) sowie dem Generalstaatsanwalt (Attorney General). Um diese Zertifizierung erhalten zu können, müssen folgende Bedingungen einer Handlung/Tat erfüllt sein:
- Es muss sich um eine terroristische Handlung handeln.
- Es muss eine gewaltsame Handlung oder eine Handlung, welche Gefahr für das menschliche Leben, Sachanlagen/Eigentum oder die Infrastruktur darstellt, vorliegen.
- Der entstandene Schaden muss sich in den USA verwirklicht haben (außerhalb der USA nur möglich im Falle von betroffenen Luftfahrzeugen oder Seefahrzeugen oder bei Handlungen auf ausländischen Territorien, die zum Hoheitsgebiet der USA gehören).
- Die Handlung bzw. der Akt muss von einer Person oder Personen begangen worden sein, die im Auftrag einer ausländischen Person oder von ausländischen Interessengruppen handelt und deren Ziel es ist, die US-Bevölkerung zu nötigen, Einfluss auf politische Geschehnisse zu bekommen oder das Verhalten der Regierung der USA zwanghaft zu beeinflussen.22
Während der Erneuerung im Jahre 2007 wurde dieser Abschnitt gekürzt. Die Aussage, dass der Akt im Auftrag einer ausländischen Person oder von ausländischen Interessensgruppen begangen wird bzw. von diesen in Auftrag gegeben werden muss, wurde ersatzlos gestrichen. Demnach sind ab dem 01.01.2008 definitionsgemäß auch jene Terrorakte versichert, die einheimische Personen/-gruppen ausführen oder in Auftrag geben (engl. domestic terrorism).23
- Darüber hinaus bleibt die Bedingung des aggregierten Einzelschadens einer terroristischen Handlung24 bestehen. Der Einzelschaden muss mindestens 5 Mio. US-Dollar betragen. Dieses Kriterium muss zwingend erfüllt sein, damit die explizite terroristische Handlung unter diesen Akt fällt.
Inhaltlich unterscheiden sich die deutsche, die englische sowie die US-amerikanische Definitionen bzw. Bedingungen sehr. Der US-amerikanische Bedingungskatalog erweist sich im Gegensatz zur deutschen Definition („jegliche Handlungen“) als konkreter. Er zielt direkt auf einen Schaden ab und erweitert gleichzeitig die Definition um den Einfluss auf die Infrastruktur sowie Sachanlagen bzw. Eigentum. Folglich wären, im Gegensatz zur deutschen Definition, auch Terrorhandlungen, welche sich explizit auf Unternehmen beziehen, versichert. Als Nachteil gegenüber der deutschen Definition erweist sich aber der konkrete Bezug auf den Terrorschaden. Androhungen von terroristischen Handlungen sind somit gem. den US-amerikanischen Bedingungen nicht Bestandteile eines zertifizierten Terroraktes. Eine Diskrepanz zur deutschen Definition und zugleich Nachteil der britischen Definition ist, dass die Person, welche den Terrorakt begeht, einer Organisation angehören oder im Auftrag dieser handeln muss. Eine terroristische Handlung, die ausschliesslich durch eine Einzelperson begangen wird, würde nicht unter die britische Definition fallen. Lediglich einige wenige Definitionen, wie beispielsweise die französische, schließen jegliche Handlungen in sämtlichen Formen ein. Dort ist es unerheblich, ob eine Einzelperson oder eine Organisation den Akt begeht, genauso ob es ein nuklearer Anschlag oder nur eine Terrordrohung ist.25
An diesem einfachen Vergleich wird ersichtlich, dass mehr oder minder umfangreiche Einschränkungen in den Definitionen von terroristischen Handlungen bestehen. Es existiert aktuell eine große Anzahl von Definitionen auf dem internationalen Terrorversicherungsmarkt. Eine 1988 durchgeführte Analyse des Terrorversicherungsmarktes identifizierte schon zur damaligen Zeit 109 verschiedene Terror-Definitionen26. Nicht zuletzt durch die Terroranschläge am 11. September 2001 in den USA sowie dem Londoner Bishopsgate Bombing 1993 und den Anschlag auf die U-Bahn von Tokio 1995 dürfte heutzutage diese Anzahl enorm gestiegen sein. Diese Tatsache verdichtete der US-amerikanische Terror-Experte und Ökonom Chris Quillen zu seiner Aussage:
„Far too many trees have been slain and far too much ink spilled already debating the exact definition of terrorism“27
Im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit findet die deutsche Definition (teilweise im Vergleich mit den US-amerikanischen-Zertifizierungs-Bedingungen) Anwendung.
Heutzutage wird die Terrorgefahr bzw. der Terrorismus als weltweites Problem angesehen. Weltweit beginnend mit den Anschlägen vom 11. September 2001 entwickelte sich der Terrorismus in den nachfolgenden Jahren zu einem Begriff, der mit Angst und Schrecken behaftet ist. Anschläge auf Züge in Madrid am 11. März 2004 (191 Todesopfer)28, auf die Londoner Untergrundbahn am 7. Juli 2005 (56 Todesopfer)29 sowie der Bombenanschlag während des Boston Marathons am 15. April 2013 (3 Todesopfer)30 sind nur diejenigen Anschläge, denen ein Höchstmaß an medialer Aufmerksamkeit zuteilwurde. Insgesamt wird von offizieller Seite her von 41.293 Terroranschlägen in der Zeit von 2001 bis 2012 berichtet. Die Zahl der jährlichen Anschläge stieg in diesem Zeitraum konstant. Waren es 2002 noch 1.299 Anschläge, erreichte die Anzahl 2012 den Wert von 8.441.31
Interessant an der Entwicklung ist auch die Bedeutung Deutschlands innerhalb der Terrorgefahr. Als einer der weltweit größten Versicherungsmakler veröffentlicht AON in Zusammenarbeit mit einer weltweit agierenden Risikoberatungsgruppe jährlich eine Landkarte der Terrorgefahr (aktuell eine Landkarte der Terror- sowie politischen Gefahren). In Deutschland herrschte im Jahre 200332 auf einer fünfstufigen Skala die vierthöchste Gefahrenstufe für einen terroristischen Anschlag. In der Folgezeit entwickelte sich dies zunehmend besser und führte zu einer Einstufung in die geringste Risikokategorie im Jahre 2014. Ebenso entwickelten sich die USA. Im Jahr 2003 noch als hohes Risikoland eingestuft, wird es 2014 mit der Bezeichnung „niedriges Risiko“ gekennzeichnet (siehe Abbildungen 2-1 sowie 2-2). Die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 hingegen fand in einem Risikoland statt. Brasilien, dessen Bewertung in den letzten Jahren durchgehend auf „mittel“ notierte, ist das einzige (latein-)amerikanische Land, dessen Risikobewertung aktuell auf „ernsthaft“ (Risikostufe 4 von 5) eingestuft wurde.33
Abb. 2-1: Auszüge Terror Map 2003 34
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2-2: Auszüge Terror Map 2014 35
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Heutzutage weisen zur Versicherbarkeit gegen dieses steigende Risiko 9 von 34 Ländern der sog. „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (engl. Organisation for Economic Co-operation and Development – OECD) eine Kooperation zwischen privater Versicherungswirtschaft und dem Staat auf. Zumeist sieht dieses Konstrukt eine Layer-Struktur36 vor, worin der Staat als (Rück-)Versicherer den letzten Layer (entgeltlich oder unentgeltlich) trägt.37
Kurz nach den Terroranschlägen 2001 wurden vonseiten der US-Regierung die Begriffe „known Knowns“, „known Unknowns“, „unknown Knowns“ sowie „unknown Unknowns“ geprägt. Als „known Knowns“ werden Dinge angesehen, die bekannt sind und über die ein bestimmtes Wissen vorhanden ist. Im Gegensatz dazu sind „unknown Knowns“ Dinge, die noch unbekannt sind, aber worüber schon (unwissentlich) Wissen existiert. Beispiele für diese Kategorie sind aufgrund ihrer Eigenschaft, dass sie noch unbekannt sind, schwer zu finden. Ein Beispiel dafür könnte eventuell ein Meteoriteneinschlag gewesen sein. Durch Jahrtausende alte Einschläge verfügte die Menschheit schon über Wissen, ohne bis vor einigen Jahrhunderten überhaupt gewusst zu haben, dass es Meteoriteneinschläge überhaupt gibt. „Known Unknowns“ beschreibt Dinge, die bekannt sind, aber worüber kein Wissen verfügbar ist. Nanotechnologie kann in dieser Kategorie als Beispiel dienen. Seit einigen Jahren bekannt, existieren gegenwärtig kaum Forschungsergebnisse zu dieser Thematik. Man weiß also, dass es Dinge gibt, über die nichts (oder wenig) bekannt ist. Als letzte Kategorie werden die „unknown Unknowns“ beschrieben. Dies sind unbekannte Dinge, worüber keinerlei Wissen existiert.38
Naheliegend wäre, dass das Terrorismusrisiko unter die Kategorie der „known Unknowns“ fällt. Es ist bekannt, dass die Gefahr „Terror“ bzw. „Terrorakt“ existiert, allerdings ist (zumindest in der Privatwirtschaft) sehr wenig Wissen darüber vorhanden und es ist kaum bis gar nicht quantifizierbar. Boardman argumentiert, auf Grundlage der kaum vorhandenen Schadenerfahrung, die zudem eine Modellierung des Risikos sehr erschwert, für die Einordnung unter diese Kategorie.39
Im Folgenden werden illustrativ die bis dato nach der Anzahl der Todesopferschwerwiegendsten Terroranschläge unserer Geschichte dargestellt:
Tab. 2-1: Die fünf Terroranschläge mit den meisten Todesopfern40
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Erwähnenswert hierbei ist, dass vier der fünf folgenschwersten (gemessen an der Anzahl der Todesopfer) Terroranschläge in den letzten 13 Jahren erfolgten. Außer bei den Terroranschlägen am 11. September 2001 sind kaum Zahlen oder Fakten zu Entschädigungen oder Versicherungen der Terrorakte zugänglich. In Kapitel 3.2 werden die Anschlägen vom 11. September 2001 näher erläutert.
Die Tabelle 2-1 zeigt, dass drei der fünf Anschläge in Entwicklungsländern41 verübt wurden. Dies gilt auch für über 90 % der Top100 der tödlichsten Terroranschläge42 ; die meisten davon wurden im Nahen Osten sowie Zentralafrika verübt. Diese Tatsache würde gegen terroristische Motive sprechen, die im Zusammenhang mit weltweiter medialer Aufmerksamkeit stehen. Schließlich erreichten in der westlichen Welt von den erwähnten knapp 41.000 Anschlägen nur einige wenige medienwirksame Aufmerksamkeit und blieben langfristig in Erinnerung. Folglich würde sich die Frage stellen, welche Motive Terroranschläge besitzen. Da diese Frage allerdings thematisch nicht für diese Ausarbeitung von Interesse ist, wird an dieser Stelle, bis auf die Ausführung in den Definitionen43, nicht weiter darauf eingegangen.
Ein Vergleich der fünf Terroranschlägen gemessen an den meisten Todesopfern mit den fünf teuersten Terrorschäden44 (gemessen an der Entschädigung der Versicherer) ergibt, bis auf Position 1, ein drastisch anderes Bild:
Tab. 2-2: Die fünf teuersten Terroranschläge45
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Diese Tabelle zeigt, dass die fünf teuersten Terroranschläge in
Industrieländern – davon drei in Großbritannien und zwei in den USA – verübt wurden. Heutzutage, gerade nach den Anschlägen in London 1993 (Position 2 in Tabelle 2-2) ist die westliche Welt auf die (versicherungsrelevante) Gefahr „Terrorismus“ aufmerksam geworden. Versicherungstechnisch war, wie in Kapitel 3.1 detaillierter dargestellt wird, die Gefahr Terrorismus vor dem 11. September 2001 in den meisten Versicherungspolicen inkludiert. Eine hohe Wertekonzentration sowie Versicherungsdichte in den oben in der Tabelle genannten Standorten führt zusätzlich dazu, dass die größten Entschädigungszahlungen im Bereich Terrorismus-Deckung oft in Wirtschafts-zentren geleistet werden. Diese Aussage bekräftigt die Tatsache, dass außer bei den Anschlägen am 11. September 2001 bei den teuersten Terroranschlägen vergleichsweise wenig Menschen gestorben sind (im Vergleich zu den Zahlen in Tabelle 2-1). Dies spricht für einen großen Sachschaden in den betroffenen Regionen/Städten.
Die Terrorversicherung unterscheidet sich maßgeblich von anderen Versicherungssparten und versicherten Gefahren. Charakteristika, welche die Terrorgefahr beschreiben und diese von anderen Gefahren differenzieren, sind:
- (keine) Verfügbarkeit historischer Daten für relevante Länder,
- verlagerte Aufmerksamkeit auf ungeschützte Ziele,
- dynamische Unsicherheit,
- Informationsaustausch sowie
- staatliche Unterstützung.
(Keine) Verfügbarkeit historischer Daten für relevante Länder
Bei diversen Versicherungssparten bzw. -gefahren verfügt die Versicherungsbranche über detaillierte und aussagekräftige historische Daten. Historische Daten sind insbesondere wichtig zur risikoadäquaten Prämienberechnung, dem sog. Pricing. Die vorliegenden Daten werden außerdem von Modellierungs- und Versicherungsunternehmen zur Modellierung von Zukunftsprognosen und zukünftigen Schadenszenarien genutzt. (Historische) Daten von terroristischen Anschlägen oder Anschlagversuchen werden gerade in Industrieländern, wo eine Verfügbarkeit historischer Daten auf Grund der hohen Versicherungsdichte vonnöten wäre, üblicherweise von staatlichen Einrichtungen unter Verschluss gehalten und erreichen so nie in einer vergleichbar transparenten Art und Weise die (private) Versicherungswirtschaft. Falls doch Daten an die privaten Organisationen und Unternehmen gelangen, sind diese oft zu alt um Szenarien oder Modelle zu erstellen. Daten, die den Versicherungsunternehmen nicht zur Verfügung gestellt werden, können wiederrum nur Schäden zugeordnet werden, die auch nicht entschädigt wurden. Die Gefahr Terrorismus wird oft nicht in internen Systemen erfasst46 und kann daher auch nicht moderat ausgewertet werden. Terror ist eine Gefahr, die sich in den letzten Dekaden kontinuierlich verändert hat und dies voraussichtlich in den nächsten Jahren/Dekaden ebenso tun wird.47
Verlagerte Aufmerksamkeit auf ungeschützte Ziele Immer mehr Unternehmen und Organisationen verlagern als Präventionsmaßnahmen gegen einen Terrorangriff ihre (Betriebs-)Stätten in ländlichere Gegenden – weg aus vielbesiedelten Gebieten.48 Gegenwärtig ist dies allerdings kein maßgeblicher Standortfaktor für Unternehmen in Deutschland. Ebenso ändern auch Personen bzw. Personengruppen mit terroristischem Handlungswillen ihre Strategien. Kunreuther und Michel-Kerjan stellen die Vermutung an, dass diese sich künftig auch die oben erwähnten ländlicheren und oft ungeschützten oder zumindest unzureichend geschützten Gegenden als Angriffsfläche terroristischer Aktivitäten aussuchen könnten.49 Bei Gefahren wie beispielweise (bspw.) Überschwemmung kann eine Verlegung der Betriebs-, oder Produktionsstätte auf eine Bergebene eine sehr viel höherer Sicherheit gewährleisten. Eine solche Präventionsmaßnahme könnte hingegen bei einem terroristischen Anschlag nicht denselben Sicherheitsgrad bieten.50
Dynamische Unsicherheit
Dieses Charakteristikum unterstellt, dass Terroristen auf eine (präventive) Strategie oder vorausgehende Aktion reagieren. Immer dann, wenn Maßnahmen ergriffen werden, um terroristische Aktivtäten einzudämmen oder Terrorakten vorzubeugen, werden Terroristen reagieren und ihre Strategien, die ursprünglich auf ihren verfügbaren Ressourcen sowie auf ihrem Wissen gründen, dynamisch anpassen. Analog zur Gefahr Einbruchdiebstahl, die ebenfalls eine Gefahr durch den Menschen darstellt, macht diese Tatsache eine Modellierung von Zukunftsprognosen von Terrorschäden nahezu unmöglich.51
Informationsaustausch
Der Informationsaustausch bei Terrorismusrisiken hebt sich grundsätzlich vom Austausch von Informationen bei anderen Risiken ab. Informationen bezüglich terroristischer Aktivitäten und Gruppierungen werden zumeist von Geheimdiensten und (Innen-)Ministerien unter Verwahrung gehalten. Dies führt zu einer gravierenden Informations-Asymmetrie zwischen den Versicherern und dem Staat als – wie bspw. in den USA – unterstützende Institution. Somit kann diese Asymmetrie ebenso zwischen den unterstützten Versicherern und den Terrorversicherungs-Einkäufern bestehen. Die aktuelle Situation vorausgesetzt52, stellen diese fehlenden Informationen zusammen mit der oben vorgestellten dynamischen Unsicherheit die Versicherungswirtschaft vor große Herausforderungen in Bezug auf das Pricing sowie die Modellierung und Prognostizierung.53
Staatliche Unterstützung
Terrorismus ist in den meisten Ländern eine Frage nationaler Sicherheit. Durch staatliche Eingriffe und Einflüsse kann das Risikolevel mittels angemessener Anti-Terror-Politik sowie Kooperationen mit (Nachbar-)Ländern oder durch zielführendes Krisenmanagement aktiv beeinflusst werden. Die Wichtigkeit dieses Charakteristikums wird unterstrichen durch die Gründung der weltweit wichtigsten Organisation, die den Schutz der amerikanischen Bevölkerung und Staatsgebiete vor terroristischen und anderen Bedrohungen gewährleisten soll: das US-amerikanische Ministerium für Innere Sicherheit, besser bekannt unter dem englischen Begriff „Homeland Security“.54
Feuer als Terrorfolgeschaden
In einigen US-amerikanischen Staaten55 ist per Gesetz der Feuerfolgeschaden ohne Rücksicht auf die Versicherung gegen Terrorismus mitversichert. Dies führt dazu, dass selbst bei ausgeschlossenem Terrorrisiko, ein durch einen terroristischen Anschlag entstandenes Feuer vom Sachversicherer zu entschädigen wäre. Versichert ist hierbei allerdings im Gegensatz zur Terrorversicherung nur der Zeitwert. Problematisch wäre dies bei einem weiteren verheerenden Großschaden wie dem des 11. Septembers 2001. Mit diesem Risiko müssen die Sachversicherungsunternehmen in den betroffenen Staaten kalkulieren; das Terrorrisiko muss bei der Schadenmodellierung präsent sein.56
Terror und Krieg
Gerade die Abgrenzung des Terrorismusaktes zum Begriff bzw. der versicherungstechnischen Gefahr „Krieg“ bzw. „Kriegsereignis“ könnte sich als problematisch erweisen. Krieg oder kriegsähnliche Ereignisse sind zumeist definiert als Auseinandersetzung zwischen mindestens zwei Staaten; Dahlke setzt in der versicherungstechnischen Definition diese Zwischenstaatlichkeit voraus.57 Wenn es an dieser zwischenstaatlichen Bedingung fehlt und somit gewalttätige Handlungen Personen bzw. Personengruppen zurechenbar sind, handelt es sich gem. weiterer anerkannter Definitionen um einen Terrorakt.58
Die Versicherungsbranche verständigte sich darauf, dass die Kriegsgefahr als klassische politische Gefahr einzustufen sei.59 Gemäß Dahlkes Ausführungen setze der Eintritt der Kriegsgefahr weiterhin die Verwendung von militärischen Waffen voraus.60 Der klassische Sinn eines Krieges ist es, bspw. neue Territorien zu erobern oder vorhandene Regierungen zu stürzen. Eine terroristische Handlung hingegen wird vornehmlich aus ethnischen oder religiösen Hintergründen begangen.61
Die Differenzierung der Begriffe Terrorismus und Krieg ist diffizil. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird sich der führenden Meinung angeschlossen und Terrorismus nicht als Kriegsereignis angesehen.
Die versicherungstechnischen Wurzeln der Terrorversicherung haben ihren Ursprung im Jahre 1958. In diesem Jahr wurde weltweit der erste Ausschluss von Terrorrisiken dokumentiert.62 In Deutschland wie auch in den USA wurde das Terrorrisiko trotz verheerender Anschläge in London sowie in Tokio63 als geringes Versicherungsrisiko eingestuft. Lediglich zu Zeiten der Roten Armee Fraktion (RAF) wurde die Thematik in Deutschland medial aufbereitet und so in den Köpfen der Menschen präsent. Bezüglich des Pricings und der Kumulkontrolle64 wurde das Terrorrisiko vor dem 11. September 2001 vernachlässigt. Die größte Gefahr, so dachte man damals, gehe von den klassischen FLEXA65 Gefahren aus: Brand, Blitzschlag, Explosion sowie Anprall oder Absturz eines Luftfahrzeuges, seiner Teile oder seiner Ladung.66 Bis Ende 2001 wurde das Terrorrisiko weltweit automatisch in die Sachversicherungsprodukte inkludiert. Zumal vor allem im industriellen Bereich meistens Allgefahren- bzw. All-Risks-Deckungen67 abgeschlossen werden und das Terrorrisiko dort nicht ausgeschlossen wurde, bestand zum damaligen Zeitpunkt auch dort eine grundsätzliche Deckung. Auch einen Bezug auf die in Deutschland schon damals oft enthaltene Kriegsklausel, die „Schäden an versicherten Sachen und versicherten Kosten, die durch Kriegsereignisse jeder Art, innere Unruhen, Erdbeben oder Kernenergie verursacht werden“68 ausschloss, war wegen der Abgrenzung zum Terrorrisiko69 haltlos.
Weiterhin existieren auch in weiteren Versicherungssparten besondere Regelungen des Versicherungsschutzes gegen Terrorakte – sowohl vor als auch nach den Anschlägen am 11. September 2001. Aufgrund des gesetzten Rahmens erstreckt sich die vorliegende Arbeit jedoch in den grundlegenden Bereichen nur auf die Sach- und Betriebsunterbrechungsversicherung.
Der 11. September 2001 war ein Tag, der kurz-, mittel- sowie langfristige Konsequenzen für den US-Markt als auch für die weltweite (Versicherungs-)Wirtschaft zur Folge hatte. Diese Katastrophe, die auch als „9/11“ bekannt ist, hat alle bekannten und modellierten Schadenszenarien übertroffen. Auf die daraus entstandenen Probleme hinsichtlich des Terrorismusrisikos reagierte jedes Land auf unterschiedliche Weise.70
An jenem Dienstag, 11. September 2001, wurden zwischen 08:00 Uhr und 09:30 Uhr morgens71 vier Linienflugzeuge von Anhängern der islamischen Terrororganisation Al-Quaida zum Zwecke eines gezielten Absturzes entführt. Zwei dieser Flugzeuge72 wurden mutwillig in die beiden Türme des World Trade Centers (WTC) in New York City gelenkt.73
Ein drittes Linienflugzeug74 wurde gezielt in die westliche Seite des Pentagon gelenkt und entfachte ein enormes Feuer. Das vierte Flugzeug konnte mit Hilfe der Passagiere in unbemanntem Gebiet zum Absturz gebracht werden.75
Diese drei Selbstmordattentate kosteten 3182 Menschen das Leben (2993 im WTC sowie 189 im Pentagon)76. Keiner der Fluggäste und nur einige wenige Angestellte der Unternehmen im WTC überlebten.
Im Pentagon traf das Flugzeug den Teil des Gebäudes, in dem zu dieser Zeit vorübergehende Reparaturmaßnahmen durchgeführt wurden. Somit arbeiteten zu dieser Zeit sehr viel weniger Menschen dort als gewöhnlich.
Die Terroranschläge des 11. September 2001 verursachten somit den größten bis dahin von Menschenhand oder durch Naturkatastrophen hervorgerufenen (versicherten) Schaden in der Geschichte der Menschheit.77 Die angegebenen Entschädigungssumme 41,8 Milliarden US-Dollar78 (Stand 2012). Eine vom US-amerikanischen Institut für Versicherungswesen (Insurance Information Institute (iii)) herausgegebene Studie ordnet die Entschädigungen den einzelnen Versicherungssparten zu (siehe Abbildung 3-1).
Abb. 3-1: Schadenverteilung der Terroranschläge vom 11.09.2001 nach Sparten79
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Erstaunlich ist, dass nicht die Sachschäden, sondern die Betriebsunterbrechungsschäden den Großteil des entstandenen und versicherten Schadens ausmachen. Der Sachschaden von 4,6 Mrd. US-Dollar kam durch eine Einigung des WTC-Pächters Larry Silverstein mit den beteiligten Versicherungsunternehmen zustande. Dem Anschlag folgte zunächst ein jahrelanger Rechtsstreit bezüglich der Frage, ob es sich um ein oder zwei Schadenereignisse handelte. Der Versicherungsvertrag sah lediglich eine Entschädigungsgrenze von 3,55 Mrd. US-Dollar pro Ereignis vor. Diese Streitfrage endete schließlich in einem Vergleich über eben diese 4,6 Mrd. US-Dollar.80
Dieser für damalige Verhältnisse nicht vorhersehbare Großschaden81 löste zusammen mit der Möglichkeit zukünftiger ähnlich großer Schäden Angst und Schrecken in der Finanzbranche aus. Er war für mittelfristige schwere Underwriting- sowie Pricingprobleme ursächlich.82 Die wirtschaftlichen und versicherungstechnischen Folgen dieser Katastrophe werden in den folgenden Kapiteln dargestellt.
Als Folge der Anschlägen stürzten die Finanzmärkte weltweit in ein kurzfristiges Tief. Besonders betroffen waren Aktien der Versicherungsunternehmen. Wie Tabelle 3-1 verdeutlicht, fiel der Kurs der Aktien verschiedenster Versicherungsunternehmen innerhalb von zehn Tagen um bis zu 40 % (Hannover Re). Der Deutsche Aktien Index (DAX) verlor in diesem Zeitraum ca. 19 % an Wert. Gemessen an dem Verlust innerhalb der ersten zwölf Monate nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sind die Kursverluste der großen Versicherungsunternehmen aggregiert größer als die originären Schäden bzw. die originäre Entschädigung aus den Terroranschlägen.83
Tab. 3-1: Kursentwicklungen von Versicherungskonzernen und des DAX84
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Erst knapp zwei Monate nach dem 11. September 2001 hatten sich die Finanzmärkte wieder erholt. Schon einige Zeit später wurde den Teilnehmern der Finanzmärkte bewusst, dass die Schäden der Anschläge (mittel- und langfristig) keinen weitreichenden Einfluss auf den Unternehmenswert der Versicherungsunternehmen haben (werden).85
Neben den rund 1.200 direkt86 betroffenen Unternehmen gab es zahlreiche Unternehmen, die Ertragsausfälle oder Zulieferer- sowie Wechselwirkungsschäden zu verzeichnen hatten. Das Kumul erhöhte sich dadurch drastisch; es ergaben sich zudem Probleme bei der Entschädigungsberechnung sowie der Abwicklung von Rückversicherungsansprüchen.87
Auf Seiten der Fluggesellschaften führten die Terroranschläge kurzfristig zu einem drastischen Nachfragerückgang, auch bedingt durch ein viertägiges Flugverbot innerhalb der USA.88 Der Verlust im Jahre 2001 (11,8 Mrd. Euro) glich vollständig den vorangegangenen Gewinn aller Luftfahrtunternehmen aus dem Jahr 2000 (10,7 Mrd. Euro) aus.89
In Deutschland hob die Regierung infolge der Terroranschläge im Rahmen eines Maßnahmenplans zur Bekämpfung von Terrorismus die Versicherungsteuer über alle Sparten hinweg um einen Prozentpunkt90 an.91 Die Versicherungsteuer machte zum Zeitpunkt der Anschläge 2001 mit etwas mehr als 10 Mrd. Euro, ca. 4 % der Steuereinnahmen des Bundes aus.92 Aktuelle Werte ergeben, dass der Anteil der Versicherungsteuer am Gesamtsteueraufkommen trotz weiterer Steuererhöhungen93 kontinuierlich gesunken ist und im Jahre 2013 lediglich 1,9 % ausmachte.94
Sonstige marginale Auswirkungen auf die Versicherungsbranche gab es bspw. im Bereich der Reiseversicherung. Deutsche Versicherungsunternehmen haben in der Folgezeit des 11. Septembers 2001 eine sehr viel höhere Zahl an Reiseabbrüchen95 (im Rahmen der Reiserücktrittsversicherung) aufgrund von Krankheit verzeichnen müssen. Die Deutsche Reiseversicherung stellte im Monat Oktober 2001 durchschnittlich 3000 Reiseabbrüche pro Tag fest, wohingegen üblicherweise maximal 1200 Schäden pro Tag zu verzeichnen waren.96 Ob diese Anzahl authentische Reiseabbrüche oder Betrugsfälle darstellten, ist aus den vorliegen Daten nicht zu entnehmen.
Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sah sich die deutsche Versicherungswirtschaft analog zu vielen anderen Ländern gezwungen, das Terrorrisiko – zunächst bei Verträgen mit Fluggesellschaften – auszuschließen oder Versicherungsverträge auslaufen zu lassen. Bis dato hatten diese eine Deckungszusage von bis zu 1 Mrd. US-Dollar pro Flugzeug. Aufgrund der in diesem Zusammenhang üblichen siebentägigen Kündigungsfrist bei Fluggesellschaften mussten die Versicherer unverzüglich handeln und schlossen jegliche Kriegs- und Terrorrisiken aus. Diese Tatsache stellte die gesamte Wirtschaft vor große Probleme. Ohne benötigten Versicherungsschutz wäre innerhalb kürzester Zeit die Wirtschaft gelähmt worden, da der gesamte Flugverkehr extrem ins Stocken geraten und somit Import und Export nahezu zum Erliegen gekommen wäre. Zu diesem Zeitpunkt wurde von Seiten der Fluggesellschaften sowie der gesamten (Versicherungs-)Industrie vehement ein staatlicher Versicherungsschutz für Fluggesellschaften und Flughäfen gefordert. Innerhalb kürzester Zeit musste daher eine Lösung gefunden werden (zur Darstellung der Lösung siehe Kapitel 5.1).97
In Deutschland wurde die Problematik des kurzfristigen Ausfalls an Terrorversicherungsschutz und damit verbundene Kündigungen seitens der Versicherer kompensiert, indem sich die deutsche Versicherungsbranche auf eine zu deckende Summe von 10 Mio. Euro für Terrorrisiken einigte, die jedes Versicherungsunternehmen (in den eigenen Büchern) tragen dürfe.98 Anpassungen wie die oben erwähnte Einschränkung der Entschädigungsgrenzen für Terrorschäden sowie die Erhöhung des wahrscheinlichen Maximalschadens (Probable Maximum Loss – PML) führten zu einer gewissen Unsicherheit auf Seiten der Versicherungsnehmer (zum Großteil Industrie- und Großkunden) sowie der Versicherungsunternehmen. Die Versicherbarkeit von Großschäden aus Terrorakten wurde stark in Frage gestellt.
Wie erwähnt, kündigten (weltweit) die meisten Versicherungsunternehmen aufgrund von ungeklärten technischen Faktoren sowie einer eventuellen Wiederholung solcher Anschläge ihre Verträge zum 31. Dezember 2001 bzw. verlängerten diese nur mit dem Ausschluss der Terrorgefahr.99, 100 Dieser Ausschluss resultierte aus einer nicht vorhandenen Rückversicherungskapazität gegen Terrorschäden. Beginnend mit der Kündigung aller Rückversicherungsverträge führte dies dazu, dass die Unternehmen und Institutionen nun das Terrorismusrisiko zum großen Teil selber tragen mussten. Nach Abwägungen aller eventuellen Konsequenzen und Maßnahmen wurde der Versicherungsbranche allerdings schnell bewusst, dass die Terrorgefahr nicht ersatzlos aus allen relevanten Policen gestrichen werden konnte. Als Reaktion seitens der Versicherungsunternehmen konnte folglich nur eine Deckung gegen eine sehr stark erhöhte Versicherungsprämie mit gleichzeitig erhöhten PML-Szenarien sowie Deckungslimits erfolgen.101 Besonderheiten dieser Problematik innerhalb Deutschlands sowie der USA werden in den Kapiteln 4 bzw. 5 näher erläutert.
Bis zum heutigen Tag erschütterten immer wieder terroristische Anschläge die europäischen Nationen.102 Die in Kapitel 2.2 erwähnten Attentate in Madrid 2004 sowie London 2005 wurden durch die jeweils vorherrschenden Terrorversicherungslösungen als Terrorakt definiert und (größtenteils) entschädigt. Der jüngste Terroranschlag wurde am 15. April 2013 in Boston verübt. Während des jährlich am Patriots‘ Day stattfindenden Marathonlaufes, explodierten gegen 14:50 Uhr Eastern Daylight Time (EDT)103 zwei Sprengsätze, welche in Rucksäcken getarnt unweit der Zielgeraden deponiert waren. Die Explosionen töteten drei Menschen.104
Fraglich hierbei ist allerdings die Einstufung als (versicherungsrelevanter) Terrorakt. Sowohl das Federal Bureau of Investigation (FBI) als auch die Central Intelligence Agency (CIA) und das National Counterterrorism Center (NCTC) stuften das Boston-Attentat als Terrorakt ein. Ebenso sieht es der US-Präsident Barack Obama, der die Attentate in einem Interview im Weißen Haus am Folgetag des Attentats als „act of terror“ betitelt. Weiterhin betont er, dass Anschläge immer als Terrorakt gewertet werden, wenn Bomben dazu benutzt werden, Unschuldige zu attackieren.105 Eine unterschiedliche Auffassung hinsichtlich der Bezeichnung könnte auf verschiedene Definitionen innerhalb der einzelnen Organisationen bzw. eigenen subjektiven Definitionen zurückzuführen sein. Da die vorliegende Arbeit allerdings die versicherungstechnischen Aspekte eines Terroraktes untersucht, wird im Folgenden skizziert, warum dieser Anschlag – versicherungstechnisch – nicht unter einen sog. „act of terror“ fällt. Wie in Kapitel 2.1 beschrieben, bedarf es einer Zustimmung des Finanzministeriums (Secretary of Treasury) in Übereinstimmung mit dem Außenministerium (Secretary of State) sowie dem Generalstaatsanwalt (Attorney General), um Terrorakte als versicherungsrelevante Terrorakte einzustufen und deren Qualifikation gemäß den Bedingungen aus Kapitel 2.1 zu bestätigen. Sollten die, in Kapitel 2.1 genannten Bedingungen alle erfüllt gewesen sein (wovon hierbei auszugehen ist), fehlt es dennoch an einem zentralen Qualifizierungsmerkmal für einen „act of terror“ gemäß des US-amerikanischen Versicherungsprogrammes zur Absicherung von Terrorschäden: dem aggregierten Mindestschaden von 5 Mio. US-Dollar über alle TRIA-relevanten Sparten106 hinweg. Bei Schäden unter diesen 5 Mio. US-Dollar kann aktuell unter keinen Umständen von einem versicherungsspezifisch relevanten Terrorakt gesprochen werden.
Letztendlich, auch wenn US-Präsident Barack Obama diesen Gewaltakt als Terrorakt einstufte, ist der Anschlag des Boston Marathon 2013 versicherungstechnisch in den USA nicht als Terrorakt anzusehen, da er aufgrund des oben genannten Ausschlusskriteriums einer Mindestschadensumme nicht den Versicherungsschutz auslöste.107 Sollte jedoch ein Versicherungsunternehmen Deckung mit eigenen Terrorversicherungsbedingungen anbieten, könnten nicht zertifizierte Terrorakte trotzdem entschädigt werden. Versicherungsunternehmen sind nicht zwingend an die Zertifizierungsbedingungen gebunden und können somit bis zu einer gewissen Deckungssumme – abhängig von der angebotenen eigenenen Kapazität – mit dem US-amerikanischen Programm zur Absicherung von Terrorschäden konkurrieren.108
Zum Stand Dezember 2013 existieren im internationalen Vergleich in einer Vielzahl von Ländern Terrorversicherungslösungen, die oftmals durch eine Kooperation mit dem Staat zustande kamen. Im Folgenden werden der Vollständigkeit halber kurz einige skizziert, wobei in den nachfolgenden Kapiteln explizit auf die Lösung im US-amerikanischen Bereich sowie auf die deutsche Terrorversicherungslösung eingegangen wird.
In vielen Ländern existieren sog. Pool-Lösungen. Es handelt sich hierbei um einen Zusammenschluss von Versicherungsunternehmen, die in ihrem Haftungskapital und ihrer Gewinnbeteiligung zu gleichen Teilen partizipieren. Die häufigste Lösung ist die gemeinsame Gründung eines Versicherungsunternehmens, mit Hilfe dessen eine Art Rückversicherungsdeckung für oft schwer kalkulierbare Risiken zur Verfügung gestellt wird. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der Deutsche Atompool, „Deutsche Kernreaktor-Versicherungsgemeinschaft“ (DKVG), der eine Gemeinschaft verschiedener Versicherer repräsentiert, die, mit gewissen Haftungslimits, Versicherungsschutz (Sach- und Haftplichtdeckung) für Gefahren aus der Errichtung und dem Betrieb von Kernreaktoren anbieten.109 Das zweite weit verbreitete Beispiel für Poollösungen – die EXTREMUS Versicherung-AG – wird im Verlauf der Arbeit noch detaillierter vorgestellt.110
Die Existenz von Terrorversicherungslösungen am privaten Versicherungsmarkt, sog. Stand-Alone-Lösungen, erweitert das Angebot an Absicherungsmöglichkeiten gegen Schäden durch Terrorakte. Diese können unter Umständen günstiger als die staatliche Unterstützung angeboten werden.111 Terrorismus kann wie fast jedes andere Risiko auch bei privaten Versicherungsunternehmen gedeckt werden. Dies ist in den meisten Ländern, sogar wenn dort Versicherungspools bestehen (wie in Deutschland), problemlos möglich. Auch Nationen, die eine obligatorische Deckung für Terrorgefahren vorschreiben und eine staatliche Unterstützung anbieten (z. B. Frankreich), akzeptieren eine Deckung des Versicherungsnehmers am privaten Versicherungsmarkt. Im weiteren Verlauf der Arbeit sind hauptsächlich Pool-Lösungen von Bedeutung.
Die Existenz einer versicherungstechnischen Definition von Terrorismus in Großbritannien ist bereits ein Indiz für das Vorhandensein einer Terrorversicherungslösung. Konkret trägt diese den Namen „Pool Reinsurance Company Limited“ – kurz „Pool Re“112. Hierbei handelt es sich, wie der Name schon sagt, um eine Poollösung. Den Anstoß zu einer staatlich unterstützten privatwirtschaftlichen Lösung zur Versicherung von Terrorschäden gaben die Attentate der paramilitärischen irisch-republikanischen Organisation Irish Republican Army (IRA), die in den beiden Anschlägen vom April 1992 in der City of London ihren grausamen Höhepunkt fanden. Nachdem daraufhin die britischen Versicherer die Terrordeckung aus allen Verträgen herausstreichen wollten, wurde die oben erwähnte Versicherungsgesellschaft Pool Re gegründet. Pool Re übernimmt das Terrorrisiko gegen eine vorherige Prämienzahlung, die sich aus der Versicherungssumme des zugrunde liegenden Feuerversicherungsschutzes in Kombination mit dem Risikoort113 errechnet. Der Staat fungiert hier (wie auch in vielen anderen Ländern) als sog. „Versicherer des letzten Risikos“. Dieser Term bedeutet, dass er den letzten Deckungsabschnitt (engl. layer) bei einer Versicherungsdeckung übernimmt. Bis zu den Attentaten des 11. September 2001 war die Leistung in Großbritannien nur auf Schäden aus der Feuerversicherung begrenzt. Das Ausmaß der Anschläge in den USA hat allerdings verdeutlicht, dass eine Allgefahrendeckung durchaus von Nöten ist. Im Anschluss wurde die Pool-Re-Deckung auf eine Allgefahrendeckung ausgeweitet, was eine Verdoppelung der Prämien zur Folge hatte.114
Ein ähnliches Konstrukt existiert in Frankreich. Dort kam es schon in den 1980er Jahren zu massiven terroristischen Ausschreitungen, die zu einer ersten Form der Terrorversicherung führten.115 Nach den Anschlägen am 11. September 2001 wurde auch in Frankreich eine Neustrukturierung des Versicherungsschutzes gefordert und schließlich umgesetzt. Die weltweit erste staatlich unterstützte Pool-Lösung nach 9/11 wurde geschaffen: Gestion de l’Assurance et de la Réassurance des risques Attentas et actes de Terrorisme (GAREAT). Dieses Joint Venture116 wurde am 01. Januar 2002 ins Leben gerufen. Es besteht für teilnehmende Unternehmen ein Kontrahierungszwang für die Terrorversicherungsdeckung. Die zu erhebende Prämie richtet sich einzig und allein nach der Versicherungssumme, nicht nach dem Risikoort. Sie kann bis zu 18 % der Originalprämie (für Summen über 50 Mio. Euro) bzw. 20 % für Kleinrisiken mit einer Versicherungssumme von bis zu 6 Mio. Euro betragen. Auch hierbei handelt es sich um eine sog. Schadenexzedentendeckung (bzw. Layer-Deckung). Private französische Versicherungsunternehmen decken zunächst alle Schäden bis zu einem kumulierten Wert von 400 Mio. Euro. Alle über diese Summe hinausgehenden Schäden bis zu einer Höhe von 2,3 Mrd. Euro werden am internationalen Rückversicherungsmarkt für Terrorschäden platziert. Der zweite Layer umfasst folglich einen Rückversicherungsschutz in Höhe von 1,9 Mrd. Euro. Alle Schäden, welche die Höhe von 2,3 Mrd. Euro überschreiten, werden vom Staat rückgedeckt und von einem privaten Rückversicherungsunternehmen117 gemanagt. Der Unterschied zu vielen anderen staatlich unterstützten Terrorversicherungslösungen besteht in einer unlimitierten Deckung seitens des Staates.118
[...]
1 Für eine ausführliche Erklärung siehe Kapitel 3.2.
2 Vgl. Whittaker 2007, Terrorism - Understanding the Global Threat, S. 7.
3 Vgl. Stillmann 2003. The changing meanings of Terrorism, S. 81.
4 Vgl. Baudrillard 2003, Der Geist des Terrorismus, S. 20 f.
5 Deutsches Fremdwörterbuch, Begriff „Terror“, S. 179 f.; Duden – Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Band 9, S. 3885.
6 Deutsches Fremdwörterbuch, Begriff „Terrorismus“, S. 183.
7 Duden – Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Band 5, S. 1985.
8 Vgl. Schneckener 2006, Transnationaler Terrorismus, S. 21 f.
9 Hoffmann 2001, Terrorismus – Der unerklärte Krieg, S. 23.
10 Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Allgemeine Bedingungen für die Feuerversicherung – Terrorausschluss - 2010, Abschnitt A § 2 Nr. 4 „Ausschluss Terror“.
11 Im Folgenden auch als EXTREMUS oder EXTREMUS AG bezeichnet.
12 EXTREMUS Versicherungs-AG, Allgemeine Bedingungen für die Terrorversicherung Abschnitt A1 Nr. 2.; Über Aufbau und Bedeutung der EXTREMUS Versicherungs-AG, siehe Kapitel 4.2.1.
13 Laqeur 2004, Die Globale Bedrohung. Neue Gefahren des Terrorismus, S. 44.
14 Für eine ausführliche Erklärung siehe Kapitel 3.4.
15 Ausgangspunkt war das Londoner Bishopsgate Bombing 1993 – siehe weiter unten.
16 Vgl. Thomann 2003, Pool Re – Versicherung von Terrorrisiken in Großbritannien, S.42 f.
17 Elizabeth II 1993, Reinsurance (Acts of Terrorism) Act 1993, 2. – (2).
18 Gesetzlich.
19 Tatsächlich.
20 Eigene Übersetzung in Anlehnung an: Elizabeth II 1993, Reinsurance (Acts of Terrorism) Act 1993, 2. – (2).
21 Für eine ausführliche Erklärung siehe Kapitel 5.
22 Eigene Übersetzung in Anlehnung an: The Terrorism Risk Insurance Act of 2002 (TRIA), Title I Section 102 (1).
23 The Terrorism Risk Insurance Act of 2002 (TRIA), as amended by the Terrorism Risk Insurance Extension Act of 2005 (TRIEA) and the Terrorism Risk Insurance Program Reauthorization Act of 2007 (TRIPRA), Title I Section 102 (1).
24 Innerhalb der ganzen US-amerikanischen Versicherungsbranche; nicht auf ein Einzelunternehmen bezogen.
25 GAREAT, Article L. 126-2 of the Insurance Code.
26 Schmid; Jongman 2005, Political Terrorism – A New Guide to actors, Authors, Concepts, Data Bases, Theories and Literature, S. 5.
27 Quillen 2002, A Historical Analysis Of Mass Casualty Bombers, S. 281, deutsche eigene Übersetzung: “Viel zu viele Bäume wurden geschlagen und viel zu viele Tinte wurde vergossen, nur um eine exakte Definition für Terrorismus zu finden.“
28 Vgl. Thomann 2007, Terrorversicherung, Risikomanagement und Regulierung, S. 1.
29 Vgl. ebd.
30 Vgl. Marsh 2014, 2014 Terrorism Risk Insurance Report S. 11.
31 National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism (START).
32 Die „AON Terrorism Map“ wurde 2003 erstmalig erstellt, daher keine Abbildung für 2002 erhältlich.
33 Zeitschrift für Versicherungswesen 2014, Risikoland Brasilien; strittig hierbei ist allerdings, dass diese Proteste nicht unter die Gefahr Innere Unruhen fallen.
34 AON 2003, Global Terrorism Risk 2003.
35 AON 2014, 2014 Terrorism & Political Violence Map.
36 Die gesamte Haftstrecke wird in einzelne Deckungsteilstücke/-schichten (Layer) unterteilt und einzeln (rück-)versichert.
37 Vgl. Michel-Kerjan; Raschky 2011, The Effects of Government Intervention on The Market for Corporate Terrorism Insurance, S. 15.
38 Vgl. Rumsfeld 2002, Pressekonferenz News Briefing.
39 Vgl. Boardman 2005, Known Unknowns: The Illusion of Terrorism Insurance.
40 In Anlehnung an: Johnston 2014, Deadliest terrorist strikes, worldwide.
41 Entwicklungsländer gem. BMZ o. J., DAC-Liste der Entwicklungsländer und -gebiete.
42 Vgl. Johnston 2014, Deadliest terrorist strikes, worldwide.
43 Siehe Kapitel 2.1.
44 Stand 31. Dezember 2013.
45 In Anlehnung an: Johnston 2014, Deadliest terrorist strikes, worldwide.
46 Besonders bei Personenversicherungen. Einziges Marktübergreifendes Instrument stellt die AON Risk Map dar.
47 Vgl. Kunreuther; Michel-Kerjan 2005, Insurability of (Mega-) Terrorism Risk: Challenges and Perspectives, S. 119 f.
48 Oft nur in hoch gefährdeten Gebieten; in Deutschland ist dies eher nicht der Fall. Für die Verlagerung kann es selbstverständlich noch andere Gründe geben.
49 Vgl. Kunreuther; Michel-Kerjan 2005, Insurability of (Mega-) Terrorism Risk: Challenges and Perspectives, S. 119 f.
50 Vgl. ebd.
51 Vgl. Michael-Kerjan 2003, Large-scale Terrorism: Risk Sharing and Public Policy, S. 625 ff.
52 Staatliche Institutionen kooperieren nicht vollständig hinsichtlich des Informationsaustausches.
53 Vgl. Kunreuther; Michel-Kerjan 2005, Insurability of (Mega-) Terrorism Risk: Challenges and Perspectives, S. 121 f.
54 Vgl. ebd.
55 Alaska, California, Georgia, Hawaii, Illinois, Iowa, Maine, Massachusetts, Missouri, New York, North Carolina, Oregon, Washington, West Virginia, Wisconsin.
56 Vgl. Interview mit Assistant Underwriter Catlin, durchgeführt am 05. August 2014,Anhang B; vgl. Willis 2011, Terrorism Risk Insurance Protection Act of 2007 Update – Fire Following Issues and Standard Fire Policy (SFP) Regulations, S. 1 f.
57 Dahlke 2003, Terror als Schadenursache, S. 29.
58 Vgl. Schaal 2002, Pflicht der Geschäftsleitung zum Abschluss einer Terrorversicherung?
59 Vgl. Dahlke 2003, Terror als Schadenursache, S. 26.
60 Vgl. ebd., S. 26 f.
61 Siehe Terrordefinition in Deutschland, Kapitel 2.1.
62 Vgl. Saunders 1986, Tackling the Terrorist Threat, S. 36.
63 Siehe auch Kapitel 2.1.
64 Überwachung der Risikostreuung, um eine hohe Schadenhäufigkeit durch ein Schadenereignis zu vermeiden.
65 Versicherungstechnische Abkürzung für „Fire, Lightning, Explosion, Aircraft“.
66 Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Allgemeine Bedingungen für die Feuerversicherung 2010, Abschnitt A § 1 Nr. 1.
67 Versicherte Gefahren sind hierbei nicht abschließend benannt. Versichert ist alles, was nicht explizit ausgeschlossen wurde.
68 Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Allgemeine Bedingungen für die Feuerversicherung 1987, § 1 Absatz 7.
69 Siehe Kapitel 2.4.
70 Weitere Ausführungen, wie einzelne Länder darauf reagierten, befinden sich in den Kapiteln 4 und 5.
71 GMT/UTC -05:00 hour.
72 American Airlines Flug 11 sowie United Airlines Flug 175
73 Kean et al. o. J., The 9/11 Commission Report, S. 2 f.
74 American Airlines Flug 77
75 Ebd.
76 Vgl. Johnston 2014, Deadliest terrorist strikes, worldwide; Anzahl der Personen inklusive Flugzeuginsassen.
77 Laut dem US-amerikanischen Institut für Versicherungswesen (iii) verursachte lediglich Hurrikan Katrina 2005 einen höheren versicherten Schaden - von 48,7 Mill. US-Dollar.
78 LaTourette; Clancy 2014, The Impact on Federal Spending of Allowing the Terrorism Risk Insurance Act to Expire, S. 4.
79 Eigene Darstellung in Anlehnung an: Hartwig 2013, Reauthorizing TRIA: The State of the Terrorism Risk Insurance Market, S. 23.
80 Butcher 2006, Der Wolken-Kratzer.
81 Das Terrorismusrisiko wurde damals bei Prämienberechnungen schlichtweg nicht beachtet und deshalb auch nicht risikoadäquat gepreist.
82 Vgl. Hartwig 2013, Reauthorizing TRIA: The State of the Terrorism Risk Insurance Market, S. 3.
83 Vgl. Surminski 2003, Aktienverluste größer als Terrorschäden, S. 177 f.
84 In Anlehnung an: Wolgast 2002, The Implications of 11 September for the German Insurance Industry, S. 71.
85 Vgl. Wolgast 2002, The Implications of 11 September for the German Insurance Industry, S. 71.
86 Durch den Einsturz des WTC-Center oder die Abstürze der Flugzeuge betroffene Unternehmen.
87 Vgl. Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 2002, S. 537.
88 Vgl. Treber; Kirchmair; Kier 2004, Die Subventionierung des Flugverkehrs, S. 10.
89 Vgl. Klein 2007, Die Kosten des Terrors, S. 4.
90 Allgemeiner Satz von 15 auf 16 %, Feuerversicherungsrate von 10 auf 11 % etc.
91 Vgl. Gesetz zur Finanzierung der Terrorbekämpfung Artikel 2 Änderung des Versicherungssteuergesetzes vom 10. Dezember 2001, verkündet in Bundesgesetzblatt Teil I Jahrgang 2001 Nr. 66, erschienen am 14. Dezember 2001.
92 Vgl. Wolgast 2002, The Implications of 11 September for the German Insurance Industry, S. 74.
93 Allgemeiner Satz von 16 auf 19 %, Feuerversicherungsrate von 11 auf 13,20 % etc.
94 Vgl. Statistisches Bundesamt, Statistik über das Steueraufkommen.
95 Eine Vielzahl davon in muslimische Länder.
96 Vgl. Wolgast 2002, The Implications of 11 September for the German Insurance Industry, S. 75.
97 Vgl. Wolgast 2002, The Implications of 11 September for the German Insurance Industry, S. 73.
98 Vgl. Interview mit Heiner Lüttgens, durchgeführt am 23. Juni 2014, Anhang B.
99 Im industriellen Versicherungsbereich erfolgt jährlich eine Erneuerung.
100 Vgl. Surminski 2003, Terrorismus und die Versicherungsbranche, S. 220 f.
101 Vgl. Durand 2002, Die Auswirkungen der Anschläge vom 11. September 2001, S. 2 f.
102 Wie in Kapitel 2.3 erwähnt, werden die meisten Terroranschläge nicht in Europa bzw. Industriestaaten verübt.
103 Zeitdifferenz zu Deutschland: Deutschland +6 Stunden.
104 Vgl. Marsh 2014, 2014 Terrorism Risk Insurance Report S. 11.
105 Fermino; Warren 2013, Interview Barack Obama.
106 Haftpflicht, See- und Binnenkasko, workers‘ compensation, Produkthaftpflicht, Luftfahrt, sowie technische Versicherungen – siehe Kapitel 5.2.
107 Vgl. Marsh 2014, 2014 Terrorism Risk Insurance Report S. 11.
108 Vgl. Interview mit Assistant Underwriter Catlin, durchgeführt am 05. August 2014, Anhang B.
109 Vgl. Wolgast 2002, The Implications of 11 September for the German Insurance Industry, S. 78.
110 Siehe Kapitel 4.
111 Vgl. Willis 2011, Terrorism Risk Insurance Protection Act of 2007 Update – Fire Following Issues and Standard Fire Policy (SFP) Regulations, S. 2.
112 Siehe Kapitel 2.1.
113 Versicherungszonen: Zone A: Londoner Innenstadt, Zone B: Restliches London, Zone C: Restliches England, Zone D: Restliches Großbritannien.
114 Vgl. Kunreuther; Michel-Kerjan 2005, Insurability of (Mega-) Terrorism Risk: Challenges and Perspectives.
115 Ab dem 09. September 1986 durften französische Versicherungsunternehmen ihren Kunden Terrordeckungen bis zur Höhe der Sachversicherungssummen anbieten.
116 Geführt als non-profit-Organisation. Da es sich weder um ein Versicherungsunternehmen handelt, müssen die beteiligten Mitglieder selber Schadenrückstellungen bilden.
117 Caisse Centrale de Réassurance.
118 Vgl. Kunreuther; Michel-Kerjan 2005, Insurability of (Mega-) Terrorism Risk: Challenges and Perspectives, S. 127 f.; Airmic Technical 2013, Willis Terrorism Insurance Review – Report 2013, S. 22 f.
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