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Diplomarbeit, 2012
46 Seiten, Note: 1,0
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
2. Corporate Social Responsibility
2.1 Problemstellung
2.2 Begriffsbestimmung und Dimensionen
2.2.1 Frühe angelsächsische Auslegung (1950 – 1990)
2.2.2 Derzeitige deutsche Auslegung (2000 – 2011)
2.2.3 Institutionalisierung von CSR
2.3 CSR und Nachhaltigkeitsmanagement in Abgrenzung
2.3.1 Begriff der Nachhaltigkeit
2.3.2 Überschneidungen von CSR und Nachhaltigkeitsmanagement
2.3.3 Unterschiede zwischen CSR und Nachhaltigkeitsmanagement
3. Margarethenhöhe in Essen
3.1 Stiftungsphilosophie und Historie
3.2 Architektur und Lage
3.3 Margarethe Krupp-Stiftung für Wohnungsfürsorge
3.3.1 Portfolio der Margarethe Krupp-Stifung für Wohnungsfürsorge
3.3.2 Heutige Tätigkeit der Margarethe Krupp-Stiftung für Wohnungsfürsorge
4. Margarethenhöhe im Kontext von CSR
4.1 Einbettung in CSR-Konzepte
4.1.1 Ökonomische Aspekte
4.1.2 Soziale Aspekte
4.1.3 Ökologische Aspekte
4.2 Zusammenfassende Bewertung der Margarethenhöhe im Kontext von CSR
5. Schlussbetrachtung: Denkmal und Verantwortung
Literaturverzeichnis
Abbildung 1: CSR-Pyramide nach Carroll
Abbildung 2: Dreiteilige Dimensionierung von CSR
Abbildung 3: CSR-Dimensionierung: Konzentrische Verantwortungsbereiche
Abbildung 4: Margarethenhöhe: Waldlehne 57/59
Abbildung 5: Margarethenhöhe: Planskizze nach Dr. Janßen-Schnabel und Jacobs
Abbildung 6: Margarethenhöhe: Gasthaus zur Margarethenhöhe am Marktplatz
Abbildung 7: Margarethenhöhe (Luftbild)
Abbildung 8: Objektbestand der Margarethe Krupp-Stiftung (MKS)
Abbildung 9: Wohnungsbestand der Stiftung (MKS) nach Status der Wohnungen
Abbildung 10: Ofenanlage und Ornamentbordüre, Stensstraße 25 (2004)
Tabelle 1: Tabellarische Zusammenfassung Margarethenhöhe und CSR
”[…] Zukunft ist nach vorn projizierte Vergangenheit!“ 1
- Ludwig Klages – Vom kosmogonischen Eros
„Corporate Social Responsibility“, nachfolgend kurz CSR genannt, ist heute ein Begriff, der in verschiedenen Kontexten der Wissenschaft und Praxis vielfältig verwendet wird.2 Der Aktionsplan CSR, sowie die internationale Norm ISO 26000 versuchen die verschiedenen Dimensionen der CSR abzustecken, können jedoch nur einzelne Meinungen im vielstimmigen Tenor der Begriffsauslegung darstellen. Dabei handelt es sich beim Wertesystem der CSR keinesfalls um eine gänzlich neue Konzeption. Freiwillige unternehmerische Verantwortung kann bereits im 15. und 16. Jahrhundert nachgewiesen werden.3 Noch älter ist das Leitbild des ehrbaren Kaufmanns als Ehrenkodex.4
In Zusammenhang mit CSR wird oftmals auch der Begriff der Nachhaltigkeit („sustainable development“) genannt, welcher sich aufgrund der weiteren Ausweitung der sozialen Unternehmerverantwortung auf ökologische und ökonomische Aspekte mit dem CSR-Begriff vermischt.5 Diese Annäherung wird in der Arbeit kritisch betrachtet werden. In der Wohnungswirtschaft ist der Begriff der Nachhaltigkeit oftmals mit Gedanken an LEED- oder DGNB-Zertifikate verknüpft. Aber sind diese tatsächlich Ausdrucksform einer nachhaltigen Wirtschaftstätigkeit? Oberflächliches CSR wirkt unglaubwürdig und schadet der Reputation des Unternehmens mehr als sie nützt. CSR darf kein reines „Marketing-Gimmick“ sein, sondern muss als „echte“ CSR-Marke mit Inhalten und Werten unternehmerisch gelebt werden. Gibt es hierzu Beispiele des „best practice“? Hilft ein Blick in die Vergangenheit?
Zur Beantwortung dieser komplexen Fragestellungen soll ein historisches Wohnungsbauprojekt mit sozialen und unternehmerischen Ansätzen betrachtet werden, welches durch eine Unternehmung initiiert wurde: die, oft als Gartenstadt bezeichnete, Margarethenhöhe in Essen-Rüttenscheid. Dabei ist zu beachten, dass die Margarethenhöhe lediglich als ein Baustein innerhalb einer Vielzahl kruppscher Sozialeinrichtungen stand, es existierten weitere Siedlungsprojekte (z. B. Essen-Altenhof), Kranken- und Erholungshäuser, Bildungsvereine, Bücherhallen und Konsumanstalten.6 Auch dieser Zusammenhang wird betrachtet.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in drei Hauptabschnitte. Im ersten Kapitel wird die heutige Diskussion und Dimensionierung des CSR-Begriffes untersucht. Das zweite Kapitel stellt die Historie, Philosophie und Architektur der Margarethenhöhe in den Mittelpunkt. Das abschließende dritte Kapitel verbindet die Überlegungen der vorangegangenen Kapitel und betrachtet die Margarethenhöhe anhand des heutigen CSR-Begriffes, um Rückgriffe auf die anfangs aufgeworfenen Fragestellungen zu ermöglichen.
Inwieweit CSR auch die Grenzen des unternehmerischen und tagespolitischen Denkens übersteigen kann, wird in der abschließenden Schlussbetrachtung „Denkmal und Verantwortung“ betrachtet.
Entscheidungsträger in Unternehmen stehen vor der Problemstellung der sozialen Verantwortung, welche insbesondere durch multi-kriterielle unternehmerische Zielsetzungen und Stakeholder-Erwartungen begründet ist. Shareholder erwarten eine risikoadäquate Rendite, Arbeitnehmer fordern verträgliche Arbeitsbedingungen, die Gesellschaft wünscht preisadäquate Produktangebote und eine ökologische „saubere“ Wertschöpfungskette. Aus diesem Grund steht das nachfolgende Kapitel primär vor drei Ausgangsproblemen:
Was ist die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen?
Welche Inhalte umfasst der Begriff „Corporate Social Responsibility“?
Was sind wesentliche Aspekte der Instrumentalisierung?
Eine kurze und allgemeine Definition von CSR zu finden erscheint auf den ersten Blick trivial. Zahlreiche Autoren und Studien liefern Eingrenzungen und Auslegungen des Begriffes. Problematisch ist diesbezüglich nur, dass die dargestellten Parameter mehr oder weniger stark divergieren, bzw. Teilaspekte sogar diametral zueinander stehen.7 Von besonderer Relevanz ist daher die Frage, welche Themen (Dimensionen) CSR inhaltlich abdeckt. Zur Beantwortung dieser Fragestellungen werden zwei Perioden der CSR-Rezeption betrachtet werden:
1. angelsächsische Auslegung 1950 - 1990
2. deutsche Auslegung 2000 – 2011.
Im späteren Verlauf der Arbeit werden die Erkenntnisse aus diesen Betrachtungen auf die Margarethenhöhe in Essen angewandt, sodass untersucht wird, ob der Bau der Kruppschen Siedlung die von der Literatur später definierten Identifikationsmerkmale abdeckt.
Das Konzept hinter der Begrifflichkeit „CSR“ lässt sich sowohl in der deutschen, als auch in der angelsächsischen Wirtschaftsgeschichte weit zurückverfolgen.8 Carroll (1999) sieht daher eine wesentliche Herausforderung bei der geschichtlichen Betrachtung des CSR-Begriffes in der Entscheidung, wie weit die Wurzeln des Konzeptes CSR in der Vergangenheit zu suchen sind.9
In den 1950er und 1960er Jahren beschränkte sich die Auslegung von unternehmerischer Verantwortung auf die Übersteigung der Gewinn- und Verlustbetrachtungen unternehmerischer Entscheidungen.10 So schrieb Keith Davis 1960: „Businessmen’s decisions and actions taken for reasons at least partially beyond the firm’s direct economic or technical interest“11. Dieser Betrachtung mangelt es an der Berücksichtigung von multikriteriellen unternehmerischen Zielsetzungen, da eine unternehmerische Entscheidung nicht auf einzelne Primärziele beschränkt werden kann.
Dass sich wirtschaftliche und soziale Interessen nicht zwangsläufig widersprechen, stellte Harold Johnson 1971 heraus, wonach soziales Engagement, zumindest auf lange Sicht betrachtet, auch ökonomische Vorteile herausarbeiten kann.12 Dieser Ansatz fügte im Sinne der Abbildung 2 „Dimensionierung von CSR“ der sozialen Perspektive weiterhin eine ökonomische Sichtweise hinzu. Ökologische Belage, welche in der Abbildung als dritte Dimension dargestellt werden, erhalten jedoch kein Gewicht. Ein Jahr später schrieben Henry G. Manne und Henry C. Wallich, dass diese Dimensionierung auch auf Mehrfachzielsetzungen („multiple motives“) zurückzuführen sei, welche keinesfalls mit einer freiwilligen Mildtätigkeit gleichzusetzen ist.13 Dieser Aspekt wird in der Betrachtung der Kruppschen Motivation zur Errichtung der Margarethenhöhe noch von Bedeutung sein. Paul Samuelson (1971) rückte diese ökonomische Tragweite der sozialen Verantwortung mit deutlichen Worten in den Fokus: „a large corporation these days not only may engage in social responsibility, it had damn well better try to do so“14. Soziale Verantwortung wandelt sich in diesem Verständnis von einem freiwilligen Zusatz zu einem wesentlichen Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit einer Unternehmung.
In der späteren Literatur wird aus diesem Verhältnis sogar ein Widerspruch. Zum einen wird die Freiwilligkeit als Identifikationsmerkmal von CSR herausgestellt, zum anderen ist jedoch ein verantwortliches Unternehmerhandeln zwingende Voraussetzung zur langfristigen Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit.15 Zur Auflösung dieses Konfliktes wird eine „freiwillige“ CSR-Maßnahme mit dem Präfix „juristisch“ freiwillige Maßnahme ausgestattet.16 Hier schließt sich der Kreis zur frühen angelsächsischen Literatur der 1970er Jahre, wo Davis (1973) feststellte: „It means that social responsibility begins where the law ends.“17. Es gilt zu beachten, dass selbstverständlich nicht jede CSR-Maßnahme auch einen wirtschaftlichen Erfolg für das Unternehmen bedeuten muss, vielmehr entsteht das Erfordernis die situations- und unternehmensbezogenen Ansätze zu analysieren und die besten Maßnahmen zu identifizieren.18 Eine mögliche Auswahl sollte stets an den als problematisch erachteten Empfindungen der Stakeholder orientiert sein.19 Es ist daher wichtig, dieses Konzept bereits in der Planung in die Geschäftsstrategie einzufügen, sodass CSR nicht getrennt von der eigentlichen Geschäftstätigkeit betrachtet werden muss.20
Auf der anderen Seite kann CSR nicht dahingehend ausgelegt werden, dass eine Maßnahme nur bei ökonomischer Vorteilhaftigkeit umgesetzt wird.21 Diese eindimensionale (ökonomische) Ausrichtung des CSR-Begriffes ist zu kritisieren und läuft schon den frühen Ansätzen der angelsächsischen Literatur entgegen.22 Eine oberflächliche Deckungsgleichheit mit dieser eindimensionalen Ausrichtung besteht mit der neoklassischen Ausrichtung von Friedman (2003) wonach die soziale Verantwortung von Unternehmen in der Profitsteigerung liegt.23 Ungericht et al. (2008) kritisieren diesen Ansatz dahingehend, dass CSR als Ware oder Produkt mit den entsprechenden unternehmerischen Anforderungen mit anderen Wertschöpfungen des Unternehmens gleichgesetzt wird.24
In diesem Kontext soll der schmale Grad zwischen Freiwilligkeit und Unfreiwilligkeit kurz näher beleuchtet werden. Sofern von Maßnahmen und Festlegungen über das gesetzliche Maß hinaus gesprochen wird, so tritt auch immer eine Selbstregulierung (franz. autorégulation) des Marktes in den Vordergrund. Dass diese Deregulierung wirksamer als gesetzliche Regelungen sein können, zeigt die Verbreitung des „Equator Principles“-Standard (EP) im Bereich der Projektfinanzierung. Im Jahr 2003 haben die zehn weltweit führenden Banken die EP als selbstauferlegte Sozial- und Umweltstandards eingeführt. Bereits im Jahr 2006 entsprachen rund 90 % des weltweiten Projektfinanzierungsvolumens den EP-Richtlinien.25 Die Missachtung dieser Richtlinien hätte für die finanzierenden Institute schwerwiegende Reputationsschäden hinterlassen.26 Die Verbreitung der Richtlinien erfolgte in derart überraschender Schnelligkeit, da hier die ökonomische und soziale Dimension in Einklang gebracht werden konnte. Das Praxisbeispiel zeigt die bereits in der angelsächsischen Literatur verbreitete Ausweitung des CSR-Begriffes auf die ökonomische Dimension. Mithin ist dieser Prozess nicht lediglich ein theoretisches Konstrukt, sondern findet auch praktischen Ausdruck in den Gegebenheiten des Markes.
Kritisch zu der Verbreitung der EP-Standards äußern sich Schoeneborn, Haack und Wickert (2011), da die Verbreitung der Richtlinien insbesondere auf die mangelende Tiefenwirkung des Standards zurückzuführen ist.27 Die Koppelung der außenwirksamen Akzeptierung auf der einen Seite und den geringen Erfordernissen auf der anderen Seite machen die Zeichnung der Standards besonders attraktiv.28 Allerdings ist zu beachten, dass zur wirksamen Verbreitung zunächst eine niedrige Tiefenwirkung als Hemmungssenkung zielführend ist.29 Als Quintessenz bleibt jedoch bestehen, dass die fehlende Unterzeichnung der Standards Reputationsschäden für die betroffenen Unternehmen herbeiführen würde, welche die Grenze zur Freiwilligkeit verwischen.
Einen ersten Ansatz zur Implementierung der ökologischen CSR-Dimension liefert Backman (1975) welcher in einer Reihe von Beispielen für unternehmerische Verantwortung auch „reduction in pollution“ auflistet.30 Von einer eigenen Säule im CSR-Modell kann jedoch noch nicht die Rede sein.
1979 entwickelte Carroll ein Pyramidenmodell, welches das gesamte Spektrum der Anforderungen an Unternehmen abdecken soll.31
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: CSR-Pyramide nach Carroll32
Das Fundament bildet die ökonomische Verantwortung, denn ohne eine Sicherung des Fortbestehens der Unternehmung kann keine Tragung von Verantwortung erzielt werden, bzw. ein Träger von Verantwortung bricht durch Konkurs oder Zersplitterung weg. Dieser Punkt erinnert an den bereits gestreiften neo-klassischen Ansatz von Friedman (2003). Darauf aufbauend steht die juristische Verantwortung, welche in diesem Modell implementiert wird. Dieser Ansatz steht konträr zu Davis (1973), welcher als CSR nur Maßnahmen über die gesetzlichen Anforderungen hinaus definiert.33 Nach diesen Punkten stehen die einheitlich als CSR zu gewichtenden Anforderungen der ethnischen und philanthropischen Verantwortung. Die philanthropische Verantwortung steht in diesem Sinne als Spitze und „höchste“ Form des CSR, da philanthropische Interessen den ökonomischen Aufgaben des Unternehmens am Stärksten entgegenstehen können.34 Habaradas (2011) nennt als wichtigste Ausgangspunkte von philanthropischem Unternehmerhandeln altruistische, integrative und reputationsbedingte Motive.35
Jones (1980) erweitert den CSR-Begriff von einer Einzelfallbetrachtung zu einer Zusammenfassung von Ergebnissen in einem Prozess.36 Tuzzolino und Armandi (1981) greifen die Bedürfnispyramide nach Maslow auf und entwerfen ein Hierachachie-Raster nach Bedürfnissen, welches die menschlichen Grundbedürfnisse nach Maslow auf die „Bedürfnisse“ eines Unternehmens überträgt.37 In diesem Sinne bildet dieses Modell nach Tuzzolino und Armandi eine multikritieriale Zieldimensionierungen ab.
Drucker (1984) stellte den Zusammenhang zwischen unternehmerischer Verantwortung und unternehmerischen Chancen heraus, wobei Caroll (1999) kritisiert, dass dieser Ansatz im Wesentlichen keine neuen Erkenntnisse in den Exkurs einflechten konnte.38 Der Ansatz von Drucker ist dennoch relevant, da dieser sich bereits im Jahre 1954 zum Thema CSR geäußert hatte und nun die neueren Interpretationen aufgriff.
Eine Studie von Cochran und Wood (1985) untersuchte den Zusammenhang zwischen sozialer Verantwortung und unternehmerischem Erfolg.39 Hierfür wurde auf den „reputation index“ nach Moskowitz zurückgegriffen, wonach Unternehmungen in drei Kategorie eingeteilt werden können:
„outstanding“ (überragend)
„honorable mention“ (ehrenhafte Erwähnung) und
„worst „(schlechteste).40
Carroll (1991) beruft sich wiederrum auf die bereits dargestellte Pyramide der CSR-Dimensionen, stellt allerdings heraus, dass erst in den letzten Jahren die ethische und philanthropische Verantwortung eine nennenswerte Beachtung erhalten haben.41 Carroll (1991) greift zudem das Stakeholder-Konzept nach Freeman (1984) auf und grenzt den als wage empfundenen Begriff „social“ auf die das Unternehmen unmittelbar betreffenden Stakeholder-Gruppen ein.42 Somit würde der Stakeholder-Ansatz den theoretischen Ansätzen einer (globalen oder lokalen) gesellschaftlichen Verantwortung Namen und Gesichter hinzufügen.43
Darüber hinaus stellt Carroll (1999) heraus, dass dem CSR-Begriff des angelsächsischen Sprachraums nur geringfügige neue Impulse in der Zeit von 1990 – 1999 hinzugefügt wurden; wesentliche Elemente waren das bereits in den 1970er Jahren entwickelte Konzept der Corporate Social Performance (CSP, insbesondere Swanson 1995), Unternehmensethik, Corporate Citizenship und die bereits erwähnte Stakeholder-Theorie.44 CSP umfasst in diesem Sinne die Konfiguration eines Unternehmens auf sozialen Prinzipen fußend: Prozesse, Prinzipien, Programme und messbare Ergebnisse.45
Die derzeitige deutsche Auslegung des CSR-Begriffes findet ihre Grundlagen in der im ersten Abschnitt dargestellten Diskussion des angelsächsischen Sprachraums. Ein weiterer entscheidender Ausgangspunkt kann in der Auslegung im „Grünbuch“ der Europäischen Kommission (2001) gefunden werden.46 Dort wird festgestellt, dass CSR eine freiwillige Integration von sozialen Fragen und Umweltbelangen in die Unternehmenstätigkeit und Stakeholder-Beziehungen darstellt. Erste Ansätze für die Einbeziehung von Umweltbelangen waren zwar bereits in den angelsächsischen Debatten angedeutet worden, die Europäische Kommission ordnet die Dimension allerdings gleichberechtigt der ökonomischen und sozialen Dimension zu. Hieraus ergibt sich die heutige im deutschen Sprachraum sehr verbreitete Eingrenzung von CSR nach Meffert und Münstermann (2006), welche die drei Hauptelemente Ökonomie, Ökologie und soziale Verantwortung umfasst.47
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Dreiteilige Dimensionierung von CSR48
Zur Betrachtung der in Abbildung 2 dargestellten Dimensionierung ist zudem eine begriffsadäquate Übersetzung erforderlich: Corporate Social Responsiblity als Gesellschaftliche Unternehmensverantwortung und nicht lediglich als Soziale Unternehmensverantwortung. Das Wort „social“ umfasst im angelsächsischen Sprachraum ein umfassendes gemeinnütziges Engagement und ist nicht mit der (zumeist umgangssprachlichen) Nutzung des deutschen „sozial“ gleichzusetzen.49
Ungericht, Raith und Korenjak (2008) stellen eine Differenz zwischen dem funktionalen (ökonomischen) Begriff Corporate Social Responsibility (CSR) und der gesellschaftlichen Unternehmerverantwortung auf individueller Unternehmensebene heraus.50 Diese Unterscheidung erfolgt primär vor dem Hintergrund, dass der um CSR geführte Diskurs einzugrenzen versucht, welche Maßnahmen als gesellschaftliche Unternehmerverantwortung gelten sollen und welche in Hinblick auf die CSR-Definitionen ausscheiden.51
Durch diese Gewichtung des CSR-Begriffes kann ein Bezug zum Konzept der nachhaltigen Entwicklung (sustainable development) hergestellt werden, da, wie Crane und Matten bereits 2004 anmerken, beide Konzepte auf eine homogene Thematisierung abzielen.52
Den bisher stark von Carroll geprägten Ansätzen setzt Hiß (2005) eine dezidierte Konzeption entgegen.53 Einen ähnlichen Ansatz verfolgte jedoch zuvor bereits das Committee for Economic Development (1971) mit einem „three concentric circles“-Ansatz.54 Im Folgenden soll die deutsche Interpretation von Hiß erläutert werden.
Dieser CSR-Ansatz unterteilt den Begriff in drei konzentrische Verantwortungsbereiche:
der innere Verantwortungsbereich (Markt und Gesetz)
der mittlere Verantwortungsbereich (CSR in der Wertschöpfungskette)
der äußere Verantwortungsbereich (CSR außerhalb der Wertschöpfungskette).55
Der erste Kreis ist durch fehlende Freiwilligkeit geprägt, umfasst aber neben den ohnehin bindenden (gesetzlichen) Regelungen auch den bereits dargestellten selbstregulierenden Zwang der Märkte. Die beiden anderen Kreise beruhen primär auf freiwilliger Basis, stehen jedoch zunächst im direkten Bezug zur Wertschöpfungskette (Kreis 2) und im indirekten Bezug zur Wertschöpfungskette (Kreis 3).56
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: CSR-Dimensionierung: Konzentrische Verantwortungsbereiche57
Zum dritten (äußeren) Verantwortungsbereich sind mithin alle außerhalb eines engen Zusammenhangs zur unternehmerischen Wertschöpfungskette stehenden Aktivitäten (bspw. Corporate Citizienship, Corporate Volunteering, Corporate Foundation und Corporate Giving) zu rechnen.58 Diese Trennung der einzelnen konzentrischen Verantwortungsbereiche bleibt jedoch insofern nur eine grobe und unscharfe Einstufung, da Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Bereichen bestehen.59 Die einzelnen Kreise stehen in keiner hierarchischen Struktur zueinander.60
Bemerkenswert an diesem Ansatz ist die Zusammenfassung von gesetzlichen und marktregulierter Unfreiwilligkeit im inneren Verantwortungsbereich. Häufig wird daher auch eine positive Korrelation zwischen CSR-Aktivitäten und Gewinn vermutet.61 Dieser Ansatz ist kritisch zu hinterfragen. Sicherlich ist unternehmerischer Erfolg und gesellschaftliche Verantwortung nicht per se ein Widerspruch.62 Dennoch sollte nicht übersehen werden, dass zwischen ökonomischem Erfolg und gesellschaftlicher Verantwortung eine Differenz besteht, die nicht ohne weiteres aufzulösen ist.63
Nicht ausgeblendet werden sollen auch weitergehende Risiken aus CSR-Aktivitäten:
Die Frage der zeitlichen Perspektive (kurz-, mittel- oder langfristig),
die Frage der Messbarkeit des Zusammenhangs zwischen CSR und Gewinn und
die Konkurrenz zu anderen gewinnbringenden Projekten des Unternehmens (relative Vorteilhaftigkeit).64
Im Gegensatz zu anderen Ansätzen stellt Hiß (2005) in der dargestellten Auslegung auch unfreiwillige Tätigkeiten unter die Bezeichnung CSR. Diese Überlegung ist eng mit der Institutionalisierung des Grundprinzips CSR verknüpft, welcher der Forderung nach mehr Transparenz und Regulierung geschuldet ist.65 Vom philosophischen Standpunkt der Wirtschaftsethik aus betrachtet fordert die anonyme Großgesellschaft zur Verwirklichung von Verantwortung Institutionalisierung und Organisation.66 Normen geben dieser Anforderung einen Handlungsrahmen. Sofern diese Normen jenseits des technischen Bereiches liegen, stellen sie schlicht Verhaltensregeln dar, in dessen Bereich bestimmte Handlungen erlaubt oder unerlaubt sind.67
Im Folgenden sollen die Ansätze der CSR-Institutionalisierung systematisiert werden:
1. Weltweite Institutionen
a. Standards der International Standards Organisation (ISO 26000)
b. OECD-Leitsätze (Organisation for Co-Operation and Economic Development)
c. United Nations Organization (UN Global Compact)
d. Global Reporting Iniative (GRI)
e. AA 1000 Standard (AccountAbility Ltd.)
2. Europäische Institutionen
a. 2001: Europäische Union (EU-Grünbuch – Greenpaper)
b. 1995: Europäische Kommission (CSR Europe)
3. Nationale Institutionen (Deutschland)
a. 2009: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Aktionsplan CSR)
b. CSR WeltWeit Deutsche Unternehmen – Global Engagiert (Bertelsmann Stiftung)
c. Online-Portal CSR-Germany (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände)
d. Thesen zum Verhältnis von Mitbestimmung und CSR (Deutscher Gewerkschaftsbund)68
e. Diverse CSR-Auszeichnungen
Die dargelegte Strukturierung mag unter der selektiven Auswahl leiden, soll jedoch insgesamt nur einen ersten Überblick über die Ansätze der Institutionalisierung von CSR verschaffen. Im folgenden Kapitel werden zwei aktuelle Ansätze der Institutionalisierung der Bundesrepublik Deutschland und der International Standards Organisation (ISO) näher vorgestellt werden.
Der Aktionsplan CSR der Bundesregierung soll auf nationaler Ebene die Verantwortung von Unternehmen fördern und eine internationale Anerkennung der Marke „CSR Deutschland“ unterstützen.69 Die in den Vorbemerkungen dargelegte Eingrenzung des CSR-Begriffes ist stark von den Festlegungen des bereits thematisierten „Grünbuches“ beeinflusst. Als Dimensionen werden eine ökonomische, ökologische und soziale Perspektive herausgestellt.70 Ebenso wird die Integration von CSR in das eigentliche Kerngeschäft der Unternehmungen gefordert.71 Die Freiwilligkeit einer CSR-Maßnahme wird in Anlehnung an Davis (1973) durch ein Übersteigen über die gesetzlichen Anforderungen hinaus gewertet.72 Die Definition des CSR-Begriffes im Aktionsplan CSR kann daher als Spiegel der geführten Diskussion gesehen werden und nimmt wesentliche Ausführungen auf. Nicht unerwartet ist daher der Verweis auf eine nachhaltige Entwicklung.73 Der nationale Aktionsplan soll als Äquivalent zu internationalen Instrumenten und Initiativen stehen, insbesondere den Leitsätzen der multinationalen Unternehmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der dreigliedrigen Grundsatzerklärung über multinationale Unternehmen, der Sozialpolitik der International Labour Organization (ILO) und dem Global Compact der Vereinten Nationen (UN).74
[...]
1 Klages, L. (1922): Vom kosmogonischen Eros. München. S. 108.
2 Vgl. Gburek, M. (2011): Wohlkalkulierte Milde - ein wichtiger Erfolgsbaustein. In: Immobilienwirtschaft 10/2011. S. 19 – 20.
3 Ebenda, S. 19.
4 Vgl. Sigler, C. (2010): Corporate Social Responsibility. Eine Einführung. München. S. 7.
5 Vgl. Müller, M.; Schaltegger, S.: (2008) CSR zwischen unternehmerischer Vergangenheitsbewältigung und Zukunftsgestaltung. In: Müller, M.; Schaltegger, S. (Hrsg.) (2008): Corporate Social Responsibility. München. S. 18.
6 Vgl. Stremmel, R. (2009): Historisches Archiv Krupp. Entwicklungen, Aufgaben, Bestände. 2., aktualisierte Auflage. Berlin, München. S. 215.
7 Vgl. Müller, M.; Schaltegger, S.: (2008) CSR zwischen unternehmerischer Vergangenheitsbewältigung und Zukunftsgestaltung. In: Müller, M.; Schaltegger, S. (Hrsg.) (2008): Corporate Social Responsibility. München. S. 17.
8 Vgl. Carroll, A. (1999): Corporate Social Responsibility. In: Business & Society, Bd. 38, S. 268-295.
9 Ebenda, S. 268.
10 Ebenda, S. 270.
11 Carroll, A. (1999): Corporate Social Responsibility. In: Business & Society, Bd. 38, S. 271.
12 Vgl. Carroll, A. (1999): Corporate Social Responsibility. In: Business & Society, Bd. 38, S. 273 f.
13 Ebenda, S. 276.
14 Carroll, A. (1999): Corporate Social Responsibility. In: Business & Society, Bd. 38, S. 271.
15 Dubielzig, F.: Identifikation der Erfolgsrelevanz sozialer Themen. In: Müller, M.; Schaltegger, S. (Hrsg.) (2008): Corporate Social Responsibility. München. S. 213 f.
16 Ebenda, S. 214.
17 Carroll, A. (1999): Corporate Social Responsibility. In: Business & Society, Bd. 38, S. 277.
18 Vgl. Dubielzig, F.: Identifikation der Erfolgsrelevanz sozialer Themen. In: Müller, M.; Schaltegger, S. (Hrsg.) (2008): Corporate Social Responsibility. München. S. 214.
19 Ebenda, S. 214.
20 Vgl. Kotler, P.; Lee, N. (2005): Corporate Social Responsibility. New York: John Wiley and Sons. S. 1.
21 Vgl. Ungericht, B.; Raith, D.; Korenjak, T. (2008): Corporate Social Responsibility oder gesellschaftliche Unternehmensverantwortung? Einführungen: Wirtschaft. Band 10. Wien. S. 9 – 11.
21 Ebenda, S. 21 f.
22 Ebenda, S. 22.
23 Ebenda, S. 21.
24 Ebenda, S. 23.
25 Vgl. Schoeneborn, D.; Wickert; C. (2010): Zwischen Kontrolle und Vertrauen. In: denaris 02/2010, S. 10.
26 Ebenda, S. 10 f.
27 Vgl. Schoeneborn, D.; Haack, P.; Wickert, C. (2011): Von rhetorischer zu organisationaler Realität?. In: Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik, 12/1, Kassel. S. 80.
28 Ebenda, S. 80.
29 Ebenda, S. 83.
30 QUELLE: LANGTEXT CARROLL!!
31 Vgl. Carroll, A. (1991): The Pyramid of Corporate Social Responsibility. In: Business Horizons. Volume 34, Issue 4. S. 40.
32 Eigene Darstellung nach Carroll, A. (1991): The Pyramid of Corporate Social Responsibility. In: Business Horizons. Volume 34, Issue 4. S. 39 – 48.
33 Vgl. Carroll, A. (1999): Corporate Social Responsibility. In: Business & Society, Bd. 38, S. 277.
34 Vgl. Habaradas, R. (2011): Shifting philanthropic motives. In: Manila Standard Today, 06.06.2011.
35 Ebenda.
36 Vgl. Carroll, A. (1999): Corporate Social Responsibility. In: Business & Society, Bd. 38, S. 284 f.
37 Ebenda, S. 285.
38 Ebenda, S. 286.
39 Vgl. Cochran, P.; Wood, R. (1985): Corporate Social Responsibility and Financial Performance, in: Academy of Management Journal, Vol. 27, No. 1, S. 42.
40 Vgl. Carroll, A. (1999): Corporate Social Responsibility. In: Business & Society, Bd. 38, S. 286 f.
41 Ebenda, S. 289.
42 Ebenda, S. 290.
43 Ebenda, S. 290.
44 Ebenda, S. 290.
45 Vgl. Van Buren, H. (2005): An Employee-centered Model of Corporate Social Performance, in: Business Ethics Quarterly, Vol. 15, Issue 4, Charlottesville, S. 687.
46 Vgl. Sigler, C. (2010): Corporate Social Responsibility. Eine Einführung. Erste Auflage. München. S. 8 f.
47 Ebenda, S. 9 f.
48 Eigene Darstellung.
49 Vgl. Sigler, C. (2010): Corporate Social Responsibility. Eine Einführung. München. S. 9.
50 Vgl. Ungericht, B.; Raith, D.; Korenjak, T. (2008): Corporate Social Responsibility oder gesellschaftliche Unternehmensverantwortung? Einführungen: Wirtschaft. Band 10. Wien. S. 9 ff.
51 Ebenda, S. 11.
52 Vgl. Müller, M.; Schaltegger, S.: (2008) CSR zwischen unternehmerischer Vergangenheitsbewältigung und Zukunftsgestaltung. In: Müller, M.; Schaltegger, S. (Hrsg.) (2008): Corporate Social Responsibility. München. S. 18.
53 Ebenda, S. 20 ff.
54 Vgl. Carroll, A. (1991): The Pyramid of Corporate Social Responsibility. In: Business Horizons. Volume 34, Issue 4. S. 40.
55 Ebenda, S. 21.
56 Ebenda, S. 21.
57 Eigene Darstellung nach: Müller, M.; Schaltegger, S.: (2008) CSR zwischen unternehmerischer Vergangenheitsbewältigung und Zukunftsgestaltung. In: Müller, M.; Schaltegger, S. (Hrsg.) (2008): Corporate Social Responsibility. München. S. 21.
58 Ebenda, S. 22.
59 Ebenda, S. 22.
60 Ebenda, S. 22.
61 Ebenda, S. 23.
62 Vgl. Ungericht, B.; Raith, D.; Korenjak, T. (2008): Corporate Social Responsibility oder gesellschaftliche Unternehmensverantwortung? Wirtschaft. Band 10. Wien. S. 11.
63 Ebenda, S. 11.
64 Vgl. Müller, M.; Schaltegger, S.: (2008) CSR zwischen unternehmerischer Vergangenheitsbewältigung und Zukunftsgestaltung. In: Müller, M.; Schaltegger, S. (Hrsg.) (2008): Corporate Social Responsibility. München. S. 23.
65 Vgl. Sigler, C. (2010): Corporate Social Responsibility. München. S. 22.
66 Vgl. Homann, K. (2010): Die Philosophie und die Wirtschaftskrise. In: Information Philosophie 1/2010. S. 18.
67 Vgl. Bay, K.: (2010): Ziele und Bedeutung der ISO 26000, in: Bay. K. (Hrsg.): ISO 26000 in der Praxis. München. S. 12.
68 Vgl. Sigler, C. (2010): Corporate Social Responsibility. München. S. 22 – 44.
69 Vgl. Bundesregierung (2010): Nationale Strategie zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen. Berlin. Online verfügbar unter http://www.esf.de/portal/generator/16576/property=data/ 2011__06__23__aktionsplan__csr.pdf. (20.12.2011). S. 2.
70 Ebenda, S. 2.
71 Ebenda, S. 2.
72 Ebenda, S. 2.
73 Bundesregierung (2010): Nationale Strategie zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen. Berlin. Online verfügbar unter http://www.esf.de/portal/generator/16576/property=data/ 2011__06__23__aktionsplan__csr.pdf. (20.12.2011). S. 4.
74 Vgl. Bundesregierung (2010): Nationale Strategie zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen. Berlin. Online verfügbar unter http://www.esf.de/portal/generator/16576/property=data/ 2011__06__23__aktionsplan__csr.pdf. (20.12.2011). S. 3 f.